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Intelligent handeln im Auge des Orkans, im Angesicht der Krise? Das geht, sagten Jenny Fleischer, CEO Babymarkt.de und Wolf Ingomar Faecks, CEO Plan.Net Group, CEO The Marcom Engine und Vorstand Serviceplan Group, beim DeepDive #3 des Rezessionskompasses. Was starke Marken anders machen, wenn es stürmt: Sie agieren weitsichtig, bündeln ihre Kräfte – und laden sich emotional auf.

Frostige Zeiten sind es derzeit – und damit ist nicht nur das Wetter in Deutschland gemeint. Auch die Angst vor der Rezession geht um. Kaufzurückhaltung und Preissteigerungen hängen wie dunkle Dauerwolken über der Wirtschaft. Wie kommen Unternehmen da am besten durch?

Sicher nicht durch aktionistisches Rotstiftschwingen beim Budget, sagt Wolf Ingomar Faecks. „Wer Marketing vor allem als Kostenbeitrag sieht, den er jetzt kürzen kann, handelt falsch und wird sich nach der Rezession mit einer schwächeren Marktposition abfinden müssen. Jetzt ist es besonders wichtig, Behavioral Data zu verstehen: Wie reagieren Kund:innen auf meine Engagement-Angebote? Wir brauchen emotional starke Marken. Ohne starke Marke keine Transaktion.“

Bäm! Also erst einmal vor der eigenen Kosmos-Tür kehren und die Triggerpunkte der Kund:innen verstehen und bedienen. Wissen, was sie brauchen und sich wünschen. Digitalmarketing ist dafür wie gemalt: „Je kleinteiliger ich alles steuern und betrachten kann, desto besser. Sicher setzt das eine gute Maschinerie voraus, die passenden Leute an den passenden Stellen, aber letztlich führt es dazu, was alle wollen: Marketingbudgets effektiv einzusetzen.“

„Jetzt erst recht“ – intelligentes Digitalmarketing rules

Resignation vor der Rezession? Nö. Jetzt ist nicht die Zeit, sich abzuducken, bis der Sturm vorbeigezogen ist. Viel mehr Sinn macht guter Brand Activism. Marken können in Communities denken, in den Dialog gehen, ihren Kund:innen Lösungen anbieten und nicht nur ein Produkt. „Orientierung geben bedeutet Sicherheit vermitteln in unsicheren Zeiten“, weiß Faecks. „Einfach mal an das Bild vom Leuchtturm denken.“

Okay, aber der Absatzdruck! Die steigenden Preise! Die Kaufzurückhaltung! „Durchatmen und klar bleiben. Den vielbeschworenen Purpose herstellen: Schau her, das ist der Wert, den ich als Marke stifte!“ Also nicht zu allgemein, sondern sehr fein zielgruppenspezifisch ausdifferenziert. „Wenn man eine funktionierende Community besitzt, ist es sogar wichtig, eine bestimmte Preisposition zu haben und die Marke nicht zu verwässern.“

Moment mal: Kund:innen sind doch selten immer loyal und wandern gerne zu den Preisbrechern ab, oder? „Dann wäre das nun der perfekte Zeitpunkt, um echte Innovationskraft zu zeigen. Wie geht es weiter, was machen wir eigentlich nach der Krise!?“ Also eine Investition in neue Treue machen. „Das kann durch Ausdehnen des Kommunikationsraumes gelingen, durch Entwickeln des Portfolios, durch das Einbinden von Ökosystem-Partnern. Oder anders gesagt: An der Lifetime Experience arbeiten, die den Kund:innen in verschiedenen Lebensphasen begleitet.“ Da könnte auch das Metaverse eine tragende Rolle spielen: „Es wäre doch wunderbar, eine digitale Erlebniswelt zu kreieren, in der ich mich frei bewege, in der meine Interessen und Einkäufe gebündelt sind.

Der Markenkosmos als emotionale Homebase

In der digitalen Welt einen Raum zu schaffen, der die verschiedensten Bedürfnisse bedient –   diese komplexe Herausforderung kennt Jenny Fleischer nur zu gut. Als CEO bei babymarkt.de, Europas größtem Online-Shop für Baby- und Kinderartikel, muss sie sich in die Verfassung und den Wertekosmos von Müttern aller Altersklassen hineinversetzen können.

Neben Deutschland sind die Bochumer in insgesamt 13 weiteren Ländern in Europa sowie in China vertreten, erzielen mit knapp 500 Mitarbeitern im Durchschnitt ein Wachstum von 30 Prozent im Jahr. Babymarkt.de wurde bereits zum sechsten Mal in Folge als bester Online-Shop in der Kategorie „Baby- und Kleinkindausstattung“ ausgezeichnet und war laut dem Technik-Portal CHIP einer der „Leading Shops 2021“. „Natürlich sehen wir Verschiebungen bei Ländern, aber auch bei Themen wie Lieferketten. Und als Auswirkung von 2021 gilt auch heute immer noch: Die Lager sind voll. Definitiv haben Konsument:innen im November bei größeren Investitionen auf die Black Friday Events gewartet.“

Jenny Fleischer befasst sich derzeit vor allem mit strategischen Fragen: „Wie kann ich die Marke aufladen? In unserem Fall gelingt das unter anderem mit Kundenbindungsmaßnahmen wie Promotion-Spielen oder Medienpartnern wie HelloFresh. Viel wichtiger scheint mir aber die Frage zu sein, wie ich für meine Kund:innen da sein kann. Welche Themen sind relevant? Ein Trendthema wie Nachhaltigkeit etwa muss tatsächlich sinnvollerweise an Produktkategorien angepasst werden, weil hier innerhalb der Zielgruppen unterschiedliche Gewichtungen stattfinden. Das bedeutet: Mehr Filter in die Shoppingwelt einbauen.“

Ihr Credo lautet: Die Customer Centricity klar in den Fokus stellen. Und die Einblicke aus Social Media in den Kontext rücken, denn mit ihnen lässt sich über Realtime-Dashboard-Auswertungen viel besser die so genannte Discovery Phase durchleuchten – wo es darum geht, den effizientesten Weg für die Umsetzung eines gewünschten Endprodukts zu finden. „Fakt ist: Wir müssen uns heute besonders mit der emotionalen Rolle der Marke bei Kund:innen beschäftigen.“

Definieren wir Online endlich neu!

Und wo geht die Reise hin? Wo stehen wir, wenn die Konsum- und Markenwelt wieder in ruhigeres Wasser kommt – wenn es denn überhaupt so passiert? Hoffentlich endlich bei der Neudefinition von Online! Der Erkenntnis, dass die Offline- und die Online-Welt eine Symbiose sein können. Wer innovationsfreudig sein will, muss die Datenlage der internen Silos endlich verbinden und Abteilungen kollaborationsfähig machen.

„So gelingen Insights, die uns wirklich näher an die Kund:innen bringen, weil wir uns tief mit der Rolle der Marke beschäftigen. Wir sollten auch unsere Experimentierfreude wieder entdecken und nicht vor Neuem scheuen. Das Mindset darf nicht vor der Auseinandersetzung mit einem Kanal wie TikTok Halt machen, nur weil das angeblich bloß die Jungen anschauen“, sagt Wolf Ingomar Faecks.

Rezessions Kompass

Rezession und die zu befürchtende Kaufzurückhaltung stellen Marketer vor schwer kalkulierbare Herausforderungen. Welche strategischen Hebel in der Kommunikation tatsächlich wirken, war das Thema des aktuellen Rezessions-Kompasses der Serviceplan Group. Handlungsempfehlungen aus der Praxis gab es von Susanne Harring, Geschäftsführerin De‘Longhi Deutschland und Mediaplus-Geschäftsführerin Esther Busch, nach einem Impulsvortrag von Prof. Dr. Michael Grömling (Institut der Deutschen Wirtschaft)

Sicher ist derzeit nur eines: „Die Weltwirtschaft ist von hoher Unsicherheit geprägt“, so Prof. Dr. Michael Grömling. Der Leiter des Clusters Makroökonomie und Konjunktur am Institut der deutschen Wirtschaft, Köln, beschrieb in seinem Impulsvortrag im Rahmen des Serviceplan Group Rezessions-Kompasses, die derzeitige wirtschaftliche Situation. Globale Produktionsnetzwerke leiden unter den pandemiebedingten Spannungen. Die kriegsbedingten Versorgungsprobleme mit Energie und Rohstoffen sorgen für bislang ungekannte Kostenschocks. Und nun zehren auch noch hohe Inflationsraten an der Kaufkraft der Haushalte. Spiegelt sich das wider in zurückgehendem Konsum?

Wertschöpfung gesunken, der Konsum nur bedingt

„Ohne Pandemie und Krieg wäre die Wertschöpfung in Deutschland in den Jahren 2020 bis 2022 um insgesamt 420 Milliarden Euro höher ausgefallen“, bestätigt Grömling. Allerdings zeigen sich vermehrt Lichtblicke: Es gäbe derzeit keine harte Gasmangellage, die Inflation sei zwar hoch, aber nicht weiter steigend – und der Staat nehme weiterhin viel Geld in die Hand, um die Kaufkraft zu stärken. „Bedenken wir, dass sich im Frühjahr 2020 die Wirtschaft noch im freien Fall befand.“

Digital zugeschaltet: Prof. Dr. Michael Grömling vom Institut der Deutschen Wirtschaft

Doch welche Strategien haben Konsumentenmarken entwickelt und – im Idealfall – mit Erfolg gekrönt? Herausfordernd allein die Preispolitik! Susanne Harring, Geschäftsführerin De`Longhi Deutschland erklärt: „Steigende Produktionskosten kann ein Unternehmen nicht einfach so an die Konsumenten weiterreichen“. Man dürfe aber auch den Handel nicht allein lassen, gestiegene Preise können sich auch in einer Anhebung des UVP niederschlagen. Dennoch hat der Marktführer im Segment Kaffeevollautomaten erst jüngst – auch im Zuge des Black Friday – „rekordverdächtige Umsätze“ erzielt – und das nicht im Niedrigpreissegment.

Eine mögliche Erklärung:  Lockdown-Einschränkungen und Home-Office haben dazu geführt, dass Menschen mehr Geld für persönliche Genussmomente ausgeben wollen. Die „third wave of coffee“, die „dritte Kaffeewelle“, läuft laut Grömling auf Hochtouren: So nennen die Experten eine Konsumhaltung, die hochwertigen Kaffee ähnlich wie Wein, Schokolade, Gin oder Craft Beer, vor allem als Genusskultur und nicht als bloße Ware betrachtet. Ein perfekter Nährboden für Austausch, Interessens-Talk, Werbung und Konsum.

Marketingbudgets streichen – der Wahnsinn!

„Es geht hier auch nicht so sehr darum, ob jemand im Hoch- oder im Niedrigpreissegment plötzlich verstärkt Erfolg hat“, sagt Esther Busch, Managing Partnerin bei Mediaplus. „Wir Agenturen müssen beachten, wie wir die Stimmung der Konsument:innen, ihre jeweilige ‚Verfasstheit‘, einfangen und adressieren.“ Eine globale Krise ist damit auch eine Herausforderung, noch genauer zu analysieren. In Krisenzeiten Marketingbudgets zu streichen, hält Busch für „Wahnsinn“. „Wer antizyklisch investiert, hat ganz klar die Chance, auf seinem Terrain zum Category Leader zu werden. Es braucht eine solide werbliche Basis und eine intelligente Verknüpfung von paid, owned und earned media, die sich gegenseitig befeuern“, so Busch. Wer diese Basis aufgibt, um dann ‚irgendwann wieder einzusteigen‘, wird das kaum schaffen.

Susanne Harring und Esther Busch geben Marketern Handlungsempfehlungen in der Rezession

Doch  braucht es hierfür eine exzellente Kommunikationskultur zwischen Kunde und Agentur. „Viel sprechen und Daten teilen“, sagt Susanne Harring. „Und bringt idealerweise alle unsere Arbeitsbereiche an einen gemeinsamen Tisch, macht klare Ansagen“, fordert Esther Busch von den Auftraggebern.

„Einfach mal etwas wagen…“

Analyse ja, aber das in Echtzeit, und: „Einfach mal etwas wagen, auch ohne vorher alles durch Zahlen wasserdicht zu machen“, rät die De‘Longhi-Managerin. Vor einem Jahr überlegten die Kaffee-Spezialisten, wie sie ihre Werbung auf das nächste Level hieven könnten – und fanden Brad Pitt. Der Cappuccino-liebende US-Schauspieler ließ sich als Werbefigur und Markenbotschafter gewinnen. Am Ende stand die erste internationale Kampagne der Firmengeschichte – und zweistellige Wachstumsraten trotz hochvolatilem, krisengeschwängertem Werbemarkt.

Begleitet wurde der TV-Spot von digitalen Maßnahmen, auch auf Out-of-Home: Deutschlands größter digitaler Werbescreen promotete am Berliner Ku’damm je nach Außentemperatur entweder kalte Kaffeespezialitäten oder heißen Espresso und konnte den Werbeeffekt durch heißen Dampf hinter der LED-Wand sogar noch verstärken. Wetter-Targeting macht dies möglich. „Auf digitalen Kanälen können wir jetzt ja auch programmatisch viel bessere Geschichten erzählen“, sagt Busch. Mit klaren Zielen für eine klar umrissene Zielgruppe – und dem Wissen, wann sie sich im ansprechbaren Umfeld befindet.“

Welche Erkenntnisse zu Brandbuilding und emotionaler Markenpflege lassen sich nun aber daraus ableiten? „Wir wissen aus vielen Modellings, dass die Marke 75 Prozent Einfluss auf den Sales Effect hat. Demzufolge kann die Losung nur lauten: Pflegen, pflegen, pflegen! Besonders auf starke Marken lässt sich mit Kampagnen der Performance-Effekt ‚draufsetzen‘.“ Susanne Harring sieht zudem die Unternehmen in Krisenzeiten insbesondere in Sachen Positionierung gefordert: „Es geht vor allem darum, eine Haltung einzunehmen. Wir werden als Unternehmen ganzheitlich von Konsument:innen wahrgenommen. Das sollte allen Marketern bewusst sein.“

Getreu diesem Motto nach einem Lied von Olaf Berger ging es für drei Kolleginnen der mediascale zum YouTube Festival 2022 an der Station Berlin, um neue Inspirationen zu sammeln und Wissen auszutauschen.

Der Beginn der Veranstaltung stand ganz unter dem Motto Insights und Ideen – bei einer Vielzahl an Vorträgen auf fünf Bühnen konnte man von Unternehmen wie yfood, Porsche und Westwing lernen, wie sie erfolgreich Kommunikation auf YouTube umsetzen.  Darüber hinaus wurden Creator*innen interviewt, Live-Podcasts aufgenommen oder die Besucher*innen konnten in Jam-Sessions selbst mitmachen und Erfahrungen teilen.

Die drei wichtigsten Key Messages aus der anschließenden Live-Show sind folgende:

  1. YouTube hat eine Reichweite von 49 Millionen und Erwachsene in Deutschland schauen täglich im Schnitt 40 Minuten Videos auf YouTube. Immer wichtiger wird das TV-Gerät als Screen, mehr als 30 Millionen Menschen schauen YouTube darauf.

  2. Um herauszufinden wie effizient und wirksam Marketingaktivitäten sind und welche Optimierungsmaßnahmen im Media-Mix sowohl die Effektivität als auch die Effizienz steigern, setzen Marketingverantwortliche auf Marketing-Mix-Modelle. Google beauftragte Nielsen mit einer Metaanalyse aus 144 MMMs von 102 Marken aus der Konsumgüterindustrie in Deutschland und kommt zu dem Ergebnis, dass YouTube im Mediamix oftmals vernachlässigt wird und durchaus gute Ergebnisse erzielen kann.

  3. Im Mittelpunkt der Liveshow und des gesamten Abends stand das Format YouTube Shorts –  kurze, maximal 60 Sekunden lange Videos auf YouTube, was als Reaktion auf TikTok und Instagram Reels zu verstehen ist. Mittlerweile gibt es bereits 30 Milliarden tägliche Aufrufe auf YouTube Short, die Zahl hat sich in einem Jahr vervierfacht. So bietet sich für Creator*innen eine weitere Möglichkeit mit kurzen, simplen Videos (neue) Nutzer*innen zu erreichen.

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Bei der Live-Show wurden aber nicht nur wichtige Key Messages und neue Insights zu YouTube geteilt, sondern hier standen vor allem die Creator*innen im Fokus. So wurde Andreas Briese, Country Director YouTube Germany & Regional Director YouTube Central Europe in einer Badewanne von The Real Life Guys auf die Bühne gefahren, Jonas Ems drehte mit uns ein YouTube Short und Jacob Beautemps vom Kanal „Breaking Lab“ demonstrierte mit einem Live-Experiment den Ausstoß von CO2 in der Halle. Der Abschluss der Live-Show wurde durch ein Konzert von Zoe Wees perfekt abgerundet.

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Die eine nachhaltige Zielgruppe gibt es nicht. Mediaplus hat deshalb die Green Target Groups entwickelt. In Teil zwei der Interviewreihe „Let’s talk about: Nachhaltigkeit in der Mediaplanung“ spricht unsere Nachhaltigkeits-Koordinatorin Agnes Ley mit Dominik Kropp, Head of Knowledge Management Insights bei Mediaplus.

Hallo Dominik, ihr habt die Green Target Groups entwickelt. Was steckt dahinter?

Nachhaltigkeit ist in unterschiedlichen Facetten schon lange Thema in der Gesellschaft, natürlich auch im Marketing. Doch in den letzten Jahren hat sich eine enorme Dynamik entwickelt. Die durch den Klimawandel verursachten ökologischen Krisen machen die Bedeutung von Nachhaltigkeit für viele Menschen konkreter und greifbarer. Folglich wirkt es sich auch stärker auf das Verhalten aus. Inzwischen ist das Thema mitten im Mainstream angekommen ist. Wir reden hier über mehr als 60 Prozent der Bevölkerung, für die Nachhaltigkeit im Leben eine relevante Rolle spielt.* Die eine nachhaltige Zielgruppe, die man mal schnell mit einem Öko-Label auf dem Produkt ködert, gibt es allerdings nicht (mehr). Auch die Vorstellung, dass ökologisch nachhaltig handelnde Menschen mit Birkenstocklatschen am Wochenmarkt ihre Jute-Beutel füllen, ist überholt. Nachhaltiges Leben hat sich ausdifferenziert und deutlich an Vielfalt gewonnen. Überspitzt formuliert: Heute geht’s eben auch mit den nachhaltig produzierten Sneakern in den Bio-Supermarkt.

Wie relevant sind solche Überlegungen derzeit?  Sind die stark gestiegenen Preise und der damit einhergehende Sparzwang nicht wichtiger als nachhaltige Standards?

Das wäre eine durchaus nachvollziehbare Reaktion. Aber schon die ersten zwei Jahre Corona-Krise haben gezeigt, dass Nachhaltigkeit beim Konsum nicht an Relevanz verliert, sondern sogar befeuert wird. Viele Haushalte müssen aufgrund der hohen Inflation mit knapperen Budgets auskommen. Doch eine GfK-Analyse zum gegenwärtigen Einkaufsverhalten hat gezeigt, dass sozial-ökologische Einstellungen und Bedürfnisse bei den Kaufentscheidungen nicht vollkommen zurückgestellt werden. Aktuell greifen Verbraucher häufiger zu günstigeren Alternativen im Bio-Sortiment – z. B. Handels- statt Herstellermarken. Sie verzichten aber nicht gänzlich auf bestimmte Standards.

Was ist typisch für einen nachhaltigen Konsumenten?

Die gemeinsame Basis ist erstmal, dass nachhaltige Überlegungen bei Kaufentscheidungen eine Rolle spielen. Wie eingangs beschrieben, trifft dies mittlerweile auf die Mehrheit der Bevölkerung zu – natürlich in unterschiedlich starker Ausprägung. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass für etwa 40 Prozent Nachhaltigkeitsaspekte nicht kaufrelevant ist. Auffallend ist aber, dass bestimmte Zielgruppen das Engagement von Marken viel intensiver beurteilen. Aktivitäten von Marken werden hinterfragt, Hintergrund-Infos sind für die Verbraucher entscheidend, um die Ernsthaftigkeit einschätzen zu können. Konsumenten wollen keine Haltung nur der Haltung wegen. Greenwashing wird durchschaut und abgestraft.

Welche nachhaltigen Zielgruppen habt ihr in eurem Modell identifiziert und wie ticken sie?

Die Spannweite reicht von Konsumenten, die beim Einkaufen hauptsächlich auf Bio- und Öko-Siegel achten, bis hin zu Personen, die sich aktiv engagieren und denen der Umweltschutz am Herzen liegt. Bei diesen zwei Gruppen haben wir es mit völlig unterschiedlichen Motivatoren zu tun. Signifikante Unterschiede gibt es vor allem in Hinblick auf Werte, Einstellungen und Lebensstil. Genau deshalb haben wir die Zielgruppen auch mit dem Mediaplus-eigenen Ansatz Value Media Planning gebildet. Wir haben vier verschiedene Personas ausgearbeitet – vom intrinsisch motivierten Umweltschützer bis zum grünen Pragmatiker. Daneben gibt es noch die grünen Genießer sowie die Ästheten.

Und wie können die neu definierten Zielgruppen für Media-Kampagnen genutzt werden?

Der große Vorteil ist, dass die Zielgruppen über die Wertefaktoren von Value Media Planning direkt in die Media überführt werden können und somit crossmedial planbar sind – sowohl in den klassischen Medien über das AGF/GfK TV-Panel und mit der best for planning für Print als auch im Digitalen mit dem AGOF-Tool TOP modular. Die Integration in NE.R.O. AI macht sogar eine Ansprache der Zielgruppen per kontextuellem Targeting möglich.

In welche dieser Zielgruppe würdest denn du dich am ehesten einordnen und warum?

Am ehesten der grüne Pragmatiker. Ich achte vor allem bei Lebensmitteln und Kleidung auf Nachhaltigkeit. Gewisse Standards sind mir wichtig, ich lasse aber sicher die Konsequenz vermissen, die bspw. die Zielgruppe der aktiven Umweltschützer auszeichnet. Ich wünsche mir, dass es zukünftig noch einfacher wird, nachhaltige Kaufentscheidungen zu treffen. Es passiert in die Richtung gerade schon viel. Es ist aber noch ein langer Weg.

 „Let´s talk about: Nachhaltigkeit in der Mediaplanung“
Teil 1: Die Gretchenfrage: Wie nachhaltig ist denn unsere eigenes Media-Business, Wolfgang Bscheid? 

Ob wegen der DSGVO oder betrügerischer Vermarkter – Affiliate Marketing wurde immer wieder totgesagt. Dabei ist provisionsbasiertes Online-Marketing ein konversionsstarker Baustein im digitalen Kanal-Mix eines Online-Händler.

Die Europäische Datenschutz-Grundverordnung und die ePrivacy-Verordnung setzten dem Affiliate Marketing zu: Die streng regulierte Nutzung von Browsercookies und der Vorstoß vieler Browser, diese Vorgaben zeitnah umzusetzen, macht Konversion-Tracking mit traditionellen Methoden praktisch unmöglich – sofern der User damit nicht einverstanden ist. Aber bekanntlich leben Totgesagte länger, denn faktisch ist kein anderer Werbekanal so Konversion orientiert. Vermarkter erhalten nur dann eine Provision, wenn ein Abschluss stattfand – bestätigt vom Werbetreibenden.

Aber für eine erfolgreiche Affiliate Marketing-Kampagne bedarf es einiger Bausteine, Tools und Software. Richtig eingesetzt ist nach kurzer Zeit der Break-Even-Point eines Affiliate-Programms erreicht und bringt dem Online-Händler stetiges Wachstum.

Sales sauber validieren und tracken

Eine saubere Validierung der Abschlüsse ist die Basis, um Betrugsfälle oder Retouren im Nachgang stornieren zu können. Zunächst ist zu klären, ob das Affiliate-Netzwerk und die Vermarkter in Direktkooperationen ein DSGVO-konformes Tracking anbieten. Ohne dieses lassen sich Abschlüsse einem Partner nicht hinreichend zuordnen, was die Erfolgsmessung verhindert. Diese läuft idealerweise so ab: Der Vermarkter platziert einen Affiliate-Link auf seiner Werbefläche – auf der Website, im Newsletter oder im YouTube-Video. Sobald ein potenzieller Kunde diesem Link folgt, wird ein Cookie innerhalb seines Browsers gespeichert. Schließt der Kunde nun die Aktion ab, aktiviert das Cookie ein Konversionpixel und sendet die Inhalte der Aktion mit Bestellnummer, Datum, Uhrzeit und Umsatz an das Trackingtool. Der Werbetreibende gleicht dann die Abschlüsse mit Werten in seinem Warenwirtschaftssystem ab.

Steht das Affiliate Netzwerk, ist das essenzielle Tracking auf der Website des Online-Händlers zu implementieren. Werbemittel werden als Banner und Textlinks zur Verfügung gestellt und Partner für das Programm akquiriert.

Datenserver an Datenschnittstelle anbinden

Oft prüfen die Werbetreibenden oder deren Agenturen die Abschlüsse manuell im Warenwirtschaftssystem oder – bei höheren Bestellvolumina – per Excelliste. Jeder händische Abgleich birgt jedoch die Gefahr eines Fehlers und das Risiko, stornierte oder betrügerische Abschlüsse mit einer Provision versehentlich zu honorieren. Daher sollte der eigene Datenserver an die Datenschnittstelle des Affiliate-Netzwerks angebunden sein. Sobald die Sales-Daten aus dem Netzwerk gezogen wurden, werden sie per Skript mit dem eigenen Warenwirtschaftssystem abgeglichen und per Schnittstelle wieder automatisiert in das Netzwerk geladen. Für Online-Händler empfiehlt es sich, diesen Prozess durch eine Agentur abzudecken, die für einen etwaigen Schaden haftet.

Maßgeschneidertes Provisionsmodell für ausgewählte Publisher

Nicht immer ist klar, wer der ideale Anbieter für einen Online-Händler ist. Für maximalen Erfolg sollten sich Entscheider Zeit nehmen, die Partner sowie ein differenziertes Provisionsmodell sorgfältig auszuwählen. Ein solches lässt sich definitiv erst nach eingehender Analyse des Produkt- und Werbepartnerportfolios aufsetzen.

Da jede Plattform unterschiedliche Ziele, Produkte und Margen hat, ist die Provision immer auf den jeweiligen Shop zuzuschneiden. Wichtig zu betrachten ist, ob es sich um einen reinen Händler handelt, der Waren verkauft, Produkte vermietet oder gar Abo-Modelle anbietet. Falls der Gewinn bei einigen Produkten oder Dienstleistungen erst nach längerem Customer Lifetime Value erzielt wird, wäre dies zu berücksichtigen. Ebenso lohnt der Gedanke, inwiefern man ausgewählte Partner, die besonderen Mehrwert bieten, mit erhöhten Provisionen bedenkt.

Individuelle Datenfeeds für jeden Publisher

Der letzte Baustein einer erfolgreichen Affiliate-Kampagne ist der Einsatz der Werbemittel. Heute finden 80 bis 90 Prozent der Abschlüsse über Textlinks statt, grafische Werbebanner sind kaum mehr relevant.

Ein Augenmerk ist auf individuelle Produktdatenfeeds oder vollständig strukturierte Produktdaten zu legen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Mit strukturierten und filterbaren Ausgangsdaten stellt ein Unternehmen jedem Partner ohne großen Aufwand genau den Feed zur Verfügung, den dieser benötigt. Preisvergleicher arbeiten beispielsweise mit Suchfiltern, für deren Funktionsfähigkeit alle relevanten Daten je nach Produkt in normalisierter Form im Feed vorhanden sein müssen. Partnerseiten in inhaltlichen Nischen benötigen lediglich Daten zu genau ihrem Thema.

Je mehr Produkte von einem Partner verarbeitet werden, desto wichtiger ist es, die Datenquelle zu pflegen und den Datenaustausch zu automatisieren und zu sichern. Dies hält Aufwand und Kosten gering und minimiert Fehler. So bleibt mehr Zeit fürs Optimieren der eigentlichen Stärke des Affiliate Marketings: den Abschluss der Konversion.

Realistische, langfristige Strategie

Da sich die Publisher in der Regel um den Aufbau von Reichweite oder einer Community bemühen, sollte die Kampagne auch Raum für Suchmaschinenoptimierung (SEO) oder Social Media Optimierung (SMO) bieten. Fest steht: Eine langfristige Beziehung mit den Publishern wirkt vertrauensbildend. Und Vertrauen war und ist noch immer die wichtigste Währung im Affiliate Marketing.

Über:

Der Affiliate Marketing-Experte Pablo Wehrhahn vermittelt als Account Director bei der Plan.Net Performance erfolgreich zwischen Kunden und Publishern. 

Dieser Beitrag ist zuerst im eCommerce-Magazin erschienen.

5 Gründe, warum gerade jetzt Content der Kommunikationstreiber der Wahl sein sollte

1. Werbung kickt, Content klickt.

Budgets werden kleiner, Kampagnenflights kürzer. Die Lösung, um trotzdem im Relevant Set der Kund:innen zu bleiben, ist der Ansatz, Content als vollwertigen Kanal in der Mediaplanung zu verankern. Er ist 24/7 bespielbar und liefert durchgängig Interaktion, Involvement und Impact.

2. In der grenzenlosen digitalen Welt ist Content ein regionaler Ankerplatz.

Das Omnichannel-Paradoxon: Mehr Digitalität führt gleichzeitig zum Wunsch nach Regionalität und Identifikation mit regionalen Produkten und Unternehmen. Content Pieces und gezielte Influencer-Aktionen mit regionalen Protagonist:innen schaffen ein extrem hohes Maß an Involvement und Interaktion.

3. Content macht einfach mehr Sinn.

Bedürfnis nach Solidarität und Purpose bei Konsument:innen ist in der Krise wichtiger geworden. Sie verlangen von den Marken, die sie kaufen, klare Aussagen, klare Haltung und eindeutige Antworten auf ihre Fragen. Wohlfeile Solidaritäts-Floskeln auf Großfläche können diesen Anspruch alleine nicht im Mindesten erfüllen.

4. In Zeiten der Unsicherheit gilt es, emotionale Nähe zu Kund:innen aufzubauen.

Emotionalität ist in der Kundenbeziehung wichtiger als je zuvor. Wer Kund:innen nur als Konsument:innen sieht und nicht gleichzeitig auch als Menschen, kann nicht gewinnen. Werbung kann emotionalisieren, aber sie allein kann keine echte Nähe und langfristige Bindung herstellen. Das geht über Content, das Aufgreifen von Themen, die wirklich bewegen, über Inhalte, die Kund:innen wirklich weiterbringen und auf Wunsch auch echten Dialog.

5. Aus „below the line“ wird “beyond the line”.

Klassische Marketingideen funktionieren nur im Rahmen der ihnen gesteckten Grenzen. Und das ist gut so. Dafür sind heute Content und spektakuläre PR-Stunts zentraler Bestandteil der meisten Kampagnen. Denn die kommen dorthin, wo Werbung nichts verloren hat: in die Redaktionen der Medien und direkt in die Timelines der Social Feeds von Millionen Kund:innen.

Die Kontaktbeschränkungen in der Corona-Krise führen dazu, dass Menschen mehr Zeit mit der Kontaktpflege verbringen. Das sollten auch Marken tun, um ihre Beziehungen zu Bestandskunden zu festigen. Aber wie können Marken jetzt zum Begleiter in schwierigen Zeiten werden? Mit dieser Frage beschäftigte sich Alexander Windhorst, Geschäftsführer von Plan.Net Connect, in der dritten Live Session der Serviceplan Group zum Thema „Erfolgreich Handeln in der Corona-Krise“. In seinem Fachartikel erläutert er, welche Chancen One-to-One-Marketing in der Corona-Krise bietet.  

Für Marken ist es gerade besonders wichtig, mit ihren Kunden in Verbindung und im Dialog zu bleiben – und zwar mit einzelnen Individuen und weniger mit abstrakten Zielgruppen. Genau dafür ist One-to-One die ideale Disziplin. Hier sind sieben Gründe, warum:

One-to-One ist aktuell

E-Mail-Marketing funktioniert gerade besser denn je. Die Erfolgs-KPIs steigen: So sind die Öffnungsraten im März 2020 um 15 bis 20 Prozent gestiegen. Gleichzeitig ist die Reaktionszeit der Nutzer um rund 25 Prozent gesunken [1]: die Menschen haben also Zeit, Bedarf und reagieren schnell. Zudem wünschen sich aktuell 62 Prozent der Befragten, dass Marken noch stärker auf ihre individuellen Bedürfnisse eingehen. Marken sollten daher die eigenen Opt-Ins, Kanäle und Touchpoints für eine personalisierte, zielgerichtete Kommunikation nutzen.

One-to-One schafft Vertrauen und Sicherheit

In der Corona-Krise suchen Verbraucher nach Sicherheit, Vertrauen und Orientierung. 55 Prozent der Menschen glauben in Krisenzeiten eher Marken als Regierungen [2]. Entsprechend müssen Marken gerade jetzt verantwortungsvoll und souverän kommunizieren. Gleichzeitig ist es wichtig, wiedererkennbar und glaubhaft zu sein. One-to-One als persönlichste Art der Ansprache stellt das ideal sicher – weil der Adressat die Marke kennt und umgekehrt.

One-to-One ist relevant

In Zeiten wie diesen bedeutet Kundennähe thematische Relevanz und thematische Nähe.  Wer als Marke die Bedürfnisse seiner Kunden kennt und spürbar umsetzt, erscheint vertraut und beweist Caring-Kompetenz. Beispiele sind Restaurants, die ihren Kunden aktuell Lieferservices, Rezepte oder Wein-Tipps anbieten oder eine Einrichtungsmarke, die aktuell Tipps zum besseren Arbeiten im Home Office gibt. One-to-One kann durch Inspiration und Storytelling Nähe zu den Kunden schaffen. Dafür sollten Marken den gesamten Themenbereich ihres Umfelds bedienen. Eine Möglichkeit besteht auch darin, aktiv Kundeninteressen abzufragen.  

One-to-One ist individuell

Menschen wollen gekannt werden: 80 Prozent der befragten Kunden bevorzugen Marken, die ein personalisiertes Erlebnis bieten [3]. Sie nehmen es also nicht nur billigend in Kauf, wiedererkannt und individuell angesprochen zu werden, sondern erwarten es zunehmend. Da One-to-One im Augenblick weitestgehend der Ersatz für das persönliche Markenerlebnis ist, sollten Marken über alle Kanäle so individuell wie möglich mit ihren Kunden kommunizieren.

One-to-One schafft Präsenz

Nicht zu kommunizieren ist aktuell die schlechteste aller Möglichkeiten. Marken, die in Krisenzeiten keine Präsenz zeigen, werden schnell vergessen – auch über die Krise hinaus. Marken sollten sich daher als aktive Berater und Begleiter der Kunden verstehen. One-to-One ist ein optimaler Kanal, um Kunden das Gefühl zu geben, jederzeit für sie da zu sein – mit einem relativ geringen Mitteleinsatz – und auch nach der Krise als mitteilsame Brand während der Corona-Pandemie im Gedächtnis der Kunden sein.

One-to-One ist effizient

Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist One-to-One sinnvoll. Bestandskunden zu halten ist immer effizienter als Neukunden zu gewinnen. One-to-One ist mit Abstand der günstigste Kanal für aktive Kundenanstöße und hat nach SEO/SEA die höchste Conversion-Rate. Die Ansprache über E-Mail, Newsletter und weitere Push-Anstöße ist flexibel, aktuell und effektiv – und die eigene Reichweite durch Owned Media ist unschlagbar.

One-to-One ist proaktiv

Wie kann One-to-One dabei helfen, die Krise erfolgreich zu bewältigen? Die Krise macht neue Angebote, Services und Formate erforderlich und möglich, die sehr individuell, flexibel und persönlich sind. Ein Blick nach China zeigt, dass die Menschen ihre Kaufentscheidung nach der Krise mindestens genauso selektiv und bewusst treffen wie vorher. Diese Phase ist eine ideale Gelegenheit, um One-to-One zu etablieren oder auszubauen. Durch innovative, relevante und überraschende Angebote können sich Marken jetzt für die Zeit nach der Krise profilieren.

Weitere spannende Consumer Insights zum Thema Personalisierung aus Kundensicht sind in einer Infografik von Plan.Net Connect zum Download verfügbar: https://www.plan-net.com/de/lp/plan-net-connect.html.


In dem Format „Deep Dive“ tauchen Experten der Mediaplus Gruppe in die Welt der Marketing Trends ab und geben fundierte Einblicke in aktuelle Herausforderungen: Wie können Trends gesellschaftlich und wirtschaftlich eingeordnet werden und wie macht man Problemstellungen interdisziplinär anfassbar? Magnus Gebauer, Group Head Trendhub bei Mediaplus, bringt mit seinem Beitrag zur Evolution des hybriden Konsumenten Licht ins tiefe Dunkel.

Erika und Max Mustermann stecken in einer tiefen Sinnkrise. Während sie früher noch ganz selbstverständlich in demografische Merkmale, durchschnittliches Kaufverhalten und Wertekategorien gepasst haben, treten zunehmend Widersprüche in das Leben der Mustermanns. Erst vor wenigen Tagen bekam Erika ein gespaltenes, fast schon schizophrenes Verbraucher-Dasein mit instabilen Konsumentenmustern attestiert. Da sie auf Nachhaltigkeit und Heimat bedacht ist, kauft sie ihre Lebensmittel im ortsansässigen Bioladen. Allerdings landen regelmäßig auch Avocados und anderes exotisches Superfood in ihrem Einkaufskorb. Auch Max spürt, dass die Dinge nicht mehr so simpel sind wie früher. Beim Lesen eines Ratgeber-Artikels zu den Folgen des Facebook-Datenschutzskandals ertappte er sich dabei, wie er völlig bedenkenlos den Cookie-Hinweis der Website akzeptierte.

Was die Mustermanns als Sinnkrise wahrnehmen, bezeichnen Marketer seit geraumer Zeit als sprunghaftes und widersprüchliches Verhalten hybrider Konsumenten. Der Blick auf aktuelle Trends offenbart, dass es immer mehr dieser widersprüchlichen Entwicklungen gibt. Wir erleben momentan einen sogenannten „Battle of Contradictions“. Manchmal zeigen die Battles sich vereint in einer Person, manchmal zeigen sie sich in einer ganzen Zielgruppe, die nur scheinbar einheitlich tickt.

Aus Marketingsicht wachsen damit die Herausforderungen zur bewussten Zielgruppenansprache. Gleichzeitig entstehen auch Chancen, wenn Marken sich auf aktuelle Trendthemen einlassen. Contradictions zeigen sich nicht nur hinsichtlich des Konsums, sondern auch im gesellschaftlichen Leben und in der Mediennutzung.

Wir blicken daher auf drei aktuelle Contradictions aus Gesellschaft, Konsum und Mediennutzung und lassen sie hinsichtlich ihrer Bedeutung für Marketing und Media gegeneinander antreten: Welcher Trend hat die größere Relevanz? Welche Herausforderungen bestehen? Wie können Marketer den Trend für sich nutzen?

JOMO vs. FOMO

FOMO, das Akronym für „fear of missing out“, steht für die – gerade aus der Social Media Welt bekannte – Angst, etwas zu verpassen. Die JOMO (joy of missing out) als Antwort auf die FOMO steht für die bewusste Entscheidung, Dinge auch verpassen zu dürfen – online und offline. Aus Marketingsicht ist die FOMO das relevantere Thema. Sieben von zehn Millennials erleben sie regelmäßig. Die Trigger-Möglichkeiten des „FOMO Sapiens“ bieten aus Marketingsicht einfach weitaus mehr Spielraum – man denke nur an die Wirkung zeitlich begrenzter Stories, an die Wirkung künstlicher Verknappung auf Buchungsportalen oder strikter Zeitlimits. Und in der Praxis? Black Friday, Cyber Monday und der Singles Day sind die besten Beispiele für die eindrucksvolle Wirkungsweise der FOMO-Logik. Im richtigen Moment ausgespielt, bietet allerdings auch die JOMO eine kreative Spielwiese, gerade hinsichtlich kontextueller Botschaften im aufstrebenden Digital-Wellbeing-Kosmos – Dominos UK liefert mit ihrem „The Official Food of JOMO“-Spot den Beweis dafür. Auf humorvolle Weise positionieren sie ihre Pizzen als genussvolle Alternative des JOMO-Lifestyles.

Ethischer Konsum vs. Convenience

Der Klimawandel und Bewegungen wie Fridays for Future rücken den ethisch-nachhaltigen Konsum in den Fokus einer breiten Masse. Bekannte grüne Themen wie Bio und Regional gewinnen weiter an Bedeutung, neue Themen wie Flugscham und Digitalscham kommen auf. Gleichzeitig möchte kaum ein Konsument auf den Komfort von Convenience-Produkten verzichten – doch diese sind meist nicht sonderlich umweltfreundlich. Marken können sich keinem der Themen verschließen, doch ist Nachhaltigkeit Pflicht und Convenience die Kür. Nachhaltigkeitskommunikation erfordert einen geschickten Spagat zwischen glaubwürdiger Markenpositionierung – insbesondere für nicht grün geborene Marken – und der Vermeidung der Greenwashing-Falle, in die unlängst die Deutsche Bahn mit ihrem grünen ICE-Anstrich getappt ist. Um Convenience zu schaffen, können Marken vielfältige Wege wählen: Nestlé bietet eine alltagserleichternde Alexa-Skill für junge Eltern an. Rewe, Edeka und Co. werben damit, dass Kunden kostenfrei Bargeld abheben können als eine Art Value-added-Service im Store und Lufthansa betreibt datenbasiertes Dialogmarketing in Form von personalisierten Newslettern.  

Glossy vs. Real

Gerade auf Social Media ist es für viele Menschen – aber auch Unternehmen – von größter Bedeutung, welches Bild sie abgeben. Auf der einen Seite möchte man sich möglichst perfekt präsentieren, andererseits soll das Auftreten auch authentisch und real sein. Immerhin: Auf Instagram finden sich unter dem Hashtag #nomakeup 18,3 Millionen Postings. Unterm Strich macht in diesem Battle of Contradicitions dennoch ganz klar glossy – die gefakte, perfekte Selbstdarstellung – das Rennen, denn immer noch dominieren in den Medien künstliche und inszenierte Bilder. Doch gerade in der Flut an Posts fallen sorgfältig arrangierte Bowls und Wände, die instagrammable sind, nicht mehr wirklich auf – gerade die Gen Z hat dies begriffen und inszeniert sich erfrischend authentisch.
Auch aus Markensicht kann eine reale und ungeschönte Inszenierung die stärkere Aufmerksamkeitswirkung haben. Die mit ihrer Real-Beauty-Kampagne erfolgreiche Marke Dove setzt seit Beginn des Jahres weltweit das Siegel „Keine digitale Veränderung“ in ihrer Bildkommunikation ein. Für einen modernen Markenauftritt auf Instagram lohnt es sich, sowohl glossy als auch real zu sein: Man kann sich und seine Produkte gefiltert und perfekt inszeniert präsentieren, sollte jedoch den persönlichen Touch nicht vergessen. Der US-amerikanische Makeup-Hersteller Glossier beherrscht dies nahezu in Perfektion.

Durch Contradictions wird die Welt nicht schlechter, nur ein wenig komplizierter. Dies lässt sich auf die direkte Kundenansprache übertragen. Dazu kommt, dass nicht alle Lösungen in der medialen Kommunikation zu finden sind – Produkt, Vertrieb und Kundenservice sind ebenfalls entscheidende Bausteine und sollten in strategische Gesamtüberlegungen miteinbezogen werden. Wichtig ist es, diesen Contradicitions offen und mutig gegenüberzustehen und sie mehr als Chance für eine vielseitige, authentische Kommunikation zu sehen.

Holistisch arbeitende Agenturen beobachten aktuelle Trends nicht nur, sie analysieren und bewerten sie auch hinsichtlich der Relevanz für ihre Kunden. Auf dieser Basis wird es möglich, schnell auf Konsumententrends zu reagieren und daraus Innovationen zu schaffen.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei W&V.

Bei weitem nicht jede App ist so umgesetzt, dass der Konsument davon einen direkten und sichtbaren Nutzen hat. Der eigentlich vielversprechende Kanal App kann in solchen Fällen zu Frustration bei Usern, im Unternehmen zu ineffizienter Budget-Nutzung und damit zu schlechter Performance führen. Schlimmstenfalls verkommt eine App zum reinen Selbstzweck, bietet keinerlei Mehrwert und hat sogar negative Effekte auf die Außenwirkung des App-Anbieters – spätestens hier ist nun Handeln erforderlich, denn ein Teufelskreis von negativen Store Reviews, desinteressierten oder gar verärgerten Nutzern ist ohne zielgerichtete Reaktion kaum aufzuhalten.

Die denkbar schlechteste Option ist es, die App weiter unbetreut vor sich hin vegetieren zu lassen, denn eine verwahrloste App im Store richtet potentiell mehr Schaden an, als sie nutzen wird.

Die Gründe für derlei Probleme können vielfältig sein: Konzepte, die am Markt oder der Zielgruppe vorbei zielen, veraltete oder unpräzise technische Umsetzung oder Apps, die so gut wie nicht genutzt werden, weil die Kunden sie schlichtweg nicht finden können. Die Liste ließe sich noch lange weiterführen.

Wie geht es mit einer verwahrlosten App weiter?

Entscheiden sich Marketing-Verantwortliche, dass die App als Kommunikationskanal weiterhin wichtig ist, muss geprüft werden ob die Basis der App solide genug ist, um durch Optimierungen eine Aufwertung zu erfahren. Doch auch ein Neustart kann sinnvoll sein.

Was also tun? Die schlechte Nachricht gleich vorweg: Einen allgemein gültigen „Königsweg“ gibt es nicht. Denn jedes Produkt funktioniert anders und jeder Kunde hat verschiedene Bedürfnisse. Es gilt also herauszufinden, welche Funktionen und Dienste der App dem Nutzer am meisten Mehrwert bieten und wie dieses Konzept technisch sowie prozessual am besten in das eigene Unternehmen zu integrieren ist.

Nutzerperspektive sollte oberste Priorität sein

Der Startpunkt für alle weiteren Überlegungen sollte hierbei die Perspektive des Nutzers sein. Nur Unternehmen die wissen, was Nutzer oder Kunden eigentlich erwarten, können diese Erwartungen am Ende auch erfüllen. Oft werden an dieser Stelle bereits die ersten Fehler gemacht und zum Beispiel ausschließlich die interne Sicht auf ein Produkt nach außen extrapoliert. Die eigentliche Überprüfung der Arbeit findet dann erst am Markt statt, was nicht selten dazu führt, dass eine App bei den Nutzern durchfällt.

Besser ist es also, sich erst einmal ein klares Zielbild zu verschaffen, welches die Nutzerperspektive entsprechend priorisiert. Klar definierte Zielgruppen mittels „Personas“ erleichtern hier die spätere Qualitätssicherung. Auch sollte bereits vorhandenes Wissen wie beispielsweise Store Reviews herangezogen werden und kann helfen, neue oder bisher unentdeckte Potenziale zu finden und das wiederholen von Fehlern zu verhindern.

Die richtige Entwicklungsmethode

Bereits seit einiger Zeit schwören vielerorts Entwickler auf agile Vorgehensweisen wie Scrum. Dabei geht es grob gesagt darum, nicht nach einem exakten und Monate im Voraus geplanten Bauplan zu arbeiten, sondern vielmehr kleine sinnvolle Arbeitspakete zu schnüren, umzusetzen und schnellstmöglich an den Kunden auszuliefern. Durch die hohe Schlagzahl dieser Inkremente kann das Entwicklungsteam dann sehr schnell das Feedback der Nutzer einsammeln und daraus wiederum neue Updates erzeugen.

Auch für Entwicklungsmethoden gilt jedoch, dass nicht jeder neue Trend für das eigene Unternehmen immer zwingend die beste Wahl ist. Klassisch bewährte Projektmanagement-Methoden, die manchmal als etwas angestaubt wahrgenommen werden, funktionieren unter bestimmten Bedingungen erstaunlich gut. Die passende Methode für das bestimmte Projekt zu finden ist daher nicht immer einfach, die Suche aber meist lohnenswert.

Die besten Konzepte und Methoden helfen allerdings wenig, wenn diese nicht auch mit technisch hohem Qualitätsstandard umgesetzt werden. Daher sollte im nächsten Schritt überprüft werden, wie leistungsfähig die bestehende Infrastruktur ist und wo Schwächen liegen. Beispielsweise können Schnittstellen, die von verschiedenen Dienstleistern angeboten werden, unterschiedliche Ladezeiten aufweisen. Werden solche Abfragen dann für einen Anmeldeprozess benötigt, können sich diese Latenzen summieren und einen Login Versuch des Nutzers unverhältnismäßig lange erscheinen lassen.

Monolithen oder Microservices?

Es sollte also stets darauf geachtet werden, kleine und kontrollierbare Komponenten zu entwickeln und diese lieber bei Bedarf zu verknüpfen als große unflexible Monolithen zu erstellen. Diese sogenannten Microservices sind natürlich kein Allheilmittel, in vielen Fällen überwiegen aber die Vorteile solcher Architekturen die Nachteile. Um die passende Architektur für eine App zu finden, hilft es, nicht sofort jedem neuen Trend zu folgen, sondern genau die Bauart zu finden, die die Erwartungen der Nutzer erfüllt und sich zugleich im Unternehmen sicher und stabil betreiben lassen. Besonders wenn Schnittstellen zur hauseigenen IT bestehen, sollte ein Stakeholder aus dieser Abteilung mit im Projekt involviert sein, denn dort kennt man sich am besten mit der eigenen Technik und deren Leistungsfähigkeit aus. Es bleibt also festzustellen, dass es wie so oft im Leben keinen einfachen Weg zum Erfolg gibt. Reines Glück ist ein solcher Erfolg jedoch bei weitem nicht: Wer sich stark an den Bedürfnissen seiner Nutzer orientiert, intensive Analyse betreibt und die smarte Integration ins eigene Unternehmen vorantreibt und dabei stets am Ball bleibt weitere Verbesserungen vorzunehmen, kann die Chancen eine starke App an den Start zu bringen entscheidend erhöhen – und sich damit wertvolle Wettbewerbsvorteile verschaffen.

#Trends2020: Neues Jahr, neue Trends! Wir haben verschiedene Experten der Serviceplan Gruppe nach ihren Prognosen für 2020 gefragt. Bis Weihnachten kommt an dieser Stelle jeden Werktag ein neuer Trend dazu. Viel Spaß beim Lesen!

Changing Touchpoints

Im Mediabereich werden sich die Touchpoints und deren Einsatz für die kommerzielle Kommunikation unserer Kunden weiter differenzieren und der Content, mit dem wir ihre Konsumenten erreichen, wird durch die Nutzung von Daten stärker individualisiert, um an Relevanz zu gewinnen. Neuere Touchpoints wie TikTok oder Podcasts werden verstärkt eingesetzt und „alte“ Touchpoints wie Instagram werden an die veränderte Nutzungsweisen der neuen Konsumenten-Generationen angepasst.

Andrea Malgara, Geschäftsführer und Partner Mediaplus Gruppe

Service-Portal statt Online-Shop

„Für uns zeichnet sich ein deutlicher Trend im B2B-Bereich ab: Die Bewegung von reinen E-Commerce-Projekten hin zu plattform-übergreifenden Portalen mit einer konsequenten Kundenausrichtung und Serviceprozessen. Dabei werden beispielsweise klassische Online-Ersatzteilshops mit der Buchung von Service-Technikern, einem Informationsportal oder Online-Trainings verbunden. Damit hat man gegenüber der Konkurrenz einen klaren Vorteil, indem man durch Mehrwert die User Experience steigert.“

Sven Lohmeier, Unit Director Enterprise Commerce Solutions bei hmmh AG

Sensorik goes Marketing

Sensorik ist in den Bereichen Smart Home, autonomes Fahren oder Bilderkennung mittlerweile im Alltag angekommen. Im kommenden Jahr werden Sensoren aber immer mehr auch im Bereich Marketing und Kommunikation zum Einsatz kommen. Denn in Kombination mit AI schaffen Sensoren eine hyper-personalisierte User Experience (UX). Marken können durch sensorische Erfassung den Menschen in seiner aktuellen Situation noch besser abholen und in den Mittelpunkt stellen. Zudem können über Sensoren in Werbemitteln, Apps oder auf Webseiten Daten generiert werden, die das data-driven Marketing anreichern. Datenschutzkonformität natürlich immer vorausgesetzt.

Marcel Kammermayer, Geschäftsführer Plan.Net Innovation

Dies ist ebenfalls einer von 15 Trends, die W&V veröffentlicht hat.

Print & die Kultur der Offenheit

Das Jahr 2020 ist der Beginn eines neuen Jahrzehnts, das für das Medium Print weitreichende Veränderungen mit sich bringen wird. Die Chancen der Gattung liegen in einer neuen Kultur der Offenheit – einer Offenheit, sich branchenintern mit allen Akteuren auf eine sinnhafte Lösung der Remissionsproblematik zu verständigen, im Sinne von finanzieller und ökologischer Ressourcenschonung; der Offenheit, sich grundlegend über Messbarkeit und die Relevanz qualifizierter Auflagen und Reichweiten Gedanken zu machen; der Offenheit, Content gezielt für digitale Kanäle ODER für Print zu produzieren, statt auf Mehrfachverwertung zu setzen und der Offenheit gegenüber technologischen Innovationen, die (wie etwa Augmented Reality) eine Verlängerung der analogen in die digitale Sphäre schaffen, den Bruch zwischen den Welten zu überwinden helfen und ein systemübergreifendes Erlebnis erzeugen. Die Herausforderungen sind groß, aber die Chancen noch größer.

Barbara Evans, Geschäftsführerin und Partnerin Mediaplus Gruppe

Small Data statt Big Data

„Big Data“ schreckt ab. „Small Data“ ist angesagt: Es geht nicht um möglichst große Datentöpfe, sondern um höchst granulare Individualisierung. Right message, right time, right touchpoint, right CtA – und das pro Person und nicht pro „Zielgruppe“. Hyper-Personalisierung erreicht den einzelnen Menschen so relevant wie nie zuvor.

Alexander Windhorst, Geschäftsführer Plan.Net Connect

Rich UX durch 5G und LTE

Im neuen Jahr werden die mobilen Bandbreiten durch den Start von 5G und den weiteren Ausbau von LTE zunehmen. Das erlaubt bei mobilen Anwendungen reichhaltige Gestaltungsmöglichkeiten, die die Erwartungen der User nachhaltig verändern werden. Eine Rich UX mit Animationen, viel Bewegtbild und Augmented Reality bei praktisch sofortiger Verfügbarkeit wird zum neuen Standard werden – gegenüber diesem werden statische User Interfaces alt aussehen.

Michael Wörmann, Geschäftsführer und Partner Facit Digital

Der Einzug der Daten in die PR

Agenturen müssen ihre Teams für die digitale Kommunikation mit Personal, Tools und Wissen auf- und ausrüsten. Sie müssen ausgebildete SEO-Experten und Performance-Marketer einstellen. Die Auswertung von Daten beispielsweise aus Suchanfragen wird genauso bedeutend werden wie die richtigen Skills im Umgang mit Journalisten. Agenturen müssen künftig Offline und Online verstehen, kreieren und reagieren. Überall dort, wo Meinung entsteht, egal ob im Vieraugengespräch oder im Kommentarfeld von Instagram. Agenturen müssen noch stärker integriert im Modell des Konversionsfunnels denken und anschlussfähiger an Marketing und CRM werden. Die Zeit, in der sich die PR als Stand-alone-Disziplin versteht, die mit Marketing nichts zu tun hat, geht definitiv zu Ende.

Klaus Weise, Geschäftsführer und Partner Serviceplan Public Relations & Content

FOMO oder JOMO?

Was wird für Marketeers im nächsten Jahr spannend? FOMO, das Akronym für „fear of missing out“, steht für die gerade aus der Social-Media-Welt bekannte Angst, etwas zu verpassen. Die „joy of missing out“ (JOMO) als Antwort darauf steht für die bewusste Entscheidung, Dinge auch verpassen zu dürfen. Für mich gewinnt ganz klar die FOMO: Sieben von zehn Millennials erleben sie regelmäßig. Die Trigger-Möglichkeiten des „FOMO Sapiens“ bieten aus Marketingsicht 2020 also viel Spielraum – man denke nur an die Wirkung zeitlich begrenzter Stories, künstlicher Verknappung oder strikter Zeitlimits. In der Praxis sind der Black Friday, Cyber Monday und der Singles Day die besten Beispiele für die eindrucksvolle Wirkungsweise der FOMO-Logik.

Magnus Gebauer, Group Head Trendhub Mediaplus Gruppe

Marketing Governance

In Zeiten von Zentralisierung und Konsolidierung sind für mich Governance-Modelle in Unternehmen unerlässlich: Diese regeln das Zusammenspiel von Marken und Märkten in (oft) multinationalen Konzernen, klären Rollen und Verantwortlichkeiten aller Stakeholder, setzen Leitplanken für die Content-Produktion und Distribution – und erlauben somit eine zielgerichtete, konsistente und effiziente Marketingkommunikation.

Verena Letzner, General Manager Plan.Net NEO

Branding is for cows, belonging is for people

Die Unternehmensidentität lässt sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht mit dem heißen Eisen aufdrücken. Mindestens genauso wichtig wie die fachliche Eignung sind Loyalität, Verbundenheit und ein gemeinsames Werteverständnis. Deshalb sage ich: Employer Branding war gestern. Es ist an der Zeit, kulturelle Zugehörigkeit und Identität in den Fokus der Mitarbeitergewinnung zu rücken. Diese startet nicht erst beim Recruiting, sondern jeden Tag aufs Neue im eigenen Unternehmen. Um langfristig erfolgreich zu sein, reicht es nicht aus, neue Bewerberinnen und Bewerber fürs Unternehmen zu begeistern. Stattdessen muss es gelingen, die eigenen Mitarbeiter wieder und wieder für sich zu gewinnen. Denn: Employer Belonging is for people.

Oliver Grüttemeier, Geschäftsführer Serviceplan Köln 

Nachhaltigkeit in der Fashionbranche

Fashion wird immer grüner! Laut aktueller Facit-Nachhaltigkeitsstudie sind bereits heute 56 Prozent der Fashion-Kunden in Deutschland beim Thema Nachhaltigkeit quasi auf dem Sprung. Das wird den Druck auf die Anbieter in puncto Sustainable Fashion 2020 noch einmal enorm erhöhen. Eine Vielzahl neuer Fashion-Geschäftsmodelle wird entstehen und Fast Fashion wird an Bedeutung verlieren. Green Fashion, Green Stores, Recycling und faire Arbeitsbedingungen werden dahingegen nächstes Jahr die Diskussion bestimmen. Green Marketing wird 2020 zu einem alles überstrahlenden Thema in Werbung und Kommunikation werden.

Jens Cornelsen, Geschäftsführer Facit Research

Gaming als dominierendes Unterhaltungsmedium

2020 wird ein heißes Jahr für das weltweit beliebteste Unterhaltungsmedium Gaming. Im Herbst bringen Sony und Microsoft ihre neue Konsolengeneration an den Start und neben besserer Hardware und neuen Blockbuster-Titeln wird die neue Runde im Konsolen-Kampf von innovativen Services rund um Abo-Modelle und Streaming-Möglichkeiten für Games entschieden werden. Heiß her gehen wird es auch in Sachen Gameplay Streaming und Gaming Influencer: Microsoft (mit Mixer), Google (mit YouTube) und Amazon (mit Twitch) haben Ende 2019 begonnen, sich gegenseitig die besten Talente abzuwerben, um sie exklusiv an ihre Streaming-Plattformen zu binden. Die Wechsel der Streamer-Schwergewichte Tyler „Ninja“ Blevins und Michael „Shroud“ Grzesiek von Twitch zu Mixer waren nur die Vorboten für den großen Kampf um die Streaming-Krone, der uns 2020 bevorsteht

Alex Turtschan, Director Digital Accelerator Mediaplus Gruppe

Purpose: Das Werkzeug für Identität, Kultur und Wachstum von Unternehmen

Das Thema Purpose wird 2020 an professioneller Bedeutung gewinnen. Zum einen ist der Druck auf Unternehmen von Verbrauchen, Mitarbeitern, Politik, Zivilgesellschaft und Investoren hoch, eine verantwortungsvolle Haltung einzunehmen. Zum anderen wollen mehr Organisationen nutzen, dass die empathische Definition und die kreative Aktivierung ihres Purpose das Werkzeug für Identität, Kultur und Wachstum ist.

Christoph Kahlert, Geschäftsführer und Partner Serviceplan Reputation

Digital Brand Experiences made with love

Das digitale Markenerlebnis steht im Zentrum. Jedoch können Technologie und Daten dabei nur unterstützen. In erster Linie braucht es für die Digital Brand Experience mit Herz eine klare Interpretation von Haltung und Werten für alle digitalen Schnittstellen zwischen Menschen und Marke.

Michael Kutschinski, Chief Creative Officer Plan.Net Group

DNA Trips

Unter „DNA Trips“ lassen sich gleich mehrere Trends zusammenfassen, beziehungsweise beschreiben. Im eigentlichen Sinne geht es um eine Form der Ahnenforschung verbunden mit Urlaub. So werden Orte bereist, die einen hohen persönlichen oder familiären Bezug haben („ancestral tourism“). Aber nicht nur der Bezug zu Orten, auch der Bezug zur Familie und das Reisen mit Familie wird wieder zum Trend. „multigenerational travel“ sprich generationsübergreifende Familienurlaube erleben ein neues Hoch. Ebenfalls wird die Suche nach und die Entwicklung der eigenen Person zum Urlaubstrend. Transformatives Reisen bietet großes Potential in der Produktentwicklung wie auch der Kommunikation.

Verena Feyock, Geschäftsführerin und Partnerin Saint Elmo‘s Tourismusmarketing

Transformation dank Tensegrity

Die digitale Transformation basiert zu einem großen Teil auf Kultur und Technologie. Wertschöpfung aus neuen Technologien entsteht jedoch nur durch einen gleichzeitig stattfindenden Kulturwandel. Kultur, wenn sie als strategisches Unternehmensziel verstanden wird, trägt dazu bei, ein Unternehmen im Kern stark zu machen – durch gelebte Werte, Ziele, Verhalten und Normen. Die gleichzeitige Förderung der Veränderungs-, Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit macht Organisationen zukunftsfähig. Wir nutzen das Bild der Tensegrity: Kultur wird in Verbindung mit Flexibilität und zielführenden Technologien zum Treiber der digitalen Transformation.

Matthias Breitschaft, Geschäftsführer und Partner Serviceplan Consulting Group

Messbarkeit im Influencer Marketing: Compare it!

Influencer Marketing steht zunehmend in der Kritik – einer der meistgenannten Vorwürfe aus Marketer-Sicht ist die mangelnde Messbarkeit. Sieht man genau hin, ist das eigentliche Problem nicht die Messbarkeit, sondern vielmehr fehlende Voraussetzungen für eine ordentliche Vergleichbarkeit. Wir benötigen dringend Medienäquivalenzwerte für Influencer Marketing. Im Jahr 2020 stellen wir uns dieser Herausforderung und unterstützen so Standardisierungsprozesse, die einen Mehrwert im operativen Mediabusiness liefern.

Theresa Timnik, Teamlead Content & Influencer Marketing Plan.Net NEO München

Tracking und Targeting durch Identity

Die Tage des Cookies sind aufgrund der forcierten Einschränkungen von Browseranbietern wie Firefox gezählt. Um auch in Zukunft die Möglichkeit zu haben, Kampagnen zu tracken, zu targeten oder User auch nur mit einer für sie relevanten Frequenz ansprechen zu können, brauchen wir ihre Einwilligung. Diese Einwilligung erfolgt über den sogenannten Identifier, die datenschutzrechtlich klare und personenbezogene Einwilligung des Einzelnen in einer persistenten Datei, die den Websites und Anwendungen die Information zur Verfügung stellt, welche Form des Tracking und Targeting der User akzeptiert. Schafft der Markt es nicht, eine nationale bzw. europäische Alternative neben den großen US-getriebenen Identity-Anbietern – primär den GAFAs – zu etablieren, wird die Diversität im Markt erheblich eingeschränkt. Die ersten nationalen Alternativen wie die netID sind etabliert, eine Marktdurchdringung muss jedoch noch geschaffen werden – für mich ein zentrales Thema im nächsten Jahr.

Julian Simons, Geschäftsführer und Partner mediascale

Agile Markenführung

Um in der immer komplexer werdenden Welt und den neuen Anforderungen durch Digitalisierung und gesellschaftliche Veränderungen, Marken erfolgreich zu führen, braucht es ein Umdenken. Weg von den starren, Corporate-Identity-basierten Gestaltungssystemen hin zu einer agilen Markenführung. Doch was bedeutet agile Markenführung konkret? Marken sind lebendige Wesen. Stil und Ton der Gestaltungselemente sind die sichtbare Spitze der Markenpersönlichkeit. Es gehört heute aber mehr dazu, um markenprägend zu sein: die Haltung des Unternehmens, Dialogfähigkeit, Interaktion mit der Zielgruppe und das Verständnis für Kundenbedürfnisse. Agilität in der Markenführung heißt, diese Faktoren in den Mittelpunkt zu stellen und die Marke danach auszurichten. Weg von der Proklamation und starren Systemen hin zu mehr Veränderung und Flexibilität.

Christine Lischka, Geschäftsführerin und Partnerin Serviceplan Design Hamburg

Dark Mode

Smartphones und Laptops besitzen zunehmend „OLED“-Displays. Helle Flächen verbrauchen bei diesen Displays, im Vergleich zu LCD, viel Strom, dunkle Flächen wesentlich weniger. Die Batterielaufzeit kann durch einen Switch von hellen auf dunkeln Hintergrund um bis zu 30 Prozent verlängert werden. Aus diesem Grund werden wir in 2020 den „Dark Mode“ mit neuen Gestaltungsprinzipien digital erleben und als festen Bestandteil in Design Systemen wiederfinden.

Jens Krahe, Geschäftsführer Plan.Net Köln