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Die Corona-Krise als Booster für Nachhaltigkeit? Klingt erstmal nicht logisch. Seit etwa eineinhalb Jahren beschäftigt uns die Pandemie und fordert sehr viel von uns ab – vor allem in Bezug auf die Gesundheit. Da rücken Klima- und Umweltschutz vermeintlich in den Hintergrund. Studien legen aber das Gegenteil nahe. Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie wichtig das Thema ist. Dies wird zunehmend auch beim Konsum sichtbar.
Themen rund um Nachhaltigkeit sind nicht neu. Sie haben in den letzten Jahren aber sehr stark Fahrt aufgenommen. Wir haben eine kritische Masse erreicht. Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind aktuell geradezu omnipräsent. Die Fridays for Future-Bewegung – zu Beginn noch von vielen belächelt und die Teilnehmenden des Schulschwänzens bezichtigt – hat etwas verändert. Die junge Generation hat die öffentliche Wahrnehmung für den Klimawandel auf ein neues Level gehoben und Politik und Gesellschaft die Dringlichkeit der Probleme deutlich gemacht.
Parallel dazu ist die mediale Aufmerksamkeit gestiegen. Es gibt mittlerweile eine große Anzahl an Content-Formaten, die sich im Kern damit beschäftigen: vom „Klima Update“ bei RTL bis zur „Green Seven Week“ bei ProSieben. Besonders schnell fündig wird man bei Spotify, wenn man nach Podcasts zum Klimawandel sucht. Auch in der Werbung werden Nachhaltigkeitsaspekte sichtbarer. Immer mehr Kampagnen nehmen Bezug zu regionaler Herkunft, plastikfreier Verpackung oder zur Klimaneutralität der Produkte. Ein Blick auf den Finanzmarkt macht ebenfalls schnell deutlich, wie bedeutend das Thema geworden ist. Die Investitionen in Fonds mit grüner Ausrichtung schießen nach oben. Und wenn Larry Fink als CEO von Blackrock, des größten Vermögensverwalters der Welt, verkündet, dass Klimaschutz höchste Priorität habe und er für Unternehmen ohne Nachhaltigkeitsstrategie keine Zukunft mehr sehe, dann ist das ein sehr deutlicher Appell.
Die Gründe für die wachsende Bedeutung von Umwelt- und Klimaschutz sind offensichtlich und werden in einer Berechnung vom Global Footprint Network anschaulich auf den Punkt gebracht. Einmal im Jahr berechnet die NGO den Tag im Jahr, ab dem wir auf der Welt mehr Ressourcen verbraucht haben, als im Jahresverlauf nachwachsen können. Sprich: Wir leben ab diesem Tag für den Rest des Jahres im Ressourcendefizit. 2021 war das der 29. Juli – also ganze fünf Monate im Defizit!
Mehr als 70% der Deutschen sagen laut einer YouGov-Erhebung, dass der Klimawandel sie in irgendeiner Form beschäftigt. Die Sorgen wachsen und der Wandel wird greifbarer. Das Thema rückt näher an die Menschen heran und wird persönlicher. Nicht zuletzt durch die steigende Anzahl an Naturkatastrophen, die auch auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Die Corona-Krise hat das Bewusstsein verstärkt, weil viele Menschen eine Verbindung zwischen dem Umgang mit der Umwelt und der Pandemie sehen. Auf der anderen Seite steigt das Interesse am Schutz der Umwelt, z. B. an erneuerbaren Energien oder am Kauf eines E-Autos. Konsument:innen machen sich zunehmend Gedanken über die Nachhaltigkeit von Produkten, insbesondere beim Lebensmittelkauf.
Im Durchschnitt entsteht etwa die Hälfte des individuellen CO2-Fußabdrucks durch den Kauf und Verbrauch von Konsumgütern und Lebensmitteln, hat das Umweltbundesamt errechnet. Nachhaltiger Konsum kann demnach einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Dies ist ein Grund, warum das Thema für Marken so hohe Relevanz hat. Doch was ist nachhaltiger Konsum überhaupt? Es bedeutet vor allem: bewusster zu kaufen, genauer hinzuschauen und die eigene CO2-Bilanz im Blick zu haben. Häufig wird Nachhaltigkeit, analog zu den Zielen der Vereinten Nationen, in drei Aspekte aufgeteilt: ökologisch, sozial und ökonomisch. Auf den Konsum übertragen wären das bspw. plastikfreie Verpackungen, Fair-Trade-Produkte oder Second-Hand-Kleidung. Orientierung sollen Siegel und Zertifikate geben – auch wenn Verbraucher:innen deren genaue Bedeutung nicht immer beurteilen können. Oft fehlen Informationen und eine Einordnung.
Bei nachhaltigen Kaufentscheidungen ist häufig eine Diskrepanz zwischen Einstellung und Verhalten sichtbar, das sogenannte „Attitude-Behaviour-Gap“. Menschen sagen, dass ihnen Nachhaltigkeitsaspekte beim Kauf wichtig sind, handeln am Point-of-Sale aber letztlich anders. Teilweise, weil sie nicht bereit sind, einen Aufpreis dafür zu bezahlen. Weil sie nicht wissen, inwieweit die Produkte tatsächlich nachhaltig sind oder schlicht, weil sie die Produkte nicht ansprechen. Nachhaltigkeit ist wohl das Thema der Stunde und gewinnt auch beim Einkauf an Relevanz – Haken dran. Aber es bleibt eben immer noch ein Aspekt unter vielen, die Verbraucher:innen zum Kauf eines Produkts bewegen. Der im Titel genannte „grüne Konsum“ bleibt ein Mythos. Konsument:innen, die ausschließlich grün im Sinne von nachhaltig handeln und kaufen, gibt es in dieser Form nicht.
Gerade deshalb ist es für Marken wichtig, ihre Zielgruppen genau zu analysieren und Abstufungen herauszuarbeiten. Nachhaltiger Käufer ist nicht gleich nachhaltiger Käufer. Die Spannweite geht vom Mainstream, der ab und zu Bio-Produkte im Angebot kauft, bis zu Personen, die sich aktiv engagieren und denen der Umweltschutz am Herzen liegt. Die Motivatoren und Trigger beim Kauf von Produkten mit Nachhaltigkeitsaspekt sind bei diesen zwei Gruppen verschieden. Signifikante Unterschiede gibt es vor allem in Hinblick auf Einstellungen und Lebensstil. Die eigene Verzichtbereitschaft ist an dieser Stelle ein guter Indikator. Sich persönlich für den Schutz der Umwelt einzuschränken, fällt dem Mainstream deutlich schwerer. Was bedeutet dies für Marken? Nachhaltigkeit ist kein „nice to have“ mehr, sondern ein „must have“ geworden. Entscheidend ist, dass Verbraucher:innen die Aktivitäten wahrnehmen und verstehen. Marken sollten es den Menschen so einfach wie möglich machen, nachhaltige Kaufentscheidungen zu treffen. Auch wenn viele Unternehmen noch nicht ganzheitlich grün sind, lohnt es sich, die Kund:innen mit auf die Reise zu nehmen. Dabei sind vor allem Aufklärung und Transparenz gefragt, um nachhaltig erfolgreich zu sein.