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Wie heißt es doch so schön: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Vermutlich war dieses Sprichwort nie zutreffender als in der heutigen Zeit. Es ist nicht sonderlich überraschend, dass die Menschen heutzutage weniger über Textnachrichten miteinander kommunizieren, sondern vielmehr über Bilder in mobilen Nachrichten-Apps und insbesondere Social-Media-Plattformen.
Urheber dieses Trends in den sozialen Medien war vor einigen Jahren vielleicht Instagram, doch es war Snapchat, das als erstes Unternehmen in den Bereich der persönlichen Nachrichten vordrang und andere Plattformen folgten schließlich diesem Beispiel. Mittlerweile ist digitales Bildmaterial mehr als nur eine Form der Präsentation und Dokumentation unseres Lebens. Vielmehr nutzen wir anstelle von Text aktiv Bilder zur Kommunikation. Snapchat bestimmte diesen Trend in den letzten drei Jahren maßgeblich und konnte die Zahl seiner täglich aktiven Nutzer auf über 160 Millionen verdreifachen. Facebook wollte dabei natürlich nicht abseits stehen und übernahm nahezu alle Funktionen für Bildnachrichten, die sich durch Snapchat verbreitet hatten, auf all seinen vier Plattformen Instagram, WhatsApp, Messenger und Facebook.
Während verschiedenste Einstellungen für Portraitbilder und einfache Bildbearbeitung mittlerweile Standard in den Social-Messaging-Kanälen geworden sind, versuchen beide Plattformen, sich künftig verstärkt in Richtung „Augmented Reality“ zu bewegen. Nutzer sollen so die Möglichkeit haben, in ihrer realen Umgebung aktiv und in Echtzeit digitale Elemente zu platzieren. Man kann sich dies so ähnlich wie bei Pokemon Go vorstellen, allerdings mit weitaus mehr Möglichkeiten mit der Umwelt zu interagieren und auf sie zu reagieren. Snapchat beschreibt dies als „Malen der Welt durch 3D-Erlebnisse“.
Snapchat mag diesen Trend beschleunigt haben, doch Facebook scheint ein noch höheres Innovationstempo anzuschlagen. Kürzlich stellte Mark Zuckerberg im Rahmen der „F8“, der jährlichen Entwicklerkonferenz von Facebook, zahlreiche neue Effekte für 3D-Kameras vor. Er unterstrich, dass ein verstärktes Augenmerk auf der Schaffung einer „Kameraplattform“ liegen wird. Diese Plattform soll nicht nur zum Aufnehmen von Bildern, sondern auch als Kommunikationsmittel dienen. Er erklärte sogar, dass die Kamera künftig in allen Facebook-Apps eine zentralere Funktion als die Texteingabefelder bekommen soll.
Für Facebook erschließt sich dadurch eine Möglichkeit, vollständig in der „realen“ Welt anzukommen und zur Schnittstelle zwischen Smartphone und Umgebung des Nutzers zu werden. In einem Gespräch mit BuzzFeed News führte Zuckerberg diesen Ansatz weiter aus und stellte fest, dass sich bei Facebook sehr viel darum drehe, die reale Welt mit der Onlinewelt zu verknüpfen. Weiterhin erklärte der Facebook-Gründer, dass das Nutzererlebnis verbessert und unser Leben bereichert würde, wenn es gelingt, die digitalen und physischen Aspekte unserer Welt miteinander zu vereinen.
Bei einer Demonstration der neuen 3D-Kameraeffekte richtete ein Facebook-Entwickler sein Smartphone auf den Tisch und ein 3D-Propellerflugzeug erschien auf dem Bildschirm, das um eine Wasserflasche auf der Tischplatte flog. Ein anderer benutzte die Kamera seines Smartphones, um den Raum in ein Planetarium zu verwandeln, das Planeten und Sterne an die Decke projizierte. Bei einer weiteren Vorführung wurde ein gewöhnliches Portraitfoto aufgenommen und der Gesichtsausdruck nachträglich zunächst in ein Lächeln und anschließend in ein Stirnrunzeln verändert.
Facebook zeigte außerdem verschiedene 3D-Szenen, die vollständig aus einer Reihe von 2D-Fotos erstellt wurden. Die Bildtiefe der Szenen ermöglichte es den Zuschauern, durch Drehen des Kopfs hinter das Bett in einem Raum zu blicken oder um einen Baum in einem Wald herumzuschauen. Nutzer konnten das Licht im Foto eines Raums dimmen, diesen unter Wasser setzen oder sogar ein digitales Objekt im Raum platzieren, das für andere Betrachter auch später noch zu sehen war.
Letztendlich geht es um die Idee, die reale Welt in eine Erweiterung von Facebook zu verwandeln. Während Zuckerberg Beispiele anführte, die Kamera von Facebook zu nutzen, um zum Beispiel digitale Kunst an einer Wand anzusehen oder ein auf eine Tischplatte projiziertes digitales Spiel zu spielen, wird die eigentliche Absicht doch ersichtlich: Elemente, die normalerweise im eigenen Feed angezeigt werden, können in die reale Welt gezogen werden. Dies gilt ebenso für Inhalte von Freunden und Familie und letztlich sicher auch für Werbeanzeigen. Da dem traditionellen Newsfeed von Facebook im Gegensatz zu den Nachrichten-Apps weniger Beachtung geschenkt wird, könnte das eine Möglichkeit sein, die Relevanz dieser Art von Content auch künftig zu sichern und gleichzeitig das Geschäft mit Werbeanzeigen zu erweitern.
Was bedeutet dies jedoch für die Marken, wenn die Konsumenten in einer erweiterten Realität leben, ständig mit ihrer Umgebung interagieren und diese visuell manipulieren? Und was geschieht wenn wir alle 24 Stunden am Tag AR-Brillen oder -Kontaktlinsen tragen? Unweigerlich kommt dabei das Bild einer dem Film „Minority Report“ ähnlichen Welt auf, in der uns die Werbeanzeigen quasi auf Schritt und Tritt verfolgen. Sicherlich muss es aber auch einen anderen Weg geben. Wir werden wohl einfach abwarten müssen, was passiert.
Dieser Beitrag wurde auch bei HORIZONT Online veröffentlicht.
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