Neuseeland ist eine abgelegene Insel am anderen Ende der Welt, auf der sehr viele Schafe und deutlich weniger Menschen leben. Was der dortigen Werbebranche an Größe fehlt, scheint sie durch Kreativität wettzumachen. Denn obwohl in Neuseeland gerade einmal fünf Millionen Menschen leben, mischt der Inselstaat auf internationalen Werbefestivals regelmäßig vorne mit. Hier ein paar Beispiele: Beim renommierten D&AD Festival – das für seine recht strenge Jury bekannt ist – gewann Neuseeland insgesamt 31 „Yellow Pencils“. Deutschland mit einer sechsmal größeren Bevölkerung holte „nur“ 44. Und vergangenes Jahr bei den Cannes Lions gewann Neuseeland 1,8 Löwen pro 1 Million Einwohner:innen. Zum Vergleich: Die erfolgreichste Nation auf dem Festival – die USA – gewann lediglich 0,7 Löwen pro 1 Million Einwohner:innen.

Da ich auch ein „Kiwi“ bin – wie sich die Neuseeländer:innen selbst liebevoll bezeichnen – habe ich mich gefragt, wie es einer abgelegenen Insel im Südwestpazifik gelingt, in der Werbebranche einen so prominenten Platz einzunehmen. Vielleicht können wir gar alle ein bisschen von dieser „Inselmentalität“ lernen?

Zunächst einmal war die neuseeländische Gesellschaft schon immer recht fortschrittlich. So führte Neuseeland als erster Staat der Welt das Frauenwahlrecht ein. Konservative Kunden sind bekanntlich die größten Ideenkiller – vielleicht gibt es in Neuseeland einfach nur sehr wenige davon?

Die Größe des Landes spiegelt sich auch in den Werbebudgets wider. Um sich durchzusetzen, müssen Agenturen deshalb mit originellen Ideen punkten. Disruptives Denken ist in Neuseeland nicht nur erwünscht, sondern ein Muss. Und angesichts knapper Budgets sind neuseeländische Kreative es gewohnt, Probleme auf innovative Weise zu lösen. Dafür sind Kiwis bekannt – man nennt es die „No. 8 Wire Mentality“, die Vorstellung, dass Landwirte mit einem Stück Zaundraht jede fehlerhafte Maschine reparieren können. Diese kulturell verankerte Hands-on-Mentalität hilft scheinbar auch, um richtig gute Werbung zu machen.

Hinzu kommt, dass in Neuseeland so wenig Menschen leben, dass auch die hierarchischen Strukturen auf Kundenseite weniger komplex sind. Ideen werden in der Regel den Leuten präsentiert, die die Entscheidungen treffen. Aus meiner Erfahrung ist das der wohl wichtigste Faktor, um innovative und mutige Konzepte umzusetzen.

All das sind natürlich nur Mutmaßungen – aber vielleicht erklären sie ein Stück weit, warum ein kleines, abgelegenes Land wie Neuseeland in der Kreativbranche so erfolgreich ist. Oder, wie wir auf Englisch sagen: Maybe there’s just something in the water?

Dieser Artikel ist im Rahmen des W&V-„Innovationsradar“ zuerst in der W&V-Ausgabe 02/2023 erschienen.

Die Einladung zur diesjährigen Cannes Jury kam für mich ziemlich überraschend. Als Strategin hatte ich Cannes eigentlich immer als Spielfeld für Kreative gesehen. Aber die Lions sind eben nicht mehr „Werbefestival“, sondern „Festival der Kreativität“ und Technologie hat einen immer stärkeren Einfluss auf Kreativität. Umso mehr habe ich mich über die Einladung in die Digital Craft Jury gefreut, um dort Serviceplan, sowie meine Disziplinen Web3 und Spatial Computing zu vertreten.

Drei Eindrücke sind für mich von meinen ersten Cannes Lions und meiner Jurytätigkeit besonders prägend gewesen. Und ein Aufruf an die deutsche Kreativbranche ist auch dabei.

Vielfalt ist ein Imperativ.

Es mangelt unserer Branche, speziell auch in Deutschland, nach wie vor an Diversität. Fakt. Natürlich gibt es die unterschiedlichsten Themenbereiche, die man hier betrachten könnte (und sollte), in Cannes wiegt ein Aspekt aber besonders schwer: die Vielfalt von Sichtweisen bei der Bewertung von Kreation.

Meine Digital Craft Jury hätte kaum vielfältiger sein können. Ein gebürtiger Südafrikaner und eine Britin indischer Abstammung aus New York, ein Kenianer, ein Brite sri-lankischer Herkunft aus Dubai, eine Kanadierin, eine Malaysierin, ein Brasilianer, ein in Italien lebender Russe, eine in Amsterdam lebende Amerikanerin. Und ich.

Vielfalt in Geschlecht, Alter, Ethnizität, Kultur, Profession, LGBTQIA+ und Lebensstilen. Das zeigt sich auch in der Bewertung der Arbeiten in der Digital Craft Kategorie. Viele Cases hätten wir nicht richtig oder nicht so fundiert bewerten können, hätte nicht eine:r von uns spezielle Insights gehabt. Die Genialität eines chinesischen Cases wurde uns erst bewusst, als Min, unsere malaysische Kollegin, ihn in den kulturellen Kontext einordnen half. Ein brasilianischer Tech-Case bewies sich erst, als der brasilianische Kollege Sergio sein Handy zückte, um allen zu zeigen, dass und wie die Anwendung funktioniert. Die Exzellenz eines Spatial / „Metaverse“ Cases wurde dadurch deutlich, dass ich ihn auf Basis meiner Web3 und Spatial Erfahrung technisch einordnen konnte.

Ohne diese Vielfalt in Sichtweisen, kulturellen und professionellen Hintergründen, hätten wir die Arbeiten nie so fundiert einordnen, verstehen und bewerten können. Deswegen ist es auch so wichtig, Diversität und Vielfalt in allen Bereichen, so gut wie möglich, abzudecken. Man sieht, dass sich in den letzten Jahren einiges getan hat, Luft nach oben besteht aber trotz alledem immer noch. Oftmals vermisse ich – sei es bei Speaker Lineups oder Panels oder Jurymitgliedern, etc. – immer noch eine gewisse Vielfalt. Ein Award Gremium, dass wir uns alle als Beispiel nehmen sollten, im Sinne der Diversität, ist das Cannes Lion International Festival of Creativity. CEO Simon Cook arbeitet jedes Jahr an noch stärkerer Repräsentanz in den Jurys, in diesem Jahr vor allem des afrikanischen Kontinents.

Tech allein reicht nicht

Wir haben in der Digital Craft Kategorie mehr als 600 Cases bewertet. Darunter eine Flut von AI Cases, bei denen neue Tools wie ChatGPT, vor allem aber Midjourney und Dall-e oft verwendet wurden, um zu visualisieren, was man sonst nicht sehen kann: Geschichten von marginalisierten Gruppen wie Flüchtlingen, Obdachlosen, Kriegsveteranen. Alles richtig, wichtig und auch gut. Exzellenz in digital Craft bedeutete für uns aber mehr als die reine Anwendung dieser Technologien. Im nächsten Award Jahr werden Midjourney und Co schon Tools wie Photoshop sein, die wir alle verwenden.

Und so kommt es wieder zurück auf einen grundsätzlichen Aspekt: Purpose. Welche menschliche Verbindung entsteht durch die Technologie? Welches Potential zu wirklicher Veränderung bringt ihr Einsatz mit sich? Lässt sich der Impact skalieren?

Das waren auch die ausschlaggebenden Kriterien für unsere Verleihung des Grand Prix in Digital Craft, den wir final an „Never Done Evolving feat Serena“ von Nike und AKQA vergaben.

Eine schwarze Athletin, die ihre sportliche Karriere bereits beendet hat, wird das Zentrum eines bahnbrechenden Brand- und Tech-Cases. Eine beispiellose Laufbahn wird mittels Machine Learning analysiert, mit digitalen Avataren visualisiert, und mit AI zum Leben erweckt in einem der meistgeschauten digitalen Sport Events. Daten und Erkenntnisse werden genutzt, um die Tennislegenden von morgen zu trainieren, um Produkte zu entwickeln und zu verbessern. Das ist Purpose, ermöglicht durch Technologie.

Unsere Jury Präsidentin Resh Sidhu von Snap fasste unsere Gedanken perfekt zusammen:

„Great digital craft for us is not just about technology. It’s really about using those tools to resonate with people on a human level. And this piece was the epitome of digital craft. It shows what ‘digital artistry’ is today – a combination of creativity, technology and purpose.“

Und wo wir bei „never done evolving“ sind…

Der Jury Präsident der Design Craft Jury in Cannes, Quinnton Harris, sagte zu uns, dass er die Digital Craft Kategorie so spannend fände, weil sie die einzige sei, bei der sich theoretisch ein und derselbe Case jedes Jahr weiterentwickeln ließe. Und er hat recht. Jeder der Cases könnte durch die dynamische Entwicklung von Technologie Jahr um Jahr verbessert werden. Neue Dimensionen erhalten, skalierbarer werden. So eine Art Case 2.0, 3.0, 4.0.

Ein Case mit genau solchem Potential ist einer unserer Gold Gewinner, Transparency Card. Bei diesem Case der brasilianischen Zeitung Congresso em Foco, umgesetzt auch wieder von AKQA, geht es darum, die Ausgaben brasilianischer Politiker transparent zu machen. Dazu mussten zig einzelne Databases angezapft werden, um die Daten zu sammeln und aufzubereiten. Die Kernidee: die Bevölkerung soll wissen, wofür ihre Steuergelder ausgegeben werden. Die Lösung: die Ausgaben der Politiker werden wie Zahlungen der eigenen Kreditkarte in das Handy-Wallet geladen. In real-time. Diese Transparenz dient als Kontrollorgan für die Bevölkerung und ermöglicht es, Politiker für Missbrauch zur Verantwortung zu ziehen. Der Case ist von vornherein so angedacht, dass auch andere Länder die Technologie nutzen können. Und sie soll weiterentwickelt werden, um Skalierung zu ermöglichen. Das ist die wahre Magie von Technologie.

So geht mein erstes Cannes Erlebnis zu Ende. Es war eine bewegende und großartige Zeit, verbunden mit viel, viel Arbeit, vor allem aber mit großartigen neuen Menschen und einem breiten, vielfältigen, beeindruckenden und inspirierenden Spektrum von Arbeiten.

Und jetzt ran an den Speck für 2024!

Vergangene Woche war es wieder so weit: Die gesamte deutschsprachige Digitalszene kam für zwei Tage in Hamburg zusammen und feierte sich selbst auf der OMR, der größten deutschen Messe für das digitale Universum. Mit knapp 72.000 Besucher:innen war das Festival komplett ausverkauft und stieß dabei auch durchaus an die ein oder andere Kapazitätsgrenze. Auffällig: Namhafte Branchenexpert:innen wie Matthew Ball oder Scott Galloway und Kara Swisher, die 2022 noch auf der großen Conference Stage gesprochen haben, wurden dieses Jahr schmerzlich vermisst.

Unsere Key Insights:

1. Künstliche Intelligenz war wie erwartet eines der Fokusthemen auf der OMR. In Deutschland sind die technologischen Entwicklungen im Vergleich zu anderen Industrienationen wie China jedoch noch recht überschaubar. Die Mission: den Anschluss nicht verlieren. Wie wir das schaffen können? Durch gezielte Investitionen in KI, eine aktive Integration von KI in unser Bildungssystem und etwas Mut, auch mal Neues zu wagen.

2. Greenwashing und leere Versprechungen sind out. Denn Klima und Nachhaltigkeit betreffen uns alle – und es liegt in der Hand jedes und jeder Einzelnen, laut zu werden, sich gegen die großen Klimasünder unserer Zeit zu erheben und selbst für Transformation zu sorgen. Als Marke muss man klare Werte vertreten und für diese einstehen, auch wenn das ab und an für Gegenwind sorgen kann.

3. Vertrauen und Authentizität sind wichtige Grundeigenschaften der Gen-Z, die sie nicht nur untereinander schätzt, sondern das auch in der Kommunikation von und mit Brands erwartet. Plattformen wie TikTok, Snapchat und Reddit spielen hier eine wichtige Rolle, um Communities einen Platz zur freien Entfaltung zu liefern. Ein Tipp für Brands: Mit „unhinged content“, also polarisierenden und auch mal weniger brand-safen, dafür aber authentischen und unterhaltsamen Inhalten, die Herzen der User:innen gewinnen.

4. Apropos TikTok & Co.: Eine der spannendsten Thesen dieser OMR war die (Weiter-)Entwicklung von Social Media. Früher lag der Fokus der sozialen Plattformen tatsächlich auf dem „Social“-Aspekt, also dem persönlichen Austausch mit Freund:innen, Familie und Kolleg:innen. Stattdessen agieren die Big Player heute immer mehr als Distributionsplattform für Entertainment und Profi-Content von Creatorn, Stars – und natürlich für Werbung.

5. Gaming ist längst in der breiten Bevölkerung angekommen. Der nächste Schritt: Die Konvergenz von Gaming und (Live) Entertainment. Denn mussten in der Vergangenheit Konzerte in Fortnite noch aufwändig vorab produziert werden, so zeigt die Zukunft real-time Interaktionen in den Games selbst bzw. spezielle Anwendungen, die die Grenzen zwischen Games, Künstler:innen und der realen Welt weiter verschmelzen lassen.

6. Nicht die Marke oder das Produkt sollten im Vordergrund stehen, sondern die Konsument:innen selbst. Stichwort Omni-Channel Marketing und eine Vernetzung aller relevanten Touchpoints. Noch nie war es wichtiger für Brands, eine Beziehung zu ihren Käufer:innen aufzubauen und in Markenloyalität zu investieren. Der emotionale, echte Kontakt (besonders in Zeiten von KI) muss weiterhin im Fokus stehen, denn am Ende wird auch in der Customer Journey oft nach Emotionen entschieden: Nicht der Preis, sondern das Gefühl hat das letzte Wort.

7. Die Zukunft von Search wird geprägt sein von Sprachverarbeitung (maßgeblich beeinflusst durch KI). Search wird viele verschiedene Bereiche, beispielsweise visuelles Verstehen, aus den verschiedensten Datentöpfen miteinander verknüpfen.

Simone Jocham und Alex Turtschan, Mediaplus Innovation Team

Mit beeindruckendem Blick auf den Eifelturm hat sich vor kurzem die europäische Web3 Community zur NFT Paris getroffen. 10.000 Besucher:innen haben sich zwei Tage (und Nächte) lang über die Zukunft von Web3, Metaverse und NFTs ausgetauscht. Das große Interesse und die Energie mit den bekannte Marken, native Web3 Projekte, Theoretiker:innen, Künstler:innen, Kreative und Start-ups in Web3 investieren zeigt vor allem eins: Web3 ist lebendiger denn je. Nina Matzat und Yves Bollinger, Geschäftsleitende des Web3 spezialisiertem Studio Serviceplan DCNTRL, haben die wichtigsten Beobachtungen der NFT Paris 2023 zusammengefasst.

Technische Barrieren fallen.

Bis zum Massenmarkt ist es zwar noch ein Stück, der Weg dahin wird aber für alle Beteiligten einfacher. Lösungen für den Erwerb von NFTs über Kreditkarte und E-Mail-Adresse, ohne zunächst eine eigene Wallet anlegen zu müssen, gibt es schon länger. Präsentiert und diskutiert wurden No-Code Plattformen, die es ohne tiefgreifende Software-Kenntnisse erlauben, Web3-Lösungen zu erstellen. Der Internet-Baukasten für Web3 ist da.

Metaverse-Standards entwickeln sich und wachsen zusammen.

Um zu wachsen, benötigt Web3 echte Interoperabilität. Dafür werden Protokolle benötigt, die plattform-übergreifend definieren, wie sich Objekte im dreidimensionalen Raum verhalten. Diese Protokolle existieren bisher nicht. Sie werden aktuell u.a. durch die Open Metaverse Alliance entwickelt. The Sandbox bewegt sich ebenfalls in diese Richtung. Dort kreierte Avatare können auf OnCyber genutzt werden. Zudem erlaubt es die Sandbox Interoperabilty Bridge aus PFP-Kollektionen Avatare zu kreieren, die in Sandbox eingesetzt werden.

Die operative Betreuung von Communities rückt in den Vordergrund.

Wo bisher die Erfahrung der Audience bis zum Mint (ein Prozess, mit dem neue Token für ein Blockchain-Netzwerk geschaffen werden) im Mittelpunkt vieler Projekte stand, rückt nun endlich das Geschehen nach dem Mint in den Vordergrund. Was tun, wenn mit tollem Storytelling eine Community aufgebaut wurde? Wie wird diese Community operativ und konzeptionell betreut? Welche Benefits erwarten die Holder? Neben den Klassikern wie token-gated Websites mit exklusiven Inhalten oder der Mitbestimmung der Community durch Abstimmungen und Umfragen, nutzen Unternehmen NFTs zur Mitarbeiterbindung über eine Token-basierte Incentivierung. Verschiedene Projekte reichern Holder-Daten über Zeit an und verwerten sie um entsprechende Produkte, bspw. Print-on-Demand Lösungen anzubieten. Möglich wird das auch durch neue Lösungen im Bereich Web3 CRM.

Web2 und Web3 Daten wachsen zusammen: Web3 kann CRM.

Web3 spielt eine wesentliche Rolle für die Zukunft des Marketings, denn es bietet eine Antwort auf einige der aktuellen Herausforderungen: Loyality-Programme in Web2 schaffen es oft nicht, das gewünschte Kundenverhalten auszulösen. In Web3 ist der wahrgenommen Wert für die Nutzer:innen höher. Daten, die on Chain liegen, ermöglichen echtes 1-to-1 Marketing, auf Userdaten basierende Aktionen können Web2 und Web3 übergreifend ausgespielt werden. Die vorhandene CRM-Infrastruktur kann dabei genutzt werden.

Wallets sind die neuen Cookies.

Am deutlichsten hat dies Marc Mathieu von Salesforce ausgedrückt: Wallets sind die neuen Cookies – mit dem Unterschied, dass die Daten diesmal den Nutzer:innen gehören. Für Marken bedeutet das, dass sie sich das Vertrauen der Nutzer:innen neu verdienen müssen. Dabei geht es um viel, denn eine Wallet verrät einiges über ihren Besitzer: Kaufkraft, Ausbildung, Kaufverhalten, Zugehörigkeit zu Communitys, Aktivitäten im Metaverse, etc.. Diese und weitere Datenpunkte können über Wallet-Analytics ausgewertet und potenziell mit Daten aus Web2 zusammengebracht werden.

Massenindividualisierung durch generatives Minting eröffnet neue Monetarisierungsmodelle.

Die von Erick Calderon, CEO von Art Blocks, formulierte These lautet: Wenn die Herstellungskosten eines individualisierten Produkts genauso so hoch sind wie die eines Massenprodukts, werden sich Menschen immer für das individuelle Produkt entscheiden. Wesentlich scheint ihm dabei, dass dennoch die Zugehörigkeit zu einer übergeordneten Familie eindeutig ist. Jedes Teil ist einzigartig, gehört aber zur selben Familie. So entsteht Wert, der nicht allein davon abhängig ist wie selten ein NFT ist. Das Ziel ist ein Wert, der sich nicht nach der Seltenheit eines NFT bemisst. Möglich wird diese durch generatives Minting: Der generative Code wird einmalig auf die Blockchain geladen, jeder Mint löst eine neue Generation aus. Was nach dem so generierten Mint entsteht, ist ein hochgradig interoperables, transparentes, authentisches und mit einem digitalen Eigentumsnachweis versehenes Produkt. Wir beginnen gerade erst zu verstehen, was das für die Gesellschaft und die Produktion bedeutet. In der Kunst haben generative Arbeiten bereits einen festen Platz: Sie werden von Museen einkauft, haben eine neue Generation von Sammlern hervorgebracht und völlig neue Distributionswege eröffnet. Generatives Design erlaubt die Herstellung von beliebig vielen Varianten eines Basis-Designs. Der Künstler Alexis André hat auf diese Weise eine Serie von Wandteppichen erstellt, die digitale Produktion und Handwerk verbinden.

Die Szene ist lebendig und wächst.

Davon konnte man sich vor Ort, bei Gesprächen in der oft viel zu langen Schlange, in Workshops und abends bei einem der vielen Side-Events überzeugen. Aber auch die Zahlen spiegeln das wider: Aktuell existieren weltweit 450 Millionen Wallets. Das Wachstum bis 2030 wird laut der Bosten Consulting Group auf eine Milliarde Wallets im Jahr 2030 steigen. Aber…

Der NFT Space wächst nicht schnell genug.

Tim Walther von VW machte es deutlich: Der NFT-Space wächst, aber er wächst nicht schnell genug. Was es laut Tim braucht, ist ein Big Bang, ein iPhone-Moment für NFTs. NFTs müssen an realen Produkten und Erlebnissen verbunden werden, um eine breite Masse zu erreichen. Die technischen Hürden stehen dabei nicht mehr so stark im Vordergrund, eher die dynamisch entwickelnden Rechts-, Steuer- und Compliance-Fragen für Unternehmen führen zu Problemen.

Die Tokenisierung dringt in alle Bereiche des Alltags vor.

Die Tokenisierung des Alltags schreitet voran. Neben branded Communities, dem digitalen Ausdruck der eigenen Identität oder dem Sammeln von Kunst, bekommen Use Cases endlich eine Bühne. Ein Beispiel: Der von der EU ab 2024 für erste Produkte vorgeschriebene Digital Product Passport. Der DPP zielt darauf ab, Produktinformationen für die Verbraucher:innen transparent zu machen: Rohstoffe, Herkunft, CO2-Emissionen, Gebrauchsanleitungen etc. Damit soll die Kreislaufwirtschaft gefördert und nachhaltiges Einkaufen für Verbaucher:innen vereinfacht werden. Behörden soll die Prüfung der Einhaltung von Bestimmungen erleichtert werden. Es gibt mehrere Möglichkeiten der technischen Umsetzung, es spricht jedoch vieles dafür, den DPP auf einer dezentralisierten Blockchain zu tokenisieren. Auf dem tokenisierten DPP lassen sich weitere Services aufsetzten. So lassen sich bspw. Zusatzdienstleistungen realisieren (Versicherungen, Reparaturen etc.) und der Sekundärmarkt profitiert durch eine lückenlose Dokumentation des Produkts und seines Zustands. Als CRM Tool gedacht, erhöht der auf der Blockchain basierende DPP den Customer Lifetime Value durch Reduktion von Akquise- und Retention Kosten. Und last but not least: Der tokenisierte DPP hat die virtuelle Economy bereits eingebaut. Der digitale Twin eines physischen Produkts erhöht den Reiz des Produkts und kann in virtuellen Umfeldern eingesetzt werden.

POAPs werden zu Bausteinen der digitalen Identität.

Die Einsatzmöglichkeiten von POAPs (auf dem Proof of Attendance Protocol basierende Token) sind sehr vielseitig. Sie können zur Aktivierung im Metaverse eingesetzt werden, als Beweis der Teilnahme an einem Konzert oder Event, um Loyalität zu belohnen. Sprich: eine Belohnung für den Besuch einer Veranstaltung oder des Kaufs eines Produkts. POAPs können limitiert oder unendlich verfügbar sein. Sie können u. a. über QR-Codes, NFC-Tags oder Code Wörter distribuiert werden. Sie gewähren Zugang zu exklusiven Inhalten oder helfen, Hardcore Fans zu identifizieren. Weil sie vielseitig einsetzbar und einfach zu bekommen sind (E-Mail-Adresse genügt) eignen sie sich hervorragend, um Erlebnisse auf der Blockchain zu speichern und Momente im Leben einzufangen. Mit POAPs tokenisieren wir unser Leben. Damit werden POAPs zu einem Teil unserer digitalen Identität und zu Status Symbolen in Web3. Ihr Siegeszug beginnt dabei gerade erst: Aktuell wurden 6 Millionen POAPs von 1 Million Wallets angefordert. Für Marken können POAPs dabei mehr sein als eine lustige Belohnung: Sie sind ein einfacher Weg die Audience einer Marke ins Web3 zu begleiten und dort eine Community aufzubauen. Wird ein POAP gesammelt, erhält die Marke wertvolle Informationen über das Communitymitglied. Diese Daten, bspw. Eventbesuche, Konferenzen, Käufe, Besuche im physischen Store etc.  können genutzt werden, um eine interessengezielte Beziehung mit den Mitglieder:innen aufzubauen.

Digitalisierung, die geopolitische Neuordnung der Welt, globale Krisen – seit der Jahrtausendwende durchleben Menschen und Marken einen nie dagewesenen Wandel. Ungeachtet aller Veränderungen behaupten einige Marken seit zwanzig Jahren ihre Top-Position bei den Best Brands. Wie gelingt ihnen das und was kann man vor diesen All-time-Champions lernen? Antworten darauf gab es im 20. Jahr der  Best Brands beim dazu gehörigen Best Brands College. Durch das Programm führte live aus dem House of Communication Daniel Boschmann. Die Keynote hielt Christoph Keese, Journalist, Bestsellerautor und Vordenker des digitalen Wandels.

Dass Marken sich immer neu erfinden müssen – das sieht Digital-Vordenker Christoph Keese fast als kategorischen Imperativ! „Neue Märkte werden verteilt, wenn sie entstehen. Wenn man zu den letzten gehört, ist es zu spät“. Amazon, Facebook, Elon Musk sind für den Ex-Chefredakteur von „Welt am Sonntag“ und „Financial Times Deutschland“ Paradebeispiele für First Principle Denker: Sie erkennen lange vor anderen ein logisches Prinzip, die Art und Weise wie die Gesellschaft oder ein Business sich verändern werden – und sie entwickeln eine neue Idee. Keeses Beobachtung: „Über 95 Prozent der Disruptoren der Welt haben zuvor nicht in der Branche gearbeitet, die sie disrupieren.“ Sie sind erfolgreich, gerade weil sie nicht belastet sind mit dem Vorwissen der Branche und neue Denkmuster entwickeln. Keese fordert von Unternehmen Thought-Leadership. Thought Leadership zieht Investoren und Talente magnetisch an.  Man müsse etwas Neues zu sagen haben, und es dann auch umsetzen, das ist Keeses Erfolgsrezept der Zukunft!

Christoph Keese plädiert für Thought Leadership von Unternehmern

Best of the Best Brands – Erfolgsfaktoren aus 20 Jahren Best Brands und darüber hinaus.
Petra Süptitz und Mathias Friedrichs, GfK

Was macht Marken dauerhaft stark? Die beiden GfK-Expert:innen Petra Süptitz und Mathias Friedrichs identifizieren 2 Hauptfaktoren: Liebe und Vertrauen. Doch wie schafft man gerade in diesen Zeiten Vertrauen? Marken verlieren bereits seit Jahren an Stellenwert. Nur 14 Prozent der Deutschen kaufen derzeit Marken, weil sie auf bessere Qualität vertrauen. Handelsmarken hingegen gewinnen hinzu, und nicht nur aus finanziellen Gründen: Ein Viertel der Menschen mit hohem Einkommen wechselt gleichfalls zu Handelsmarken.

Ein wichtiger Hebel sind Werte. Jeder zweite kauft Produkte, weil sie seinen Wertvorstellungen entsprechen. Nur wenn Marken die Konsumenten emotional berühren, bleiben diese der Marke treu.

Werte aber befinden sich im Wandel. Einer der wichtigsten Werte 2004 etwa war Gesundheit & Fitness. Best Brands 2004 war folgerichtig Adidas. 2017 stehen Werte wie „Leben genießen“, Freundschaft, Liebe hoch im Kurs. Der Sieger in diesem Jahr: Die Best Brand Coca-Cola hat damals am überzeugendsten auf diesen Wertekosmos eingezahlt.

Die beiden GfK-Forscher geben 3 Hinweise zur Markenführung mit auf den Weg:

  • Vertrauen und Liebe sind maßgeblich für den Erfolg von Marken
  • Halten Sie, was Sie versprechen und bieten Sie Produkte, die die Werte der Menschen adressieren
  • Erfinden Sie Ihre Marke immer wieder neu und setzen Sie auf relevante Trends
Petra Süptitz und Mathias Friedrichs, GfK erklären, was Best Brands zu Best Brands macht


Erfolgreiche Markenführung als Prozess konstanten Wandels
Christian Köhler, Markenverband

„Erfolgreiche Marken hören nie auf, sich zu verändern, Markenführung ist ein konstanter Prozess“, sagt Markenverband-Hauptgeschäftsführer Christian Köhler, mahnt aber: „Zukunft braucht Herkunft, ansonsten verliert man die, die an die Marke glauben“. Zusammen mit der Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens hat der Markenverband eine Szenario-Studie gemacht. Die Studie identifiziert 6 selbstverständliche Faktoren, auf die sich Marken besinnen sollten:

  1. Qualität der Leistung
  2. Vertrautsein mit dem Verbraucher
  3. Klare konsistente Botschaften
  4. Relevanter Kundennutzen
  5. Ehrlichkeit
  6. Wertschätzung des Verbrauchers

Marken bedroht sieht Köhler durch Werbeverbote und Monopolstrukturen. „Es geht um den Missbrauch marktmächtiger Strukturen.“ Der Markenverband reagiert: Beschwerden etwa gegen Apples Ad Tracking Transparency Modul, Verfahren gegen Google und Apple, die Bestwertklausel von Amazon  sollen Gesetze und Regulierungen schaffen.


Von den Best Brands der letzten 20 Jahre lernen – LEGO Gruppe
Katharina Redmonds, LEGO

3 „P“s – das ist das Erfolgsrezept von LEGO

  • Purpose
  • Play
  • People

To inspire & Develop the builders of tomorrow, so formuliert der Spielwarenhersteller seinen Purpose: „Wir sind überzeugt, dass Kinder alle Fähigkeiten, die sich auch für eine Welt von morgen brauchen, über Spielen lernen.“ Purpose hat aber weitreichendere Dimensionen: Inklusion und Diversität etwa – LEGO gibt es überall auf der Welt und ist für alle da, unabhängig von Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Kultur. Schon immer spielt auch Nachhaltigkeit eine große Rolle: LEGO-Steine sind kein Wegwerfprodukt, man gibt sie weiter an die nächste Generation. Bis 2030, so das Unternehmensziel, soll jeder einzelne Stein nachhaltig produziert werden, schon 2022 hat man auf papierbasierte Verpackungen umgestellt. 25 Prozent der Gewinne fließen zudem in die in LEGO Foundation, sie unterstützt benachteiligte Kinder rund um den Erdball

Das Play verändert sich ständig, auf der anderen bleibt es immer gleich. Die Strategie bei der Produktpalette heißt daher: Über 50 Prozent sind Neuheiten, doch der klassische Quader bleibt Kernelement aller Produkte. Ein wichtiger Grundsatz der Dänen: Mut zum Scheitern. Innovation geht auch mal schief. Ähnliches Prinzip wie beim spielen: Man baut etwas, baut auseinander und wieder neu. Erfolgreich hat LEGO sich eine neue Zielgruppe erschlossen: Erwachsene sind der große Wachstumstreiber der vergangenen Jahren. LEGO Bausets für Kunst, Design, Musik, Wissenschaft, Reisen und Geschichte sind Ausgleich zum stressigen Berufsalltag, bieten Möglichkeit, selbst wieder Kind zu sein.

Das dritte „P“ sind die People, die Mitarbeiter. Einen Arbeitsplatz schaffen, wo Mitarbeiter sich ausleben können, ganz sie selbst sein. Mitarbeiter zu fördern und zu inspirieren. Pate stand hierfür der Spielplatz in Live und wie Kinder dort interagieren: Be Curious, be focused, be brave.

Nadine Bartenschlager und Catherine Niebuhr machen als Führungsduo Nivea zur Lovebrand


Von den Best Brands der letzten 20 Jahre lernen – Nivea
Nadine Bartenschlager und Catherine Niebuhr, Nivea

Wer kennt sie nicht, die blaue Dose? Seit 112 Jahren schreibt die Marke Erfolgsgeschichte: Nummer eins Hautpflegemarke in Deutschland, Europa und weltweit. Nadine Bartenschlager und Catherine Niebuhr, die sich die Nivea- Markenführung im Jobsharing teilen, stellen stolz fest: „Ja, Wir sind eine  Ikone und eine Love Brand!“

Doch wie wird man zur Love Brand? Man muss immer wieder das Feuer entfachen, immer wieder überraschen – und trotzdem die perfekte Balance  zwischen Kontinuität und Innovation halten. Im Gegensatz zu LEGO aber liegt der Schwerpunkt eindeutig auf Kontinuität. Den Großteil der Umsätze macht Nivea mit seinen Bestsellern. Produkten, die stark an die originäre Nivea-Creme angelehnt sind. Farbe, Form, Schriftzug und Duft sind zentrale Elemente der Wiedererkennung. Jede noch so kleinste Veränderung an einer Ikone wie Nivea ruft unglaublich viel Feedback über Monate hervor. „Da müssen wir manchmal die Nadeln wieder zurückdrehen“, so Niebuhr.

„Andererseits muss man sich auch ab und zu in Schale schmeißen“. Gold und Silber spielen Rolle bei der Premierisierung der Marke. Die klassische Nivea-Creme kostet 2,50 Euro. Daneben ist Nivea auch mit seinen hochpreisigeren Produkten erfolgreich. In Impulskategorien wie Duschgel gilt: auffallen im Regal! First Mover zu sein ist auch für Nivea  höchstrelevant. 2020 etwa wurde die Luminous-Range gelauncht , inzwischen die Nummer 1  gegen Pigmentflecken.

Die sich verändernden Werte erkennen, ihnen folgen: Nivea steht schon immer für gesunde schöne Haut. Aber wie diese aussieht, hat sich im Laufe der Jahre verändert: in den 70ern war tief gebräunte Haut das absolute Schönheitsideal, heute – mit zunehmendem Wissen über die Gefahren der Sonne – ist ein natürlicher gesunder Teint gefragt. Auch Familienbilder ändern sich. Anfangs klassisches Role-Model. Später: die Rolle des Vaters nimmt zu. Heutzutage ist der Freundeskreis ebenso Familie. All das spiegelt die Kommunikation wider.

Niveas Zielsetzung: Auch für künftige Generationen Lovebrand mit großem Herzschlag bleiben.

Serviceplan-CSO Stefanie Kuhnhen: „Tappen Sie nicht in die Romanesco-Falle!


Markenkonsistenz braucht Wandel – die Megatrends der nächsten 20 Jahre
Stefanie Kuhnhen, Serviceplan Germany

Ein Fraktal: das kleinste Teil sieht aus wie das Ganze. Damit hat das grüne Kohlgemüse Romanesco mit Markenführung viel gemein: auch die sollte konsistent sein und sich immer ähnlich. Doch Vorsicht: Die Schönheit des Romanesco entsteht aus einem Gen-Defekt! Ständig bringt er neue Knospen hervor, die aber nie zur Blüte kommen. So wie 70 Prozent der Marken, die schon innerhalb von 10 Jahren wieder vom Markt verschwinden. Serviceplan-CSO Stefanie Kuhnhen rät: „Tappen sie nicht in die Romanesco-Falle. Marken müssen nicht nur schön und konsistent sein, sondern über viele Jahrzehnte blühen“ Die wichtigste Zutat ist Neugier. Neugier auf Kunst und Kultur, neue Phänomene, das Verhalten junger Menschen.

Der Fotograf Luc Kordas etwa hat die Einsamkeit in der Großstadt New York fotografisch eingefangen. In Japan beobachten wir seit 10 Jahren das Phänomen der Streichelcafes, Menschen können dort gegen Gebühr Katzen und Hunde streicheln. Eine Studie gibt zudem Einblicke in die Gefühlswelt der 13- bis 16-Jährigen: 30 % dieser Generation Alpha geben an, dass es ihnen schwer fällt, Freunde zu gewinnen. 63 % fühlen sich einsam selbst im Kreise von Freunden und Familien.

Drei Beobachtungen, ein augenscheinlicher Trend: Einsamkeit. Cultural Strategy ist die Fähigkeit von Marken Subkultur zu erkennen, darauf aufzusetzen und in den Mainstream zu bringen. Damit können selbst kleine Marken in kürzester Zeit Platzhirsche verdrängen. Kuhnhen definiert vier Megatrends der nächsten 20 Jahre.

  1. neue Gesellschaften – die Pflicht mit echter Wertschätzung neue Communities zu erschließen.
    54 Prozent der Deutschen wünschen sich mehr Diversität in der Kommunikation. 66 % der Jungen würden Marken kaufen, die das in der Kommunikation versprechen
  2. Neue Realitäten – die Chance, das Markenerlebnis neu zu erfinden.  
    75 Prozent der Befragten sind eher positiv gestimmt auf zukünftige digitale Erfahrungen. Herausforderung an Marketer: Wie kann sich die Marke in einen dreidimensionalen Raum anfühlen?  Eine andere: Welches Kundenproblem lösen wir mit Web3, das Web2 so nicht lösen kann?
  3. Neue Knappheit – die neue Notwendigkeit aus weniger mehr zu machen
    62 Prozent der Deutschen kaufen Second Hand Kleidung. In knappen Zeiten muss das Produktangebot sinnvoller gestaltet werden: Sei es durch bessere Haltbarkeit, Leasingoptionen, Reparierbarkeit oder Kreislaufwirtschaft.
  4. Neue Markenrelevanz – Marken müssen wieder faszinieren, um datenbasierte Experiences zu bieten
    73 Prozent der Menschen nutzen “Private Browsing“, einen AD-Blocker oder löschen Cookies. Wo Adblocker und DSGVO Push-Marketing ausschalten, erlebt emotionale Markenführung eine neue Relevanz.

Wie arbeiten wir 2035, fragt Dr. Steffi Burkhart

What if in 2035 … we live in a post-demographic society?
Dr. Steffi Burkhart, Human Capital Evangelist

Was wäre, wenn wir in 2035 erstmals alle Probleme der Menschheitsgeschichte zu lösen? Diese Frage wirft Steffi Burkhart auf. Sie nennt sich Human Capital Evangelist und wirft einen Blick auf die Gesellschaft der Zukunft. Bereits heute sind 40 % der Menschen weltweit aus Generationen Y,Z und Alpha, 2035 werden sie 75 Prozent der Arbeitswelt stellen. Zentrale Frage wird sein: Was möchte ich mit meiner begrenzten Arbeits- und Lebenszeit anstellen?

Burkhart identifiziert 5 Zentrale Antreiber

  1. Statusorientierung: Status bedeutet, dass wir mehr Macht einnehmen.
  2. Nutzenzentrierung: Leben wir, um zu arbeiten? Nein! 2035 werden wir in einer Post-Growth Era ankommen. Wirtschaftlicher Wachstum ist dann nicht mehr selbstverständlich ist, insbesondere in Bezug auf Gewinn, Umsatz und Mitarbeiter.
  3. Beitragsorientierung:  Was geben wir unseren Kunden und Kollegen, was wirklich nutzenstiftend ist
  4. Gemeinschaftsorientierung: In Zeiten zunehmender Vereinsamung und Individualisierung steigt der Wunsch der Menschen nach echter Verbundenheit und Zugehörigkeit. Die Folge: Wir erleben einen Shift von Community zu Careunity, wo es in der Erfüllung durch die Zuwendung zu anderen geht.
  5. Leidenschaft: What Humans can be they must be, getreu nach Maslow: ein Poet muss schreiben, ein Sportler performen, ein Werber werben

Rezessions Kompass

Rezession und die zu befürchtende Kaufzurückhaltung stellen Marketer vor schwer kalkulierbare Herausforderungen. Welche strategischen Hebel in der Kommunikation tatsächlich wirken, war das Thema des aktuellen Rezessions-Kompasses der Serviceplan Group. Handlungsempfehlungen aus der Praxis gab es von Susanne Harring, Geschäftsführerin De‘Longhi Deutschland und Mediaplus-Geschäftsführerin Esther Busch, nach einem Impulsvortrag von Prof. Dr. Michael Grömling (Institut der Deutschen Wirtschaft)

Sicher ist derzeit nur eines: „Die Weltwirtschaft ist von hoher Unsicherheit geprägt“, so Prof. Dr. Michael Grömling. Der Leiter des Clusters Makroökonomie und Konjunktur am Institut der deutschen Wirtschaft, Köln, beschrieb in seinem Impulsvortrag im Rahmen des Serviceplan Group Rezessions-Kompasses, die derzeitige wirtschaftliche Situation. Globale Produktionsnetzwerke leiden unter den pandemiebedingten Spannungen. Die kriegsbedingten Versorgungsprobleme mit Energie und Rohstoffen sorgen für bislang ungekannte Kostenschocks. Und nun zehren auch noch hohe Inflationsraten an der Kaufkraft der Haushalte. Spiegelt sich das wider in zurückgehendem Konsum?

Wertschöpfung gesunken, der Konsum nur bedingt

„Ohne Pandemie und Krieg wäre die Wertschöpfung in Deutschland in den Jahren 2020 bis 2022 um insgesamt 420 Milliarden Euro höher ausgefallen“, bestätigt Grömling. Allerdings zeigen sich vermehrt Lichtblicke: Es gäbe derzeit keine harte Gasmangellage, die Inflation sei zwar hoch, aber nicht weiter steigend – und der Staat nehme weiterhin viel Geld in die Hand, um die Kaufkraft zu stärken. „Bedenken wir, dass sich im Frühjahr 2020 die Wirtschaft noch im freien Fall befand.“

Digital zugeschaltet: Prof. Dr. Michael Grömling vom Institut der Deutschen Wirtschaft

Doch welche Strategien haben Konsumentenmarken entwickelt und – im Idealfall – mit Erfolg gekrönt? Herausfordernd allein die Preispolitik! Susanne Harring, Geschäftsführerin De`Longhi Deutschland erklärt: „Steigende Produktionskosten kann ein Unternehmen nicht einfach so an die Konsumenten weiterreichen“. Man dürfe aber auch den Handel nicht allein lassen, gestiegene Preise können sich auch in einer Anhebung des UVP niederschlagen. Dennoch hat der Marktführer im Segment Kaffeevollautomaten erst jüngst – auch im Zuge des Black Friday – „rekordverdächtige Umsätze“ erzielt – und das nicht im Niedrigpreissegment.

Eine mögliche Erklärung:  Lockdown-Einschränkungen und Home-Office haben dazu geführt, dass Menschen mehr Geld für persönliche Genussmomente ausgeben wollen. Die „third wave of coffee“, die „dritte Kaffeewelle“, läuft laut Grömling auf Hochtouren: So nennen die Experten eine Konsumhaltung, die hochwertigen Kaffee ähnlich wie Wein, Schokolade, Gin oder Craft Beer, vor allem als Genusskultur und nicht als bloße Ware betrachtet. Ein perfekter Nährboden für Austausch, Interessens-Talk, Werbung und Konsum.

Marketingbudgets streichen – der Wahnsinn!

„Es geht hier auch nicht so sehr darum, ob jemand im Hoch- oder im Niedrigpreissegment plötzlich verstärkt Erfolg hat“, sagt Esther Busch, Managing Partnerin bei Mediaplus. „Wir Agenturen müssen beachten, wie wir die Stimmung der Konsument:innen, ihre jeweilige ‚Verfasstheit‘, einfangen und adressieren.“ Eine globale Krise ist damit auch eine Herausforderung, noch genauer zu analysieren. In Krisenzeiten Marketingbudgets zu streichen, hält Busch für „Wahnsinn“. „Wer antizyklisch investiert, hat ganz klar die Chance, auf seinem Terrain zum Category Leader zu werden. Es braucht eine solide werbliche Basis und eine intelligente Verknüpfung von paid, owned und earned media, die sich gegenseitig befeuern“, so Busch. Wer diese Basis aufgibt, um dann ‚irgendwann wieder einzusteigen‘, wird das kaum schaffen.

Susanne Harring und Esther Busch geben Marketern Handlungsempfehlungen in der Rezession

Doch  braucht es hierfür eine exzellente Kommunikationskultur zwischen Kunde und Agentur. „Viel sprechen und Daten teilen“, sagt Susanne Harring. „Und bringt idealerweise alle unsere Arbeitsbereiche an einen gemeinsamen Tisch, macht klare Ansagen“, fordert Esther Busch von den Auftraggebern.

„Einfach mal etwas wagen…“

Analyse ja, aber das in Echtzeit, und: „Einfach mal etwas wagen, auch ohne vorher alles durch Zahlen wasserdicht zu machen“, rät die De‘Longhi-Managerin. Vor einem Jahr überlegten die Kaffee-Spezialisten, wie sie ihre Werbung auf das nächste Level hieven könnten – und fanden Brad Pitt. Der Cappuccino-liebende US-Schauspieler ließ sich als Werbefigur und Markenbotschafter gewinnen. Am Ende stand die erste internationale Kampagne der Firmengeschichte – und zweistellige Wachstumsraten trotz hochvolatilem, krisengeschwängertem Werbemarkt.

Begleitet wurde der TV-Spot von digitalen Maßnahmen, auch auf Out-of-Home: Deutschlands größter digitaler Werbescreen promotete am Berliner Ku’damm je nach Außentemperatur entweder kalte Kaffeespezialitäten oder heißen Espresso und konnte den Werbeeffekt durch heißen Dampf hinter der LED-Wand sogar noch verstärken. Wetter-Targeting macht dies möglich. „Auf digitalen Kanälen können wir jetzt ja auch programmatisch viel bessere Geschichten erzählen“, sagt Busch. Mit klaren Zielen für eine klar umrissene Zielgruppe – und dem Wissen, wann sie sich im ansprechbaren Umfeld befindet.“

Welche Erkenntnisse zu Brandbuilding und emotionaler Markenpflege lassen sich nun aber daraus ableiten? „Wir wissen aus vielen Modellings, dass die Marke 75 Prozent Einfluss auf den Sales Effect hat. Demzufolge kann die Losung nur lauten: Pflegen, pflegen, pflegen! Besonders auf starke Marken lässt sich mit Kampagnen der Performance-Effekt ‚draufsetzen‘.“ Susanne Harring sieht zudem die Unternehmen in Krisenzeiten insbesondere in Sachen Positionierung gefordert: „Es geht vor allem darum, eine Haltung einzunehmen. Wir werden als Unternehmen ganzheitlich von Konsument:innen wahrgenommen. Das sollte allen Marketern bewusst sein.“

NFT.NYC ist mit 15.000 Besucher:innen die größte und derzeit wichtigste Messe rund um das Thema NFTs. In London fand kürzlich die Europäische Ablegerkonferenz statt. Mit knapp 2.500 Besucher:innen war eines vorab bereits klar: Die Diskussion wird persönlicher, fokussierter. Katsche Platz, Creative Director bei dem auf Web3 spezialisiertem Studio Serviceplan DCNTRL, hat die wichtigsten Gespräche zusammengefasst.

Von jugendlichen Angebereien mit teurer Kryptokunst war nichts zu hören. Von Jammerei wegen Bärenmarkt auch nichts. Stattdessen wird das Spektrum an Geschäftsbereichen immer breiter, das von NFT & Co. demnächst revolutioniert werden könnte. Erfolgreiche Fallstudien werden mehr, genauso Service-Anbieter. Von Netflix bis zum Kryptostandort Deutschland: Es gibt News!

NFTs sind tot. Lange leben NFTs!

Digitale Gutscheine, Mode, Mitgliedsausweise, Superfan-Tickets und digitale Sammelobjekte: Einigkeit herrschte darin, dass der Begriff NFT nur für eine kleine Gemeinde sexy ist. Für alle anderen ist (fast) jeder andere Begriff besser geeignet. Der Nutzen steht im Vordergrund. NFT soll drin sein, aber nicht mehr draufstehen. Selbst das Spieleportfolio des Herstellers Immutable zeigt, dass immer mehr Wert auf Grafik und echtes Gameplay gesetzt wird als auf den potentiellen Verdienst mit der NFT-Technologie.

„Als ich meine Fans gebeten habe, mir ihre ENS-Adresse für einen Drop zu schicken, haben mir die meisten ihre physische Postadresse geschickt“, sagte Jacke Murphy, Co-Founder untern anderem von Ape In Records. Zwar herrscht Erklärungsbedarf, reine Aufklärung wird von vielen aber nicht mehr als der richtige Weg angesehen. Es müssten andere Begriffe gefunden werden, die die Menschen verstehen – und eine User Experience geschaffen werden, die intuitiv verständlich ist.

„Token gated“ werden Shops genannt, in denen nur einkaufen kann, wer ein bestimmtes NFT besitzt. Vielen stößt diese Exklusivität auf, auch weil er dem Demokratisierungsgedanken zuwiderläuft, der in Web3 steckt. Mein Diskussionsvorschlag: „token enabled“ (durch den NFT möglich gemacht). Die allseits verständliche Übersetzung vieler Fachbegriffe in Landessprache ist eine weitere Herausforderung.

Es ist Musik drin.

Große Anbieter wie Ticketmaster und Livenation flirten mit NFTs. Das Unternehmen GET Protocol ist weiter und hat bereits 2,8 Millionen Eintrittskarten zu Musikveranstaltungen per NFT verkauft. Eintrittskarten könnten vor den Konzerten dazu genutzt werden, genau den Merchandise zu produzieren, der auch nachgefragt wird. Nach dem Konzert könnten auch Dritte und Sponsoren Vorteile anbieten. NFT-Ticket Inhaber:innen einen ausgeben oder Rabatte in Shops anbieten? Nur der Anfang.

Viele Künstler:innen verdienen heute mehr mit NFTs als mit Streaming bei Spotify & Co. – was auch einfach ist, wenn 90 Prozent der Musiker:innen weniger als 1.000 US-Dollar im Jahr mit Streaming verdienen. Zudem verraten Streaming-Plattformen natürlich auch nicht, wer hier Songs in Dauerschleife spielt. Der Kontakt ist erschwert. Immer mehr Bands und Musiker:innen mit „Superfans“ dürften daher bald die Blockchain für sich entdecken. Mit der Beteiligung der Fangemeinde an Cover-Artwork, Spielorten, Verkaufserlösen oder Mitbestimmung der Art und Weise wie Musik veröffentlicht wird, ist sicherlich auch hier erst der Anfang gemacht.

Niemand braucht mehr Krypto für NFTs

Für viele Menschen war der Kauf von Kryptowährungen und das Einrichten einer digitalen Wallet für NFTs zu kompliziert. Abhilfe schaffen viele neue Service-Anbieter, die den Login zusätzlich auch per Google-, Email- oder Social-Accounts ermöglichen. Dienstleister wie Moonpay bieten schon seit Anfang des Jahres die Möglichkeit, mit der Kreditkarte zu bezahlen. Mastercard hat kürzlich gezeigt, dass komplette Transaktionen (inkl. sog. Gas fees) kryptofrei möglich sind.

Nicht nur wird man bald kaum noch merken, dass man NFT-Technologie nutzt. Auch für die technische Erstellung, Verbreitung und Überwachung von NFTs zeigen sich immer mehr Anbieter – darunter natürlich auch der Veranstalter der Konferenz NFTKred.

eCommerce goes NFTcommerce

Ein Blick in das Programm zeigte zwar, dass die NFT-Technologie immer mehr Wirtschafts- und Kulturfelder betrifft: Sport, Social Media, Charity, Bildung, Musik, Recht & Buchhaltung, Spiele, Film, Mode, Sammeln und Kunst. Ein roter Faden zog sich aber durch fast alle diese Felder, nämlich die Bedeutung von Blockchain für den eCommerce. Rein digitale Güter können leichter und on-demand produziert werden – und weltweit ausgerollt. Hybride Produkte ermöglichen eine direkte, nachvollziehbare Verbindung von Herstellern und Endkund:innen. Es entstehen neue Datensätze, deren Potential gigantisch ist. Auch hier sind bereits viele Dienstleister aktiv. Neben dem Durchbruch von AR (ich setzte auf Apple) ist der Bereich NFTcommerce für mich die heißeste Wette für 2023.

Blockchain Standort Deutschland?

Ich wurde öfter darauf angesprochen, dass viele Deutsche auf der Messe zu sein scheinen. Woran das liegen könnte? Tatsächlich hatten nur wir ein eigenes Panel, bei dem es ausschließlich um den Stand der Dinge in unserem Land ging. Und kaum zu glauben: Die strengen Gesetze könnten für den Standort Deutschland positiv sein. Wer regulatorisch (#MiCA) oder mit Blick auf das Verbraucherrecht in Deutschland die Standards erfüllt, hat in dem Rest Europas nicht viel zu befürchten.

Hoffentlich finden sich bald Wege, die neue Gesellschaftsform der DAO (dezentrale, autonome Organisation) angemessen im deutschen Gesellschaftsrecht zu verankern. Das wäre ein großer Schritt für den Innovationsstandort Deutschland. Die derzeitige Steuergesetzgebung ist mit der einjährigen Haltefrist sehr großzügig und sorgte bei vielen meiner Gesprächspartner für große Augen – vor allem in persönlicher Hinsicht, denn für Unternehmen gilt diese Regelung weiterhin nicht.

Fazit

Web2 und Web3 gehen immer schneller und immer mehr ineinander über. Dabei ist das Verhältnis kein Entweder-oder, sondern ein klares Zusammen. NFT.London: Web3 wird erwachsen.

PS: Die Dokumentation „The Future of Money“ im Anthony Bourdain Stil soll 2023 auf Netflix erscheinen. Mehr dazu bestimmt bald im neuen Netflix-Discord Channel…

Dank Technologien wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) verschmelzen reale und virtuelle Welten im Alltag der Menschen, auch beim Shopping. Eva Simone Lihotzky, Director Group Corporate Strategy bei der Serviceplan Group, erklärt in ihrem Gastbeitrag, wie diese Entwicklung den Handel beeinflussen wird.

Hybrid-Commerce-Strategien spiegeln schon seit Jahren die neuen Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden zwischen realen und digitalen Shoppingwelten – etwa traditionelle Handelsketten, die eigene Online-Shops betreiben, oder E-Commerce-Plattformen, die Brick & Mortar-Läden eröffnen. Nun steht der Hybrid Commerce vor seiner nächsten Evolutionsstufe: Das Metaverse eröffnet Handel und Marken neue Potenziale.

E-Commerce gilt als größter wirtschaftlicher Treiber des Metaverse, wie etwa eine aktuelle McKinsey-Studie belegt. 2022 liegen die Metaverse-Investitionen von Unternehmen bei 120 Milliarden Dollar – mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr. Marken wie Nike verbinden schon heute ihre virtuellen Showrooms und Shops mit dem stationären Handel: Das New Yorker Flagshipstore-Erlebnis wird in eine digitale Shopping-Welt verlängert und mit Nike Virtual View oder Nikeland auf der Spieleplattform Roblox verknüpft. Luxusmarken wie Prada, Gucci oder Balenciaga verkaufen dagegen digitale Produkte als NFTs (Non-Fungible Token) in virtuellen Metaverse-Räumen.

AR- und VR-Geräte werden massentauglich

In der Post-Screen-Ära werden wir neben Smartphones, Tablets und Laptops zunehmend auch AR- und VR-Devices nutzen. Derzeit kommen Technologien noch überwiegend beim Gaming zum Einsatz, doch die hohen Investitionen der großen Tech-Unternehmen könnten AR- und VR-Geräte bald massentauglich werden lassen und vielfältigere Nutzungen ermöglichen, etwa beim Shoppen, Reisen oder Arbeiten. (Teil-)Virtuelle Erlebnisse werden so immer mehr Einzug in unseren Alltag finden.

Dass Konsumierende beim Shoppen auch interagieren und entdecken wollen, verdeutlicht der Social-Commerce-Boom: Auf Facebook, Instagram und TikTok wird inspiriert, vor allem jüngere Zielgruppen erwarten ebenso kurzweilige wie einnehmende Erlebnisse. Virtuelle Welten werden diese Social-Commerce-Erlebnisse noch reichhaltiger machen. Nicht nur durch lebendige 3-D-Effekte, durch den Austausch mit anderen Avataren oder multi-dimensionale Inspirationen, sondern auch und vor allem, weil die neuen Räume mit uns in Echtzeit interagieren: Hier können wir Inhalte erstellen, Produkte entwickeln und Neues erschaffen.

Personalisierte und selbst gestaltete Produkte werden boomen

Ein Produkt zu kaufen, das für individuelle Bedürfnisse maßgeschneidert wurde, bietet ein einmaliges Exklusivitätsgefühl. Deshalb schätzen wir es, unsere Autos zu konfigurieren, unsere Sneaker und T-Shirts selber zu gestalten oder persönliche Duftvariationen zusammenzustellen. Im Metaverse wird sich dieses menschliche Bedürfnis besonders gut ausleben lassen: Dort können Individuen kreativ sein, gestalten, sich mit ihren Avataren und virtuellen Produkten und Umgebungen von anderen unterscheiden und in völlig neue Konstellationen begeben. Deshalb ist davon auszugehen, dass Nutzerinnen und Nutzer gerade hier den Drang nach Personalisierung ausleben, ihre Produkte selbst gestalten und sie dann auch im wirklichen Leben über den Handel kaufen wollen.

Vom Metaverse in den realen Handel

Die nächste Stufe des Hybrid Commerce wird Handel und Marken beim Verkauf von Metaverse-Produkten vor neue Herausforderungen stellen. Konsumierende sind an Echtzeitverfügbarkeit und -lieferfenster gewöhnt. Der Prozess von einem virtuell gestalteten hin zu einem real tragbaren Sneaker kann dagegen nicht nur längere Lieferzeiten bedeuten, sondern auch Designeinschränkungen. Um On-demand-Ware aus dem Metaverse in den realen Handel zu bringen, müssen Unternehmen daher weiter in die Digitalisierung und in innovative Design-Prozessketten investieren, von der Produktion bis hin zum Handel – zum Beispiel in noch bessere Produktionstechniken mithilfe programmierbarer Nähmaschinen oder 3-D-Drucker.

Noch steckt das Metaverse in Sachen Commerce sowie bei der Produkt- und Markeninszenierung in den Kinderschuhen. Künftig werden reale und virtuelle Shoppingwelten aber noch intensiver zusammenwachsen. Dabei wird es nicht nur um den Verkauf digitaler Ware im Metaverse gehen, sondern auch um personalisierte und selbstgestaltete Produkte, die Verbraucherinnen und Verbraucher anschließend in der realen Welt kaufen möchten. Die Evolution der Handelsstrukturen wird dabei Hand in Hand gehen mit den veränderten Bedürfnissen der Konsumierenden, insbesondere junger Zielgruppen. Im Zentrum stehen dabei Live-Erlebnisse, Freiräume für Ideen, Gestaltung und Differenzierung sowie der nahtlose Übergang zwischen realen und virtuellen Welten.

Zuerst erschienen auf zukunftsinsitut.de

Jobtitel Bingo | Kai Martin Ruck

Die Entwicklung kreativer Konzepte ist Teamarbeit!

In unserer neuen Runde Jobtitel Bingo erklärt uns Kai Martin Ruck im Detail, wie er als Client Service Director dafür sorgt, dass bei der Produktion der Assets alles optimal läuft, wie ein typischer Arbeitsalltag bei ihm aussieht und wieso sein Job mit einem Energy Drink vergleichbar ist.

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Olaf Scholz ist kein zweiter Barack Obama. Aber mehr aus der Reserve wagen dürfte er sich bei seiner Kommunikation schon. Weil das Land einen Checker Tobi“ im Kanzleramt braucht.

„Never complain, never explain“ – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird nachgesagt, Anhänger der Kommunikationsmaxime des britischen Königshauses zu sein. Entsprechend zurückhaltend fällt die Kommunikation des Kanzlers im ersten halben Jahr seiner Amtszeit aus. Er scheint als pragmatischer Macher und besonnener Kanzler, der anpackt, wahrgenommen wollen zu werden. Als Einer, der Probleme nicht beschreibt, sondern auf Basis gründlicher Analysen ohne großen Aufhebens löst. Kritiker will der Kanzler mit dieser Strategie wohl ins Leere laufen lassen. Er möchte vermeiden, sie aufzuwerten, indem er auf ihre Argumente eingeht.

Olaf Scholz ist nicht auf Lebenszeit König von Deutschland

Das Problem dabei ist: Diese aus dem 19. Jahrhundert stammende Kommunikations-Maxime ist im digitalen Zeitalter bestenfalls begrenzt wirksam. Olaf Scholz ist nicht auf Lebenszeit König von Deutschland, sondern als Kanzler für die nächsten vier Jahre bestellt. Hinzu kommt: Die Zustimmung für Olaf Scholz ist ausbaufähig. Mit knapp 26 Prozent der abgegebenen Stimmen haben bei Berücksichtigung der Nichtwähler über zwei Drittel aller Bundesbürger Olaf Scholz und die Kanzlerpartei SPD nicht gewählt. Breite Zustimmung sieht anders aus. 

Alleine um diese riesige Gruppe der Nicht-Fans für sich einzunehmen, wäre es sinnvoll, wenn der Kanzler seine Politik stärker erklären würde. Regierungssprecher Steffen Hebestreit hat kürzlich im Fachmagazin „journalist“ die zurückhaltende Kanzler-Kommunikation verteidigt und gesagt, er wolle Scholz nicht verbiegen und setze auf Glaubwürdigkeit und Authentizität. „Wenn man versuchen würde, aus dem Kanzler kommunikativ einen Barack Obama zu machen“, fürchtet sein Chefkommunikator, „geht das nach hinten los“.

Ein Checker Tobi im Kanzleramt wäre hilfreich

Ich finde, Scholz muss nicht gleich zum deutschen Obama werden. Aber der „Scholzomat“ – so wird der Kanzler oft wegen seiner ausweichenden Sprache und seiner eher monotonen Sprechmelodie von Medien tituliert – sollte anders kommunizieren. In Zeiten fundamentaler Umbrüche ist mehr und gewinnende Kommunikation zwingend erforderlich. Viele Menschen haben in diesen Tagen nicht nur Sorgen, sondern echte Angst: Die Pandemie, der Krieg vor unserer Haustür in der Ukraine, der Klimawandel – das sind alles Themen, die die Menschen umtreiben. Was bedeutet das für uns als Gesellschaft? Und vor allem: Was bedeutet es für mich ganz persönlich? Da wäre so eine Art „Checker Tobi“ im Kanzleramt eine große Hilfe. Einer, der in verständlicher Sprache spricht, der Komplexität reduziert. Einer der die Perspektive der Empfänger einnimmt, der anhand von konkreten Beispielen politische Entscheidungen verständlich erklärt, anstatt sie einfach nur bekannt zu geben mit dem typischen Scholz Satz: „Ich habe beschlossen, dass…“.

Es gibt bestimmt viele gute Gründe – zum Beispiel über die Lieferung schwerer Waffen in ein Kriegsgebiet wie die Ukraine – sehr gründlich nachzudenken, mögliche Konsequenzen daraus fundiert zu prüfen und nicht mal eben so ad-hoc zu entscheiden.

Gute Kommunikation besteht zu 80 Prozent aus Begründung 

Doch es ist es genauso wichtig, die Hintergründe einer solchen wegweisenden Entscheidung – und auch des Überlegungsprozesses dahin – transparent zu machen und die Menschen mitzunehmen. Wirksame Veränderungskommunikation besteht zu 20 Prozent aus der Beschreibung dessen, was sich ändert und zu 80 Prozent aus der Begründung, warum diese Veränderung wichtig und richtig ist.

Wie man erfolgreich kommuniziert, kann Scholz übrigens von seinem eigenen Vizekanzler lernen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) hat sich mit der Darstellung seiner eigenen inneren Konflikte bei schwierigen Entscheidungen an die Spitze der Beliebtheitsskala der deutschen Politik gesetzt. Und wenn er anschaulich Probleme mit Öl-Raffinerien oder Alternativen via LNG-Terminals erklärt, dann ist er da, der perfekte Checker-Style. Habeck vermittelt, so wie ein guter Lehrer, dem Schülerinnen und Schüler aufmerksam und gerne zuhören. Weil man am Ende klüger ist und nachvollziehen kann, wieso, weshalb, warum etwas so ist oder passiert. Gecheckt. 

Der Bundeskanzler beweist rhetorisches Geschick

Und auch ein anderes, bei der Bevölkerung laut Umfragen immer beliebter werdendes Mitglied des Kabinetts, Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hat dem schweigsamen Kanzler eine grandiose Steilvorlage für ein Narrativ dieser Kanzlerschaft geliefert. Ihr Satz „wir sind in einer neuen Welt aufgewacht“ könnte die Ouvertüre für die große Geschichte des Olaf Scholz sein. Jetzt müsste Scholz nur noch vermitteln, was diese neue Welt für uns bedeutet und wie wir uns als Land bestmöglich darin zurechtfinden. Steilpass Baerbock, Tor durch Scholz – es könnte eigentlich ganz einfach sein.

Ob Scholz die Kurve zum kommunizierenden Kanzler hinbekommt, weiß ich nicht. Ein Beweis für vorhandenes rhetorisches Geschick zeigte der Kanzler jüngst bei einer Kundgebung zum 1. Mai in Düsseldorf. Als ihn Demonstranten aus dem Querdenkermilieu auspfiffen, niederbrüllten und als Kriegstreiber beschimpften, brüllte der Bundeskanzler ebenso energisch wie dynamisch zurück:

„Es ist zynisch, den Menschen in der Ukraine zu sagen, sie sollten sich ohne Waffen verteidigen“

Kanzler Scholz bei einer Kundgebung am 1. Mai 2022

Scholz kann also auch laut und kämpferisch. Der „Scholzomat“ hat einen Regler für die Lautstärke. Und sogar einen für Emotionalität. Wenn er den künftig häufiger – digital auf Twitter oder real im Bundestag – bei Interviews und Auftritten angemessen hochdrehen würde, gäbe es bestimmt nicht nur von mir mehr Applaus und regelmäßig den Kommentar: „Yes you can, Kanzler!“