Mit beeindruckendem Blick auf den Eifelturm hat sich vor kurzem die europäische Web3 Community zur NFT Paris getroffen. 10.000 Besucher:innen haben sich zwei Tage (und Nächte) lang über die Zukunft von Web3, Metaverse und NFTs ausgetauscht. Das große Interesse und die Energie mit den bekannte Marken, native Web3 Projekte, Theoretiker:innen, Künstler:innen, Kreative und Start-ups in Web3 investieren zeigt vor allem eins: Web3 ist lebendiger denn je. Nina Matzat und Yves Bollinger, Geschäftsleitende des Web3 spezialisiertem Studio Serviceplan DCNTRL, haben die wichtigsten Beobachtungen der NFT Paris 2023 zusammengefasst.
Technische Barrieren fallen.
Bis zum Massenmarkt ist es zwar noch ein Stück, der Weg dahin wird aber für alle Beteiligten einfacher. Lösungen für den Erwerb von NFTs über Kreditkarte und E-Mail-Adresse, ohne zunächst eine eigene Wallet anlegen zu müssen, gibt es schon länger. Präsentiert und diskutiert wurden No-Code Plattformen, die es ohne tiefgreifende Software-Kenntnisse erlauben, Web3-Lösungen zu erstellen. Der Internet-Baukasten für Web3 ist da.
Metaverse-Standards entwickeln sich und wachsen zusammen.
Um zu wachsen, benötigt Web3 echte Interoperabilität. Dafür werden Protokolle benötigt, die plattform-übergreifend definieren, wie sich Objekte im dreidimensionalen Raum verhalten. Diese Protokolle existieren bisher nicht. Sie werden aktuell u.a. durch die Open Metaverse Alliance entwickelt. The Sandbox bewegt sich ebenfalls in diese Richtung. Dort kreierte Avatare können auf OnCyber genutzt werden. Zudem erlaubt es die Sandbox Interoperabilty Bridge aus PFP-Kollektionen Avatare zu kreieren, die in Sandbox eingesetzt werden.
Die operative Betreuung von Communities rückt in den Vordergrund.
Wo bisher die Erfahrung der Audience bis zum Mint (ein Prozess, mit dem neue Token für ein Blockchain-Netzwerk geschaffen werden) im Mittelpunkt vieler Projekte stand, rückt nun endlich das Geschehen nach dem Mint in den Vordergrund. Was tun, wenn mit tollem Storytelling eine Community aufgebaut wurde? Wie wird diese Community operativ und konzeptionell betreut? Welche Benefits erwarten die Holder? Neben den Klassikern wie token-gated Websites mit exklusiven Inhalten oder der Mitbestimmung der Community durch Abstimmungen und Umfragen, nutzen Unternehmen NFTs zur Mitarbeiterbindung über eine Token-basierte Incentivierung. Verschiedene Projekte reichern Holder-Daten über Zeit an und verwerten sie um entsprechende Produkte, bspw. Print-on-Demand Lösungen anzubieten. Möglich wird das auch durch neue Lösungen im Bereich Web3 CRM.
Web2 und Web3 Daten wachsen zusammen: Web3 kann CRM.
Web3 spielt eine wesentliche Rolle für die Zukunft des Marketings, denn es bietet eine Antwort auf einige der aktuellen Herausforderungen: Loyality-Programme in Web2 schaffen es oft nicht, das gewünschte Kundenverhalten auszulösen. In Web3 ist der wahrgenommen Wert für die Nutzer:innen höher. Daten, die on Chain liegen, ermöglichen echtes 1-to-1 Marketing, auf Userdaten basierende Aktionen können Web2 und Web3 übergreifend ausgespielt werden. Die vorhandene CRM-Infrastruktur kann dabei genutzt werden.
Wallets sind die neuen Cookies.
Am deutlichsten hat dies Marc Mathieu von Salesforce ausgedrückt: Wallets sind die neuen Cookies – mit dem Unterschied, dass die Daten diesmal den Nutzer:innen gehören. Für Marken bedeutet das, dass sie sich das Vertrauen der Nutzer:innen neu verdienen müssen. Dabei geht es um viel, denn eine Wallet verrät einiges über ihren Besitzer: Kaufkraft, Ausbildung, Kaufverhalten, Zugehörigkeit zu Communitys, Aktivitäten im Metaverse, etc.. Diese und weitere Datenpunkte können über Wallet-Analytics ausgewertet und potenziell mit Daten aus Web2 zusammengebracht werden.
Massenindividualisierung durch generatives Minting eröffnet neue Monetarisierungsmodelle.
Die von Erick Calderon, CEO von Art Blocks, formulierte These lautet: Wenn die Herstellungskosten eines individualisierten Produkts genauso so hoch sind wie die eines Massenprodukts, werden sich Menschen immer für das individuelle Produkt entscheiden. Wesentlich scheint ihm dabei, dass dennoch die Zugehörigkeit zu einer übergeordneten Familie eindeutig ist. Jedes Teil ist einzigartig, gehört aber zur selben Familie. So entsteht Wert, der nicht allein davon abhängig ist wie selten ein NFT ist. Das Ziel ist ein Wert, der sich nicht nach der Seltenheit eines NFT bemisst. Möglich wird diese durch generatives Minting: Der generative Code wird einmalig auf die Blockchain geladen, jeder Mint löst eine neue Generation aus. Was nach dem so generierten Mint entsteht, ist ein hochgradig interoperables, transparentes, authentisches und mit einem digitalen Eigentumsnachweis versehenes Produkt. Wir beginnen gerade erst zu verstehen, was das für die Gesellschaft und die Produktion bedeutet. In der Kunst haben generative Arbeiten bereits einen festen Platz: Sie werden von Museen einkauft, haben eine neue Generation von Sammlern hervorgebracht und völlig neue Distributionswege eröffnet. Generatives Design erlaubt die Herstellung von beliebig vielen Varianten eines Basis-Designs. Der Künstler Alexis André hat auf diese Weise eine Serie von Wandteppichen erstellt, die digitale Produktion und Handwerk verbinden.
Die Szene ist lebendig und wächst.
Davon konnte man sich vor Ort, bei Gesprächen in der oft viel zu langen Schlange, in Workshops und abends bei einem der vielen Side-Events überzeugen. Aber auch die Zahlen spiegeln das wider: Aktuell existieren weltweit 450 Millionen Wallets. Das Wachstum bis 2030 wird laut der Bosten Consulting Group auf eine Milliarde Wallets im Jahr 2030 steigen. Aber…
Der NFT Space wächst nicht schnell genug.
Tim Walther von VW machte es deutlich: Der NFT-Space wächst, aber er wächst nicht schnell genug. Was es laut Tim braucht, ist ein Big Bang, ein iPhone-Moment für NFTs. NFTs müssen an realen Produkten und Erlebnissen verbunden werden, um eine breite Masse zu erreichen. Die technischen Hürden stehen dabei nicht mehr so stark im Vordergrund, eher die dynamisch entwickelnden Rechts-, Steuer- und Compliance-Fragen für Unternehmen führen zu Problemen.
Die Tokenisierung dringt in alle Bereiche des Alltags vor.
Die Tokenisierung des Alltags schreitet voran. Neben branded Communities, dem digitalen Ausdruck der eigenen Identität oder dem Sammeln von Kunst, bekommen Use Cases endlich eine Bühne. Ein Beispiel: Der von der EU ab 2024 für erste Produkte vorgeschriebene Digital Product Passport. Der DPP zielt darauf ab, Produktinformationen für die Verbraucher:innen transparent zu machen: Rohstoffe, Herkunft, CO2-Emissionen, Gebrauchsanleitungen etc. Damit soll die Kreislaufwirtschaft gefördert und nachhaltiges Einkaufen für Verbaucher:innen vereinfacht werden. Behörden soll die Prüfung der Einhaltung von Bestimmungen erleichtert werden. Es gibt mehrere Möglichkeiten der technischen Umsetzung, es spricht jedoch vieles dafür, den DPP auf einer dezentralisierten Blockchain zu tokenisieren. Auf dem tokenisierten DPP lassen sich weitere Services aufsetzten. So lassen sich bspw. Zusatzdienstleistungen realisieren (Versicherungen, Reparaturen etc.) und der Sekundärmarkt profitiert durch eine lückenlose Dokumentation des Produkts und seines Zustands. Als CRM Tool gedacht, erhöht der auf der Blockchain basierende DPP den Customer Lifetime Value durch Reduktion von Akquise- und Retention Kosten. Und last but not least: Der tokenisierte DPP hat die virtuelle Economy bereits eingebaut. Der digitale Twin eines physischen Produkts erhöht den Reiz des Produkts und kann in virtuellen Umfeldern eingesetzt werden.
POAPs werden zu Bausteinen der digitalen Identität.
Die Einsatzmöglichkeiten von POAPs (auf dem Proof of Attendance Protocol basierende Token) sind sehr vielseitig. Sie können zur Aktivierung im Metaverse eingesetzt werden, als Beweis der Teilnahme an einem Konzert oder Event, um Loyalität zu belohnen. Sprich: eine Belohnung für den Besuch einer Veranstaltung oder des Kaufs eines Produkts. POAPs können limitiert oder unendlich verfügbar sein. Sie können u. a. über QR-Codes, NFC-Tags oder Code Wörter distribuiert werden. Sie gewähren Zugang zu exklusiven Inhalten oder helfen, Hardcore Fans zu identifizieren. Weil sie vielseitig einsetzbar und einfach zu bekommen sind (E-Mail-Adresse genügt) eignen sie sich hervorragend, um Erlebnisse auf der Blockchain zu speichern und Momente im Leben einzufangen. Mit POAPs tokenisieren wir unser Leben. Damit werden POAPs zu einem Teil unserer digitalen Identität und zu Status Symbolen in Web3. Ihr Siegeszug beginnt dabei gerade erst: Aktuell wurden 6 Millionen POAPs von 1 Million Wallets angefordert. Für Marken können POAPs dabei mehr sein als eine lustige Belohnung: Sie sind ein einfacher Weg die Audience einer Marke ins Web3 zu begleiten und dort eine Community aufzubauen. Wird ein POAP gesammelt, erhält die Marke wertvolle Informationen über das Communitymitglied. Diese Daten, bspw. Eventbesuche, Konferenzen, Käufe, Besuche im physischen Store etc. können genutzt werden, um eine interessengezielte Beziehung mit den Mitglieder:innen aufzubauen.