Sechs Milliarden Video-Views pro Tag, drei Mal so viele wie noch vor sechs Monaten – und das mit 100 Millionen täglich aktiven Nutzer weltweit, 1,6 Millionen davon in Deutschland. Mit diesen Zahlen sorgt Snapchat derzeit für Aufsehen. Denn die Foto- und Video-Messaging-App gehört zu den am schnellsten wachsenden Social-Web-Angeboten des Jahres und wird damit auch für Marketing-Verantwortliche immer spannender.
Zum Vergleich: Facebook erreicht mit circa acht Milliarden Video-Views am Tag etwas mehr Abrufe als Snapchat, benötigt dafür aber mehr als eine Milliarde täglich aktive Nutzer. Als View zählt bei Snapchat wie auch bei Facebook schon alleine der Aufruf eines Videos.
Und diese hohe Reichweite ist nicht der einzige Grund, der Snapchat für die Markenkommunikation besonders spannend macht: Hinzu kommt, dass die Nutzer des Dienstes aktuell sehr jung sind. Laut den Paneldaten des Global Web Index (GWI) ist knapp die Hälfte der User jünger als 24 Jahre. In Wirklichkeit dürfte der Altersschnitt sogar deutlich niedriger liegen, denn das Mindestalter für die Teilnahme an der GWI-Befragung liegt bei 16 Jahren. Werbungtreibende können sich bei der Erstellung ihrer Inhalte also beinahe ausschließlich auf diese Zielgruppe fokussieren.

Snapchat: Hoher Grad an Exklusivität

Für die Nutzer macht nicht zuletzt der hohe Grad an Exklusivität und Privatsphäre den besonderen Reiz von Snapchat aus. Erreicht wird dieser zum einen dadurch, dass Snapchat ein reines Mobile-Angebot ist. Hier gibt es keine Desktop-Version, jegliche Kommunikation findet ausschließlich über die Smartphone-App statt. Zum anderen ist es die Kurzlebigkeit der Inhalte, die viele schätzen: Im Kern der Anwendung stehen Fotos und Videos, die mit Freunden geteilt und nur einmalig für einen kurzen Zeitraum von wenigen Sekunden betrachtet werden können. Für junge Nutzer natürlich hochinteressant, denn so bleiben die Inhalte vor den neugierigen Blicken von Personen außerhalb des engsten Freundeskreises (beispielsweise der Eltern) versteckt.

Snapchat weiß sehr genau, dass diese Aspekte den Nutzern wichtig sind. Deshalb stehen auch bei der Vermarktung und Monetarisierung der Plattform eine möglichst geringe Störung der User-Experience und die Achtung der Privatsphäre im Mittelpunkt. Aktuell bietet Snapchat drei verschiedene Werbemöglichkeiten an, die derzeit allerdings noch nicht in Deutschland verfügbar sind: Bewegtbild-Anzeigen namens 3V Ads (für Vertical, Video, View), die Integration in Snapchat Discover, einen Bereich in der App, in dem hauptsächlich Medienmarken den Nutzern täglich neue redaktionelle Inhalte bereitstellen sowie sogenannte Sponsored Stickers und Lenses (Grafiken und Video-Effekte), welche die User auf ihre Fotos und Videos anwenden können.

3V Ads und Snapchat Discover

Bei den 3V Ads müssen sich Werbungtreibende an einige Regeln halten: Um die Privatsphäre der Nutzer zu schützen, sind die Targeting-Möglichkeiten auf Alter, Geschlecht und Location begrenzt. Darüber hinaus müssen die Videos zwingend im Hochformat vorliegen und für die Zielgruppe relevant und gut teilbar sein – mit den Worten von Snapchat: „immersive, curated content“. Die einfache Zweitverwertung von PreRoll Ads fällt damit aus.
Das Gleiche gilt für Snapchat Discover: Auch hier ist eine plattformspezifische Aufbereitung der Inhalte unverzichtbar. Wer auf Snapchat werben will, muss die Bedürfnisse der Zielgruppe in den Mittelpunkt stellen und sich an der mobilen Nutzungssituation sowie dem Stil der Plattform orientieren. Die Content-Produktion für Snapchat zwingt zum Umdenken – gefragt sind kurze, unterhaltsame Texte, Bilder und Videos sowie Inhalte, die das Engagement anregen. Und als wäre das noch nicht genug: Alle Inhalte sind außerdem nur 24 Stunden lang verfügbar, dann müssen die Marken-Channel neu befüllt werden.

Neues Werbeprodukt: Snapchat Lenses

Vor wenigen Wochen wurden außerdem die Sponsored Lenses als neues Werbeprodukt vorgestellt. Marken können den Usern gebrandete Grafiken, Animationen und Bildeffekte für die eigenen Fotos zur Verfügung stellen – zum Schnäppchenpreis von 450.000 US-Dollar für einen Tag, an besonderen Tagen wie Halloween für bis zu 750.000 US-Dollar.
Snapchat hat außerdem schon vor einigen Monaten mit Geofiltern experimentiert, die den Usern an bestimmten Locations spezielle Sticker für Bilder zugänglich machen. Startkunde McDonald’s kreierte dafür virtuelle Cheeseburger und Pommes Frites für Snapchat-Nutzer in den Restaurants.
Wann die offiziellen Werbemöglichkeiten auch deutschen Kunden zur Verfügung stehen, ist derzeit noch nicht absehbar. Sollte die Plattform hier weiter so schnell wachsen, wird es im Laufe des nächsten Jahres wohl soweit sein. Sinkende Preise oder weniger strenge Vorgaben an die kreativen Inhalte sind allerdings bis auf weiteres nicht zu erwarten, denn Snapchat ist sich seiner einzigartigen Position und der Attraktivität der eigenen Plattform absolut bewusst.

Kooperationen mit Prominenten für Snapchat

Bis es soweit ist, können Unternehmen natürlich auf eigene Faust die Initiative ergreifen – sei es durch eigene Brand-Accounts, die den Fans kreative Inhalte über die Kontaktliste zukommen lassen, oder über Kooperation mit Prominenten aus der Off- und Online-Welt, bei denen Marken als Sponsoren auftreten können. So lassen sich beispielsweise zahlreiche Youtuber ihre Reichweiten auf Snapchat ebenfalls gut bezahlen.
Auf den Punkt, unterhaltsam und maximal teilbar müssen die Inhalte aber auch hier zwingend sein. Der Ressourceneinsatz ist damit auf Kunden- und Agenturseite entsprechend hoch. Für eine erfolgreiche Umsetzung müssen beide Seiten ein hohes Maß an Engagement und Verständnis für die Plattform aufbringen.
Doch will man mit seiner Marke gerade ein junges Publikum erreichen, bietet Snapchat die idealen Voraussetzungen. Und gerade weil das Publikum so jung und die Inhalte kurzlebig sowie nicht komplett öffentlich sind, ist der Dienst als Experimentierfeld für neue Ideen und Inhalte deutlich attraktiver, als die etablierten Facebook-, Twitter- und Youtube-Accounts mit sechsstelligen Fan- und Followerzahlen. Einen Versuch ist es also allemal wert.

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