Wie sieht die Radio-Landschaft in Deutschland 2030 aus? Im Rahmen des Mittwochmittag Mediatalks auf Clubhouse haben die beiden Hörfunkexperten Olaf Hopp (CEO NRJ Group Deutschland) und Erwin Linnenbach (Geschäftsführer Teutocast sowie Gastgeber Wolfgang Bscheid (Geschäftsführer Mediascale) einige zentrale Zukunftsprognosen gewagt.

Ihre Thesen: Es wird mehr Angebot geben, aber es kommt zu einer Konsolidierung unter den Anteilseignern der Sender. DAB+ wird UKW als Übertragungsstandard ablösen. Und nationale Radiosender werden sich via DAB+ und Web ebenso etablieren, wie neue Vermarkter auf Bundesebene. Sprechen wird das neue Schreiben und die Hörökonomie erfährt eine neue Wertigkeit. Das Smartphone an sich revolutioniert unser Medien und Nutzungsverhalten. Und Audio profitiert von diesem Trend zu Snackable Content.

Noch ist der deutsche Hörfunkmarkt stark fragmentiert. Eine Folge des deutschen Rundfunkrechts, das lokale und regionale Sender bevorzugen wollte, während im internationalen Vergleich meist nationale Radiosender die Märkte prägen. Via Smartphone und Smart Speaker knabbern Podcasts, Musikstreaming, Audiotheken und Hörbücher gerade bei jüngeren Zielgruppen am Zeitbudget für das UKW-Radio. Laut einer Umfrage von Deloitte erzielt Musik-Streaming in jüngeren Zielgruppen bereits größere Reichweiten als das klassische Radio. Und gleichzeitig stagniert der Radio-Anteil am Werbemarkt bei ca. 800 Mio. Euro netto, wenn nicht gerade eine Pandemie herrscht. Die Rahmenbedingungen für einen Strukturwandel in der deutschen Hörfunk-Landschaft scheinen also gegeben.

Hier ein paar ausgewählte O-Töne aus dem Talk

Erwin Linnenbach, Teutocast: „Eigentlich gibt es keinen deutschen Radiomarkt. Für rund 250 UKW-Sender gibt es derzeit in Deutschland  2500 Eigentümer. Sehr ungewöhnlich, dass da bisher keine Konsolidierung stattgefunden hat. “ …. „Es freut mich, dass die Hörökonomie im Augenblick eine ganz andere Wertigkeit bekommt. Wir hängen im internationalen Vergleich total hinterher, inbesondere in der Politik und bei der Werbewirtschaft, aber auch insgesamt in der Gesellschaft.“ …

„Die jungen Leute finden über Streaming und Podcast wieder zum Hören zurück. Diese Generation ist für uns nicht nur ein Problem, weil sie sich vom klassischen Radio zunehmend abwendet, sondern auch eine Riesenchance, das Hören in Deutschland auf ein international vergleichbares Niveau zu bekommen.“

Wolfgang Bscheid, Mediascale: „Wir registrieren bei Podcasts und neuen gesprochenen Formaten eine völlig andere Qualität des aktiven Hinhörens. Diese Aufmerksamkeitsqualität bildet sich momentan nirgends ab. Wir rechnen immer noch mit einem TKP. Es ist ein großes Manko, dass wir es nicht schaffen, diesen Qualitätsaspekt als Planungsfaktor zu integrieren. Damit würden diese Inhalte eine ganz andere Refinanzierungsmöglichkeit bekommen.“

Olaf Hopp, NRJ: „Ich bin der festen Überzeugung, dass durch mehr Angebot auch mehr Nutzung entsteht. Klassische Radionutzung, die immer noch auf einem extrem hohen Niveau stattfindet, und Podcasts kannibalisieren sich nicht, sondern ergänzen sich wunderbar – aufgrund der unterschiedlichen Nutzungssituationen und –zeiten. Sprechen ist das neue Schreiben. Stimme ist die niedrigschwelligste Interaktionsform, die es gibt, davon werden Audio und Radio profitieren“

Über den Audio-Werbemarkt

Olaf Hopp, NRJ: „Der Kuchen wird größer werden. Der Marktanteil von Radio wird sich im Werbemarkt positiv verändern. Attraktivere Angebote werden dazu führen, dass auch der Ad Share steigen wird. Die Werbeindustrie wird Radio und Audio noch deutlich mehr für sich entdecken. Ich glaube, die neuen nationalen Programm auf DAB+ bieten auch die Chance, neue Vermarktungsstrukturen zu initiieren.“

Erwin Linnenbach, Teutocast: „Ich wäre glücklich, wenn wir beim Werbemarktanteil in Deutschland den europäischen Durchschnitt erreichen. Das wären 7 bis 7,5 Prozent des nationalen Werbekuchens und statt 800 Millionen Euro müßten wir dann eigentlich bei anderthalb Milliarden landen.“

Wolfgang Bscheid, Mediascale: „Ein Podcast funktioniert nicht mit einem klassischen Unterbrecherspot. Wenn wir über die Zukunft von Audio nachdenken, dann müssen wir auch über die Zukunft von Werbeformaten nachdenken. ….Zukünftig sollten Radiomacher auch das Knowhow verkaufen, wie man die Botschaft des Kunden aktiv und unterhaltsam so ins Programm integriert, dass sie nicht mehr stört. Audio ist emotional stark und deutlich günstiger als der Sprung ins Fernsehen.“

Über die zentralen Wettbewerber

Olaf Hopp, NRJ: „Die Innovationsgeschwindigkeit im Radio in den letzten drei Jahrzehnten war markt- und umständebedingt nicht zwingend groß. Bei einer SWOT-Analyse stünden ganz klar die GAFAs und andere internationale Player im Segment ,Bedrohung‘. Sie sind der strategische Wettbewerber. Aber mir ist da nicht bange, wir haben genügend Geschwindigkeit und Finesse, um den Kampf des kleinen David gegen den großen Goliath mit ganz viel Leidenschaft zu führen.“

Wolfgang Bscheid, Mediascale: „Spotiy, Amazon, Apple, die neuen, großen Player im Audiobusiness haben ein anderes Geschäftsmodell. Sie finanzieren sich über Abogebühren und können ein attraktiveres, weil auch werbefreies Angebot gestalten.“

Erwin Linnenbach, Teutocast: „Darin sehe ich eine Chance. Wir haben für unser Autofahrerradio recht schnell die dpd als Partner gewonnen und einen langfristigen Kooperationsvertrag geschlossen. Das ist neues Geld für Audio. Wir müssen endlich die Umfelder anbieten und via Co-Creation oder dauerhaften Sonderwerbeformen in den Dialog mit den Kunden einzusteigen, um deren Kommunikationsziele in unser Programm bzw. die raudiobaiserten Plattformen hineinentwickeln.“

Die Zukunft von Radio und Audio

Olaf Hopp, NRJ: „Die Zahl der neuen Angebote wird weniger rasant steigen als es in den letzten Jahren der Fall war. DAB+ wird UKW als Übertragungsstandard in den kommenden Jahren ablösen. Alle Neuwagen werden mit Radios ausgeliefert, die eine digitale Schnittstelle haben. Das Smartphone an sich revolutioniert unser Medien und Nutzungsverhalten. Und Audio profitiert von diesem Trend zu Snackable Content.“

Erwin Linnenbach, Teutocast: „Nationale Radiomarken werden stärker. Im UKW-Bereich wird es eine Konsolidierungswelle unter den Gesellschaftern geben. Ich hoffe außerdem, dass von außen Investoren, in den Audiomarkt einstiegen. Nationale Radiovermarktung wird sich dramatisch verändern. Und das Hören erfährt endlich Gerechtigkeit in der deutschen Gesellschaft.“

Den ganzen Talk, moderiert von Radio-Expertin Ina Tenz und Journalist Christian Faltin, finden sie hier https://youtu.be/j1hwTEW0Qp8

2 Kommentare
  1. J
    J sagte:

    Radio und WhatsApp. Lagerfeuer und Sponsored. Radio Marketing und Senderstrukturen sind veraltet, die Radiomacher jüngster Generationen sind wie immer am Puls der Zeit und bringen die Fertigkuchenbackmischung zum gehen.

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