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Laut einer Bitkom-Studie wird es in Deutschland bis 2020 über eine Million Smart Homes geben. Weltweit wird das Internet der Dinge in dieser Zeit 50 Milliarden Geräte miteinander vernetzen. FMCG-Marken sehen dieser Entwicklung nicht nur euphorisch entgegen, denn vernetzte und/oder intelligente Haushaltsgeräte werden das Einkaufsverhalten vieler Konsumenten massiv ändern – weg von der Einkaufsliste, hin zum On-Demand Kauf. Die sich rasend weiterentwickelnde  Sprachsteuerung wird diese Entwicklung beflügeln: „Hey Alexa, ich brauche neues Waschmittel“ – und schon bestellt Amazons Sprachassistentin ein Produkt. Wer seine Markenpositionierung und Produktkommunikation jetzt nicht an die Spielregeln im Smart Home anpasst, bekommt von den Konsumenten in absehbarer Zeit Hausverbot.

Veränderung des Kaufentscheidungsprozesses

Die großen Marken starten mit einem entscheidenden Vorteil ins Smart-Home-Zeitalter. Worauf der Verbraucher beim Einkauf auf Zuruf nämlich keine Lust haben wird, ist stundenlang Produkte und Preise zu vergleichen. Also wählt er „seine“ Marke oder eben diejenige, die ihm beim Gedanken an das Produkt als erstes in den Sinn kommt. Schon jetzt entscheiden sich die meisten Einkäufer laut einer Studie lediglich zwischen zwei Marken pro Produkt – im Smart Home wird das Relevant Set der Konsumenten weiter schrumpfen und der Druck auf die kleinen Hersteller wachsen. Für die Zewas und Labellos ist Smart Home die Chance auf langfristige Kundenbindung, die anderen bekommen möglicherweise bis auf weiteres keine Aufmerksamkeit der Nutzer mehr.

Sie müssen sich daher schleunigst Gedanken machen, ob und wie sie künftig eine „Smart Brand“ werden können, um die Möglichkeiten der internetfähigen Geräte für eine innovative Kundenansprache zu nutzen. Denn ganz egal, wie klein das Relevant Set im Smart Home wird, für Innovationsführer ist immer Platz.

Der „Touchpoint Home“ als neuer Point of Sale

Haushaltsgeräte mit Internetanbindung bedeuten neue Dialogkanäle zwischen deren Besitzern und Herstellern. FMCG-Marken können diese Kanäle nutzen und sich zielgerichtet an Konsumenten wenden. Denkbar sind beispielsweise Kooperationen mit den Geräteherstellern: Neue Kühlschränke etwa weisen ihre Besitzer darauf hin, wenn sich das Haltbarkeitsdatum von Lebensmitteln dem Ende zu neigt: „Dein Frischkäse läuft in zwei Tagen ab. Möchtest Du neuen bestellen?“ – und schon erscheint ein Produktvorschlag auf dem integrierten Touchscreen.

Ebenfalls realistisch wäre es, die Werbung über eine mit dem Gerät verbundene App zu schalten. Technikaffine Besitzer elektrischer Zahnbürsten nutzen eine solche App, um sich während des Putzens Tipps für die optimale Reinigung anzeigen zu lassen – und wären vermutlich auch empfänglich für die ein oder andere Zahnpasta-Empfehlung.

Die Kundenansprache exakt zum Zeitpunkt des Bedarfs macht das Smart Home zu einem vielversprechenden Point of Sale. Dort bekommen Smart Brands die Möglichkeit auf ein exklusives Verkaufsgespräch, während sich die Konkurrenz im Supermarktregal um die Aufmerksamkeit gestresster Einkäufer streitet. Die Voraussetzung: Sie müssen sich überlegen, welchen Mehrwert sie dem Nutzer bieten.

FMCG goes digital

Um im Smart Home die unangefochtene Go-to-Marke zu werden, sollten FMCG-Marken deshalb noch einen Schritt weiter gehen: Mit der Entwicklung eines digitalen Produkts, zum Beispiel in Form einer eigenen App für ein vernetztes Gerät, können sie ein echtes Alleinstellungsmerkmal schaffen. Bleiben wir beim Waschmittel-Beispiel: Wie bekomme ich den Tomatenfleck aus der Jacke? Welcher Waschgang ist am besten für die neue Seidenbluse? Die neue App des Waschmittelherstellers weiß die Antwort. Außerdem könnte sie mit der smarten Waschmaschine interagieren und beispielsweise bei der richtigen Dosierung von Waschmittel helfen. Und auch hier sind Herstellerkooperationen möglich, sodass die App beim Kauf in der Maschine bereits vorinstalliert ist.

Eine Anwendung dieser Art zielt vom Charakter zwar nicht auf den reinen Abverkauf ab. Sie ist aber ein zentrales Tool, um sich positiv von der Konkurrenz abzuheben. Bietet der digitale Content echten Mehrwert und wird er kontinuierlich fortgeführt, bildet sich im besten Fall eine eingeschworene Community, die dauerhaft zur Marke ihres Vertrauens greift.

Digital ist kein Selbstläufer

Die Entwicklung digitaler Produkte ist für die meisten FMCG-Marken allerdings absolutes Neuland und im schlimmsten Fall eine nicht ganz günstige Fehlinvestition, wenn ein durchdachtes Konzept fehlt. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie sich dann vorsichtshalber lieber nicht an die neuen Kommunikationskanäle wagen sollten. Aber sie müssen dafür sorgen, dass Produkt, Smart-Home-Einbindung und digitales Storytelling genau aufeinander abgestimmt sind. Wenn sich Marke und Dienstleister deshalb erst zur Entwicklung einer Werbekampagne treffen, ist es meistens viel zu spät. Stattdessen sollten alle Beteiligen schon im Stadium der Produktentwicklung an einen Tisch geholt werden.

Langfristig gedacht, sind dann sogar ganz neue Geschäftsmodelle für die Konsumgüter-Hersteller denkbar: Vielleicht sehen wir bald die erste Waschmaschine mit integrierter Ariel-Programmsoftware oder Persil-Tipps gegen Rotweinflecken. Je kreativer und mehrwertbringender sich FMCG-Hersteller am Touchpoint Home positionieren, desto größer die Chance, die Marke des Vertrauens zu werden – und Vertrauen brauchen sie im Smart Home, denn die Konsumenten werden sich genau überlegen, wen sie in die eigenen vier Wände lassen.

Dieser Artikel wurde auf horizont.net veröffentlicht.

Amazon stattet uns mit dem Dash Button als einziges Unternehmen mit einem funktionierenden, in den Alltag integrierten Produkt aus, das die Ideen des Pervasive Computing und des Internet of Things widerspiegelt. Und dennoch wird der drahtlose Bestellknopf, der vielen Menschen das Leben erleichtern soll, nicht mit Euphorie begrüßt, sondern mit überraschend viel Skepsis. Woher kommt diese Ablehnung?

Zweifelsohne: Der Dash Button ist ein First-Mover-Produkt. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass er – zumindest bei uns in Deutschland und zum jetzigen Zeitpunkt – von Vielen als „überflüssiger Quatsch“ bewertet wird. Hinzu kommt, dass Datenschützer vor dem Missbrauch der neuen Fähigkeiten und Verbraucherschützer vor Preis-Intransparenz bei der Bestellung warnen. Usability-Experten werfen die Frage auf, wie viele Dash Buttons im Haushalt wohl sinnvoll sind – und zugegeben: Wir selbst fragen uns doch auch, welchen tatsächlichen Nutzen der Bestellknopf für uns hat.

Kein guter Start – obwohl Amazon mit Sicherheit klar ist, dass der Button zum jetzigen Zeitpunkt kein Mainstream ist und nicht jeden Kunden anspricht. Doch auch in der Welt des Connected Commerce gilt weiterhin der Long-Tail-Effekt: Die Zielgruppe des Dash Buttons ist relativ betrachtet zwar (noch) klein, aber in ihrer absoluten Zahl groß genug, um ihn für Amazon zu einem erfolgreichen Modell zu machen. Und auch in der Umfrage des Stern befürworten denn auch zehn Prozent der Befragten den Dash Button deutlich und sagen: „Super, ich hasse Einkaufen im Supermarkt!“

Wäre B2B besser statt B2C gewesen?

Vielleicht wäre der Start des Dash Button aber auch viel besser im B2B-Sektor des E-Commerce gelungen? Stellen Sie sich einen Produktionsbetrieb vor: Im Bereich der Serienfertigung sind synchronisierte Supply-Chains, sowie Just-in-Time- und Just-in-Sequence-Prozesse bereits Realität. Abrufimpulse zwischen Herstellern und Lieferanten synchronisieren hier die Bestell- und Produktströme. Doch es gibt noch Vieles, das dort manuell abläuft – außerhalb der streng durchgetakteten Serienfertigung gibt es genug Produktionsstätten, die keine Großserien fertigen. Dort wird mit Maschinen und Werkzeugen gearbeitet, die in unregelmäßigen Abständen gewartet werden müssen. Auch das Wechseln oder Nachfüllen von Hilfs- und Betriebsstoffe erfolgt je nach Bedarf. In diesem Szenario könnte der Amazon Dash Button die innerbetriebliche Logistik optimieren. Angebracht an den jeweiligen Maschinen könnte er für unterschiedliche Materialien oder sogar Wartungsservices eingesetzt werden. Getätigte Bestellungen gehen an das eigene Lager oder via Anfrage an den Wartungs- und Instandhaltungsdienstleister. Der Buttons könnte innerbetriebliche Prozesse anstoßen und Kosten gleich den richtigen Kostenträgern zuordnen. Ausgestattet mit NFC- und einem Identifizierungscode ließe sich sogar der jeweilige Besteller zuordnen und damit sicherstellen, dass nur autorisierte Personen Materialbestellungen oder Service-Anfragen aufgeben.

Wenn wir uns von der Fertigungsbranche entfernen und an den Büroalltag denken, findet der Button auch hier einen sehr sinnvollen Platz: Ein Mitarbeiter, der die letzten Bleistifte oder Notizbücher aus dem Materiallager nimmt, könnte durch den Druck des Buttons am Regal direkt die Nachbestellung für diese Produkte auslösen. Getätigte Bestellungen könnten, wenn gewünscht, in einer wöchentlichen oder monatlichen Lieferung zusammengefasst werden und die Zustellung erfolgt zum gegebenen Zeitpunkt automatisch. Und es gibt sicher noch viele solcher Szenarien, in denen der Dash Button eine wirkliche Erleichterung darstellen könnte – auch ohne Sicherheitsbedenken.

Der Dash Button ist ein spannender erster Evolutionsschritt – aber ich bin davon überzeugt, dass er in seiner jetzigen Form die kommenden zwei Jahre nicht überstehen wird. Das war aber vielleicht auch gar nicht seine Aufgabe. Er ist eine neue Generation von Devices, die sich in den nächsten Jahren stark weiterentwickeln und neue Anwendungsfelder finden werden. Der Dash Button ist ein weiterer Schritt der Integration des Connected Commerce in den Alltag, um diesen zu verbessern und zu vereinfachen.

Vielleicht findet er ja eine wundervolle Heimat im B2B-Commerce?

Auch erschienen auf internetworld.de