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Digitale und virtuelle Erfahrungen verschmelzen zunehmend mit der realen Welt. Diese Entwicklung eröffnet Marketing- und Brandverantwortlichen völlig neue Möglichkeiten, mit ihren Kundinnen und Kunden in Kontakt zu treten und mit ihnen zu interagieren. Wie ein beeindruckendes, immersives Erlebnis in digitalen und virtuellen Räumen gelingt und warum Spatial Computing, Künstliche Intelligenz und die Blockchain-Technologie dabei wichtige Rollen spielen, schildern Sebastian Küpers, Chief Transformation Officer bei der Plan.Net Group sowie Managing Director der Plan.Net Studios, und Dr. Andreas Liebl, Managing Director und Gründer der appliedAI Initiative GmbH, im Gespräch mit Mario Zillmann von Lünendonk. Die beiden Unternehmen arbeiten im Rahmen von KI-Projekten für Kundinnen und Kunden partnerschaftlich zusammen.

Herr Küpers, Sie sind bei der Plan.Net Group für die großen Transformationsthemen zuständig, die derzeit alle Unternehmen betreffen, um zukünftig wettbewerbsfähig zu sein. Digitale Technologien nehmen dabei eine immer größere Rolle ein. Erklären Sie doch bitte einmal, was Sie unter Spatial Computing verstehen und wie sich die Unternehmens- und Markenkommunikation dadurch verändern wird.

Sebastian Küpers (SK): Die Ankündigung von Apple, mit der Vision Pro Anfang 2024 ein neues Device herauszubringen, hat dem Begriff Spatial Computing neues Leben eingehaucht. Generell existiert der Begriff aber schon über 20 Jahre. Im Kern geht es bei Spatial Computing um eine Technologie, die es ermöglicht, virtuelle und physische Welten und Nutzerinteraktionen nahtlos im dreidimensionalen Raum zu verschmelzen und damit ein neues, immersives Erlebnis zu bieten. Und dies völlig unabhängig von der Technologie: Spatial Experiences kann es nämlich auf einer Website, in einer mobilen App, auf einem Display am Point of Sale oder in Zukunft auf anderen Devices geben.

Meiner Ansicht nach ist das Spannende an Apples neuer Vision Pro gar nicht das Gerät an sich, sondern vielmehr das Betriebssystem und das damit verbundene Interaktionsparadigma – das stufenlose Reinzoomen: Man sieht ein Bild, zoomt hinein und steht plötzlich mittendrin.

Geben Sie uns doch mal bitte ein Beispiel.

SK: Gerne. Stellen Sie sich vor, Sie sehen sich Autobilder auf einer Webseite an und können plötzlich reinzoomen, bis Sie das Gefühl haben, Sie sitzen praktisch im Fahrzeug und erleben dieses räumlich. Das ist toll und bietet eine völlig neue Experience. Natürlich beschäftigen sich Menschen dann auch gerne mit einem solchen Content und verbringen auch mehr Zeit mit der Marke. Der positive Einfluss auf ein Erlebnis entsteht aber nicht nur beim Shoppen, sondern beispielsweise auch im B2B-Sektor, wenn es darum geht, komplexe Produkte greifbar darzustellen und erlebbar zu machen. Zudem haben wir festgestellt, dass sich Produkte während einer Spatial Experience besser verkaufen – wenn also beispielsweise ein Live-Konzert in einer immersiven Umgebung stattfindet.

Herr Dr. Liebl, schildern Sie bitte,wie KI unser Erleben und unsere Interaktion mit Marken schon heute beeinflusst und wie sich dies in Zukunft entwickeln wird. Wo liegen die Möglichkeiten und Vorteile für Marken in Bezug auf Spatial Computing oder eine neue Generation des Internets?

Dr. Andreas Liebl (AL):KI-Systeme ergänzen die Markenerfahrung um echte Interaktion und kreieren in Echtzeit neue, nicht einprogrammierte Inhalte. Die Interaktionen sind also nicht mehr vorgegeben, sondern entwickeln sich generativ, was die Qualität der Personalisierung und die der Interaktionen natürlich deutlich steigert.

Ich denke zwar nicht, dass „Browsing“ und „Search“ verschwinden werden. Aber Conversational wird einen starken Marktanteil einnehmen. Schon heute erleben wir eine Omnipräsenz der verschiedenen Conversational Interfaces. Wir sprechen mit Siri auf unseren iPhones, mit Alexa oder im Kundenservice mit einem virtuellen Assistenten oder KI-basierten Avatar. Ähnliches gilt für den B2B-Kontext. Die individuelle Exploration ist immens – angefangen von einem Maschinenbauhersteller, der ein virtuelles Interface zu Kundinnen und Kunden ermöglicht, um Anlagen zu bedienen oder zu warten, bis hin zu digitalem Content, der förmlich mit der Realität verschmilzt und Menschen Teil der Experience werden lässt.

Markenverantwortliche können vor allem von der möglichen Personalisierung profitieren, indem sie die KI entsprechend trainieren. In absehbarer Zeit hebt das die Markenerfahrung in eine neue Dimension.

Herr Küpers, wenn das Markenerlebnis bereits durch Spatial Computing und Künstliche Intelligenz eine neue Dimension erhält, welchen Nutzen kann da die Blockchain-Technologie Unternehmen in der Interaktion mit den Kundinnen und Kunden noch bieten?

SK: Während Spatial Computing und Künstliche Intelligenz sehr sichtbar für die Menschen sind, agiert Blockchain eher im Hintergrund.

Die Blockchain-Technologie punktet bei sogenannten Smart Contracts, indem sie automatisiert Verträge gestaltet und zusätzlich Interaktionen steuert. Ein Beispiel: Jemand kauft ein Produkt mit Garantie und der Kaufnachweis wird auf der Blockchain gespeichert. So kann die Käuferin oder der Käufer – ohne die Quittung aufzubewahren – digital nachweisen, dass sie oder er dieses Produkt besitzt. Darüber hinaus kann die Technologie im Smart Contract beispielsweise auch das Garantieversprechen vollautomatisiert einlösen und Geld zurückerstatten. Wenn der Kauf sogar an ein Loyalty-Programm geknüpft ist, könnte über den Smart Contract auch automatisch die Bonuszahlung veranlasst werden.

Wir gehen davon aus, dass hochautomatisierte Smart Contracts in Zukunft die Interaktion zwischen Marken und Konsumentinnen und Konsumenten immer stärker mitgestalten werden. Das betrifft insbesondere zusätzliche, an das Produkt gekoppelte Serviceleistungen. Die Menschen werden zukünftig mehr Belege in ihrer Wallet haben und davon automatisch profitieren.

Bitte erklären Sie uns genauer, wie die drei Themenbereiche Spatial Computing, Künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologie zusammenkommen. Was ist das Besondere an diesen Schnittstellen und wie wirken sie sich auf das Markenerlebnis aus?

SK: Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels schildern: Ich will ein neues Auto kaufen und benutze den Konfigurator, der mir zum einen ein räumliches Erlebnis der Automodelle und ihrer Konfiguration bietet. Dabei berät mich ein digitaler KI-Assistent, mit dem ich mich in natürlicher Sprache austausche und der mir hilft, gewisse Entscheidungen zu treffen –welches Leder oder welche Felge ich wählen könnte. Parallel gebe ich die Informationen aus meiner Wallet frei, wo alle meine Belege gespeichert sind. Das ermöglicht, dass mein Kauf- und Markenerlebnis zusätzlich personalisiert wird. So erfährt der Autohersteller vielleicht, dass ich schon einmal ein Auto der Marke hatte und gibt mir einen Preisnachlass.

Gerade in der Kombination aus allen drei Themen – Spatial Computing, Künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologie – entsteht ein ganz neues, immersives Kundenerlebnis. 

Für Spatial Computing oder die neue Generation des Internets werden AR-Brillen oder VR- und MR-Headsets gebraucht. Sie gelten nach wie vor als teuer und unpraktisch. Sind die Hürden nicht doch noch ein wenig zu hoch, damit eine breite Masse an Nutzerinnen und Nutzer täglich in digitale und virtuelle Räume eintaucht?

SK: Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass ein 3D-Erlebnis von AR-, VR- oder MR-Headsets abhängig sei. Spatial Experiences sind vielmehr Geräte-unabhängig und können über die verschiedensten Kontaktpunkte erlebt werden: beispielweise auf dem Handy, dem Tablet oder auf dem Laptop.

Davon abgesehen ist es nur eine Frage der Zeit, dass die Brillen oder Headsets wesentlich günstiger, einfacher verfügbar und in ihrer Anwendung immer simpler werden. Das haben wir beim iPhone, beim iPad oder auch bei der Apple Watch doch längst erlebt.

Was sollten Marketing- und Brandverantwortliche aus Ihrer Sicht heute schon tun, um sich auf die nächste Generation des Internets vorzubereiten und um ihren Kundinnen und Kunden gleich zu Beginn ein beeindruckendes, immersives Erlebnis in den neuen digitalen und virtuellen Räumen bieten zu können?

AL: Wir sollten uns vor Augen halten, dass nur zwei Monate nach dem Start von ChatGPT bereits hundert Millionen Menschen die KI nutzten. Der Reaktionszeitraum für Entscheiderinnen und Entscheider war also kurz. Darauf muss man sich vorbereiten und permanent am Ball bleiben. Denn KI ist nicht einfach eine weitere Software. Es sind Modelle, die auf Daten trainiert werden. Dabei besteht immer die Gefahr, dass KI beispielsweise offskript geht und außerhalb der gewünschten Bereiche antwortet. Es gilt unbedingt zu lernen, wie man mit diesen Systemen umgeht.

Auch wenn einige Technologien erst in ein oder zwei Jahren durchschlagen werden, empfehle ich jedem, jetzt zügig Erfahrungen zu sammeln.

SK: Absolut. Wenn man die ersten Schritte ins Spatial Computing gehen will, kann man schon auf der eigenen Webseite kleine Bereiche testen. Es geht ums Ausprobieren und Erleben – dass in dem Moment, wo jemand in ein Bild zoomt, ein räumliches Erlebnis entsteht.

Genauso mit KI: Man muss nicht gleich den alles könnenden Assistenten rund um die Marke bauen. Schon ein kleiner Use Case hilft, in dem man den Chatbot gezielt einsetzt und erste Erfahrungswerte sammelt: Worin liegen die Benefits eines intelligenten Assistenten?

Genauso ist es mit der Blockchain. Auch da geht es nicht um die eierlegende Wollmilchsau, sondern um erste Use Cases – gerade in den Feldern Loyalitätsprogramme oder Employer Branding–, die heute schon umsetzbar sind.

AL: Noch ein Tipp zum Schluss: Die Use Cases sind bestenfalls nicht nach dem Zufallsprinzip auszuwählen, sondern sollten sich systematisch mit Themen beschäftigen, bei denen man lernt und sich als Organisation weiterentwickelt.

Lünendonk: Herzlichen Dank für das Gespräch und die spannenden Insights.

Dieses Interview erschien zuerst im Rahmen der Lünendonk-Studie zum Markt für Digital Experience Services in Deutschland.

Die Einladung zur diesjährigen Cannes Jury kam für mich ziemlich überraschend. Als Strategin hatte ich Cannes eigentlich immer als Spielfeld für Kreative gesehen. Aber die Lions sind eben nicht mehr „Werbefestival“, sondern „Festival der Kreativität“ und Technologie hat einen immer stärkeren Einfluss auf Kreativität. Umso mehr habe ich mich über die Einladung in die Digital Craft Jury gefreut, um dort Serviceplan, sowie meine Disziplinen Web3 und Spatial Computing zu vertreten.

Drei Eindrücke sind für mich von meinen ersten Cannes Lions und meiner Jurytätigkeit besonders prägend gewesen. Und ein Aufruf an die deutsche Kreativbranche ist auch dabei.

Vielfalt ist ein Imperativ.

Es mangelt unserer Branche, speziell auch in Deutschland, nach wie vor an Diversität. Fakt. Natürlich gibt es die unterschiedlichsten Themenbereiche, die man hier betrachten könnte (und sollte), in Cannes wiegt ein Aspekt aber besonders schwer: die Vielfalt von Sichtweisen bei der Bewertung von Kreation.

Meine Digital Craft Jury hätte kaum vielfältiger sein können. Ein gebürtiger Südafrikaner und eine Britin indischer Abstammung aus New York, ein Kenianer, ein Brite sri-lankischer Herkunft aus Dubai, eine Kanadierin, eine Malaysierin, ein Brasilianer, ein in Italien lebender Russe, eine in Amsterdam lebende Amerikanerin. Und ich.

Vielfalt in Geschlecht, Alter, Ethnizität, Kultur, Profession, LGBTQIA+ und Lebensstilen. Das zeigt sich auch in der Bewertung der Arbeiten in der Digital Craft Kategorie. Viele Cases hätten wir nicht richtig oder nicht so fundiert bewerten können, hätte nicht eine:r von uns spezielle Insights gehabt. Die Genialität eines chinesischen Cases wurde uns erst bewusst, als Min, unsere malaysische Kollegin, ihn in den kulturellen Kontext einordnen half. Ein brasilianischer Tech-Case bewies sich erst, als der brasilianische Kollege Sergio sein Handy zückte, um allen zu zeigen, dass und wie die Anwendung funktioniert. Die Exzellenz eines Spatial / „Metaverse“ Cases wurde dadurch deutlich, dass ich ihn auf Basis meiner Web3 und Spatial Erfahrung technisch einordnen konnte.

Ohne diese Vielfalt in Sichtweisen, kulturellen und professionellen Hintergründen, hätten wir die Arbeiten nie so fundiert einordnen, verstehen und bewerten können. Deswegen ist es auch so wichtig, Diversität und Vielfalt in allen Bereichen, so gut wie möglich, abzudecken. Man sieht, dass sich in den letzten Jahren einiges getan hat, Luft nach oben besteht aber trotz alledem immer noch. Oftmals vermisse ich – sei es bei Speaker Lineups oder Panels oder Jurymitgliedern, etc. – immer noch eine gewisse Vielfalt. Ein Award Gremium, dass wir uns alle als Beispiel nehmen sollten, im Sinne der Diversität, ist das Cannes Lion International Festival of Creativity. CEO Simon Cook arbeitet jedes Jahr an noch stärkerer Repräsentanz in den Jurys, in diesem Jahr vor allem des afrikanischen Kontinents.

Tech allein reicht nicht

Wir haben in der Digital Craft Kategorie mehr als 600 Cases bewertet. Darunter eine Flut von AI Cases, bei denen neue Tools wie ChatGPT, vor allem aber Midjourney und Dall-e oft verwendet wurden, um zu visualisieren, was man sonst nicht sehen kann: Geschichten von marginalisierten Gruppen wie Flüchtlingen, Obdachlosen, Kriegsveteranen. Alles richtig, wichtig und auch gut. Exzellenz in digital Craft bedeutete für uns aber mehr als die reine Anwendung dieser Technologien. Im nächsten Award Jahr werden Midjourney und Co schon Tools wie Photoshop sein, die wir alle verwenden.

Und so kommt es wieder zurück auf einen grundsätzlichen Aspekt: Purpose. Welche menschliche Verbindung entsteht durch die Technologie? Welches Potential zu wirklicher Veränderung bringt ihr Einsatz mit sich? Lässt sich der Impact skalieren?

Das waren auch die ausschlaggebenden Kriterien für unsere Verleihung des Grand Prix in Digital Craft, den wir final an „Never Done Evolving feat Serena“ von Nike und AKQA vergaben.

Eine schwarze Athletin, die ihre sportliche Karriere bereits beendet hat, wird das Zentrum eines bahnbrechenden Brand- und Tech-Cases. Eine beispiellose Laufbahn wird mittels Machine Learning analysiert, mit digitalen Avataren visualisiert, und mit AI zum Leben erweckt in einem der meistgeschauten digitalen Sport Events. Daten und Erkenntnisse werden genutzt, um die Tennislegenden von morgen zu trainieren, um Produkte zu entwickeln und zu verbessern. Das ist Purpose, ermöglicht durch Technologie.

Unsere Jury Präsidentin Resh Sidhu von Snap fasste unsere Gedanken perfekt zusammen:

„Great digital craft for us is not just about technology. It’s really about using those tools to resonate with people on a human level. And this piece was the epitome of digital craft. It shows what ‘digital artistry’ is today – a combination of creativity, technology and purpose.“

Und wo wir bei „never done evolving“ sind…

Der Jury Präsident der Design Craft Jury in Cannes, Quinnton Harris, sagte zu uns, dass er die Digital Craft Kategorie so spannend fände, weil sie die einzige sei, bei der sich theoretisch ein und derselbe Case jedes Jahr weiterentwickeln ließe. Und er hat recht. Jeder der Cases könnte durch die dynamische Entwicklung von Technologie Jahr um Jahr verbessert werden. Neue Dimensionen erhalten, skalierbarer werden. So eine Art Case 2.0, 3.0, 4.0.

Ein Case mit genau solchem Potential ist einer unserer Gold Gewinner, Transparency Card. Bei diesem Case der brasilianischen Zeitung Congresso em Foco, umgesetzt auch wieder von AKQA, geht es darum, die Ausgaben brasilianischer Politiker transparent zu machen. Dazu mussten zig einzelne Databases angezapft werden, um die Daten zu sammeln und aufzubereiten. Die Kernidee: die Bevölkerung soll wissen, wofür ihre Steuergelder ausgegeben werden. Die Lösung: die Ausgaben der Politiker werden wie Zahlungen der eigenen Kreditkarte in das Handy-Wallet geladen. In real-time. Diese Transparenz dient als Kontrollorgan für die Bevölkerung und ermöglicht es, Politiker für Missbrauch zur Verantwortung zu ziehen. Der Case ist von vornherein so angedacht, dass auch andere Länder die Technologie nutzen können. Und sie soll weiterentwickelt werden, um Skalierung zu ermöglichen. Das ist die wahre Magie von Technologie.

So geht mein erstes Cannes Erlebnis zu Ende. Es war eine bewegende und großartige Zeit, verbunden mit viel, viel Arbeit, vor allem aber mit großartigen neuen Menschen und einem breiten, vielfältigen, beeindruckenden und inspirierenden Spektrum von Arbeiten.

Und jetzt ran an den Speck für 2024!

NFT.NYC ist mit 15.000 Besucher:innen die größte und derzeit wichtigste Messe rund um das Thema NFTs. In London fand kürzlich die Europäische Ablegerkonferenz statt. Mit knapp 2.500 Besucher:innen war eines vorab bereits klar: Die Diskussion wird persönlicher, fokussierter. Katsche Platz, Creative Director bei dem auf Web3 spezialisiertem Studio Serviceplan DCNTRL, hat die wichtigsten Gespräche zusammengefasst.

Von jugendlichen Angebereien mit teurer Kryptokunst war nichts zu hören. Von Jammerei wegen Bärenmarkt auch nichts. Stattdessen wird das Spektrum an Geschäftsbereichen immer breiter, das von NFT & Co. demnächst revolutioniert werden könnte. Erfolgreiche Fallstudien werden mehr, genauso Service-Anbieter. Von Netflix bis zum Kryptostandort Deutschland: Es gibt News!

NFTs sind tot. Lange leben NFTs!

Digitale Gutscheine, Mode, Mitgliedsausweise, Superfan-Tickets und digitale Sammelobjekte: Einigkeit herrschte darin, dass der Begriff NFT nur für eine kleine Gemeinde sexy ist. Für alle anderen ist (fast) jeder andere Begriff besser geeignet. Der Nutzen steht im Vordergrund. NFT soll drin sein, aber nicht mehr draufstehen. Selbst das Spieleportfolio des Herstellers Immutable zeigt, dass immer mehr Wert auf Grafik und echtes Gameplay gesetzt wird als auf den potentiellen Verdienst mit der NFT-Technologie.

„Als ich meine Fans gebeten habe, mir ihre ENS-Adresse für einen Drop zu schicken, haben mir die meisten ihre physische Postadresse geschickt“, sagte Jacke Murphy, Co-Founder untern anderem von Ape In Records. Zwar herrscht Erklärungsbedarf, reine Aufklärung wird von vielen aber nicht mehr als der richtige Weg angesehen. Es müssten andere Begriffe gefunden werden, die die Menschen verstehen – und eine User Experience geschaffen werden, die intuitiv verständlich ist.

„Token gated“ werden Shops genannt, in denen nur einkaufen kann, wer ein bestimmtes NFT besitzt. Vielen stößt diese Exklusivität auf, auch weil er dem Demokratisierungsgedanken zuwiderläuft, der in Web3 steckt. Mein Diskussionsvorschlag: „token enabled“ (durch den NFT möglich gemacht). Die allseits verständliche Übersetzung vieler Fachbegriffe in Landessprache ist eine weitere Herausforderung.

Es ist Musik drin.

Große Anbieter wie Ticketmaster und Livenation flirten mit NFTs. Das Unternehmen GET Protocol ist weiter und hat bereits 2,8 Millionen Eintrittskarten zu Musikveranstaltungen per NFT verkauft. Eintrittskarten könnten vor den Konzerten dazu genutzt werden, genau den Merchandise zu produzieren, der auch nachgefragt wird. Nach dem Konzert könnten auch Dritte und Sponsoren Vorteile anbieten. NFT-Ticket Inhaber:innen einen ausgeben oder Rabatte in Shops anbieten? Nur der Anfang.

Viele Künstler:innen verdienen heute mehr mit NFTs als mit Streaming bei Spotify & Co. – was auch einfach ist, wenn 90 Prozent der Musiker:innen weniger als 1.000 US-Dollar im Jahr mit Streaming verdienen. Zudem verraten Streaming-Plattformen natürlich auch nicht, wer hier Songs in Dauerschleife spielt. Der Kontakt ist erschwert. Immer mehr Bands und Musiker:innen mit „Superfans“ dürften daher bald die Blockchain für sich entdecken. Mit der Beteiligung der Fangemeinde an Cover-Artwork, Spielorten, Verkaufserlösen oder Mitbestimmung der Art und Weise wie Musik veröffentlicht wird, ist sicherlich auch hier erst der Anfang gemacht.

Niemand braucht mehr Krypto für NFTs

Für viele Menschen war der Kauf von Kryptowährungen und das Einrichten einer digitalen Wallet für NFTs zu kompliziert. Abhilfe schaffen viele neue Service-Anbieter, die den Login zusätzlich auch per Google-, Email- oder Social-Accounts ermöglichen. Dienstleister wie Moonpay bieten schon seit Anfang des Jahres die Möglichkeit, mit der Kreditkarte zu bezahlen. Mastercard hat kürzlich gezeigt, dass komplette Transaktionen (inkl. sog. Gas fees) kryptofrei möglich sind.

Nicht nur wird man bald kaum noch merken, dass man NFT-Technologie nutzt. Auch für die technische Erstellung, Verbreitung und Überwachung von NFTs zeigen sich immer mehr Anbieter – darunter natürlich auch der Veranstalter der Konferenz NFTKred.

eCommerce goes NFTcommerce

Ein Blick in das Programm zeigte zwar, dass die NFT-Technologie immer mehr Wirtschafts- und Kulturfelder betrifft: Sport, Social Media, Charity, Bildung, Musik, Recht & Buchhaltung, Spiele, Film, Mode, Sammeln und Kunst. Ein roter Faden zog sich aber durch fast alle diese Felder, nämlich die Bedeutung von Blockchain für den eCommerce. Rein digitale Güter können leichter und on-demand produziert werden – und weltweit ausgerollt. Hybride Produkte ermöglichen eine direkte, nachvollziehbare Verbindung von Herstellern und Endkund:innen. Es entstehen neue Datensätze, deren Potential gigantisch ist. Auch hier sind bereits viele Dienstleister aktiv. Neben dem Durchbruch von AR (ich setzte auf Apple) ist der Bereich NFTcommerce für mich die heißeste Wette für 2023.

Blockchain Standort Deutschland?

Ich wurde öfter darauf angesprochen, dass viele Deutsche auf der Messe zu sein scheinen. Woran das liegen könnte? Tatsächlich hatten nur wir ein eigenes Panel, bei dem es ausschließlich um den Stand der Dinge in unserem Land ging. Und kaum zu glauben: Die strengen Gesetze könnten für den Standort Deutschland positiv sein. Wer regulatorisch (#MiCA) oder mit Blick auf das Verbraucherrecht in Deutschland die Standards erfüllt, hat in dem Rest Europas nicht viel zu befürchten.

Hoffentlich finden sich bald Wege, die neue Gesellschaftsform der DAO (dezentrale, autonome Organisation) angemessen im deutschen Gesellschaftsrecht zu verankern. Das wäre ein großer Schritt für den Innovationsstandort Deutschland. Die derzeitige Steuergesetzgebung ist mit der einjährigen Haltefrist sehr großzügig und sorgte bei vielen meiner Gesprächspartner für große Augen – vor allem in persönlicher Hinsicht, denn für Unternehmen gilt diese Regelung weiterhin nicht.

Fazit

Web2 und Web3 gehen immer schneller und immer mehr ineinander über. Dabei ist das Verhältnis kein Entweder-oder, sondern ein klares Zusammen. NFT.London: Web3 wird erwachsen.

PS: Die Dokumentation „The Future of Money“ im Anthony Bourdain Stil soll 2023 auf Netflix erscheinen. Mehr dazu bestimmt bald im neuen Netflix-Discord Channel…

Um die Herausforderungen der fortschreitenden digitalen Transformation zu meistern, haben viele , Medien und Agenturen aus der Marketing- und Kommunikationsbranche in den letzten Jahren stark in datenbasierte Technologien und Infrastrukturen investiert. Allerdings gelingt es häufig nicht, diese „PS auch auf die Straße zu bringen“ und einen relevanten Wettbewerbsvorteil daraus zu ziehen – auch, weil häufig HiPPOs auf ihr Bauchgefühl vertrauen.

Der digitale Wandel in den Organisationen ist eben nicht nur technischer, sondern insbesondere kultureller Art. Und hier hemmen, laut einer Capgemini-Umfrage, firmenkulturelle Probleme die digitale Transformation weitaus stärker, als etwa veraltete IT-Systeme oder mangelnde Ressourcen.

Bei Plan.Net NEO beschäftigen wir uns intensiv mit der Etablierung eines konsequent datengetriebenen Leistungsangebots, der Integration von Media und Content auf Basis von Daten. Diese Daten und die aus ihnen gewonnenen Insights sollen dabei sowohl den Kreativen, als auch den Mediaexperten aus unserer Mannschaft als „Treibstoff“ für die Entwicklung von relevanten Inhalten und deren wirksamer medialer Aktivierung dienen.

Im Zuge dieses tiefgreifenden Change-Prozesses haben wir vieles gelernt, vor allem auch im Hinblick auf die erfolgskritische Bedeutung der unternehmenskulturellen Aspekte auf dem Weg zu einer datenfokussierten Agentur. Aus den Key Learnings lassen sich zusammenfassend fünf Praxistipps für Agenturen bilden, die auch allgemein gültig angewendet werden können

  1. Daten-Skills entwickeln und fördern

Eine gelebte Datenkultur beginnt mit „Empowerment“ und der Demokratisierung der Daten. Es gilt die Mitarbeiterschaft in der Breite technologiegestützt zu befähigen, im „Self Service“ Daten zu analysieren und datenbasierte Entscheidungen treffen zu können.

Denn nicht der Mangel an Daten ist oftmals die Herausforderung, mit der Unternehmen konfrontiert sind, sondern der Weg von den Daten zur Entscheidung. Konzentrieren sich die Datenbestände in einer Organisation in den Händen einiger weniger Experten, liegt das Potenzial dieser Daten für den kommerziellen Erfolg des Unternehmens weitestgehend brach. Um stattdessen als Organisation den vollen Nutzen aus Daten zu ziehen, muss jeder Mitarbeiter die Möglichkeit haben, auf die Daten zuzugreifen und sie täglich in die eigenen Entscheidungen einzubeziehen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass jeder Mitarbeiter ein Data Scientist werden soll (und kann). Jeder sollte jedoch analytische Grundkenntnisse entweder bereits besitzen oder sie durch Qualifikationsmaßnahmen erlangen können, um in der Lage zu sein, datenbasierte Sachverhalte zu bewerten und Daten für Entscheidungen nutzen zu können.

  1. Technologie muss sich den Anwendern anpassen und nicht umgekehrt

Eine wichtige Rolle für die Umsetzung des datenbasierten Arbeitsalltags kommt den dafür eingesetzten Technologien und Tools zu. Soll deren Nutzung nicht ausschließlich den Datenspezialisten vorbehalten bleiben, sind für eine breite Akzeptanz bei den Anwendern und ihre Wahrnehmung von Brauchbarkeit sowie Nutzwert in der Praxis vor allem folgende Eigenschaften erfolgsentscheidend:

  • Convenience und intuitive Nutzung

Je einfacher und intuitiver der Umgang mit Daten für die Nutzer gestaltet wird, desto eher werden sie deren Wert für die Qualität ihrer tagtäglichen Arbeit realisieren und rasch nicht mehr missen wollen.

  • Intelligente Datenvisualisierungen

Dashboards oder andere graphische Darstellungsformate helfen die zentralen Aussagen der Daten schnell auf einen Blick zu . Ebenso stellen sie sicher, dass alle involviertenn Personen das gleiche Bild sehen. Diese Komplexitätsreduktion ist eine wichtige Voraussetzung für effizientes Arbeiten jedes Einzelnen und effektive Kollaboration im Team.

  • Dynamische Dateninteraktionsmöglichkeiten

Entscheidungsprozesse verlaufen selten linear. Datenanalyse-Plattformen sollten es daher so einfach wie möglich machen, Daten flexibel zu erkunden, Hypothesen zu testen und Szenarien auszuprobieren.

Ein anschauliches Beispiel für durch Technologie ermöglichtes Daten-„Empowerment“ ist das in unserer Schwesteragentur Plan.Net Business Intelligence entwickelte Tool „Brand Investor“, das bei uns seit einiger Zeit im Einsatz ist.

Das Tool ermöglicht unseren Beratern und Planern die Bestimmung des wirkungsoptimalen Kommunikationsplans für die Marken unserer . Dies nimmt jedoch nicht die bisher entstanden umfangreichen Kapazitäten von Daten- und BI-Spezialisten in Anspruch. Der Brand Investor macht mittels künstlicher Intelligenz das Wissen aus über 2.000 kalkulierten Mediaplänen und mehr als 200 durchgeführten Marketing Mix Modellings auf Knopfdruck nutzbar. Mit Hilfe einer interaktiven, visualisierungsorientierten Benutzeroberfläche können die Anwender zu ihrer datenbasierten Entscheidungsfindung in wesentlich kürzerer Zeit als zuvor im Do-It-Yourself-Modus die Budgetallokation für verschiedenste Planszenarien optimieren und deren Wirkung prognostizieren.

  1. Kritische Neugier im Umgang mit Daten fördern

Eine grundsätzliche Neugier ist zentraler Motor für Innovation und Wachstum. Sie bildet auch eine wesentliche Grundlage für eine Analysekultur. Denn hier geht es um die aktive Suche nach neuen Ansätzen, den Drang zum Ausprobieren und Experimentieren. Vor allem, wenn dies auf der Basis von Daten erfolgt, muss das kulturelle Rahmenwerk gewährleisten, dass das kritische Denken dabei nicht zu kurz kommt.

Eine „Data First“-Unternehmenskultur darf nämlich keinesfalls bedeuten, dass man Kennzahlen blind folgt und nur auf der Grundlage von nackten Zahlen ohne weiteren Kontext zu entscheiden. Vielmehr sollte sie zur kritischen Interpretationsfähigkeit im Umgang mit Daten motivieren, sodass die Organisation ihre Entscheidungen nicht nur auf verlässlichen Daten stützt, sondern im Hinblick auf das Thema Datenqualität auch weiß, wann es besser ist, dies nicht zu tun.

  1. Datenkultur von oben vorleben

Letztendlich wenig überraschend ist die Erkenntnis, dass eine erfolgreiche Etablierung einer datenorientierten Unternehmenskultur an der Spitze der Organisation beginnt. Allerdings sollte man sich das als Führungskraft immer wieder in Erinnerung rufen, da die Realität leider zeigt, dass dies im hektischen Alltag doch allzu häufig in Vergessenheit gerät.

Das Führungsteam muss eine klare Vision vorgeben, um Daten in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Es gilt jedoch, diese nicht nur zu konzipieren und fleißig zu kommunizieren, sondern diese auch tagtäglich selbst vorleben. Das Buzzword lautet hier „walk the talk“, also den eigenen Worten auch Taten folgen zu lassen. Wenn die Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen, werden die anderen Manager und Mitarbeiter der Organisation ihr Verhalten recht bald – bewusst oder unbewusst – entsprechend anpassen.

Der Kulturwandel funktioniert aber auch zweigleisig, also sowohl Top-Down als auch Bottom-Up. Das gibt Führungskräften eine Rolle als Vorbild, aber auch als gezielte Förderer geeigneter und engagierter Mitarbeiter, die dann als Multiplikatoren bzw. sogenannte Change-Agenten in ihren jeweiligen Teams fungieren.

  1. Dem Bauchgefühl entsagen

Eng verknüpft mit dem voranstehenden Punkt ist die Empfehlung, alles daran zu setzen, organisationsweit Bauchgefühl konsequent und nachhaltig durch Entscheidungen zu ersetzen, die auf Daten und Fakten beruhen.

Denn viele Teams in Unternehmen werden immer noch von HiPPOs geführt. HiPPO steht hierbei für „Highest Paid Person’s Opinion“. Damit ist gemeint, dass Entscheidungen oft von den höchstbezahlten Mitarbeitern des Teams getroffen werden, die unter Umständen weit entfernt von der eigentlichen Frage-/Problemstellung sind. Das ist insbesondere problematisch, wenn diese HiPPOs auf Grundlage ihres auf subjektiver Erfahrung und intuitiven Bauchgefühls , statt von ihren Teams datengestützte Analysen und Empfehlungen für eine objektive Entscheidungsfindung einzufordern.

Wenn Daten wirklich eine zentrale Rolle für die Organisationskultur spielen sollen, muss der Anspruch lauten, auch alle Entscheidungen im Unternehmensalltag auf deren Basis zu treffen. Ohne Ausnahmen.

Das zentrale Thema der SXSW-Konferenz war schon immer der Wandel: der Wandel von ihren bescheidenen Anfängen als Musikfestival in der Hauptstadt von Texas, zu einer der weltweit führenden Konferenzen für Technologie, Marketing und Innovation, bis hin zum Wandel der Stadt Austin selbst. Austin verändert sich schnell – was immer offensichtlicher wird, je öfter man zurückkehrt. Der Zustrom von Arbeitsplätzen, Bewohnern und Investments ist überall spür- und sichtbar: Es werden neue Hochhäuser in der Innenstadt gebaut und neue, ausgefallene Häuser und Geschäfte verändern Jahr für Jahr das Gesicht der nahegelegenen Wohngegenden.  Sicherlich freut sich nicht jeder über Austins anhaltende Popularität – besonders nicht die langjährigen Bewohnern Austins, die endlosem Verkehr und explodierenden Mieten zunehmend überdrüssig werden. Silicon Valley‘s neueste Lösung zur Verkehrsregelung, eine riesige Menge von Elektrorollern und Fahrrädern auf den Straßen Austins bereitzustellen, mag für die SXSW-Teilnehmer ein willkommener Komfort gewesen sein; aber auch ein zusätzliches Ärgernis für die Bewohner der Stadt.

Veränderte Wahrnehmungen 

Mit dem Wandel der Stadt verändert sich auch eine ihrer wichtigsten Attraktionen für Besucher: Die SXSW mag immer noch als technologie- und marketingorientierte Konferenz bezeichnet werden, aber die zunehmende Betonung von Themen rund um die Arbeitskultur, zwischenmenschliche Beziehungen und Führung zeigt, dass Technologie und Innovation allein möglicherweise nicht ausreichen, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein.
Die Konferenz mit Brené Brown und Esther Perel zu beginnen – zwei herausragende Referenten in den Themenbereichen Zugehörigkeit, Empathie und Beziehungsintelligenz – gab den perfekten Rahmen für den Rest der Woche vor. Wie wichtig es ist, solche Themen, die am Arbeitsplatz und auch im gesamten Leben oft als „soft“ abgetan werden, anzuwenden, kann nicht genug betont werden.  Oder wie es Gwyneth Paltrow, die derzeit ihre Karriere von der Hollywood-Schauspielerin zum CEO ihrer Lifestyle-Marke Goop umgestaltet, auf den Punkt bringt: „Kultur ist dein Businessplan“.

Neustrukturierung der digitalen Transformation

Bedeutet das, wir sind fertig mit der digitalen Technik – keine neuen Gadgets, keine neuen Plattformen und keine Disruption mehr? Weit gefehlt. Aber die digitale Transformation selbst verändert sich. Das letzte Jahrzehnt hat Tools mit fast unbegrenzten Möglichkeiten hervorgebracht und die Technologie hat den Punkt der produktiven Allgegenwärtigkeit erreicht.
Ist also das Zitat des alten Arthur C. Clarke nicht mehr wahr? Ist die Technologie so weit fortgeschritten, dass sie nicht mehr länger magisch scheint? Nicht unbedingt, aber die Tools, die wir in den letzten 10 Jahren weiterentwickelt haben, können heute produktiv im Geschäftsleben und speziell im Marketing eingesetzt werden. Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Augmented Reality, Virtual Reality, Mobile Devices und Wearables, Blockchain, Robotics, digitale Assistenten: Sie alle funktionieren und bieten viele Vorteile. Es ist an der Zeit, sie anzunehmen und zu nutzen.

Technologie als Auslöser und Antwort auf sich verändernde Konsumentenerwartungen 

Walmart CTO Jeremy King präsentierte beeindruckende Einblicke in die Art und Weise, wie der weltgrößte Einzelhändler genau dies tut. So ziemlich jede, der oben aufgeführten Technologien, spielt eine große Rolle in den Geschäftsprozessen des Einzelhandelskonzerns: von der Blockchain für die Dokumentation der Lieferwege von Obst und Gemüse, über Virtual Reality in der Mitarbeiterschulung, bis hin zu Robotics und Predictive Analytics in Logistik und Einkauf. King wurde zwar nicht müde zu wiederholen, dass der Kunde und das Einkaufserlebnis im Mittelpunkt aller technologischen Unternehmungen von Walmart stehen; trotzdem haben diese Unternehmungen aufgrund ihrer hohen Effizienzsteigerung sicherlich auch große Auswirkung auf Walmarts Profite.
In einer weiteren Session, die ich besuchte, stellte Heather Hildebrand von Accenture Interactive Beispiele vor, wie Accenture Einzelhändlern dabei hilft, das Einkaufserlebnis für Kunden durch Technologie zu verbessern, indem das Unternehmen Lösungen für eine bessere Personalisierung, die Kuration des Shop-Angebots und Expertenberatung anbietet. Technologie dafür zu nutzen, eine echte und sinnvolle Verbesserung des gesamten Markenerlebnisses hervorzurufen, wird in absehbarer Zeit die zentrale Herausforderung darstellen, da die Tools dafür schon bereitstehen. Gleichzeitig verändert die Technologie das Verbraucherverhalten grundlegend und über alle Touchpoints hinweg, sodass das Verständnis für und die richtige Reaktion auf diese Bedürfnisse gleichermaßen wichtig sind. Dies erfordert jedoch Anstrengungen und die Bereitschaft, über schwierige Probleme nachzudenken und schwierige Lösungen dafür zu finden – zu oft nehmen Marketer hier den einfachen Weg. Warum sich lange Gedanken darüber machen, wie beispielsweise digitale Assistenten das Einkaufsverhalten der Konsumenten grundlegend verändern, wenn man auch einfach einen schicken, wenngleich recht feature-armen Alexa Skill bereitstellen kann? Um ein Gleichgewicht zwischen dem spielerischen Einsatz neuer Tools und der sinnvollen Auswirkung auf Prozesse und Ausführungen zu erreichen, bedarf es jedoch einer Veränderung in der Organisationsstruktur und Führung. Das Gleichgewicht zwischen Kultur und Technologie wird die neue Herausforderung der Innovation sein.

Das Kaleidoskop des Wandels

Das ist mein ganz persönliches Fazit zur SXSW 2019. Die Vielzahl an Sessions, Panels und Workshops über 29 Konferenztracks macht es eigentlich unmöglich, sich einen umfassenden Überblick über das Geschehen zu verschaffen. Aufgrund all dieser Möglichkeiten könnte man 50 verschiedene Teilnehmer fragen und würde wahrscheinlich 50 verschiedene Antworten darauf erhalten, worum es bei der SXSW in einem bestimmten Jahr geht. Was manch einer für beachtenswert hält, könnte ebenso von seinen aktuellen beruflichen und persönlichen Herausforderungen abhängen, wie auch von den übergreifenden Trends in der Programmgestaltung des Festivals selbst. Ich freue mich darauf, in einem Jahr nach Austin zurückzukehren; nicht nur, um zu sehen, wie sich die Stadt entwickelt hat, sondern auch wegen des einzigartigen Mashups zwischen Innovation, Kultur, Kunst und visionärem Geist, das nur in dieser Stadt, bei dieser Veranstaltung existieren kann.

Nachdem das Internet mittlerweile fast alle Lebensbereiche durchdrungen hat, der Siegeszug des Smartphones fast abgeschlossen und beinahe jedes elektronische Gerät im „Internet of Things“ connected ist, steht uns nun der nächste große Schritt bevor: Künstliche Intelligenz, Robotik und Quantencomputing. Diese Technologien verändern nicht nur die Gesellschaft als Ganzes, sondern auch unsere Arbeit als Mediaplaner.

Aus meiner Sicht haben drei medien- beziehungsweise marktspezifische und drei technologische Entwicklungen den derzeit größten Einfluss auf unser Geschäft:

1. Die immer größer werdende Macht der Internetriesen verändert den Werbemarkt auf drastische Art und Weise. Laut Schätzung von OMG und eMarketer gehen circa Dreiviertel der deutschen und mehr als die Hälfte der US-amerikanischen Digital- bzw. Online-Werbeinvestitionen mittlerweile an die „Walled Gardens“ Google und Facebook. Auf LUMA‘s Digital Media Summit 2017 wurde thematisiert, dass je nach Studie 50 bis 60 Prozent der Online-Shopper in Deutschland und den USA das Produkt ihrer Wahl direkt bei Amazon suchen, ohne den „Umweg“ über eine Suchmaschine zu gehen. Die großen Plattformen haben genau verstanden, was die Nutzer wollen und geben den Werbetreibenden so kaum eine Chance, an ihnen vorbeizukommen.

2. Im Dienstleistungsmarkt rund um die Digitalisierung werden die Karten neu gemischt: Unternehmensberatungen drängen vermehrt in IT, Marketing und Commerce. Technologieunternehmen bieten Consulting-Leistungen an und Agenturnetzwerke weiten ihre Marketing-Expertise auf IT und Commerce aus. Neue Dienstleistungen und Jobprofile entstehen gefühlt täglich und heizen damit den „War for Talents“ gehörig an.

3. Das Modell des „Durchschnittskonsumenten“ hat ausgedient. Unsere Gesellschaft wird dank vieler verschiedener Einflussfaktoren immer heterogener. Die Soziodemografie als Planungsgrundlage bietet im modernen Marketing nur wenig Differenzierung und Erkenntnisgewinn. Es gibt mittlerweile deutlich vielseitigere und genauere Zielgruppenmodelle, die es nun einzusetzen und weiterzuentwickeln gilt.

Diese technologischen Trends beeinflussen unser Geschäft:

1. Was bis vor kurzem noch über Bildschirme und Tastaturen erfolgt ist, funktioniert nun zunehmend über Sprache. Laut einer Gartner-Analyse werden schon im Jahr 2020 etwa 30 Prozent der Web Browsing Sessions ohne Bildschirm stattfinden. Neben der neuen Markenpräsenz bedeutet das besonders für den Handel eine drastische Veränderung – denn bei Shopping-Anfragen gibt es nur ein einziges Ergebnis: Auf Amazon schlägt das Unternehmen in 59 Prozent der Fälle ein Amazon Choice Produkt vor – Sponsored Posts der Hersteller erscheinen nur bei 2,5 Prozent aller gesprochenen Anfragen wie Gartner L2 herausstellt. Erfolgreich werden also nur die Marketer sein, die eine integrierte Voice-Strategie entwickeln und sie als Teil eines einheitlichen Markenerlebnisses verstehen.

2. Für viele derzeit noch ein Mysterium, gehört auch die Blockchain zu den Technologien, die uns in den nächsten Jahren verstärkt begegnen werden. Blockchain ermöglicht die sichere Durchführung von Transaktionen ohne zentrale Autorität, auch wenn sich die beteiligten Parteien nicht kennen oder einander (noch) nicht vertrauen. Die Vorteile der Blockchain liegen auf der Hand: Transparenz, Partizipation, Dezentralität und Unveränderbarkeit. Die Komplexität macht es allerdings enorm schwierig, diese Technologie in bestehende Prozesse einzubinden. Um Blockchain-Lösungen großflächig im Media-Business zu etablieren, müssen zahlreiche Beteiligte mit unterschiedlichen Marktpositionen teilnehmen. Daher werden sicherlich noch ein paar Jahre ins Land ziehen, bevor es hier zu einem flächendeckenden Einsatz im Media-Alltag kommt.

3. Sie scheint der Heilsbringer schlechthin zu sein: Künstliche Intelligenz (KI). Im Marketing sind vor allem drei Bereiche besonders interessant: KI hilft dabei, vorhandene Daten auszuwerten und mithilfe von Analysen und Reportings ganz neue Insights über Kunden und Zielgruppen zu erhalten. Bei der Content Creation kann sie Werbemittel anhand von Nutzerdaten personalisieren und in der Mediaplanung können viele Arbeitsschritte automatisiert werden. Bei Mediaplus haben wir beispielsweise mit dem Brandinvestor ein Tool erschaffen, das die wirkungsbasierte Planung für alle Kampagnenzielsetzungen über 19 Kanäle hinweg erstellen kann. Das Resultat ist ein Mediamix aus der Maschine, der aus mehreren Millionen Szenarien den optimalen Vorschlag errechnet.

Trotz der vielen Innovationen werden diese neuen Technologien Mediaexperten nie ersetzen können. Sie stellen uns nur vor neue Herausforderungen und Aufgabenbereiche, die wir mit Mut und Tatkraft, nicht mit Angst und Verzagen angehen sollten. Oder, wie Che Guevara es mit den Worten von Trotzki sagte, wir leben in einer „Revolución permanente“.

Der Beitrag wurde zuerst bei LEAD-Digital veröffentlicht. 

Die Zeiten ändern sich und mit ihnen Technologien, Märkte und Kunden. Mittlerweile haben wir wohl alle bemerkt, dass es in der großen Lotterie namens „Digitalisierung“ für einige viel zu gewinnen, für andere viel zu verlieren und für alle viel zu lernen gibt. In diesem Kontext hat eine ganze Reihe von „agilen“ und „leanen“ Tools und Techniken das mittlere Management erobert. Eines dieser glänzenden, frischen Tools aus dem Silicon Valley ist das Minimum Viable Product oder kurz gesagt MVP.

Kaum eine Diskussion über die Entwicklung eines Produktes, die Durchführung eines Projektes oder die Lösung eines anderen hinreichend komplexen und unklaren Problems wird heute geführt, ohne dass jemand vorschlägt „doch einfach ein MVP zu machen“. Es scheint kaum ein Problem zu geben, das ein MVP-Ansatz nicht lösen kann: Wir kennen den Scope unseres Projektes nicht? Machen wir ein MVP. Wir haben keine Ahnung was der Kunde eigentlich will? Machen wir ein MVP. Wir haben absolut keine Zeit und kein Budget? Machen wir ein MVP.

Maximum Vexing Problem

Und damit könnte es eigentlich gut sein. Mit einem MVP-Ansatz alleine ist sicher keines dieser Probleme gelöst, aber in eigentlich jedem Fall lässt sich daraus die eine oder andere wertvolle Einsicht gewinnen. Wer möchte bestreiten, dass in einem unsicheren und unbeständigen Umfeld, mit vage definierten Problemen und noch vageren Lösungsansätzen ein Ansatz der vielen kleinen Schritte sinnvoller scheint, als ein großer (Fehl-)tritt?

In diesem Kontext ist das Konzept, ein Produkt zu entwickeln (oder ein beliebiges anderes Problem zu lösen) indem man schnell mögliche Ideen umsetzt, Hypothesen testet, Feedback sammelt und graduell die gefundene Lösung verbessert, recht naheliegend. Die Sache hat nur einen Haken: Damit sich Probleme iterativ in Luft auflösen, müssen alle Beteiligten das gleiche Verständnis dessen haben, was das Konzept eigentlich meint. Was leider oft nicht der Fall ist.

Minimum und Product

Wie bei vielen einfachen, einprägsamen Konzepten liegt der Teufel im Detail. Zerlegen wir das MVP in seine drei Teilbegriffe: Minimum, Viable und Product. Der erste und dritte davon sind allen Beteiligten (und deren Stakeholdern) meisten schnell und direkt klar:

Minimum, drückt aus, dass wir auf der Suche nach etwas kleinen, effizienten und effektiven sind. Wir wollen ein Maximum von X mit einem minimalen Input von Y (Zeit, Geld, Ressourcen) erreichen. Das ist der Punkt, der die meisten Nutzer (und deren Manager) initial für das Konzept begeistert: Das Versprechen ein großes X für ein kleines Y zu erhalten.

Product, ist ebenfalls leicht zugänglich, wir lösen ein Problem nicht zu unserer persönlichen Unterhaltung, sondern versuchen etwas zu schaffen, was ein (End-)Kunde nutzen und kaufen wollen würde. Dementsprechend setzt genau dieser Kunde, diese Gruppe von Stakeholdern und ihr Feedback die Messlatte für unsere Bemühungen.

“V” wie “Viable”

Womit wir bei „viable” ankommen, dem Begriff mit dem die meisten Teams Probleme haben und dessen Verständnis über Erfolg oder Misserfolg des Ansatzes entscheidet. Um das Problem zu verdeutlichen, hilft es „viable” umformulieren: Eine Lösung ist „viable“ wenn es ihr gelingt, unsere Erwartung von Erfolg zu erfüllen. Und genau diese “Erwartung von Erfolg” unterscheidet sich für gewöhnlich von Stakeholder zu Stakeholder. Ein geteiltes Verständnis dessen, was „viable“ für ein Produkt oder Projekt bedeutet, entscheidet über Erfolg oder Scheitern eines Teams das sich für MVP als Ansatz entscheidet.

Abhängig von der Ausbildung, der aktuellen Rolle, der subjektiven Wahrnehmung einer Situation und vieler anderer Variablen hat jeder Stakeholder wohlmöglich ein radikal unterschiedliches Verständnis dessen was „viable“ meint. Insofern ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen MVP die frühzeitige Klärung und kontinuierliche Abstimmung dieser unterschiedlichen Erwartungen der einzelnen Stakeholder.

Making “Viable” more “Viable”

Eine Möglichkeit frühzeitig die gröbsten Missverständnisse auszuräumen hat der Lean/Agile Coach Henrik Kniberg vorgeschlagen. Je nach Hauptziel des Teams und seiner Key Stakeholder wird „viable“ durch drei weitere Begriffe ersetzt:

Minimum Testable Product – Jeder Versuch, bei dem sich (kleine) Hypothesen klassisch testen lassen. Den Anfang machen die Thesen, die den größten Gewinn, in Bezug auf Wissen über Machbarkeit, Funktion, Value Propositions, Risiken oder Chancen bieten.

Minimum Useable Product – Jeder Versuch, der dem Nutzer einen (begrenzten) Nutzen bietet und der es ihm erlaubt zu einer möglichen Verbesserung des Produkts Feedback zu geben. Der Fokus liegt weiterhin auf den Dingen, die den größten Mehrwert in Bezug auf „Nutzen“ oder „Feedback“ versprechen.

Minimum Loveable Product – Jeder Versuch, den der Nutzer so gut findet, dass er es tatsächlich kaufen, dauerhaft nutzen oder anderen empfehlen würde. Im Idealfall ergibt sich das Minimum Loveable Product aus den durch Minimum Testable und Minimum Useable Products gewonnen Einsichten.

Diese Ersetzungen machen die vielen Facetten von “viable” explizit und helfen dabei das Konzept MVP je nach Kontext zu schärfen. Damit eignen sie sich nicht nur, um mit vom Buzzword MVP begeisterten Stakeholder und Teams die Basis für erfolgreiche Produkte und Projekte zu erarbeiten. Sondern auch um Teams in Not die dringend benötigte Klärung, Orientierung und Struktur zu geben. Last but not least bilden sie eine gute Basis für einen informierten Austausch mit Stakeholdern, die bereits negative Erfahrungen mit einem leichtfertigen Einsatz des MVP-Gedanken gemacht haben.

MVPraxis – wann wir MVPs anwenden

Bei Plan.Net nutzen wir MVP-basierte Ansätze in einer Vielzahl von Situationen: Beispielsweise in der Entwicklung anspruchsvoller Digitalprodukte, wie einer leanen Lösung zur Partnerintegration für einen weltweit tätigen Logistikdienstleister oder Location Based Offers und Services für die Apps eines der größten deutschen Loyalty-Programme. Hier half ein fokussiertes, iteratives Vorgehen dabei, parallel einen herausfordernden Technologie-Stack aus GPS, Bluetooth und NFC stabil zu implementieren und trotzdem flexibel auf neue Inputs zur Produktgestaltung reagieren zu können. Generell sind MVPs sehr gut geeignet, wenn es darum geht, kreative UND technologische Anforderungen zu vereinen. Situationen die häufig von widerstreitenden Prioritäten, hohem Druck und Unsicherheit geprägt sind.

Ein weiterer Fall aus der Praxis, in dem ein MVP zum Einsatz kam, war der Relaunch des Plattform-Portfolios eines großen Energieanbieters, bei dem es besonders herausfordernd war, die Roadmap mit einem großen Leistungsumfang zusammenzubringen. Aber auch in der Früherprobung neuer Technologie, wie bei der Entwicklung eines AR Prototypen für ein großes Transportunternehmen hilft ein MVP-Ansatz im Dschungel der digitalen Möglichkeiten nicht den Überblick zu verlieren.

Beyond the buzzword

In diesem Sinn: Neue Herausforderungen brauchen neue Ideen. Wir brauchen neue Wege des Arbeitens, brauchen neue Werkzeuge und Varianten der Zusammenarbeit. Wir brauchen die Bereitschaft, gemeinsam Dinge auszuprobieren, gemeinsam Großes zu erreichen und manchmal knapp vorher gemeinsam zu scheitern. Was wir nicht brauchen sind Buzzword-Blendgranaten die mit maximaler Wirkung in Meetings gezündet werden, um dann bei allen Beteiligten nichts zu hinterlassen als ein schales Gefühl und Piepen im Ohr. Wir sollten also regelmäßig fragen, wie und wo uns „agile“ und „leane“ Ansätze helfen können Probleme wirklich zu lösen und sie nicht nur mit hippen Begriffen verschleiern.

 

Dieser Artikel erschien zuerst bei page-online.de.

Serviceplan in Austin: Vier unserer Kollegen waren diese Woche auf der SXSW in Texas unterwegs. Hier schildern sie uns ihre Eindrücke und Highlights von der Tech-Konferenz.

Joana-Marie Stolz, Head of Cultural Strategy, Serviceplan

Transformation is not digital – it’s constant. Von Melinda Gates über Ray Kurzweil bis hin zu Esther Perel ging es dieses Jahr nicht mehr nur noch darum, wie Technologie die Welt verändert, sondern vielmehr wie wir gemeinsam Organisationen und Kulturen schaffen können, die zukünftig die Menschheit nachhaltig beeinflussen können. Mein absolutes Highlight dieses Jahr waren definitiv wieder die unprätentiös ehrlichen und inspirierenden Speaker, die tief aus dem Herzen einfach aussprechen, was sich viele nicht trauen: „Why is it so hard to do the right thing?“ Neue Rollenvorbilder als Innovatoren für nachhaltige Transformation, die reflektiert ihr Umfeld verändern, in dem sie zuerst bei sich selber anfangen, und dadurch mehr Raum für Wunder ermöglichen, mehr Vertrauen in den Arbeitsplatz schaffen und damit die Macht der Schwarmintelligenz und des persönlichen Mutes anfassbar, inspirierend und am allerwichtigsten aktiv nutzen.

Alexander Turtschan, Head of Media Insights & Innovation, Plan.Net

Das definitive Highlight für mich ist der Spirit, den die große Mehrheit der Speaker & Besucher hier lebt. Transformation ist der neue Normalzustand und anstatt zu zaudern sieht man die Chancen, die sich bieten. Neue Technologie, verändertes Konsumentenverhalten, schnellere Innovationszyklen – mit dem richtigen Mindset und der Offenheit die eigenen Unternehmen zu verändern lässt sich vieles bewältigen.

Bastian Wahl, Unitleiter Digital Media, Plan.Net

Die Eindrücke vom SXSW sind extrem vielfältig und für Außenstehende nur schwer in Worte zu fassen: die Ansammlung extrem innovativer und beeindruckender Menschen auf recht engem Raum war sehr beeindruckend. An jeder Ecke fand sich eine Vielzahl technischer Installationen oder ein Talk, bzw. Panel zu Themen, mit denen wir uns wahrscheinlich in 2-5 Jahren beruflich auseinandersetzen werden. Auch die Anzahl hochrangiger Unternehmen und die Darstellung ihrer innovativen Ansätze habe ich in puncto Anzahl und Innovationsbereitschaft der Aussteller zuvor noch nie erlebt. Von Google über Sony und HP bis hin zu Panasonic und Bose war alles vertreten, was Rang und Namen hat.

Besonders die Vorträge boten eine Qualität und eine gleichzeitige Vielfalt, die es fast unmöglich machten, nichts zu verpassen. Die Möglichkeit, in kurzer Zeit Vorträge von Elon Musk, erfahrenen NASA-Spezialisten, Musikern und Marketing-Experten zu verfolgen, sucht sicher seines gleichen.

Mein persönliches Highlight war die Greifbar- und Erlebbarkeit der Themen AR, AI und die Fähigkeiten digitaler Assistenten – und das auf einem noch nie gesehenen Niveau. Mit diesen Themen werde ich mich in der nahen Zukunft auseinandersetzen und versuchen, diese für unsere Kunden anzugehen.

Dominik Terruhn, Geschäftsführer und Partner, Plan.Net

Neben den rasanten Weiterentwicklungen, die auf der SXSW auch dieses Jahr wieder eindrucksvoll gezeigt und live erlebbar waren, und den bereits beschriebenen Eindrücken unseres Teams vor Ort – mein Highlight: Es gibt eine gute Nachricht: Die Menschheit hat eine Chance auch nach Eintreffen der KI Singularität, wenn künstliche Intelligenz den menschlichen Intellekt endgültig überholt hat. Dies passiert spätestens im Jahr 2029, wenn Ray Kurzweil – wie bei so vielen seiner Prophezeiungen – recht behält. Wir beobachten aktuell nur den noch sehr flach ansteigenden Teil dieser KI-Parabel, die nach Elon Musk bedrohlicher als Nuklearwaffen sind. Wir werden allerdings lernen, wie mit so vielen Technologien, sie uns produktiv zu Nutze machen zu können – und sollten uns nicht davor fürchten laut Kurzweil.

Innovation ist die treibende Kraft der Wirtschaft. Ohne sie herrscht Stillstand. Aber Neuerungen funktionieren nur, wenn sie die Probleme der Menschen lösen. Dennis Pfisterer plädiert für eine neue Herangehensweise an Innovationen

Ein neues Jahr beginnt, und wann, wenn nicht jetzt, macht es Sinn zu hinterfragen, wie wir die Dinge in Zukunft angehen wollen. Gibt es neue Ideen oder Erkenntnisse, die uns 2018 weiterbringen werden? Die uns persönlich, geschäftlich oder gar gesellschaftlich nachhaltig prägen werden? Innovationen versprechen Fortschritt, aber ist das wirklich so? Ist Innovation per se überhaupt erstrebenswert?

Per Definition ist Innovation ein willentlicher und gezielter Veränderungsprozess hin zu etwas Erstmaligem, Neuem. Die Suche nach neuen Erkenntnissen oder Lösungen setzt daher Neugier, Kreativität und Lust auf Erneuerung voraus. Das erklärt auch, warum der Begriff „Innovation“ gern und oft gewählt wird, um Neuartiges jeglicher Art zu verkaufen. Von Gedankenkonstrukten wie zum Beispiel dem Kommunismus, der den Einzelnen und die Gesellschaft von Grund auf verändern wollte, bis hin zu ganz greifbaren Produkten wie dem iPhone X, das so ziemlich den gleichen Anspruch hat.

Steigt man in das vergleichsweise noch recht neue Forschungsfeld der Neurowissenschaften und damit in die tieferen Gefilde unseres Hirns ein, erkennt man, wie tief das Konzept in uns verankert ist. Betrachtet man zum Beispiel das von Dr. Hans-Georg Häusel entwickelte Modell der Limbic Map genauer, ist Innovationsdrang mit einer der drei Hauptkräfte gleichzusetzen, die unser Denken und Handeln maßgeblich beeinflussen: der Stimulanz. Sehr vereinfacht ausgedrückt, prüft unser Gehirn demnach unterbewusst (im limbischen System) alle sensorischen Informationen, ob sie a) dazu beitragen, unseren Status quo zu erhalten, b) uns in irgendeiner Weise zu stimulieren oder c) uns möglicherweise Kraft oder Macht verleihen.

Innovation kann somit evolutionär tatsächlich als urmenschlichen Drang verstanden werden, sich aus dem Status quo zu befreien, um unsere Zukunft zu sichern. Was neu und innovativ ist, steht natürlich immer in einem bestimmten geografischen und gesellschaftlichen Kontext und ist somit vom Zeitgeist abhängig. Logischerweise sind Innovationen natürlich auch nur für einen limitierten Zeitraum relevant. Wir alle kennen den peinlichen Moment, wenn Mutti auf Anerkennung hoffend begeistert von diesem Facebook redet oder der Bekannte vom Lande diesen oder jenen Look jetzt total Berlin-Style findet. Heute Hype, morgen Mainstream, übermorgen old-school. Eine Innovation überholt die nächste. Soweit nichts Neues. Aber zurück zur eigentlichen Frage: Ist in Zukunft tatsächlich nur der erfolgreich, der total „different thinkt“ und seine neuartigen Ideen mit voller Power in unsere Köpfe pusht?

Sind sie down mit Uber-Innovation?

Ein Problem entsteht auf jeden Fall, wenn wir Menschen mit unseren eigenen Innovationen nicht mehr mithalten können. Denn durch den digitalen Wandel hat die ohnehin rasante Entwicklung der Technik jüngst noch einmal einen ordentlichen Kickstarter bekommen. Von der menschlichen Evolution lässt sich das leider nicht behaupten. Im Gegenteil: Dummerweise ist und war Mensch schon immer von Natur aus eher auf langsamen und linearen Wandel geprägt. Unser menschlicher Prozessor hat in den letzten 50.000 Jahren weitaus weniger Leistungs-Updates erhalten als Computer in den letzten 50 Jahren.

Betrachtet man die exponentielle Entwicklungskurve der Rechenleistung von Computern, die dem sogenannten Mooreschen Gesetz folgt, kann man davon ausgehen, dass diese in wenigen Jahrzehnten ein schwindelerregendes Niveau erreichen wird. Demnach wird vermutlich irgendwann zwischen 2050 und 2060 ein einziger Superrechner die Rechenleistung von weltweit allen menschlichen Gehirne zusammen besitzen. Fantastisch, was in Zukunft damit – technisch gesehen – alles möglich sein wird. Aber wie wird unser weitestgehend noch neolithisches Hirn in der ständigen Konfrontation mit AI-enhanced-Superbrain-Autos und Staubsaugern emotional umgehen?

Schon heute scheinen immer mehr Menschen an Überforderung durch den Innovations- Overflow und der damit verbundenen Informationsfülle zu leiden. Besonders absurd, weil diese meist mit dem Versprechen größerer persönlicher Freiheit, Selbstbestimmung und Glück daherkommen. Gleichzeitig wird in immer mehr Studien eine direkte Parallele zwischen der Verbreitung von Depressionen und der steigenden Nutzung neuer Technologien gezogen und der sogenannte Digital Detox als heilende Maßnahme nahegelegt. Wenn nun auch noch die Architekten der großen Innovationsschmieden in Silicon Valley selbst bekennen, dass ihre Technologie das soziale Gefüge der realen Welt zerstört, ist es vielleicht angebracht, die einfache Gleichung Innovation = neue Technologie ernsthaft zu hinterfragen.

Sind wir „hooked on innovation“?

Die große Gefahr der digitalen Transformation steckt vielleicht neben der extremen Geschwindigkeit, mit der sie voranschreitet, ein ganzes Stück weit auch im Über- und Missbrauch des Wortes „Innovation“ selbst. Auf Tech-Summits, in Start-ups, Marketingabteilungen und den Social Networks wird alles gefeiert, was weltverbessernde digital-soziale Disruption verspricht. Das wiederum verleitet dazu, nur Ideen für innovativ zu halten, die einen fetten Wow-How-Awesome-Technology-Badge tragen. Vor lauter Begeisterung für die innovative Technologie geht die wirklich spannende Frage, wohin uns diese eigentlich bringen soll, schon mal unter.

Natürlich, man könnte sagen, wir leben in einem freien Markt. So lange sich damit Geld machen lässt, und der Nutzer glaubt, freier, einfacher oder schneller durch den Alltag zu kommen, ist alles gut. Anderseits, wer redet da eigentlich wem was ein? Facebook stoppte kürzlich sein AI-Programm, weil es eine effizientere Sprache erfand, die ihre Schöpfer nicht mehr verstanden. Fraglich außerdem wie lange die breite Masse der Menschen der Überflut an Innovationen noch ihre Aufmerksamkeit schenkt? Neben irgendeiner blockchain-basierten Cyber-Währung dürfte aber genau Aufmerksamkeit die Währung der Zukunft schlechthin sein.

Die Mechanik, die man dazu einsetzt, dauerhaft Aufmerksamkeit von Nutzern zu erhalten, nennt sich „Computer Aided Persuasive Technology“, was übersetzt in etwa „computer-basierte Überredungstechnologie“ bedeutet. Der Begriff stammt vom Verhaltensforscher BJ Fogg, heute Leiter des Stanford Persuasive Tech Labs, wo Technologiejünger die neuesten Tricks der Manipulation erlernen. Wie man damit emotionale Abhängigkeit schafft, beschreibt auch Nir Eyal ausführlich in seinem Bestsellerbuch „Hooked: Wie Sie Produkte erschaffen, die süchtig machen?“ Das Wichtigste in seinem Modell: der Trigger, der in Fleisch und Blut übergeht. Ein Like hier, ein Benachrichtigungslämpchen oder ein Vibrationsalarm dort – alles, um Reaktionen beim Nutzer zu provozieren. Snapchats Streaks belohnen beispielsweise den Nutzer für Aktivität mit kleinen Flammen-Icons, die aber erlöschen, wenn keine weiteren Snaps innerhalb von 24 Stunden gesendet werden. Tja, wie lange diese Entwicklungen noch gut gehen? Fragt sich anscheinend auch die Börse und wettet nicht auf steigende Kurse von Snap Inc.

Innovation. For real!

Bevor Innovation also komplett aus dem Ruder läuft, befreien wir sie doch aus Bullshit-Bingo-Falle und laden dieses lebenswichtige Konzept wieder sinnvoll auf. Zum Beispiel mit zwei altbekannten Ansätzen: dem ehrlichen Human Centric Approach und dem ihm nahestehenden – sehr vernünftigen – Customer Value. Dieses Real-Deal-Team hätte womöglich die Power, wirklich Revolutionäres zu leisten, statt reflexartig immer nur in Richtung des technologiegetriebenen digital-sozial-disruptiven Fortschritts zu laufen. Denn Innovation, die den Menschen keinen Nutzen bringt oder sogar schadet, ist einfach keine.

So würde ein Schritt nach links, rechts oder bei Zeiten gar nach hinten kein Widerspruch zur Innovation mehr sein, sofern er einen Mehrwert schafft. Ein paar Beispiele: Kann in einer durchtransformierten, digitalen Zukunft, in der es von digitalen Sprachassistenten nur so wimmelt, ein Serviceanbieter mit echten Menschen im Support nicht auch ganz weit vorne dabei sein? Oder könnte ein etwas weniger-slimmes Mobiltelefon X, welches dafür die Akkuladezeit eines Nokia 3310 bietet, nicht als die smartere Wahl durchgehen? Oder könnte ein Auto, dass man nicht Stunden an ein Kabel binden muss, sondern dessen Batterie man ganz einfach wie bei einer Fernbedienung an jeder Tankstelle wechseln kann, nicht die nahliegende Wahl für urbane Explorer sein?

Grundsätzlich könnten vielleicht diejenigen, die in Zukunft Technologie einsetzen, um Nähe in der Realität herzustellen, zu Gewinnern der Digitalisierung gehören. Innovative neue Marken wie zum Beispiel der englische Hersteller von Radsportbekleidung Rapha nutzen bereits bestehende soziale und eigene digitale Kanäle dazu, um Menschen in der echten Welt zusammenzubringen und aktiv ihr Produkt ganz real erleben zu lassen. Nach den Content-is-King-Jahren in denen „media“ und „the message“ kaum mehr voneinander zu unterscheiden waren, tritt in einer Post-Fake-Bullshit-Ära quasi zwangsläufig das echte Produkterleben wieder in den Vordergrund.

In vielen Lebensbereichen wird das vermeintlich Alte wieder neu entdeckt und in neuer innovativer Verpackung präsentiert. Entscheidend wird in Zukunft aber immer weniger der Einsatz von möglichst viel neuer Technologie wie zum Beispiel die aktuell viel diskutierte Virtual-, Augmented- oder Mixed-Reality sein. Vielmehr wird entscheidend sein, Technik innovativ einzusetzen, um ein Produkterlebnis zu kreieren, welches die Nutzer emotional bewegt und gleichzeitig die Frage „Warum diese Marke?“ beantwortet. Solche wirklich „immersiven“ Erfahrungen kosten zwar mehr Zeit und Geld als rein digitale Maßnahmen, liefern dafür aber auch einen nachweisbar nachhaltigeren Mehrwert für die Nutzer und generieren zudem ganz nebenbei einzigartige Marken-Inhalte für alle Marketingkanäle.

Wo auch immer die Reise dieses Jahr für Sie und Ihr Unternehmen hingeht, Innovation wird Sie treiben. Innovation darf aber nicht zum Problem für die Menschen werden, sondern muss die lösen. Daher wird eine zentrale Herausforderung für Markenmacher sein, Innovation zu durchschauen und zu erkennen, wann sie zur einer Sackgasse für die Nutzer wird.

Die heute schon verfügbare Menge an Daten aus Wirtschaft und Forschung erlaubt uns recht klar, ein durch Technologie geprägtes Bild der näheren Zukunft zu skizzieren. Die Frage ist, inwieweit wir dieses Wirklichkeit werden lassen wollen. Erlauben wir uns dieses Jahr doch öfter mal im Fall so einer In-NO-WAY-tion auf die Bremse statt reflexiv auf den Like-Follow-Button zu drücken. Statt viel Zeit mit der Suche nach der passenden Innovation zu verbringen, können wir sie dann nutzen, selbst echte Innovation zu treiben. Und manchmal braucht es ja auch nur einen ganz kleinen Schritt in die richtige Richtung, um unseren Kunden den größten Nutzen zu bringen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst bei capital.de.

Auf dem Innovationstag von Serviceplan diskutierten der renommierte Münchner Philosoph und Kulturstaatsminister a. D. Julian Nida-Rümelin und Martina Koederitz, Vorsitzende der Geschäftsführung IBM Deutschland, gemeinsam mit Klaus Schwab, Geschäftsführer der Plan.Net Gruppe, über neue ethische Standards.