Als Designer sind wir immer auf der Suche nach etwas Neuem, Einzigartigem, etwas, das sich von der Masse abhebt und auffällt. Auf der Jagd nach dem „Gesicht“ oder dem Look, der das Potenzial hat, auch für Marken unbekanntes Terrain zu erobern. Nicht selten greifen wir dabei, wenn auch ganz unbewusst, auf bereits Bekanntes zurück. Folgende drei Trends der Vergangenheit werden dadurch 2019 eine Renaissance feiern:

1. Von Uromis Kuchenplatte auf die internationalen Designfestivals

Das Erscheinungsbild der zehnten Adobe 99U-Konferenz in New York wirkte auf den ersten Blick sehr unscheinbar, bestach aber dennoch durch einen interessanten Hauch von Retro: zweifarbige, flächige Farbverläufe, umgesetzt auf einfachsten geometrischen Grundformen und eine Note gebrochenem Weiß als Hintergrund.

Das im kommenden Frühling stattfindende Festival THE YOUNG ONES bedient sich einer ganz ähnlichen, reduzierten Ästhetik. Wenngleich der Gesamtauftritt figurativer ist, dominieren ebenfalls ineinander übergehende, grafische Farbverläufe den Look. Auch hier bleibt beim Anblick ein Gefühl der Vertrautheit.

Stöbert man in der Design-Geschichte, finden sich Ursprünge dieser „neuen visuellen Idee“ irgendwo zwischen Art Deco und Funktionalismus – also vor ungefähr hundert Jahren. Zu dieser Zeit gab es auf vielen bürgerlichen Tischen erstaunlich futuristisch anmutendes Geschirr zu entdecken. Vorwiegend abstrakte und geometrische, mit Schablonen aufgebrachte Spritzdekore zierten die Keramiken zahlreicher Hersteller. Leuchtende Primärfarben und Farbverläufe in Serie prägten das Aussehen der angehenden Massenproduktion. Was damals als Spiegelbild für den Aufbruch in eine kompromisslose Moderne funktionierte, hat auch heute wieder einen hohen visuellen Reiz, weil es ein wenig unfertig, grob und deshalb handwerklich, authentisch daherkommt.

2. Zufalls-Dadaismus durch Responsive Webdesign

Dass Responsive Webdesign (RWD) aus ästhetischer Perspektive als kostengünstiger, etwas fauler Kompromiss zwischen Desktop und Mobile-Variante daherkommt, ist längst kein Geheimnis mehr. Und dennoch zeigen sich bei der technischen Anwendung dieser „Zwangsehe“ auch einige reizvolle visuelle Facetten, wie beispielweise auf der Website von fannymyard design. Dieser inzwischen von einigen Designern künstlich inszenierte neue Stil resultiert ursprünglich eher aus Fehlerquellen bzw. aus dem engen Korsett der eingeschränkten technischen Möglichkeiten bei der Anwendung des RWD. Durch das erzwungene Umbrechen von Text- und Bildelementen in festgelegten Schritten bei der Programmierung entstehen collagenhafte Zufallskonstellationen, in denen Headlines wie bei Julie Cristobals Website auch mal direkt an der Bildkante kleben oder aber, wie bei einer aktuelle Illustration von W. Stempler, nur halb über ein gezeigtes Bildmotiv wandern.

Was in gestalterischer Hinsicht vor kurzem noch ein absolutes No-Go war, gilt jetzt als neues Gestaltungsparadigma für diverse Kampagnen und Corporate Designs. Auch hier gibt es Parallelen zu einer wilden Epoche des vergangenen Jahrhunderts: dem Dadaismus. Die zwei wichtigsten Merkmale der revolutionären Kunstbewegung bestanden ¬¬aus den Komponenten Unsinn und Zufall. Beispiele für deren Umsetzung sind vom Dadaismus geprägte Bilder (zu sehen hier, hier und hier).

3. Brutal Design – die Macht des Hässlichen

Während sich das Web Design erst noch an diese neue Eigenwilligkeit gewöhnen muss, erfreut sich das Poster Design bereits seit den 50er Jahren am „schlechten Geschmack“.

Die Botschaft ist damals wie heute jedoch dieselbe: gegen Konventionen ankämpfen, um sich gegen das Beliebige, Gefällige, Austauschbare zu behaupten. Der Brutalismus im digitalen Zeitalter unterscheidet sich sehr stark von dem, was wir gewohnt sind zu sehen. Belohnt wird der neue Design-Extremismus in der wichtigsten Währung unserer kurzweiligen Zeit: mit einer extrem starken Aufmerksamkeit des Betrachters. Die Stilistik ist geprägt von absolutem Minimalismus, Schnörkellosigkeit, klassischen Hex Colour Codes in grellen Farben, unzeitgemäßer Font-Nutzung und der Nähe zur klassischen Code-Optik, so zu sehen bei modeselektor, Vicky Boyd, rutgerklamer und Officeus.

Typografische Harmonie, großflächige Bildwelten, Micro-Interactions, ausgeklügelte Navigationsansätze oder klare Hierarchien, alle Regeln, die uns im Sinne einer guten Usability mal beigebracht wurden, sind hier „für die Tonne“. Man kann vom Brutalismus halten, was man will, in einem Punkt verstummen selbst seine Kritiker: Im Vergleich zu den uns vertrauten Webseiten-Designs sind die Ladezeiten dieses Design-Trends außerordentlich kurz. Und das bedeutet Conversion!

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Page-Online.

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