Die Trickkiste der Werbepsychologie ist nahezu unerschöpflich. Eines der im Marketing meistgenutzten psychologischen Phänomene ist der Halo-Effekt. Diese kognitive Verzerrung nutzen Werbungtreibende und Unternehmen zum Beispiel im Produktdesign, bei Influencer-Kampagnen oder wenn sie ihre Werbung gezielt in bestimmten Umfeldern platzieren. Wie man vermeidet, dass das Ganze nach hinten losgeht? Das erklärt Sophie Spiegel, Expert Content Creation & Strategy bei Mediascale.

Halo-was?

Der Halo-Effekt (Englisch „halo“ = Heiligenschein) ist eine aus der Psychologie bekannte kognitive Verzerrung, die oft auch als systematischer Urteilsfehler bezeichnet wird. Er beschreibt die Neigung, von bekannten Eigenschaften einer Person oder Sache auf unbekannte andere Eigenschaften zu schließen. Ein geläufiges Beispiel: Normschöne Menschen werden Studien zufolge oft als intelligenter, kompetenter, erfolgreicher und freundlicher eingeschätzt als andere.

Übrigens hat der Halo-Effekt auch ein Gegenstück: Der sogenannte Horn-Effekt (auch „Teufelshörner-Effekt“ oder „Devil Effect“) beschreibt die Verallgemeinerung einer singulären negativen Beobachtung oder Eigenschaft. Beide Effekte sind Ausdruck einer Grundfunktion des menschlichen Gehirns: der Komplexitätsreduktion. Und die ist wichtig, denn ohne Simplifizierung, Kategorisierung und Übertragung müsste unser Gehirn jede Sekunde eine Unmenge an Reizen und Informationen erfassen, verarbeiten und bewerten.

Baby, I can(‘t) see your halo

Nicht alle sehen den Heiligenschein so klar wie Beyoncé; in den meisten Fällen bleibt der Halo-Effekt unreflektiert und wirkt im Unterbewusstsein. Ohne es zu wissen, haben wir alle schon einmal solche Urteilsfehler begangen, oder versucht, den Effekt für uns zu nutzen: beispielsweise mit dem Blumenstrauß, der Flasche Wein oder den Pralinen für das erste Treffen mit den potenziellen Schwiegereltern.

Was in zwischenmenschlichen Beziehungen funktioniert, setzt auch die Werbepsychologie ein. Schon lange machen sich Marken und Werbungtreibende den Halo-Effekt zunutze:

01 – Die Reichen und Schönen

Wenn George Clooney seinen Nespresso schlürft, der blondgelockte Thomas Gottschalk Haribo Goldbären snackt(e) und Dirk Nowitzki für die ING, naja, Dirk Nowitzki ist, dann profitieren Brands in ihrer Markenwahrnehmung ganz klar von den Abstrahleffekten der prominenten Sympathieträger:innen. Besonders bei langfristigen Ambassador-Kooperationen werden Prominente häufig sogar zum „Gesicht“ der Marke. Das kann gut gehen… oder auch nicht. So führten in der Vergangenheit schon diverse Skandale zu geplatzten Werbedeals – man erinnere sich beispielsweise an Nike und Lance Armstrong.

Ein anderes Beispiel für einen in der Werbung beliebten Halo-Effekt mit langer Tradition: attraktive Gesichter, perfekte Haut, definierte Körper. „Sex sells“ heißt  ein bekanntes, in die Jahre gekommenes Marketing-Mantra. Inzwischen regt sich bei Verbraucher:innen Widerstand. Marken, die unrealistische Schönheitsideale unterstützen, geraten immer wieder dafür in die Kritik, achtlos mit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung und den psychologischen Auswirkungen ihrer Kommunikation auf (junge) Menschen umzugehen.

02 – Tue Gutes und rede darüber… aber richtig

Immer mehr Menschen erwarten von Marken transparente Kommunikation und soziale sowie ökologische Nachhaltigkeit. 66 % der Deutschen geben sogar an, sie würden eine Marke bestimmt oder wahrscheinlich boykottieren, deren Haltung nicht mit ihren Werten übereinstimmt. Wer im Angesicht des wachsenden Drucks als Marke verschläft, sich zu reflektieren und Business sowie Kommunikation darauf auszurichten, wird möglicherweise abgestraft.

Nicht immer und nicht in allen Branchen ist diese Neuausrichtung jedoch unkompliziert erreichbar; das wird nicht zuletzt an Greenwashing-Vorwürfen und -Skandalen deutlich. Und doch: Wer auf Differenziertheit, Aufrichtigkeit, Transparenz und Authentizität achtet, kann als Marke von der Kommunikation seiner Werte und Nachhaltigkeitsinitiativen profitieren. 69 % der Verbraucher:innen aus der oben zitierten Studie geben an, Unternehmen zu honorieren, die versuchen nachhaltig zu produzieren und zu wirtschaften, auch wenn sie das Ziel der Klimaneutralität noch nicht vollständig erreicht haben.

03 – Es ist nicht alles Gold, was glänzt

Kinder der 90er würden wohl bestätigen, dass ikonisches Produktdesign wie bei Apples ersten iPods und MacBooks das Gesamtbild einer Marke nachhaltig prägen kann. Design ist ein machtvolles Instrument – und eine der aufregendsten Sprachen der Welt. Ob bei Logos, Websites, Produkten oder Verpackungen: Ästhetik, Nutzerfreundlichkeit und Funktionalität sorgen für einen positiven Halo-Effekt auf das gesamte Markenbild. Hinzu kommen Suggestionen durch Sprache und Farben; Verpackungen von Milchprodukten werden beispielsweise oft in Blau- oder Grüntönen gehalten. Warum? Blau vermittelt Frische und Reinheit, Grün wirkt beruhigend und natürlich.

Aber Vorsicht: Die Enttäuschung über ein schlechtes Produkt im „schönen Mantel“ kann groß sein. Suggeriert das Äußere Qualität, sollte das Innere diese auch liefern: Eine der 10 Voraussetzungen für gutes Design ist laut Industriedesigner Dieter Rams dessen „Ehrlichkeit“.

04 – Influencer be influencing

Die meisten Menschen vertrauen dem Urteil der Influencer, denen sie auf Social-Media-Plattformen folgen. Oftmals entstehen eingeschworene Communitys und virtuelle Freundschaften, viele fühlen sich „ihren Idolen“ persönlich näher als das in der Realität der Fall ist.

Diese subjektive Nähe und das Vertrauen können bei Kooperationen auch auf Brands abstrahlen: Aktuellen Umfragen zufolge würden 61 % der deutschen Online-Shopper mit größerer Wahrscheinlichkeit bei einer Marke kaufen, wenn diese mit ihnen bekannten Influencern zusammenarbeitet. Als häufigste Gründe für das entgegengebrachte Vertrauen nennen Befragte Glaubwürdigkeit und Authentizität. Kein Wunder also, dass die Investitionen in Influencer Marketing steigen: Mehr als zwei Drittel der Marketingverantwortlichen gaben 2022 laut Statista an, ihre Ausgaben für Influencer-Kooperationen in den kommenden zwölf Monaten erhöhen zu wollen.

Doch wer mit Social Media vertraut ist, weiß auch, wie schnell ein Shitstorm losgetreten ist. Influencer, die zu viele verschiedene Kooperationen eingehen, Produkte und Dienstleistungen nicht ehrlich genug beleuchten oder Werbepartner wählen, die nicht zu ihren eigenen Werten und Grundsätzen passen, werden von ihren Followern nicht selten abgestraft – und genauso die Brands, mit denen sie zusammenarbeiten. Auch hier sind also Authentizität, Content-Qualität und ein grundsätzlich gutes Match zwischen Marke und Influencer Voraussetzungen für den positiven Halo-Effekt.

05 – Umfeldqualität und der doppelte Halo-Coup

Es dürfte keine allzu große Überraschung sein: Anzeigen auf hochwertigen Websites werden deutlich positiver wahrgenommen als identische Anzeigen auf Seiten geringerer Qualität – und zwar um 74 %. Das Vertrauen, das Leser:innen den Inhalten der ihnen bekannten, renommierten Websites entgegenbringen, kann sich auch auf die Marken übertragen, die in diesen Umfeldern werben.

Ein Coup mit doppeltem Halo-Effekt: Stellen Brands den Leser:innen Inhalte zur Verfügung, die ihnen einen direkten Mehrwert bieten UND platzieren diese auf vertrauenswürdigen Plattformen („Native Content“), profitieren sie in doppelter Hinsicht vom Halo-Effekt. Dazu ist es allerdings nötig, die Zielgruppe und ihre Bedürfnisse genau zu verstehen und authentisch auf sie einzugehen.

Mediascale bietet mit dem „Native Campaign Cockpit“ (NCC) eine Lösung, die Analyse, Konzeption, Kreation, Distribution und Reporting solcher nativer Inhalte ganz unkompliziert bündelt. Begleitende Panelisten-Befragungen belegen dabei immer wieder die herausragende Wirkung auf Markenwahrnehmung, Consideration und Aktivierung. Mehr Infos dazu gibt es auf der Mediascale-Website.

Nutze den Heiligenschein: Viele Wege, eine Regel

Ambassadors, Influencer-Kampagnen, (Produkt-)Design, Nachhaltigkeitskommunikation und Native Content sind nur fünf Wege, den Halo-Effekt im Marketing zu nutzen – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, zum Beispiel mit dem Heiligenschein des guten Humors, den Marken wie Snickers oder true fruits in ihrer Kommunikation perfektioniert haben.

Bei allen Halo-Unternehmungen sollte jedoch gelten: Don’t fake it, make it! Authentizität und Qualität schützen vor der spontanen Transformation des angestrebten Halo-Effekts zum ungewollten Horn-Effekt.