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In der Serie „Dreimal aufgeschlaut“ erklären Experten der Plan.Net Gruppe regelmäßig ein aktuelles Thema der digitalen Welt aus unterschiedlichen Perspektiven. Was bedeutet es für die Oma, was für den Agentur-Kollegen? Und was hat der Kunde, also ein Unternehmen, davon?

Während man in ausländischen Geschäften und Restaurants oft Schilder mit der Aufschrift „No cash, only cards“ findet, ist Bargeld in Deutschland weiterhin das beliebteste Zahlungsmittel. EC- oder Kreditkarten werden vielerorts nicht akzeptiert. Auch Mobile Payment hatte es bisher schwer in Deutschland, doch das könnte sich dieses Jahr ändern. Mit der Einführung von Google Pay im Juni und dem geplanten Launch von Apple Pay im September soll endlich der deutsche Markt erschlossen werden. Höchste Zeit also für Händler und Marketer sich mit den Auswirkungen von Mobile Payment auf das Einkaufserlebnis zu beschäftigen.

Die Nutzung von Mobile Payment ist in Deutschland bisher noch verschwindend gering

Oma, wir müssen reden. Warum hältst du so sehr an deinem geliebten Bargeld fest und bist so zurückhaltend mit neuen Zahlungsmethoden? Hast du etwa Sicherheitsbedenken? Die Angst vor Internetbetrügern und die Sorge um Datenschutz ist in Deutschland wohl der ausschlaggebende Grund, weshalb sich Mobile Payment bisher noch nicht durchsetzen konnte. Mobiles Bezahlen wird bisher eher für kleine Geldbeträge mit geringem Risiko genutzt, etwa beim Lebensmitteleinkauf oder im öffentlichen Nahverkehr.

Oder liegt deine Zurückhaltung daran, dass du den Mehrwert von Mobile Payment bislang noch nicht für dich erkennst? Zugegebenermaßen, durch die Möglichkeit des kontaktlosen Bezahlens mit Giro- oder Kreditkarten an der Kasse eines stationären Händlers, genießt man die gleichen Vorzüge wie beim Mobile Payment: Geschwindigkeit und Komfort.

Welche Gründe dich auch davon abhalten Mobile Payment eine Chance zu geben, du bist damit nicht allein. Einer Umfrage von Oliver Wyman (2017) zu Folge, haben lediglich sieben Prozent der deutschen Befragten schon einmal mit ihrem Smartphone am Point-of-Sale bezahlt. Die positive Nachricht: ein Drittel der Nichtnutzer können sich vorstellen in Zukunft Mobile Payment zu nutzen.

In Asien ist Mobile Payment längst in der breiten Masse angelangt

Während wir in Deutschland noch über den kommenden Durchbruch von Mobile Payment diskutieren, gehört das Bezahlen per Smartphone in Asien längst zum Alltag. Letztes Jahr haben 70 Prozent der mobilen Internetnutzer in China mobil bezahlt (CNNIC 2017) und machten damit laut einer Studie der Deutschen Bundesbank mehr als die Hälfte des gesamten Zahlungsvolumens aus. Die führenden Anbieter sind der Instant Messenger WeChat (WeChat Pay) und der Online Retailer Alibaba (Alipay). Die Benutzung der beiden Mobile Payment Apps ist simpel. Für eine Transaktion wird lediglich ein QR Code und die jeweilige App benötigt. Einfach den QR Code scannen und innerhalb der App bezahlen. Alipay und WeChat Pay funktionieren nicht nur in großen Geschäften, sondern ebenso gut zum Bezahlen einer Melone bei einem kleinen Straßenhändler.

Noch spannender ist jedoch die Aussicht zukünftig nicht einmal mehr sein Smartphone zur Authentifizierung von Bezahlvorgängen zu benötigen.
In der chinesischen Metropole Hangzhou können Kunden der Fast-Food-Kette KFC mit einem Lächeln bezahlen. Die verwendete Gesichtserkennungssoftware „Smile to Pay“ braucht ein bis zwei Sekunden um einen 3D Scan des Gesichtes zu erstellen und den Kunden zu identifizieren. Aus Sicherheitsgründen wird die Bestellung zusätzlich durch die Eingabe der Mobilfunknummer verifiziert.

Haben die Entwicklungen im Mobile-Paymentbereich Auswirkungen auf die Agenturarbeit? In absehbarer Zeit wohl eher nicht. Vielleicht ist es aber in Zukunft möglich bei Google Pay die Post-Payment Seite als Werbemittel zu buchen und Ads auszuspielen, die auf das Nutzerprofil – Alter, Geschlecht, Region und Konsumverhalten – zugeschnitten sind.

Wie können Händler Mobile Payment für sich nutzen?

Mobile Payment ist von stationären Händlern bisher eher stiefmütterlich behandelt worden. Waren doch digitale Trends wie Augmented Reality, Virtual Reality und Sprachassistenten viel spannender. Doch Mobile Payment ist ein wichtiger Bestandteil der Digitalisierung des stationären Handels und sollte deshalb nicht außer Acht gelassen werden. Denn viele Kunden nutzen ihr Smartphone bereits während des Offline-Einkaufs. Als Storefinder, zur Produktrecherche oder für die Navigation innerhalb des Stores mit Hilfe von Augmented Reality Apps. Der nächste logische Schritt ist nun die Digitalisierung des Kaufabschlusses.

Wenn stationäre Händler Mobile Payment als Zahlungsmethode unterstützen, dann bieten sie ihren Kunden zwei Vorteile, nämlich Zeitersparnis und Bequemlichkeit. Angesichts des immer schneller und mobiler werdenden Lebensstils der Konsumenten, sind diese Faktoren entscheidend für die Customer Experience und die Zufriedenheit der Kunden.

Vorreiter in Sachen Mobile Payment ist in Deutschland das Fashionkaufhaus Breuninger. Breuninger bietet als erstes deutsches Kaufhaus Alipay und WeChat Pay als Zahlungsmethode an und richtet sich damit an finanzstarke und shopping-freudige, chinesische Touristen.

Ob auch deutsche Shopper künftig mehr mobil bezahlen, wird sich zeigen. Auf jeden Fall sollte der stationäre Handel schon jetzt darüber nachdenken, wie man Mobile Payment sinnvoll in die Customer Experience integrieren kann.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei lead-digital.de.

Als es an der Tür klingelt, sitze ich in meiner Wohnung, die Kaffeemaschine läuft zum dritten Mal durch und meine Frau ist mit unserem Kind auf dem Weg zum Kindergarten. Ich öffne unsere Tür und hinein kommen knapp 30 Studenten verschiedenster Masterstudiengänge der Universität Bremen. Die Schuhe haben sie allesamt vorher brav ausgezogen. „Wir sind Halb-Schweden“, hatte mich meine Frau am Vorabend noch instruiert. „Bei uns zieht man sich die Schuhe aus.“ Schön, dass sich alle daran halten.

Warum ich es mir während meiner Arbeitszeit mit einem Haufen Studenten in meinem Wohnzimmer in Bremen gemütlich mache? Für die von hmmh zusammen mit der Universität Bremen konzipierte Lehrveranstaltung „C3“ (Connected Commerce Camp) bin ich für die nächsten Stunden Referent und Anschauungsobjekt zugleich. Ich bin beratender Experte, aber zu diesem Zeitpunkt völlig ahnungslos, was mich erwartet. Dennoch freue ich mich sehr auf dieses einzigartige Seminar. Dass die Studenten bei mir zu Hause und nicht in unserem Büro am Wesertower sitzen, zeigt bereits: C3 ist keine klassische Lehrveranstaltung. Es ist eine User Journey, ein zweitägiger, praktischer Erfahrungsaustausch zwischen hmmh und insgesamt etwa 60 Teilnehmern zum Thema „Potenziale des Connected Commerce in der Stadt Bremen“. Unser Ziel: Die Studenten sollen den aktuellen Status Quo von Connected Commerce, im Speziellen des Connected Retail und der „Connected City Bremen“ am eigenen Leib spüren und testen. Im Anschluss sollen sie dann mit unserer Unterstützung für aufkommende Probleme eigene Lösungsansätze erarbeiten.

Am ersten Tag wurden die Studenten deshalb, mit Smartphones und -watches ausgerüstet und auf eine Art Rallye in die Innenstadt geschickt, wo die „Connected City Bremen“ auf Herz und Nieren geprüft wurde – das heißt online bestellte Pakete wurden in Filialen zurückgebracht oder erstmal abgeholt, das innerstädtische W-Lan getestet oder auch Coffee-to-go mobil bezahlt. Am zweiten Tag kamen alle wieder zusammen, um ihre Erfahrungen in verschiedenen Sessions zu diskutieren. Daraus entstanden Projektideen, die die Studenten nun in Gruppen weiter ausarbeiten. Für uns haben sich die zwei Tage aber schon jetzt gelohnt – nicht nur wegen des engen Austausches mit den Studenten, sondern auch wegen der Ergebnissen und Erkenntnissen, die der „Praxistest“ ans Licht brachte.

Ernüchterndes Erlebnis

Die Bremer Innenstadt hat mit starker Konkurrenz im Umland zu kämpfen. Der Kunde findet nicht nur riesige Einkaufszentren in jede Himmelsrichtung, sondern mit Hamburg und Oldenburg auch weitere attraktive Shopping-Möglichkeiten in näherer Umgebung. Aus diesem Grund müsste Bremen eigentlich längst gewappnet sein, um in diesem Umfeld bestehen zu können. Das Ergebnis war allerdings ernüchternd: Connected Commerce ist noch (immer) nicht im Alltag angekommen. Das liegt zum einen an den unausgereiften digitalen Lösungen (z. B. kaum nutzbares W-Lan), die den Kunden angeboten werden. Zum anderen aber auch daran, dass die wahren Bedürfnisse der Konsumenten nicht bedacht oder berücksichtigt werden.

So konnten die Studenten zwar ein online bestelltes Paket bei einem großen Schuhhändler in der Filiale zurückgeben, jedoch nicht mit dem gutgeschriebenen Betrag direkt neue Schuhe auswählen. Zitat der Verkäuferin: „Online-Shop und Filiale sind zwei verschiedene Paar Schuhe!“ (Übrigens mein persönliches Lieblingszitat des gesamten Events.) Da war eine amerikanische Café-Kette schon weiter. Die Mitarbeiter waren geschult und vor allem auch geduldig genug, um beim Mobile Payment zu unterstützen. Doch fehlte den Studenten bei dieser Art zu bezahlen der direkte Mehrwert. Mit Bargeld oder Karte hätte man teils schneller bezahlen können und wäre auch nicht abhängig vom Akkustand oder Empfang. Zudem müsse regelmäßig aktiv Guthaben auf die App transferiert werden, was den gesamten Prozess wieder künstlich verkomplizieren würde.

Keine zweite Chance

Die vielen technischen Lösungen sind derzeit oftmals nicht bis zum Schluss durchdacht und frustrieren somit eher, als dass sie wirklich einen Mehrwert liefern. Anstatt die Kunden mit einem kanalübergreifenden Einkaufserlebnis und ganzheitlichem Service an das Unternehmen zu binden, werden sie teilweise so dermaßen enttäuscht, dass sie den Service nicht ein weiteres Mal ausprobieren möchten. Das bedeutet: Fehlerhafte und nicht durchdachte Ansätze erhalten vom Kunden keine zweite Chance. Unternehmen, die vermeintliche Ideen des Connected Commerce nur oberflächlich umsetzen, verlieren am Ende sogar mehr Kunden als sie gewinnen.

Dies heißt natürlich nicht, dass Unternehmen nicht mutig agieren und neue Technologien für ihre Zwecke ausprobieren sollen. Doch hat das Camp gezeigt, dass diese Lösungen individuell für das Unternehmen sowie den Kundenbedürfnissen entsprechend entwickelt werden müssen, damit am Ende ein Produkt entsteht, das überzeugt und nicht enttäuscht. Um das zu erreichen, ist ein prototypisches Vorgehen mit einer ausgewählten begrenzten Nutzergruppe im Vorfeld existentiell.

Die zwei Tage mit den Studenten haben uns verdeutlicht, wie Connected Commerce in Bremen funktioniert – oder eben nicht. Ähnlich wie beim Small-Data-Ansatz von Martin Lindstrom konnten über die Beobachtung einer kleinen Kundengruppe große Erkenntnisse errungen werden. Es hat also nachweislich einen Mehrwert, potentielle Kunden einmal zu sich ins eigene Wohnzimmer einzuladen und zu beobachten. So lange sie aber bitte auch die Schuhe ausziehen.

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