Digitalisierung, die geopolitische Neuordnung der Welt, globale Krisen – seit der Jahrtausendwende durchleben Menschen und Marken einen nie dagewesenen Wandel. Ungeachtet aller Veränderungen behaupten einige Marken seit zwanzig Jahren ihre Top-Position bei den Best Brands. Wie gelingt ihnen das und was kann man vor diesen All-time-Champions lernen? Antworten darauf gab es im 20. Jahr der  Best Brands beim dazu gehörigen Best Brands College. Durch das Programm führte live aus dem House of Communication Daniel Boschmann. Die Keynote hielt Christoph Keese, Journalist, Bestsellerautor und Vordenker des digitalen Wandels.

Dass Marken sich immer neu erfinden müssen – das sieht Digital-Vordenker Christoph Keese fast als kategorischen Imperativ! „Neue Märkte werden verteilt, wenn sie entstehen. Wenn man zu den letzten gehört, ist es zu spät“. Amazon, Facebook, Elon Musk sind für den Ex-Chefredakteur von „Welt am Sonntag“ und „Financial Times Deutschland“ Paradebeispiele für First Principle Denker: Sie erkennen lange vor anderen ein logisches Prinzip, die Art und Weise wie die Gesellschaft oder ein Business sich verändern werden – und sie entwickeln eine neue Idee. Keeses Beobachtung: „Über 95 Prozent der Disruptoren der Welt haben zuvor nicht in der Branche gearbeitet, die sie disrupieren.“ Sie sind erfolgreich, gerade weil sie nicht belastet sind mit dem Vorwissen der Branche und neue Denkmuster entwickeln. Keese fordert von Unternehmen Thought-Leadership. Thought Leadership zieht Investoren und Talente magnetisch an.  Man müsse etwas Neues zu sagen haben, und es dann auch umsetzen, das ist Keeses Erfolgsrezept der Zukunft!

Christoph Keese plädiert für Thought Leadership von Unternehmern

Best of the Best Brands – Erfolgsfaktoren aus 20 Jahren Best Brands und darüber hinaus.
Petra Süptitz und Mathias Friedrichs, GfK

Was macht Marken dauerhaft stark? Die beiden GfK-Expert:innen Petra Süptitz und Mathias Friedrichs identifizieren 2 Hauptfaktoren: Liebe und Vertrauen. Doch wie schafft man gerade in diesen Zeiten Vertrauen? Marken verlieren bereits seit Jahren an Stellenwert. Nur 14 Prozent der Deutschen kaufen derzeit Marken, weil sie auf bessere Qualität vertrauen. Handelsmarken hingegen gewinnen hinzu, und nicht nur aus finanziellen Gründen: Ein Viertel der Menschen mit hohem Einkommen wechselt gleichfalls zu Handelsmarken.

Ein wichtiger Hebel sind Werte. Jeder zweite kauft Produkte, weil sie seinen Wertvorstellungen entsprechen. Nur wenn Marken die Konsumenten emotional berühren, bleiben diese der Marke treu.

Werte aber befinden sich im Wandel. Einer der wichtigsten Werte 2004 etwa war Gesundheit & Fitness. Best Brands 2004 war folgerichtig Adidas. 2017 stehen Werte wie „Leben genießen“, Freundschaft, Liebe hoch im Kurs. Der Sieger in diesem Jahr: Die Best Brand Coca-Cola hat damals am überzeugendsten auf diesen Wertekosmos eingezahlt.

Die beiden GfK-Forscher geben 3 Hinweise zur Markenführung mit auf den Weg:

  • Vertrauen und Liebe sind maßgeblich für den Erfolg von Marken
  • Halten Sie, was Sie versprechen und bieten Sie Produkte, die die Werte der Menschen adressieren
  • Erfinden Sie Ihre Marke immer wieder neu und setzen Sie auf relevante Trends
Petra Süptitz und Mathias Friedrichs, GfK erklären, was Best Brands zu Best Brands macht


Erfolgreiche Markenführung als Prozess konstanten Wandels
Christian Köhler, Markenverband

„Erfolgreiche Marken hören nie auf, sich zu verändern, Markenführung ist ein konstanter Prozess“, sagt Markenverband-Hauptgeschäftsführer Christian Köhler, mahnt aber: „Zukunft braucht Herkunft, ansonsten verliert man die, die an die Marke glauben“. Zusammen mit der Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens hat der Markenverband eine Szenario-Studie gemacht. Die Studie identifiziert 6 selbstverständliche Faktoren, auf die sich Marken besinnen sollten:

  1. Qualität der Leistung
  2. Vertrautsein mit dem Verbraucher
  3. Klare konsistente Botschaften
  4. Relevanter Kundennutzen
  5. Ehrlichkeit
  6. Wertschätzung des Verbrauchers

Marken bedroht sieht Köhler durch Werbeverbote und Monopolstrukturen. „Es geht um den Missbrauch marktmächtiger Strukturen.“ Der Markenverband reagiert: Beschwerden etwa gegen Apples Ad Tracking Transparency Modul, Verfahren gegen Google und Apple, die Bestwertklausel von Amazon  sollen Gesetze und Regulierungen schaffen.


Von den Best Brands der letzten 20 Jahre lernen – LEGO Gruppe
Katharina Redmonds, LEGO

3 „P“s – das ist das Erfolgsrezept von LEGO

  • Purpose
  • Play
  • People

To inspire & Develop the builders of tomorrow, so formuliert der Spielwarenhersteller seinen Purpose: „Wir sind überzeugt, dass Kinder alle Fähigkeiten, die sich auch für eine Welt von morgen brauchen, über Spielen lernen.“ Purpose hat aber weitreichendere Dimensionen: Inklusion und Diversität etwa – LEGO gibt es überall auf der Welt und ist für alle da, unabhängig von Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Kultur. Schon immer spielt auch Nachhaltigkeit eine große Rolle: LEGO-Steine sind kein Wegwerfprodukt, man gibt sie weiter an die nächste Generation. Bis 2030, so das Unternehmensziel, soll jeder einzelne Stein nachhaltig produziert werden, schon 2022 hat man auf papierbasierte Verpackungen umgestellt. 25 Prozent der Gewinne fließen zudem in die in LEGO Foundation, sie unterstützt benachteiligte Kinder rund um den Erdball

Das Play verändert sich ständig, auf der anderen bleibt es immer gleich. Die Strategie bei der Produktpalette heißt daher: Über 50 Prozent sind Neuheiten, doch der klassische Quader bleibt Kernelement aller Produkte. Ein wichtiger Grundsatz der Dänen: Mut zum Scheitern. Innovation geht auch mal schief. Ähnliches Prinzip wie beim spielen: Man baut etwas, baut auseinander und wieder neu. Erfolgreich hat LEGO sich eine neue Zielgruppe erschlossen: Erwachsene sind der große Wachstumstreiber der vergangenen Jahren. LEGO Bausets für Kunst, Design, Musik, Wissenschaft, Reisen und Geschichte sind Ausgleich zum stressigen Berufsalltag, bieten Möglichkeit, selbst wieder Kind zu sein.

Das dritte „P“ sind die People, die Mitarbeiter. Einen Arbeitsplatz schaffen, wo Mitarbeiter sich ausleben können, ganz sie selbst sein. Mitarbeiter zu fördern und zu inspirieren. Pate stand hierfür der Spielplatz in Live und wie Kinder dort interagieren: Be Curious, be focused, be brave.

Nadine Bartenschlager und Catherine Niebuhr machen als Führungsduo Nivea zur Lovebrand


Von den Best Brands der letzten 20 Jahre lernen – Nivea
Nadine Bartenschlager und Catherine Niebuhr, Nivea

Wer kennt sie nicht, die blaue Dose? Seit 112 Jahren schreibt die Marke Erfolgsgeschichte: Nummer eins Hautpflegemarke in Deutschland, Europa und weltweit. Nadine Bartenschlager und Catherine Niebuhr, die sich die Nivea- Markenführung im Jobsharing teilen, stellen stolz fest: „Ja, Wir sind eine  Ikone und eine Love Brand!“

Doch wie wird man zur Love Brand? Man muss immer wieder das Feuer entfachen, immer wieder überraschen – und trotzdem die perfekte Balance  zwischen Kontinuität und Innovation halten. Im Gegensatz zu LEGO aber liegt der Schwerpunkt eindeutig auf Kontinuität. Den Großteil der Umsätze macht Nivea mit seinen Bestsellern. Produkten, die stark an die originäre Nivea-Creme angelehnt sind. Farbe, Form, Schriftzug und Duft sind zentrale Elemente der Wiedererkennung. Jede noch so kleinste Veränderung an einer Ikone wie Nivea ruft unglaublich viel Feedback über Monate hervor. „Da müssen wir manchmal die Nadeln wieder zurückdrehen“, so Niebuhr.

„Andererseits muss man sich auch ab und zu in Schale schmeißen“. Gold und Silber spielen Rolle bei der Premierisierung der Marke. Die klassische Nivea-Creme kostet 2,50 Euro. Daneben ist Nivea auch mit seinen hochpreisigeren Produkten erfolgreich. In Impulskategorien wie Duschgel gilt: auffallen im Regal! First Mover zu sein ist auch für Nivea  höchstrelevant. 2020 etwa wurde die Luminous-Range gelauncht , inzwischen die Nummer 1  gegen Pigmentflecken.

Die sich verändernden Werte erkennen, ihnen folgen: Nivea steht schon immer für gesunde schöne Haut. Aber wie diese aussieht, hat sich im Laufe der Jahre verändert: in den 70ern war tief gebräunte Haut das absolute Schönheitsideal, heute – mit zunehmendem Wissen über die Gefahren der Sonne – ist ein natürlicher gesunder Teint gefragt. Auch Familienbilder ändern sich. Anfangs klassisches Role-Model. Später: die Rolle des Vaters nimmt zu. Heutzutage ist der Freundeskreis ebenso Familie. All das spiegelt die Kommunikation wider.

Niveas Zielsetzung: Auch für künftige Generationen Lovebrand mit großem Herzschlag bleiben.

Serviceplan-CSO Stefanie Kuhnhen: „Tappen Sie nicht in die Romanesco-Falle!


Markenkonsistenz braucht Wandel – die Megatrends der nächsten 20 Jahre
Stefanie Kuhnhen, Serviceplan Germany

Ein Fraktal: das kleinste Teil sieht aus wie das Ganze. Damit hat das grüne Kohlgemüse Romanesco mit Markenführung viel gemein: auch die sollte konsistent sein und sich immer ähnlich. Doch Vorsicht: Die Schönheit des Romanesco entsteht aus einem Gen-Defekt! Ständig bringt er neue Knospen hervor, die aber nie zur Blüte kommen. So wie 70 Prozent der Marken, die schon innerhalb von 10 Jahren wieder vom Markt verschwinden. Serviceplan-CSO Stefanie Kuhnhen rät: „Tappen sie nicht in die Romanesco-Falle. Marken müssen nicht nur schön und konsistent sein, sondern über viele Jahrzehnte blühen“ Die wichtigste Zutat ist Neugier. Neugier auf Kunst und Kultur, neue Phänomene, das Verhalten junger Menschen.

Der Fotograf Luc Kordas etwa hat die Einsamkeit in der Großstadt New York fotografisch eingefangen. In Japan beobachten wir seit 10 Jahren das Phänomen der Streichelcafes, Menschen können dort gegen Gebühr Katzen und Hunde streicheln. Eine Studie gibt zudem Einblicke in die Gefühlswelt der 13- bis 16-Jährigen: 30 % dieser Generation Alpha geben an, dass es ihnen schwer fällt, Freunde zu gewinnen. 63 % fühlen sich einsam selbst im Kreise von Freunden und Familien.

Drei Beobachtungen, ein augenscheinlicher Trend: Einsamkeit. Cultural Strategy ist die Fähigkeit von Marken Subkultur zu erkennen, darauf aufzusetzen und in den Mainstream zu bringen. Damit können selbst kleine Marken in kürzester Zeit Platzhirsche verdrängen. Kuhnhen definiert vier Megatrends der nächsten 20 Jahre.

  1. neue Gesellschaften – die Pflicht mit echter Wertschätzung neue Communities zu erschließen.
    54 Prozent der Deutschen wünschen sich mehr Diversität in der Kommunikation. 66 % der Jungen würden Marken kaufen, die das in der Kommunikation versprechen
  2. Neue Realitäten – die Chance, das Markenerlebnis neu zu erfinden.  
    75 Prozent der Befragten sind eher positiv gestimmt auf zukünftige digitale Erfahrungen. Herausforderung an Marketer: Wie kann sich die Marke in einen dreidimensionalen Raum anfühlen?  Eine andere: Welches Kundenproblem lösen wir mit Web3, das Web2 so nicht lösen kann?
  3. Neue Knappheit – die neue Notwendigkeit aus weniger mehr zu machen
    62 Prozent der Deutschen kaufen Second Hand Kleidung. In knappen Zeiten muss das Produktangebot sinnvoller gestaltet werden: Sei es durch bessere Haltbarkeit, Leasingoptionen, Reparierbarkeit oder Kreislaufwirtschaft.
  4. Neue Markenrelevanz – Marken müssen wieder faszinieren, um datenbasierte Experiences zu bieten
    73 Prozent der Menschen nutzen “Private Browsing“, einen AD-Blocker oder löschen Cookies. Wo Adblocker und DSGVO Push-Marketing ausschalten, erlebt emotionale Markenführung eine neue Relevanz.

Wie arbeiten wir 2035, fragt Dr. Steffi Burkhart

What if in 2035 … we live in a post-demographic society?
Dr. Steffi Burkhart, Human Capital Evangelist

Was wäre, wenn wir in 2035 erstmals alle Probleme der Menschheitsgeschichte zu lösen? Diese Frage wirft Steffi Burkhart auf. Sie nennt sich Human Capital Evangelist und wirft einen Blick auf die Gesellschaft der Zukunft. Bereits heute sind 40 % der Menschen weltweit aus Generationen Y,Z und Alpha, 2035 werden sie 75 Prozent der Arbeitswelt stellen. Zentrale Frage wird sein: Was möchte ich mit meiner begrenzten Arbeits- und Lebenszeit anstellen?

Burkhart identifiziert 5 Zentrale Antreiber

  1. Statusorientierung: Status bedeutet, dass wir mehr Macht einnehmen.
  2. Nutzenzentrierung: Leben wir, um zu arbeiten? Nein! 2035 werden wir in einer Post-Growth Era ankommen. Wirtschaftlicher Wachstum ist dann nicht mehr selbstverständlich ist, insbesondere in Bezug auf Gewinn, Umsatz und Mitarbeiter.
  3. Beitragsorientierung:  Was geben wir unseren Kunden und Kollegen, was wirklich nutzenstiftend ist
  4. Gemeinschaftsorientierung: In Zeiten zunehmender Vereinsamung und Individualisierung steigt der Wunsch der Menschen nach echter Verbundenheit und Zugehörigkeit. Die Folge: Wir erleben einen Shift von Community zu Careunity, wo es in der Erfüllung durch die Zuwendung zu anderen geht.
  5. Leidenschaft: What Humans can be they must be, getreu nach Maslow: ein Poet muss schreiben, ein Sportler performen, ein Werber werben