Es dürfte keine überraschende Erkenntnis sein, dass Videos niemals so populär waren wie heute. Sei es auf Facebook, YouTube, Display oder auch zunehmend auf Snapchat und Instagram – User verbringen ihre Zeit online immer häufiger mit dem Ansehen von Videos in jeglicher Form. Nach Schätzungen von KPCB werden Videoinhalte Ende des Jahres 74 % des gesamten Online-Datenverkehrs ausmachen und Mark Zuckerberg geht sogar davon aus, dass die Inhalte auf Facebook bereits in fünf Jahren fast ausschließlich aus Videos bestehen werden.

Doch während das digitale Videoformat einfacher zugänglich ist als je zuvor, nutzen viele der veröffentlichten digitalen Videoanzeigen die Chancen von digitalen Kanälen nicht optimal. Die meisten orientieren sich immer noch an TV-Spots, die für digitale Plattformen angepasst werden – es ist also ein neues Format, bei dem jedoch noch veraltete Konzepte verfolgt werden. Während Fernsehen ein passiver Kanal ist, gilt dies für digitale Medien nicht – doch das Potenzial wird derzeit noch nicht voll genutzt. Darum haben wir anscheinend auch einen Punkt erreicht, an dem die Zuschauer bei Videos auf digitalen Kanälen sozusagen auf „Durchzug“ schalten. Dies ist wenig überraschend, wenn man sich die Menge an Formaten vor Augen führt, die in den letzten Jahren immer aggressiver geworden sind, zum Beispiel nicht überspringbare Pro-Rolls, automatisch abspielende Anzeigen in hoher Lautstärke und nun auch noch die besonders schrillen Mid-Roll-Videos, die förmlich in die Wiedergabe von Videos hineinplatzen.

Die Zuschauer haben buchstäblich die Nase voll von Videoanzeigen, die ihr digitales Erlebnis stören und sie dazu zwingen, Marketingbotschaften über sich ergehen zu lassen. Im Jahr 2017 sind die meisten Konsumenten daran gewöhnt, mit Inhalten auf digitalen Kanälen zu interagieren, insbesondere auf dem Mobiltelefon. Viele erwarten ein bestimmtes Maß an Interaktivität. User sind mit spieleartigen Anwendererlebnissen vertraut und neigen dazu, eine Anzeige bereits beim ersten Anzeichen eines entsprechenden Countdowns zu überspringen. Da die Aufmerksamkeitsspanne anscheinend immer weiter abnimmt, erregt passiver Inhalt nicht mehr dieselbe Aufmerksamkeit wie früher.

Es gibt jedoch Aussicht auf Besserung, da der Funktionsumfang digitaler Videos immer größer wird. Interaktive Videos sind in verschiedenen Formen bereits seit einigen Jahren im Umlauf, doch neuerdings verstärkt sich dieser Trend, insbesondere außerhalb der Werbung. Erst in diesem Sommer startete Netflix eine Reihe interaktiver Serien für Kinder, bei denen die jungen Zuschauer die Möglichkeit haben, den Verlauf jeder Folge mitzubestimmen. Das klingt alles nach einer neuartigen Idee für Kinderserien, aber stellen Sie sich vor, wenn auch Sie Einfluss darauf nehmen könnten, was mit Ihren Lieblingsfiguren geschieht oder alternative Szenen in Serien wie House of Cards oder Game of Thrones entstehen würden. Wie könnte man Zuschauer stärker an sich binden, als sie direkt in den Ablauf einzubeziehen und sie über den Inhalt mitbestimmen zu lassen? Das Gleiche gilt auch für Werbung.

Videos mit Auswahlfunktionen haben sich als besonders geeignet für Erzähl- und Ausbildungszwecke erwiesen. Der britische Wiederbelebungsrat (UK Resuscitation Council) machte sich diesen Ansatz bei einer Kampagne zunutze, die Zuschauern die Grundlagen der Herz-Lungen-Wiederbelebung näherbringen sollte. Dabei wurde ihnen ein Unfallszenario gezeigt, in dem sie verschiedene Entscheidungen treffen mussten, um ein Leben zu retten. Dahinter steckt der Gedanke, dass durch die Beteiligung des Zuschauers am Vorgang selbst das Erlebnis wesentlich intensiver wird und dass die Zuschauer Informationen dank der Interaktionsmöglichkeiten mit viel höherer Wahrscheinlichkeit aufnehmen.

Außerdem lässt sich vermehrt feststellen, dass mobile Videos die speziellen Funktionen des Smartphones nutzen, um dem Zuschauer die Möglichkeit zu bieten, intuitiver mit dem Inhalt zu interagieren. Im neuen mobilen HD-Videoanzeigenformat von AdColony können User den Videoinhalt durch Antippen, Drehen oder Wischen während eines Videos ändern. Ein aktuelles Video im Schatzsucherstil als Werbung für den neuen „Fluch der Karibik“-Films präsentiert die eindrucksvollen grafischen Elemente, die zur Verfügung stehen, um den Zuschauer quasi in das Video eintauchen zu lassen und das Erlebnis gleichzeitig um ein spieleartiges Element zu erweitern. Ebenso können User in einer aktuellen Kampagne von Visit Britain mit dem Gyroskop ihres Mobilgeräts zwischen visuellen Rundgängen in verschiedenen Landesteilen umschalten. Dazu müssen sie ihr Mobilgerät entweder nach Norden, Süden, Osten oder Westen richten, um zu erfahren, was der jeweilige Teil des Landes zu bieten hat.

Solche Funktionen können auf vielfältige Art und Weise genutzt werden, damit Zuschauer ihre eigene Reise planen, Fragen beantworten, Produkte kaufen, auf exklusive Inhalte zugreifen, Formulare ausfüllen und vieles mehr können – und zwar alles über das Video. In interaktiven Videos schlummert noch immer ein großes Potenzial. Da Facebook nun mit seiner neuen Videoplattform „Watch“ einen TV-artigen Service lanciert hat und Unternehmen wie Snapchat ebenfalls im Begriff sind, sich dieses Format zu erschließen, sollten sich Werbetreibende möglichst bald darüber Gedanken machen, wie sie Videos in Zukunft interaktiver gestalten können.

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