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Donald Trump ist ein Totalversager. Vor allem im Marketing. Und er ist ein Lehrbeispiel, was man dabei alles falsch machen kann. Dabei hätte er es besser wissen müssen.

Donald Trump – och nö, nicht der schon wieder. Diesseits des Atlantiks möchten wir eigentlich gar nichts mehr hören oder sehen oder lesen von dem Präsidenten-Darsteller da drüben. Bis zu der Nachricht, dass er endlich weg ist. Daran allerdings arbeitet er emsig mit. Und diese Tatsache macht ihn – trotz aller Ermüdungserscheinungen – wiederum interessant. Speziell für alle, die sich mit Marketing beschäftigen. Denn mit Trump wählten die Amerikaner schließlich zum ersten Mal nicht einen Politiker an die Spitze des Staates, sondern einen, der stets bestritt, einer zu sein. Vielmehr war Trump bis dahin eine Marke, so etwas wie Coca-Cola, Oreo oder Ariel. Etwas, das man so oft im Fernsehen gesehen hat, dass man es halt irgendwann mal ausprobiert. Seither allerdings läuft es gründlich schief mit der Marke Donald Trump.

Das hat zum einen natürlich etliche politische Gründe, aber die sind eben nur ein Teil der Geschichte. Trump überschreitet regelmäßig rote Linien – die von Charlottesville war offenbar eine zu viel. Er hat damit klar gemacht, dass er nicht nur der Ausländerfeindlichkeit, des Rassismus und Antisemitismus verdächtig ist und mit Rechtsradikalen und Neonazis sympathisiert. Wäre der Geschäftsmann Trump nicht gar zu selbstverliebt und würde sich nur mehr mit Speichelleckern umgeben, er würde sich angesichts der dadurch entstandenen Situation wahrscheinlich seinen Marketingchef zur Brust nehmen. Denn es ist ein bisschen so, als würde McDonald’s nur mehr den BigMac verkaufen wollen und sonst nichts. Trump bedient hartnäckig die alteingesessene Stammkundschaft, allen Umfragen nach inzwischen eine deutliche Minderheit. Er versucht nicht mal, neue Klientel anzusprechen. Trump betreibt Schildkröten-Geschäfte. Oder ist er vielleicht an einer Wiederwahl gar nicht interessiert?

Dabei kann eine Persönlichkeitsmarke wie er etwas durchaus Positives sein, und Werber wären froh, es gäbe mehr davon. Denken wir – in sehr viel harmloserem Zusammenhang freilich – nur an den Kaffeeröster Albert Darboven, der im Fernsehen seine Bohnen anpries. Oder an Claus Hipp, den freundlichen Babybrei-Patriarchen. Das sind Menschen, die Vertrauen schaffen können. Gesichter, die für ein Produkt stehen und gleichzeitig für das Unternehmen, das es herstellt. Sie vermitteln Wahrhaftigkeit. Die Marke Trump, die für den Präsidenten aller Amerikaner stehen sollte, ist dagegen endgültig zu einem Fake verkommen.

Dabei hat er es ja akribisch aufgebaut, dieses Image des knallharten Immobilienmoguls, der mit unkonventionellen Mitteln und jeder Menge Ellenbogeneinsatz zum Milliardär geworden ist (was wir, nebenbei bemerkt, nicht wissen, da er seine Steuererklärung ja hartnäckig unter Verschluss hält). Die alte Jeder-kann-es-schaffen-Geschichte. Im Marketing gibt es den klassischen Dreiklang für Markenvertrauen: Bekanntheit schaffen, Sympathie erzeugen, Kaufbereitschaft wecken. Trumps Wahl bedeutete: Operation gelungen. Die Wähler haben ihn gekauft. Wenn man es mit der Business-Brille sieht: Er hat seine Marke in einem vollkommen neuen Markt erfolgreich etabliert. Der Superman aus der Geschäftswelt zeigt jetzt auch in der Politik, wie der Hase läuft. Und dann hat er, ganz Egomane, dem Hasen unnötig das Fell über die Ohren gezogen.

Trumps Erfolg als Wahlkämpfer hängt auch damit zusammen, dass heutzutage eine Ökonomie der Aufmerksamkeit herrscht. Twitter, das bevorzugte Kommunikationsmittel des US-Präsidenten, hat im ersten Quartal dieses Jahres unerwartet viele neue Nutzer gewonnen, neun Millionen. 8,9 Millionen davon werden Trump zugeschrieben. Auch die seriösen Zeitungen New York Times und Wall Street Journal verzeichnen bemerkenswert wachsenden Zuspruch, seit er angetreten ist. Offensichtlich suchen Menschen nicht nur Neuigkeiten, sondern auch Wegweiser durch den Dschungel aus Nachrichten, den das Internet uns beschert. Das Web ist schließlich nicht nur bequeme alltägliche Informationsquelle, sondern durch seine Überfülle auch ein Hort an Desinformation. Zu viel, zu schnell, zu oft, zu unverlässlich prasseln Nachrichten und Anreize über uns herein, ob aus der Politik oder der Wirtschaft, und jeder will Begehrlichkeiten wecken. In diesem Dickicht suchen wir nach Orientierung. Anders ausgedrückt: nach Wahrhaftigkeit und Vertrauen. Dafür stehen Marken. Habe ich „meine“ Marke gefunden, ist meine Welt geordnet und ich kann den Rest getrost außen vor lassen.

Man könnte da jetzt hinein interpretieren, dass eine Marke etwas Gutes sei. Ist sie nicht. Gut ist sie nur für den Verkauf. In der Politik beispielsweise hat in den letzten Jahren die Marke des Populismus massiv an Wert gewonnen, analysierte „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in seiner Keynote zu den diesjährigen Best Brands, jener Veranstaltung, bei der die besten Marken in Deutschland prämiert werden. Populismus bedeutet Orientierung der simplen Art mit klaren Leitplanken und vor allem mit Feindbildern. Womit wir wieder bei Donald Trump sind. Sein Populismus hat nicht nur der eigenen Marke geschadet, sondern dieser Bewegung insgesamt. In Holland und in Frankreich sind die Populisten weit weg geblieben von der Macht, auch in Deutschland wird das so sein. Im Fahrwasser von Trump kann man nicht gewinnen.

Dabei kann der Mann Marketing, das hat er im Wahlkampf bewiesen. Aber er kann nicht Politik. Deshalb tritt er immer noch so auf, als sei Wahlkampf. So gerne wir über Politiker schimpfen, The Donald macht deutlich, dass auch dieses Gewerbe eines für Profis ist. Interessant wäre es zu wissen, welchen Verlauf die Geschäfte seiner Firma angesichts des politischen Debakels nehmen. Wohltätigkeitsvereinigungen würden nach Charlottesville nicht mehr seinen Golfclub in Florida buchen, wo sie für viel Geld gerne Treffen veranstaltet hätten, heißt es in der amerikanischen Presse. Und eine Ferienvilla in der Karibik würde ihm trotz Preisnachlass niemand abkaufen, heißt es. Was womöglich am innenarchitektonischen „Diktatoren-Chic“ liege. Mehr erfährt man leider nicht.

Dass die Marke Trump aber mittlerweile eine finanzielle Belastung für das Unternehmen Trump geworden ist, kann man nicht ausschließen. Denn das Wichtigste, was es heute für eine Marke gibt (und das von den Verantwortlichen gerne mal unterschätzt oder übersehen wird), ist das Produkt. Wer ein Versprechen zu einem Produkt abgibt, muss es auch halten. Wäscht das Waschmittel nicht tatsächlich weißer, dann ist es mit dem Kundenvertrauen, dem essentiellen Kapital der Marke, ganz schnell Essig (nebenbei bemerkt: Ist Ihnen aufgefallen, dass es derlei Werbung kaum mehr gibt? Das hat seinen Grund!). Macht der Präsident statt Politik nur Sprüche und hält seine Versprechen nicht (wie man das von Politikern eigentlich kennt, von diesem Anti-Politiker aber nicht erwartet hatte), ist etwas mit dem Produkt faul. Nie war Qualität so wertvoll wie heute.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Horizont

Ein Beitrag von Jörg Ihlau und Anselm von Stülpnagel.

Sommer in Deutschland, knappe Hosen, eisschleckende Kinder und knipsende Touristen prägen wie jedes Jahr viele Stadtbilder. Der einzige Unterschied: 2017 ist Wahljahr. Seit Anfang August schmücken die Parteien die Straßenzüge mit Sprüchen und Konterfeis.

Man fragt sich alle vier Jahre wieder: Wählt wirklich jemand die CDU, nur weil Frau Merkel so nett auf einem Plakat lächelt? Natürlich nicht. Den Parteien geht es vor allem darum, die eigenen Anhänger ans Wählen zu erinnern. Dennoch sind Wahlplakate auch Symbole, in denen sich der Kern der Parteien offenbart und an denen sich die Strategie zur Stimmenmaximierung diskutieren lässt. Wahlplakate wirken nicht nur direkt im Stadtraum auf die Zielgruppen, sie illustrieren auch die journalistische Begleitung des Wahlkampfs und bilden so den visuellen Hintergrund für die gesamte Selbstpräsentation der Parteien.

Wie schlagen sich die Wahlplakate der Parteien im Vergleich?

CDU – Stabilität für Deutschland

Die CDU hat es ganz bequem. Nach einer kurzen Aufregung Anfang des Jahres, als Martin Schulz als Herausforderer auftauchte, hat sich die Union mittlerweile mit guten zweistelligen Prozentpunkten vor die SPD geschoben – und das schon über Monate.

Die CDU-Plakate dokumentieren Stabilität und verzichten auf Auffallen. Gestalterisch gewagt ist bestenfalls, wie die langjährige CDU-Auszeichnungsfarbe Orange mit den Patriotenfarben Schwarz-Rot-Gold gemixt wurde. So entsteht ein unruhig bunter Gesamteindruck für den klassisch konservativen Weiter-so-Appell.

Textlich ordnen sich die Plakate nahtlos in die Kantenlosigkeit der Merkelschen Sprache ein und ecken nie an. Starke Inhalte oder einfallsreiche Programmatik sucht man hier vergebens, kein Wunder, ist das Erfolgsgeheimnis der Merkel-CDU. Das Motiv zum fairen Lohn für gute Arbeit würde auch ein Gewerkschaftsflugblatt schmücken. Abgebunden wird mit einem elend langen Wahlslogan inklusive eingebautem Relativsatz, hier hatte sicher nicht der Werbetexter das letzte Wort.

So spiegeln die Motive das Selbstverständnis der CDU: Schwarz-Rot-Gold im Kuschelmodus, keine Experimente, keine störenden Kanten, offen für fast alle und alles.

SPD – In der Strategiefalle

Die Sozialdemokraten stecken in einer Falle: Warum polarisieren, wenn keine Wechselstimmung spürbar ist? Stellt man sich als Regierungs- oder als Oppositionspartei dar?

Die Partei, die als Junior-Partner in der Großen Koalition ihre Programmatik durchaus erfolgreich durchgesetzt hat, kann kaum einen grundlegenden Politikwechsel fordern. Die Geschichte lehrt: SPD-Kandidaten können Wahlen nur mit einem glaubwürdigen gesellschaftlichen Modernisierungsprogramm gewinnen, aber genau das vermisst gerade niemand. Ein Deutschland mit mehr Jobs denn je und vollen Staatskassen, aber umgeben von vielen Unsicherheiten, schätzt Sicherheit – nicht Veränderung.

Deshalb zeigt sich die SPD in einer betont positiven Bildsprache, mit schönen Menschen, einer modernen Typo und einem gelungenen Bildaufbau. Der Copykasten spiegelt das quadratische Parteilogo und die Parteifarbe Rot ist die einzige, die auffallen darf – bestes Gestalterhandwerk.

Nur kann Martin Schulz, dessen Authentizität eine große Chance für die SPD ist, neben den Werbebildern gerade nicht mit dieser Stärke punkten. Die Optik wirkt zu glatt für den bodenständigen Mann aus Würselen.

Die getexteten Forderungen versuchen, kämpferischer zu wirken als die Bildsprache. Aber beim Motiv zum Gender-Pay-Gap verkürzen sie bis zur Unkorrektheit. Familienpolitik ist – strategisch richtig – stark betont, dumm nur, dass die CDU inzwischen fast alle programmatischen Flanken dazu geschlossen hat.

So schafft es die SPD mit glatten Werbemotiven nicht, die Strategiefalle zu lösen: Eine erfolgreiche Regierungspartei zu zeigen, die nun aber alles anders machen will.

Bündnis 90/Die Grünen – emotionslos in Stein gehauener moralischer Anspruch

Die Grünen haben eigentlich alle Chancen, kommunikativ aufzutrumpfen: Donald Trump verlässt das Pariser Klimaabkommen, Deutsche Autobauer pfuschen beim Diesel und mit Schwarz-Gelb droht eine Koalition des klimapolitischen Rollbacks. Doch wer nimmt die Partei als den starken Gegenpol wahr? Das Fehlen glaubwürdig kämpferischer Köpfe kann auch die Werbeagentur nicht kompensieren.

Die Typo brüllt den Passanten mit ihren Versalien förmlich an, auf Kosten der schnellen Lesbarkeit. Die Serifenschrift unterstreicht den Eindruck von in Stein gehauenen ewigen moralischen Wahrheiten. Zudem folgen nun auch die Grünen dem Modetrend (etwa der FDP, davor der SPD), als Sekundärfarbe schrilles Magenta einzusetzen.

Diese gestalterische Lautstärke ersetzt den Spirit der ethisch überlegenen Bevormundung, die in zurückliegenden Wahlkämpfen noch inhaltlich vom Veggie-Day repräsentiert wurde. Winfried Kretschmann hat in Baden-Württemberg gezeigt, dass Grün auch anders gehen kann.

Die Sprüche sind durchaus flott, aber null überraschend. Personalisierung mit zwei Spitzenkandidaten ist für gewöhnlich schwer. Schade, dass die Partei ihre Programmatik aus der Opposition heraus nicht origineller inszeniert, um den vorbildlich knappen Claim „Darum Grün“ aufzuladen. Und unverständlich, dass die Gestaltung auf jede Form von Emotionalität verzichtet.

Alles in allem ist die Kampagne die Verlängerung vieler bisheriger Grünen-Wahlkämpfe: Erstaunlich unkreativ, nur lauter beim Anbrüllen des Lesers.

FDP – Popstar meets politics

Über die Liberalen (oder freie Demokraten, wie sie sich jetzt nennen) lässt sich dieser Tage trefflich schreiben. Zu verlockend ist die Wandlung von bodenständiger Traditionspartei zu einer schrillen, fast hippen Partei, in der die Handschrift vom jungen Christian Lindner alles bestimmt. Der Parteivorsitzende weiß, mit welchen Themen er die Bundestagsparteien vor sich hertreiben kann, und tut dies auch mit Genuss. Die Kampagne lebt von der Freiheit einer außerparlamentarischen Opposition – Belege, wirklich keine Gefälligkeitspartei mehr zu sein, bleibt die Partei noch schuldig. Das kürzlich auftauchende Putin-Kuscheln nährt die alte Angst vor der Wirtschafts- statt Wertepartei, so was könnte das gebrechliche öffentliche Wohlwollen gegenüber der Partei noch gefährden.

Die Kampagne inszeniert mit einer markigen Optik Christian Lindner wie einen Popstar. Niemand würde sich über ein Plattencover in diesem Design wundern: Der Spitzenkandidat als leicht melancholischer Singer-Songwriter, der auch ein bisschen Liebe verdient. Und den Vorwurf der übertriebenen Personalisierung kontert die Partei mit (im Normalfall) unlesbar kleinen Texten, die Programmatik symbolisieren sollen. Strategisch sauber, die Erinnerung an die alte FDP nicht aufkommen zu lassen, weder in Look & Feel noch in der Headline-Sprache.

Der Claim „Denken wir neu“ zeigt sich sowohl in Gestaltung als auch in den Texten – die Motive wirken frisch und die Sprüche fordernd.

Gute Arbeit: Kommunikation und Spitzenkandidat passen optimal zusammen – auch wenn die Hyperinszenierung nicht jedem gefallen dürfte. Vorbildlich: Partei und Agentur haben sich nicht erst zum Wahlkampf zusammengetan, vielmehr hat die FDP unverwechselbare kreative Kommunikation über Jahre als Schlüsselelement ihres Wiederaufbaus eingesetzt.

Die Linke – gut inszenierte Protestkultur

Diesen Wahlkampf muss die Linke ohne ihr langjähriges Zugpferd Gregor Gysi auskommen. Mit Sarah Wagenknecht und Dietmar Bartsch zieren allerdings zwei bekannte Köpfe die Wahlplakate, die ihre Chance nutzen, als einzige Partei nicht als Koalitionspartner für Frau Merkel in Frage zu kommen. Dass sie nicht moderieren müssen, zeigen sie mit üblicher Klarheit – damit schaffen sie es ein älteres, eher biederes Zielgruppensegment zu binden und zugleich junge, engagierte Linksopposition zu adressieren.

Die Gestaltung ist einfach und fokussiert die Botschaften, die auf den Themenmotiven schnörkellos mit den zusätzlichen, aber deutlich zu bunten Bildelementen spielen. Die Kandidatenmotive hingegen bleiben bieder, sollen wohl die Stammwählerschaft im Osten nicht erschrecken.

Botschaften und Visualität sind dabei nicht neu, aber gut und klar umgesetzt. Die Typo-Plakate im Stil eines fix zusammengeklebten Demo-Transparents passen zur linken Protest-Identität, sind schnell konsumierbar und handwerklich gut getextet.

AfD – Rassismus in Biederbürgerbildsprache

Die AfD hat laut aktueller Demoskopen gute Chancen, die Fünfprozenthürde zu schaffen. Sie hat es in der Flüchtlingskrise geschafft als die aktuell profilierteste Protestpartei Nichtwähler zu mobilisieren und segelt mit islamophober, rassistischer Positionierung weit am rechten Rand.

Dieses Weltbild zeigt sich auch in den Wahlmotiven: Menschenfeindliche NPD-Forderungen in betont biederer Kleinbürger-Optik. Man sieht eine unverfängliche Schwangere, der Text ist aber eindeutig: Genetisch deutsche Kinder sind besser als Ausländerkinder. Zuwanderer im Flüchtlingsboot sind kriminell. Und dem deutschen Spießbürgermann redet man die Angst ein, er müsse wegen der ach so vielen Burkas bald auf den Anblick kecker Bikinimädchen verzichten. Selbst das niedliche kleine Ferkel geben sie zum Schlachten und Aufessen frei, nur um es dem Islam mal richtig zu zeigen.

Die Bildmotive glänzen dabei mit matschig-bunter Optik, vermutlich zusammengeklebt aus Stockbildern. Die Kampagne ist eine konsequente Übersetzung des politischen Angebots: Irgendwie provokant, irgendwie altbacken und irgendwie passt nichts zusammen. Diese Unprofessionalität verkleidet hart rassistische Aussagen. Eine Kampagne, die treffsicher daran appelliert, einfach das Schlechteste im germanischen Menschen rauszulassen, „wird man doch wohl noch sagen dürfen“.

Am Ende gilt: Der Wähler macht erfolgreich

Die Parteien haben gute und weniger gute Kampagnen auf die Straße gebracht. Die FDP zeigt Mut zur Einzigartigkeit, die CDU zur gefälligen Profillosigkeit. Die SPD beweist gestalterisches Geschick ohne strategische Idee. Die Grünen enttäuschen mit magenta-gepimpter Grabsteinoptik, die Linke pflegt sauber ihre Protesttradition und die AfD kleidet Menschenfeindlichkeit in bunte Bieder-Bilder.

Erstaunlich, wie wenig Vorwahlspannung im Lande zu spüren ist, denn welche Koalition eine Mehrheit bilden kann, ist ja keineswegs klar. Wie gut, dass immerhin die Wahlplakate Gesprächsstoff liefern.

 

Dieser Beitrag erschien auf www.wuv.de.

Wer eine emotional verunsicherte Öffentlichkeit fragt, ob sie eine übersichtliche Insellösung der großen, vielstimmigen Gemeinschaft mit permanentem Kompromissbedarf vorzieht, darf sich nicht über das Ergebnis wundern. Dass sogar die nüchternen Briten für die eigene politische und ökonomische Verzwergung stimmen, nur um Unmut über „die da auf dem Kontinent“ auszudrücken, war so nicht sicher prognostizierbar. Aber man kann sich nun vorstellen, wozu andere nationale Öffentlichkeiten in der Lage wären.

Am Anfang dieser vor allem für die Briten gemeingefährlichen Entscheidung stand vor allem: politische Schwäche. Ein Premierminister, der seine Rolle auf Zeit damit zu retten versuchte, dass er „dem Volk“ eine große Schicksalsfrage mit einer Reichweite von Jahrzehnten vor die plebiszitären Füße legte. Das Brexit-Votum ist das Ergebnis einer großen Illusion nach dem Muster: Lasst die Leute Dampf ablassen bei einem lästigen Dauerärgernis, dann werden sie die wahre Macht nicht ernsthaft antasten.

Das Ergebnis zeigt: Die Schwäche eines repräsentativ gewählten Spitzenpolitikers bedroht weit mehr als seine Zukunft. Allensbach hat gerade analysiert, wie sehr das Verständnis der Deutschen für repräsentative gewählte Politiker geschrumpft ist. Während man früher Abgeordneten jenseits aller politischen Sympathie mehrheitlich besondere Fähigkeiten attestierte, wünschen sich immer mehr Wähler nur noch Politiker, die nach aktuellen Mehrheitsstimmungen entscheiden. Das Bewusstsein, Politiker mit einem eigenen Kopf gemäß ihrer politisch-ethischen Grundlinie im Interesse der Allgemeinheit entscheiden zu lassen, ist auch in Deutschland erodiert.

Der europaweite Populismustrend lebt nicht allein vom Thema Migration. Es ist nur die Bühne für verschwindendes Verständnis für repräsentative Demokratie mit selbst denkenden, respektablen, wertegebundenen Entscheidern in den Parlamenten. Ein Treiber der verschwindenden Achtung vor Politikern mag sicher die Medienwelt sein, die Politik messbar distanz- und respektloser begleitet als vor drei oder vier Jahrzehnten. Aber wie viel zerstörerischer wirken Politiker, die sich selbst nicht mehr die Rolle des repräsentativen Entscheiders zubilligen.

Wer Fragen zu Flughäfen oder Stromtrassen nicht am Allgemeininteresse bewertet und entscheidet, sondern sich in Demoskopie und Volksbefragungen flüchtet, rettet vielleicht für ein paar Monate sein Amt. Aber er sägt am Ast unserer Demokratie, politische Macht auf Zeit in die Hände denkender Wesen zu legen. Demokratie braucht außer Wählern auch Köpfe mit klaren Politikangeboten.

Die Konsequenz aus dem Scheitern des David Cameron kann es nicht sein, nach seinem Vorbild politische Führung zu scheuen. Wetterwendische Machtjongleure erarbeiten keinen Respekt für parlamentarische Demokratiearbeit, sondern vergrößern den Raum für die Krawallpopulisten. Die Schäden politischer Führungsverweigerung wären auch auf dem Kontinent enorm.

Als vor einem Vierteljahrhundert die Grenzen zwischen den Blöcken in Europa fielen, sagten die skeptischen unter den weitsichtigen Beobachtern eine neue Phase der Unsicherheit in der internationalen Politik voraus. Im Trubel der Freude über die friedliche Revolution in immer mehr europäischen Ländern war das bestenfalls ein Störgefühl. Aber auch die Skeptiker unter den Skeptikern hätten sich kaum so einen Block an Verunsicherung vorstellen können, wie wir ihn nun erlebt haben:

Das G8-Partnerland Russland erobert Teile des EU-Assoziationspartners Ukraine. Die vertraglichen Verpflichtungen von EU-Partnerländern werden in Nullkommanix zum Spielball nächtlicher Feilschereien in Brüssel. Die heilige Grundregel einer unabhängigen, nur der Geldwertstabilität verpflichteten Europäischen Zentralbank implodiert in einem Billionen-schweren Aktionismuswirbel. Schließlich produziert eine religiös-militärische Eskalation im nahen Osten Flüchtlingszahlen, die nur von der Vertreibung in der Nachkriegszeit überboten wurden. Und Fanatiker bedrohen unser aller Leben explizit deshalb, weil wir es so leben, wie wir es leben.

Blitzschnell verändert hat sich aber nicht nur die internationale Politik. Unvorstellbar wäre vor 25 Jahren auch gewesen, dass ein offen schwuler CSU-Abgeordneter den Bund der Vertriebenen leitet. Oder dass an immer mehr Tagen im Jahr der Wind der wichtigste Stromerzeuger ist. Dass der Kaiser mit Korruption in Verbindung gebracht wird und Pornos immer und überall verfügbar sind, während Raucher an den Rand der Gesellschaft und der Bürogebäude gedrängt werden.

Für die Politik bedeutet diese Veränderungsgeschwindigkeit eine neue Qualität von Herausforderung. Eine Kernaufgabe politischer Führung ist es stets, Orientierung zu stiften. Sie muss gerade in einer repräsentativen Demokratie den Eindruck vermitteln, als wüsste sie, was zu tun ist und als wäre jede Entscheidung abgeleitet aus einem breiten Wertekonsens.

Nun fehlt politischen Entscheidern oft – darauf hat etwa Helmut Schmidt immer wieder hingewiesen – das erforderliche umfassende Wissen, um in schwierigen Situationen objektiv richtig zu entscheiden. Das mag man bedauern, aber es ist nicht zu ändern. Nun aber wächst genau dieses Problem: Die – durch eine historische Brille betrachtet – blitzschnellen Veränderungen etwa religiöser und sexueller Werte verbauen der Politik die klare Bezugnahme zu jedem Wertekonsens. Bevölkerungsteile außerhalb der urban-ökologischen, akademisch dominierten Toleranz-Szene fühlen sich abgehängt von der aktuellen politischen Entscheider-Elite. Zugleich erschweren in der internationalen Politik die „failed states“ in Afrika, militärisch aggressive Regionalmächte in wechselnden Bündnissen sowie gewaltbereite und religiös fanatisierte Gesellschaftsteile mehr und mehr Prognosen, wie welcher Akteur in welchem Konflikt auf welche Situation reagieren wird.

In einer derart verunsichernden Unordnung bleibt nur die Kommunikation von Köpfen als Vertrauensanker für repräsentative Macht. Je weniger Bindungskraft von „organisierten Werten“ in Kirchen, Parteien und Medien ausgeht, desto größer wird die Last, die das Vertrauen in Führungspersonen schultern muss. Je unberechenbarer dem Wahlbürger die politische Welt erscheint, desto mehr ist er angewiesen auf das gute Gefühl, dass „die da oben“ schon ungefähr wissen, was sie tun.

2016 wird sich zeigen, wohin uns dieses Bedürfnis nach Vertrauensprojektion führt. Zahlt sich die entschlossene unideologische Linie für das Nüchternheits-Duo Merkel-Steinmeier aus, auch wenn oder gerade weil es sich weiter jedes Heilsversprechens durch politische Befreiungsschläge enthält? Oder finden sich Populisten, die diese für ihre Fähigkeiten ideale Ausgangslage zu nutzen verstehen?

Über Parallelen zwischen Spitzenkandidaten und Top-Managern.

Die Umfrageergebnisse der SPD sind miserabel. „Es ist mir auch bewusst, dass ich maßgeblich dafür eine gewisse Mitverantwortung trage“, sagte Peer Steinbrück kryptisch am Wahlabend in Niedersachsen. Aber weiß er es wirklich? Hat Steinbrück endlich eine konsequente Positionierung als Kanzlerkandidat entwickelt? Das heißt: Kann er die gewonnene Beinfreiheit ausfüllen, ohne den „kleinen Mann“ weiter zu brüskieren und den Medien voyeuristisches Futter zu geben? Dafür erhält er nach der Niedersachsen-Wahl nun eine zweite Chance.

Top-Manager haben ähnliche Probleme
Das Dilemma des Peer Steinbrück gilt aber nicht nur in der Politik. Auch für Spitzenmanager aus der Wirtschaft ist die eigene Positionierung ein schwieriges Thema und der Umgang mit einer immer kritischeren Öffentlichkeit und hypersensiblen Medien keine Fingerübung. So müssen CEOs gegenüber verschiedenen internen und externen Anspruchsgruppen ihre unternehmerische Agenda durchsetzen und gleichzeitig langfristige Reputation aufbauen. Und das gerade mit den eigenen „Ecken und Kanten“.

Für Spitzenmanager in der Wirtschaft und ihre zentralen Kommunikationsrollen gilt daher folgendes Pflichtenheft:

Authentisch bleiben und die Wahrheit sagen
Jeder spielt eine Rolle, ob beruflich oder privat. Dennoch sollte nicht versucht werden jemand zu sein, der man nicht ist. Die Rolle des Spitzenmanagers leitet sich aus den Unternehmenszielen ab. Ob Treiber einer Branche, Sanierer oder Visionär – entscheidend ist der Kurs und das Wohl des Unternehmens. Erst dann kommen persönliche Merkmale und Eigenschaften, die unterstützen und eine sympathische persönliche Note geben können. Für Steinbrück gilt nun auch, was für seine Vorgänger selbstverständlich war: erst kommt die Partei, dann der Kandidat.

Inhalte definieren
Auf Basis der unternehmerischen Agenda gilt es ein „persönliches Programm“ für öffentliche und interne Auftritte zu definieren. Diese Storyline braucht Kernbotschaften, Metaphern und Schlüsselbegriffe, die wiedererkennbar sind. Denn an „Yes we can!“ von Barak Obama erinnert sich jeder.

Meilensteine nutzen
Jeder erfolgreiche Baustein der Unternehmensstrategie sollte als Kommunikationsanlass zur Umsetzung der eigenen Agenda genutzt werden. Ob im großen Stil und mitreißender Rede oder im vertrauten Gespräch mit Mitarbeitern. Voraussetzung ist eine gewisse Empathie und die Fähigkeit, anderen die Chance zum Gespräch auf Augenhöhe zu geben. Wer Peer Steinbrück im Wahlkampf schon einmal im Umgang mit Kindern und älteren Menschen beobachtet hat bekommt eine Ahnung, wie schwer das sein kann.

Führung und Kultur gestalten
Die Führungskultur und das Miteinander im Unternehmen bleiben durch soziale Netzwerke und negative Empfehlungen nicht lange hinter verschlossenen Türen. Das Top-Management hat hier zwar brutale Vorbildfunktion, es müssen aber alle Prozesse und Mitarbeiter eingebunden werden. Daher kann sich der Kandidat Steinbrück auch keine weiteren Patzer bei der Besetzung seines Beraterkreises leisten. Jede Entscheidung zählt – ob im Top-Management oder auf dem Weg ins Kanzleramt.

Klar ist: Ob Spitzenmanager offensiv öffentliche Auftritte suchen sollten, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Entscheidend ist die eigene Kommunikationsagenda. Sie gibt Orientierung und unterstützt, unternehmerische Handlungsspielräume zu gestalten.

Und Peer Steinbrück? Er möchte nach der gewonnenen Wahl in Niedersachsen besonnener auftreten. Weniger ICH, mehr tatsächlicher Inhalt, mehr SPD soll es nun sein. Das ist auch notwendig. Ob er es kann und ob er professionell beraten wird, zeigt sich aber erst beim nächsten Wahl-Krimi am Abend des 22. September.

Das Thema dieses Jahr lautet: „Mobile, Local, Social – Dreiklang der vernetzten Gesellschaft“. Ein gutes Thema, finde ich, denn die „Internetisierung“ unseres Lebens ist tatsächlich der gesellschaftliche Megatrend, der unser Leben verändert.

Das fängt bei der Liebe an: Jeder zweite Single sucht heute seinen Partner im Netz, von fünf Paaren findet eines dort zusammen; und genauso viele lassen sich – sagt man – durch eine auf Facebook aufgedeckte Affäre wieder scheiden.
Das geht bei der Politik weiter: Die nordafrikanischen Revolutionen wären ohne die modernen Kommunikations- und Organisationsformen im Netz so nicht vorstellbar gewesen. In Ägypten haben sich 94 Prozent der Bevölkerung auf soziale Medien verlassen. 85 Prozent sind den privaten, unabhängigen Medien gefolgt. Und nur 40 Prozent haben dem Staatsfernsehen geglaubt.
Und es hört bei den Märkten auf: Die Musikindustrie wurde auf den Kopf gestellt, in der Buchindustrie verkauft Amazon in den USA auf 100 Bücher bereits 105 eBooks. Und am Ende wird sich auch die Filmindustrie sich grundlegend ändern.

Daraus ergibt sich mein Thema: Wie sieht die Zukunft der Kommunikation aus?

Schauen wir uns zunächst die Gegenwart an: Weiterlesen

Schon kommerzielle Werbetreibende stehen immer wieder vor der Frage: Welcher Kanal erreicht heute junge Zielgruppen? Wirklich nur noch online, mobile und wenige TV-Formate? Umso schwerer hat es die Politik. Denn sie kommuniziert vor allem über öffentlich-rechtliches TV und TZ – für junge Zielgruppen bleibt sie damit unsichtbar. Entsprechend gering ist die Wahlbeteiligung bei Erst- und Jungwählern. Das Verfolgen einer Bundestagsdebatte etwa bei Phönix ist für junge Menschen etwa so attraktiv wie Sozialkunde und Bauchschmerzen. Ritualisierte Politik und Jugendkultur passen heute schlechter zusammen denn je. Weiterlesen