Auf meinen regelmäßigen Reisen nach Europa, insbesondere bei solchen mit geschäftlichem Anlass, werde ich immer wieder mit einer Frage, in der gleichermaßen Überraschung, Freude und Neugierde zum Ausdruck kommen, konfrontiert: „Oh, Sie sind aus Dubai?“ Diese aufgeregte Feststellung geht eigentlich immer mit einer herzlichen Begrüßung durch meine neuen Bekanntschaften einher. Immer wieder bietet sie den perfekten Einstieg, um neu gewonnene Freunde mit Fakten und Anekdoten zu erfreuen – Fakten wie „Nein, Dubai steht nicht für den gesamten Nahen Osten“ und Anekdoten wie „In Dubai begrüßen sich zwei arabische Männer, die sich seit langem nicht mehr gesehen haben, nicht durch ein Händeschütteln, sondern indem sie ihre Nasen aneinander reiben.“ Fast immer führen diese Fakten und Anekdoten zu langen, intensiven Gesprächen, in deren Verlauf ich so viel Interessantes über die Kulturen anderer Länder erfahre – wahrscheinlich sogar mehr, als ich über das Leben in Dubai und die Entwicklungen in diesem sagenumwobenen Schlaraffenland namens Naher Osten weitergeben kann.

Was möchte ich Ihnen also über Dubai und den Nahen Osten im Allgemeinen vermitteln? Lassen Sie mich mit einer Banalität beginnen: Dubai ist eines von sieben Mitgliedern der Vereinigten Arabischen Emirate, die wiederum zusammen mit dem Königreich Saudi-Arabien sowie Kuwait, Oman, Bahrain und Katar den Golf-Kooperationsrat bilden. Aber auch diese sechs Länder bilden letztlich nur einen Teil des gesamten Nahen Ostens, der auch die Levante-Staaten Syrien, Libanon, Jemen und Jordanien umfasst. Ja, der Nahe Osten ist riesig – und so wie Dubai eine Region voller Ironien.

In meiner Heimat dreht sich alles um Menschen und Beziehungen.  Am meisten mag ich den Austausch blumiger Worte und Lobeshymnen, wenn wir zu Geschäften zusammenkommen. Ehrlich gesagt, finde ich es immer wieder amüsant, die Überraschung und Ungläubigkeit in den Gesichtern unserer ausländischen Gäste beobachten zu können, vor allem dann, wenn diese Begrüßungen nicht in unserer Muttersprache, dem Arabischen, sondern auf Englisch ausgesprochen werden. Wir sind wahrlich nicht umsonst ein poetischer Menschenschlag.
Es ist beispielsweise ganz normal, schon bei einem ersten Treffen von seinem arabischen Geschäftspartner danach gefragt zu werden, ob man verheiratet ist, Kinder hat, wie diese heißen und wie alt sie sind… und die Liste an Fragen kann noch viel länger sein. Unter nicht arabisch-stämmigen Menschen hingegen ist es sehr ungewöhnlich, bei geschäftlichen Anlässen derart persönliche Fragen zu stellen. Einmal war eine Kollegin aus unserer Münchner Gruppe zu einer geschäftlichen Besprechung hier in Dubai, und schon den ersten paar Stunden wurden zahllose Fragen privater Natur gestellt. Meine Kollegin war so überrascht über die Offenheit ihrer Gesprächspartner, dass es förmlich aus ihr heraussprudelte: „Rami, sie haben mir erzählt, wie ihre Kinder heißen und in welche Klasse sie gehen… und sogar Fotos gezeigt!“

Wenn Sie sich also jemals bei einem Termin mit Geschäftsleuten aus der arabischen Welt wiederfinden, sollten Sie es weder an Komplimenten für Ihre Gastgeber fehlen lassen noch peinlich berührt sein, wenn man Sie mit Lob überschüttet. Gehen Sie selber großzügig mit Freundlichkeiten um, und freuen sich über die Ihnen entgegengebrachten Begrüßungsworte und Lobeshymnen. So reichhaltig und verschlungen ist die arabische Kultur nun einmal, wie sich auch an den kunstvoll in Stein gemeißelten, weltberühmten Minaretten ablesen lässt.

Nun aber schweife ich ab – eigentlich wollte ich ja darüber sprechen, wie sehr die Kommunikation im Nahen Osten von Beziehungen geprägt ist. Dies ist ein ebenso faszinierendes wie gewinnendes Thema – besonders für eine Werbemenschen wie mich, dem es größte Freude bereitet, mit Kunden zu arbeiten, die diesen tief verwurzelten Aspekt meiner Region wirklich verstehen – nämlich, dass es nicht die „individualistische“, sondern die „kollektive“ Mentalität ist, die den Nahen Osten so sehr von der übrigen Welt abhebt.

Auch im Geschäftsleben behält diese Erkenntnis ihren Wert. Ein Tipp: Sie sollten Beziehungen deshalb nicht nur zu Entscheidungsträgern pflegen. Nehmen Sie sich die Zeit, auch die vielfältigen, hochinteressanten Menschen im Umfeld kennen zu lernen. Bauen Sie ein Vertrauensverhältnis zu denjenigen auf, die die Entscheidungsträger mit weisen Ratschlägen unterstützen. Kümmern Sie sich nicht so sehr um das rationale, sondern vielmehr um das emotionale Wohlgefühl der Eltern arabischer Jugendlicher. Dadurch werden Sie den Wünschen einer digitalen Generation von Arabern gerecht, die ihre Ansichten, ihre gesellschaftlichen und politischen Überzeugungen immer stärker online zum Ausdruck bringen und ihre Gefühle interessierten Menschen in aller Welt vermitteln möchten.

Wenn Sie also das nächste Mal den Ruf Dubais vernehmen, sollten Sie nicht nur an die Stadt der Prachtbauten denken, sondern vor allem an eine Region voller Vielfalt, die aber gerade aufgrund ihrer Einfachheit so zugänglich ist. Erwidern Sie die diesen Ruf mit einem Gefühl von Verwunderung und Abenteuer in Ihrem Herzen! Seien Sie bereit, die Schönheit ihrer sieben Sande und die inspirierenden Traditionen ihrer faszinierenden Bewohner zu erkunden.  Und wenn Sie mit der U-Bahn vom größten Einkaufszentrum der Welt unterwegs zur Dubai Media City sind, um dort mit einer Werbeagentur Gespräche zu führen, sollten Sie nicht verwundert sein, wenn auf dem Sitzplatz neben Ihnen jemand in herrlichem Gewand mit Blackberry und iPhone gleichzeitig hantiert. Denn auch in Dubai wie im ganzen Nahen Osten ist man mit iPhone und Blackberry stets in Verbindung mit seinen privaten und beruflichen Kontakten.

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