Hyperloop: Das disruptive Innovationsprojekt
Neue Unternehmen müssen sich am Markt behaupten, wenn sie mehr sein wollen als Randerscheinungen, und werden zu disruptiven Innovatoren. Firmen wie Netflix und Uber haben vorgemacht, wie das geht. Wie spektakuläre und erfolgreiche Innovationsprojekte entstehen. Ein Kommentar von Hyperloop-Chef Dirk Ahlborn.
Innovation und Disruption – das sind zwei der meistgenannten Begriffe, die heute in der Geschäftswelt benutzt werden. Jedes Unternehmen stellt an sich den Anspruch, innovativ, ja sogar disruptiv zu sein. Unsere Welt verändert sich rasant, direkt vor unseren Augen. Viele Unternehmen sind in Sorge, wollen deshalb sichergehen, dass sie nicht nur stille Zuschauer sind, wenn die Googles, Facebooks, Ubers und Airbnbs dieser Welt das Geschäft übernehmen. Dabei ist ein disruptiver Wandel in der Geschäftswelt nichts Neues. Von den Unternehmen, die das amerikanische Wirtschaftsmagazin Fortune 1995 als die Fortune Global 500 bezeichnete, waren im Jahr 2016 noch 12 % gelistet. Und selbstverständlich möchte niemand zu den anderen 88 % gehören. Was also kann man tun?
Viele machen sich auf in die Vereinigten Staaten, ins Silicon Valley. Dort gründen viele Unternehmen dann sogenannte Innovation Hubs und versuchen, ihre Denkweise grundlegend zu verändern. Aber wie so oft kehren sie nach kurzer Zeit zu einer linearen Denkweise zurück. Man möchte zwar innovativ sein, aber zu welchem Preis? Denn Innovationen gehen immer auch mit Disruptionen einher. Wenn das eigene Geschäft durch disruptive Maßnahmen und Ansätze grundlegend umgekrempelt wird oder sogar droht, nicht länger am Markt Bestand zu haben – sind wir dann immer noch bereit, disruptiv zu sein? Und was ist, wenn man versagt?
Eines ist sicher: Disruption erfordert große Leidenschaft. Aber wie kann man als Unternehmen erkennen, ob man letztlich nur ein Produkt oder die Unternehmensstrategie nachbessert oder ob man wirklich disruptiv ist? Disruption ist ein revolutionärer Effekt, der durch neue und innovative Technologie hervorgerufen wurde. Aber Technologie sollte nie eine Denkbarriere sein. Selbst wenn die Technologie noch nicht auf dem Stand ist, dass eine Idee funktioniert, muss man diesen Umstand einfach als gegeben hinnehmen und dennoch weitermachen. Die Technologie kommt dorthin und oft schneller, als man denkt.
Ein Beispiel: Das erste iPhone kam zu einer Zeit auf den Markt, in der die ständige und schnelle Datenübertragung für dieses Alltagsprodukt noch eine Art Zukunftsmusik war. Letztendlich war es aber genau das iPhone, welches die Nachfrage nach besseren mobilen Netzwerken in Gang gesetzt hat. Was genau ist also disruptiv? Letztlich ist es die Technologie, die uns die Innovationen ermöglicht. Wir können heute alles hinterfragen. Zum Beispiel: Wie wird das Auto der Zukunft aussehen? Da ich keinen Motor mehr in der Front habe, benötige ich dann auch keine Motorhaube mehr. Wie also verändert sich die Form des Fahrzeugs, wenn es eigentlich nur noch um den Fahrgast geht? Wenn ich jederzeit ein Auto zur Verfügung haben kann, besitze ich dann überhaupt noch eines?
Und wieso sollte ich eine bestimmte Marke den anderen vorziehen? Wenn ich heute ein Taxi bestelle, geht es mir ja auch eher darum, wie schnell es verfügbar ist – und welches Geschäftsmodell dahintersteckt.
Weiter nach vorne schauen als nur bis morgen. Sicherlich gibt es hier noch viel mehr zu hinterfragen. Doch es ist klar zu erkennen, dass es nicht darum geht, so viele Elektrofahrzeuge auf den Markt zu bringen wie möglich – oder bestehende Modelle umrüstbar zu machen. Oder aber eine längere Batteriereichweite als andere Marken zu haben.
All das sind Features, die derzeit noch interessant sind, aber auf lange Sicht kaum einen Unterschied mehr am Markt machen werden. Disruptiv zu sein bedeutet also, weiter nach vorne zu schauen als nur bis morgen. Kurzzeiterlebnisse zählen nicht. Es braucht Mut, sich auf innovative Gedanken einzulassen und diese dann auch im eigenen Unternehmen umzusetzen. Oft sehen wir, dass disruptive Ideen aus kleineren, unbekannten Unternehmen kommen. Ich vertrete die Auffassung, dass der Gründer eines Startups hier den Unterschied macht.
Große Konzerne oder Industrieunternehmen haben fast immer einen Vorstand und einen ernannten Geschäftsführer, und dieser wird, wie fast überall, am Geschäftsergebnis von heute und morgen gemessen und auch bezahlt. Am Übermorgen ist er dann meist nicht interessiert, besonders dann nicht, wenn es bedeutet, im Hier und Heute geringere Verdienste zu haben.
Der Gründer oder die Gründerin eines Start-ups oder eines kleineren mittelständischen Unternehmens hingegen verfolgt eine Vision, ein Ziel, das gegebenenfalls auch über Umwege absolut erreicht werden muss.
Was bedeutet das alles für die Unternehmen von heute? Um Disruption und auch Innovation voranzubringen, müssen wir Risikoträger feiern, die CEOs unserer Unternehmen an der Zukunft, beispielsweise in zehn Jahren, messen und Gründern eine Chance geben, ihre Visionen zu verwirklichen und sich am Markt zu etablieren. Aber bei Disruption geht es nicht nur um ein Produkt oder eine Dienstleistung. Wenn wir schon alles hinterfragen. Wie wir arbeiten, wie wir Innovationen angehen, wie wir kommunizieren und wie wir Unternehmen führen und mit Mitarbeitern umgehen. Das klingt jetzt vielleicht hart, aber: Nur, wenn wir kontinuierlich bereit dazu sind, unser eigenes Unternehmen „zu zerstören“, nur dann sind wir in der Lage, disruptiv zu sein. Wenn wir es nicht selbst tun, dann tut es ein anderer für uns.
Der Artikel ist erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung-Beilage „Auf die Zukunft – Das Magazin zum Innovationstag 2017“ vom 05.10.2017. © Alle Rechte vorbehalten – Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH.
Foto: Hyperloop Transportation Technologies
Dirk Ahlborn
CEO, Hyperloop Transportation Technologies, Inc. (HTT)
Der in Berlin geborene und aufgewachsene Deutschamerikaner ist Gründer und CEO der Internetplattform JumpStarter sowie Gründer und CEO von Hyperloop Transportation Technologies (HTT). Das 2013 gegründete Unternehmen entwickelt, produziert und baut mit dem Superzug Hyperloop das laut Dirk Ahlborn schnellste, sicherste und zugleich hochprofitable und umweltfreundliche Transportsystem für Personen und Güter. HTT nutzte JumpStarters Crowdfunding- und Crowd-Collaboration-Plattform JumpStartFund für die Rekrutierung der entsprechenden Technologie und eines Teams aus mehr als 800 globalen Experten, um disruptive Innovation in die traditionelle Transportindustrie zu bringen. Hyperloop gewann erstes öffentliches Interesse, als Unternehmer Elon Musk ein Whitepaper veröffentlichte, nach welchem eine futuristische Transportart Menschen in etwa 30 Minuten von Los Angeles nach San Francisco transportieren könnte. Musk präsentierte das Konzept der Öffentlichkeit, um Unternehmer zu finden, die diese Entwicklung übernehmen möchten. Der Wahlkalifornier Ahlborn nahm die Herausforderung an. Mehr Informationen finden Sie auf http://hyperlooptransp.com und bei Twitter unter @justdirk.
Dirk Ahlborn überzeugte beim Innovationstag 2017 die Zuhörer von seinem spektakulären disruptiven Innovationsprojekt. Nach seiner Keynote saßen im Publikum jedenfalls mehr Hyperloop-Fans als -Skeptiker.