Auf dem schnelllebigen globalen Markt gibt es heutzutage nichts mehr, was es nicht gibt. Großartig für den Konsumenten – das riesige Angebot macht allerdings Produkte und Dienstleistungen zunehmend austauschbar. Neue Services, Innovationen und Produktvarianten werden rasend schnell vom Wettbewerb eingeholt und jeder Preis bald unterboten. Unternehmen müssen sich also langfristig Gedanken machen, wie sie ihre Profitabilität – und somit ihr Fortbestehen – sichern wollen.

Die Marke hat hier eine ganz zentrale Rolle. Sie ist der wesentliche Wertschöpfungsfaktor der Zukunft. Doch nur wenn sie tatsächlich in der Unternehmensstrategie verankert ist, kann sie eine von Kunden und Mitarbeitern geliebte Marke werden. Dabei muss der Kern der Marke der Leuchtturm der Orientierung nach innen und außen bleiben – allen technologischen und gesellschaftlichen Veränderungen zum Trotz. Das gelingt wenn man es schafft, das Versprechen der Marke von funktionalen Attributen zu entkoppeln.

Nehmen wir BMW als Beispiel. Wäre der Markenkern nicht Freude, sondern zum Beispiel Leistung, hätte die Marke in Zeiten der Energiewende ein Imageproblem. Mit der Freude hingegen konnte die Transformation von der Freude an 6 Zylindern und Heckantrieb hin zur Freude an verantwortungsbewusstem Handeln und Freude an Konnektivität glaubwürdig und erfolgreich vollzogen werden.

Scheint einleuchtend; aber wie funktioniert markenzentrierte Unternehmensführung jetzt wirklich? Zunächst einmal sollte das Management folgende fünf Erkenntnisse berücksichtigen und konsequent anwenden:

Erkenntnis 1: Marken müssen von innen nach außen gelebt werden

Markenzentrierte Unternehmensführung beginnt im Unternehmen. Klingt logisch? Wird aber erstaunlich selten beherzigt. Häufig werden einfach neue Markenkampagnen mit großartigen Botschaften und emotionalen Bildern produziert, die den Kunden in die Welt der Marke holen sollen.

Studien bestätigen jedoch, dass das Markenbild von Kunden maßgeblich vom persönlichen Kontakt mit Mitarbeitern beeinflusst wird. Erst im direkten Kundenkontakt mit Beratungs- und Servicemitarbeitern bilden Kunden durch eigene Erfahrungen also ihr persönliches Markenerlebnis. Entlarven Kunden hier das Kampagnenversprechen als leere Werbephrase, ziehen sie sich im besten Fall still zurück. Im schlechtesten teilen sie ihre Frustration in sozialen Netzen.

Erkenntnis 2: Es geht nicht um Projekte, sondern um Haltung

Brand-Mantras, Brandrooms oder Brandbooks haben ihre Berechtigung – als kleiner Bestandteil erfolgreicher interner Markenbindung. Das Brandmanagement kann mit solchen Maßnahmen kontinuierlich Aufmerksamkeit erzeugen, sie sind aber nicht mehr als der ‚Soundtrack zum Film‘. Die eigentliche Kommunikation über Marke und Haltung zur Marke muss zwischenmenschlich passieren. Und zwar in allen Bereichen des Unternehmens. Von der Produktentwicklung bis zum Recruiting. Vom Service bis zur Personalabteilung. Nur wenn allen Mitarbeitern im Unternehmen klar ist, wofür die Marke steht, haben sie eine Chance, ein gemeinsames Ziel anzusteuern.

Dieser Prozess ist kein Selbstläufer. Mitarbeiter, die zur aktiven Mitgestaltung des Markenversprechens aufgefordert werden, durchlaufen drei Reaktionsphasen, in denen sie sich fragen: „Was hat das mit mir zu tun?“, „Darf ich denn was verändern?“ und „Was habe ich davon?“ Nur wenn hier zufriedenstellende Antworten gegeben werden, kann eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Marke in Gang kommen.

Erkenntnis 3: Markenführung ist Chefsache

Die aktuelle Gallup-Studie offenbart, wie groß die Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit in Unternehmen heute ist. 85 Prozent der deutschen Mitarbeiter empfinden demzufolge eine geringe oder keine emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber. Das wundert nicht, denn der heutige Durchschnitts-CEO denkt in KPI‘s und Quartalen und nicht in Visionen. Die Marke aber kann als Fixstern des Unternehmens nach innen nur dann glaubhaft Kultur und Werte vermitteln, wenn die Top-Manager auch die Top-Markenbotschafter sind. Und nur wenn das Management nicht bloß wohlwollende Worte, sondern auch Ressourcen für die markenzentrierte Führung bereitstellt, kann ein nachhaltig erfolgreicher Change gelingen.

In der Kommunikation an die zweite und dritte Führungsebene muss der richtige Rahmen für die Vermittlung der Markenwerte gefunden werden. Denn hier ist der größte Hebel, um alle Mitarbeiter zu erreichen. Wie man das Feuer in Menschen entfachen kann, hat der Schriftsteller und Flugpionier Antoine de Saint-Exupery bereits vor knapp 100 Jahren treffend formuliert: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem

Erkenntnis 4: Die richtigen Dinge tun, die Dinge richtig tun

„Wir wollen das Apple unserer Branche werden“: Diesen Satz konnte man in den letzten Jahren des Öfteren von Unternehmenschefs hören. Die Apple-Gründer selbst wollten dabei sicher nie werden wie X oder Y. Sie haben einfach immer an sich und an ihre Ideen geglaubt und die Marke am Versprechen „Think different.“ ausgerichtet.

Naja, der Wunsch nach Andersartigkeit – ist das nicht genauso austauschbar wie Kompetenz, Verantwortung und Innovation? Ja und nein. Denn Apple verfolgt dieses Ziel deutlich kompromissloser als andere. Und in der Umsetzung mündet das in einer multisensorischen Markenführung, die vom Produktdesign über die „Haptik“ der Interfaces bis zum Storedesign alles zu einer virtuosen Gesamtmarke orchestriert.

Das schafft man nur, wenn alle Mitarbeiter in allen Unternehmensbereichen in allen Teilen der Welt wissen, warum sie das tun, was sie tun. So heißt es dann auch in den Regeln für Apple Store Mitarbeiter: „Your job is to understand all of your customers’ needs – some of which they may not even realize they have.“

Es ist dann auch nur konsequent, dass diese Verkäufer auch keine Verkaufsquote wie bei anderen Unternehmen haben, sondern den Kunden „nur“ ein gutes Gefühl verschaffen sollen. Auch das ist anders. Und das Konzept geht auf. Der ehemalige Apple Retail-Chef Ron Johnson plauderte mal in einem Interview: „… mit 40 Millionen durchschnittlichem Jahresumsatz pro Store haben die Läden die beste Leistung in der Geschichte des Einzelhandels.“ Wow!

Wir lernen: Visionen zu 100 Prozent verfolgen kann auch ein erstrebenswerter KPI sein.

Erkenntnis 5: Relevant sein

Vor dem „Wie machen wir das jetzt?“ stellt sich die Frage nach dem ‚Was‘ und der differenzierenden Relevanz. Sagen wir etwas anderes als die anderen und ist es für unsere Kunden von Belang? Erst wenn beides vollumfänglich mit „Ja“ beantwortet werden kann, erhält man überhaupt erst die Chance, gehört zu werden. Außen wie innen.

Denn auch Mitarbeiter merken schnell, ob sich jemand wirklich Gedanken gemacht, oder nur schnell etwas zu Papier gebracht hat. „Der Mensch im Mittelpunkt“ bei Pharmakonzernen, der allseits beliebte „Fortschritt“ bei Technologieunternehmen oder ein fröhliches „Verbindung leben“ für die Flughafen-Marke tun keinem weh, nutzen aber auch nichts. Denn es sind nur Worte und keine Positionen, an denen Unternehmen konsequent ausgerichtet werden können.

Und nun? Bitte alle mal querdenken!

Es geht nicht um Raketentechnologie, sondern oft nur um den Mut zum Perspektivwechsel.

So wie bei Starbucks Anfang der 80er. Während die Welt der Systemgastronomie den Fast-Food-Weg verfolgte, ging man dort eine andere Richtung. Howard Schulz (damaliger CEO von Starbucks) brachte die Idee des „Third Place“ von einer Italienreise mit. Er übertrug die traditionelle italienische Kaffeebar auf sein Heimatland und schuf einen Ort für Gespräche, einen dritten Ort zwischen Arbeitsplatz und Zuhause.

Seine Idee war gut: Mit mehr als 15.000 Coffee Houses in 50 Ländern ist Starbucks heute der größte Röster und Anbieter von Kaffeespezialitäten der Welt. Das gelingt nur, wenn die Mitarbeiter vor Ort das „Dritte-Platz-Versprechen“ auch einlösen. Und so lernt jeder neue Mitarbeiter in den ersten Tagen bei Starbucks, was es bedeutet, dort zu arbeiten: „We’re not in the coffee business serving people, we‘re in the people business serving coffee.“

Diese kurze Aussage lässt sich auf nahezu jede andere Branche übertragen und macht klar, welchen Perspektivwechsel Unternehmen noch häufig vollziehen müssen. Denn wer wirklich und wahrhaftig den Kunden und seine Bedürfnisse statt immer nur sein eigenes Produkt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellt, hat den wesentlichsten Schritt zur markenzentrierten Unternehmensführung bereits vollzogen.

Klingt einfach? Ist es auch – nur Mut!

Dieser Artikel wurde auf capital.de veröffentlicht.