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Jedes Unternehmen, jede Branche kann durch die neuen Technologien komplett umgekrempelt werden. Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence) ermöglicht es, Ideen umzusetzen, deren Realisierung ohne sie aus Zeit- oder Ressourcengründen niemals in Erwägung gezogen worden wäre. Die Blockchain definiert das Thema Transparenz komplett neu. Sie macht ganze Herstellungsprozesse – wie den Weg von der Rebe bis zur Flasche in der Weinhandlung – komplett nachvollziehbar. Kryptowährungen schaffen eigene Werte- und Monetarisierungssysteme und können beispielsweise ganz neue Kundenbindungsprogramme ermöglichen. Das ABC der neuen Technologien wird die kommenden Jahre prägen. Beim vergangenen Best Brands College 2019 konnte ich noch tiefer in diese Themen einsteigen und viele spannende Erkenntnisse mitnehmen. „Wir müssen alle wieder zu Kindern werden und das ABC neu lernen“ – dieses Zitat von Dr. Fabio Zoffi von der ORS Group, den ich nach seinem Vortrag interviewt habe, ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Was es mit dem ABC der Zukunft auf sich hat, erklärt er im Video:

Die Welt mit Kinderaugen sehen

Bleiben wir beim Thema Kinder, zu dem der Neurowissenschaftler Dr. Henning Beck ein anschauliches Beispiel präsentierte: Zeigt man einem Kind ein Modellflugzeug und bringt ihm den Begriff „Flugzeug“ bei, dann kann es höchstwahrscheinlich nach diesem einen Kontakt überall Flugzeuge erkennen – auch solche in Originalgröße. Eine Künstliche Intelligenz, die mit Hilfe von Machine Learning trainiert wird, muss erst mit Tausenden von Bildern gefüttert werden, um anschließend Flugzeuge halbwegs zuverlässig zu identifizieren. Den Zusammenhang zwischen einem kleinen Modellflugzeug und einem riesigen Original wird sie nicht zwingend und sofort erkennen.

Wer nicht fragt, bleibt dumm

Das Motto aus dem Titellied der Sesamstraße trifft auf so viele Lebensbereiche zu und ist in Zeiten der Digitalisierung aktueller denn je. Wir müssen alle wieder zu Kindern werden und ganz neu anfangen zu lernen, um die „neue Welt“ zu begreifen. Dafür sollten wir so viele Fragen stellen wie möglich, neugierig bleiben und offen sein. Zudem – so Dr. Beck – sollten wir keine Angst vor Fehlern haben und wie das Kind, das gerade Laufen lernt, immer wieder aufstehen und es weiter probieren. Es ist an uns, die richtigen Fragen zu stellen: Wo kann uns Technologie wirklich helfen, etwas zu verbessern? Welche Fragen wollen wir mit Hilfe von KI beantworten? Welche Daten besitzen wir und welchen Wert stellen sie für uns dar? Welche Daten brauchen wir noch? Hier hat jedes Unternehmen und jede Branche ganz eigene Fragen. Jetzt ist es an der Zeit, sie zu formulieren.

Idee + Daten = Zukunft

Künstliche Intelligenz stellt keine Konkurrenz für die menschliche Intelligenz dar – auch wenn es der Begriff suggeriert. Denn „Maschinen sind dumm“ und menschliche Sprache ist für sie viel zu komplex, wenn man dem Vortrag der Aufsichtsrätin Dr. Anastassia Lauterbach, den sie beim Brands College 2019 hielt, glauben darf. Dafür können sie ganz andere Dinge viel besser, als das menschliche Gehirn: beispielsweise große Mengen an Daten in wenigen Minuten nach Mustern und Gemeinsamkeiten durchsuchen. Welche Daten sie durchsuchen, nach welchen Mustern und warum, diese Entscheidung liegt immer noch bei uns Menschen. Allerdings müssen wir erst einmal das neue ABC der Technologien buchstabieren können, damit wir auch die richtigen Fragen an die KI stellen.

Wollen Sie auch den Transformationsprozess in Ihrem Unternehmen beschleunigen, indem Sie den Change fast forward mittels Disruption und Out of the Box Thinking als Ultimate Goal für 2017 ausrufen? Oder vielleicht durch Programmatic Advertising unterstützt mit First, Second und Third Party Data mit Marketing Automation und Immersive Marketing den End-to-End Process zur Customer Centricity beschreiten? Und sind Sie nicht auch davon überzeugt, dass Virtual Reality und Live Content the next big things sind?

Ja, natürlich, ich übertreibe. Ganz so schlimm ist es glücklicherweise nicht. Doch wer mit digitalen Themen zu tun hat, kommt an englischen Fachbegriffen schwer vorbei. Und das ist auch gar nicht verwerflich. Zum Problem wird es nur dann, wenn wir kein gemeinsames Verständnis dieser Begriffe gewährleisten können – wenn alle zwar irgendetwas darunter verstehen, aber jeder etwas anderes. Und ab und zu wird man das Gefühl nicht los, dass manche sich auch gerne hinter Technologie, Kürzeln und abstrakten Fachbegriffen verstecken, um die eigene Unwissenheit im Detail zu überspielen.

Was soll sich durch die Digitalisierung verändern?

Nehmen Sie einen Begriff wie „Digitale Transformation“. Finden Sie als Unternehmer nicht auch, dass digitale Transformation wichtig ist? Natürlich, klar. Und jetzt fragen Sie am besten mal Ihre Mitarbeiter und Kollegen, was die darunter verstehen: Die Antworten werden Sie überraschen. Vom Kantinenplan als App bis hin zu crowdbasierter Produktentwicklung könnte da so ziemlich alles dabei sein. Wenn es hier kein gemeinsames Verständnis gibt, wird es schwer bis unmöglich, dass alle an einem Strang ziehen. Wie denn auch, wenn niemand weiß, was sich genau verändern soll durch diese digitale Transformation? Darüber hinaus hat eine aktuelle Studie ermittelt, dass nur knapp ein Drittel der hiesigen Firmen sich gut oder sehr gut auf die digitale Revolution vorbereitet fühlt. Wer hier Buzzword-Bingo spielt, riskiert, dass dieser Prozess im Unternehmen tendenziell eher scheitert. Nicht weil Mitarbeiter und Dienstleister grundsätzlich unwillig wären, aber das Ankündigen von Veränderungen geht in etablierten Firmenstrukturen in der Regel mit Unsicherheit, Angst und dem Gefühl einer fehlenden Kompetenz einher. Eine abstrakte, schwer verständliche Sprache, die hohe Komplexität vermittelt, kann bei den Mitarbeitern da zusätzliche Reaktanz hervorrufen. Dabei sind diese die wichtigsten Unterstützer – im Buzzword-Deutsch „Die Enabler“. Die oberste Maxime für Entscheider muss deshalb lauten: Machen Sie die Dinge verständlich und schaffen Sie ein allgemeines Verständnis dafür, was Sie unter bestimmten Begriffen verstehen.

Buzzwords müssen für alle Beteiligten greifbar werden

Ein weiteres Beispiel? Sie treffen im Unternehmen die grundsätzliche Entscheidung, dass „Customer Centricity“ ein Teil Ihrer Zukunftsstrategie ist. Sie wollen also künftig „den Kunden in den Mittelpunkt stellen“. Das ist möglicherweise gerade deshalb so wichtig, weil Ihr Unternehmen über eine Vielzahl an Kundendaten verfügt, die es an unterschiedlichsten Berührungspunkten mit dem Unternehmen und seinen Produkten („Touch Points“) sammelt. Sie verfügen bereits über verschiedene Datenbanken, in denen das Wissen über die Kunden liegt, die aber – historisch gewachsen – selten untereinander kompatibel sind und nicht so einfach zusammengeführt („gematcht“) werden können. Wenn nun alle involvierten Abteilungen, wie etwa die IT-, Marketing- und Sales-Abteilung, getrennt voneinander Customer Centricity definieren, werden Sie ganz unterschiedliche Ansätze mit verschiedensten Anforderungen erhalten. Sie könnten dann natürlich, weil Ihnen ein Strategieberater Einsparungen im zweistelligen Bereich versprochen hat, eine Softwarelösung als All-in-One-Lösung einkaufen. Sinnvoller wäre es aber, alle beteiligten Abteilungen im wechselseitigen Austausch – vielleicht sogar moderiert von einem externen, software-unabhängigen Berater – mal definieren zu lassen, wie das Ziel der absoluten Kundenorientierung denn in einzelnen Schritten konkret erreicht werden soll. Mit welchen Inhalten, an welchen Kontaktpunkten, in welcher Frequenz und vieles mehr. Und erst dann treffen Sie nachgelagerte Entscheidungen zu Strukturen, Verantwortlichkeiten, Budgets und vielleicht auch Software.

Am besten gelingt ein gemeinsames Verständnis unserer Erfahrung nach, wenn Dinge für alle Beteiligten greifbar werden – und das ist durchaus auch im wörtlichen Sinne zu verstehen. Nehmen Sie sich zum Beispiel Zeit für einen Workshop, in dem Sie neue Technologien testen und selbst ausprobieren können. Sprechen Sie mit Start-ups der eigenen Branche, lernen Sie diese von innen kennen oder greifen Sie auch gerne das Wissen branchenfremder Experten ab, wie diese in ihrem Unternehmen bestimmte Aspekte der digitalen Transformation gemeistert haben. Und keine Angst: Dafür muss man nicht gleich eine Reise ins Silicon Valley buchen. In einer deutschen Metropole Ihrer Wahl können Sie diese Erkenntnisse ebenso sammeln. Nach einem solchen Workshop wird vermutlich nicht die Transformationsstrategie Ihres Unternehmens stehen. Aber im besten Fall haben Sie gemeinsam die wichtigsten Handlungsfelder für eine solche Strategie identifiziert und sich ein gemeinsames Vokabular angeeignet.

Ebenso wichtig ist das gemeinsame Begriffsverständnis darüber hinaus in der Zusammenarbeit mit Ihren Dienstleistern. Trauen Sie sich nachzufragen, was mit einem bestimmten Begriff gemeint ist und was dahintersteckt, frei nach dem Motto „Es gibt keine dummen Fragen“. Wenn Sie dazu auch Ihre Dienstleister ermutigen, vereinfachen und beschleunigen Sie den gegenseitigen Wissensaustausch immens, ermöglichen sich selbst und Ihrem Gegenüber eine optimale Lernkurve und schaffen damit eine gute Basis für eine effiziente Kommunikation und kollaborative Zusammenarbeit.

Wenn man das einmal erreicht hat, wird ein Unternehmen um ein Vielfaches schneller in der konkreten Umsetzung. Und auch Buzzwords sind in diesem Prozess dann kein Problem mehr. Schließlich verstehen nun alle das Gleiche darunter.

Dieser Artikel wurde auf capital.de veröffentlicht.