Marketing hält schon seit langem Einzug im Recruitment. Und Storytelling ist sicher das neueste der einschlägigen Buzzwords, gefolgt von Authentizität und Content Marketing, um den neuen Trend einmal grob zu umreißen. Warum? „Geschichten erzählen“ verkauft sich eben gut – und nicht nur im Vertrieb. Der Konsum von Informationen befindet sich in einem dauerhaften Wandel, insbesondere bei jungen Zielgruppen wie Hochschulabsolventen. News werden nicht nur von Millennials, Generation Y oder Z inzwischen anders konsumiert: Authentische Storys sind gefragter denn je. Dabei müssen sie leicht bekömmlich, originell und vor allem auf dem richtigen Kanal „snackable“ sein. Aufgrund dieses sich ändernden Infokonsums werden beispielsweise auch klassische Nachrichtenportale einen drastischen Wandel erleben. Verlage probieren für diese junge Klientel derzeit schon fleißig neue Formate aus, um sich darauf einzustellen.

Die neue Lust auf Geschichten spiegelt unser Grundbedürfnis wider, die eigene Neugier durch persönliche und emotionale Erfahrungen zu stillen. Richtig ist, dass Geschichten zu erzählen eine perfekte Möglichkeit für Unternehmen ist, junge Menschen zu erreichen. Und richtig ist auch, dass Ge­schichten diesen Kontakt mit Emotionen aufladen können. Storytelling ist aus dem Recruitment nicht mehr wegzudenken. Warum eigentlich?
Betrachten wir es doch mit logischem Menschenverstand. Wenn wir eine ­interessante Person kennenlernen, dann erzählen wir dem- oder derjenigen auch möglichst spannende Geschichten oder coole Anekdoten aus unserem Leben. Das heißt: Wir bringen einfach Beispiele, wie wir Dinge erlebt, wahrgenommen oder in Situationen gehandelt haben. Seien wir mal ehrlich, wie schnell wir intuitiv Aufschneider oder Blender als Gegenüber enttarnen. Unsere Reaktion ist dann: Wir wenden uns ab. Warum sollte das bei jungen Menschen wie Hochschulabsolventen anders sein? Vor allem, wenn sie das Unternehmen, das mit ihnen kommunizieren will, noch nicht kennen?

Genau dann werden Geschichten wichtig, um mögliche Kandidaten auf originelle Weise zu erreichen und diesen zu erzählen, wie das Arbeiten bei dem potenziellen Arbeitgeber wirklich ist. Hier liegt die Betonung auf „wirklich“. Denn mit den jungen Bewerberzielgruppen haben wir es mit den kritischsten „Käufern“ überhaupt zu tun: Sie passen genau auf, denn es geht um ihre Zukunft, ihren neuen Job oder ihr Projekt. Das müssen Unternehmen ernst nehmen. Der erste Eindruck zählt auch hier – und wer Märchen erzählt (egal, ob mit falschen Versprechungen oder Standardfloskeln), ist raus! Die Adressaten fühlen sich nicht ernst genommen und sind einfach weg.

Darüber hinaus merken Unternehmen dann schnell, dass wir im „Age of Recommendation“ angekommen sind. Vertrauen in Marken und Produkte kommt nicht von allein, sondern immer mehr durch Weiterempfehlungen und Erfahrungsberichte. Nicht umsonst nutzen Unternehmen inzwischen Influencer, lassen von ihnen auf Events Produkte testen und setzen sich bewusst ihrer ehrlichen Meinung in den sozialen Netzwerken aus – weil auch hier die „Wahrheit“ nicht mehr wegzudenken ist. Dadurch werden Produkte und Dienstleistungen transparenter.

Warum nicht gleich die „wahren ­Geschichten“ erzählen?

So war es nur eine Frage der Zeit, bis auch Arbeitgebermarken transparent werden. Schon lange müssen sich Arbeitgeber – ob sie wollen oder nicht – auf Bewertungsplattformen wie kununu oder Glassdoor der direkten Kritik stellen, ob positiv oder negativ. Durch Bewertungen von bestehenden oder ehemaligen Mitarbeitern oder Konfrontation mit Erfahrungsberichten von mehr oder weniger schlecht gelaufenen Vorstellungsgesprächen. Alles öffentlich. Alles direkt. Heute reicht es nicht mehr aus, auf seiner Stellenanzeige oder Karrierewebseite zu behaupten, man sei ein guter Arbeitgeber, böte viele Entwicklungsmöglichkeiten und gehe fair und respektvoll miteinander um. Ohne jegliche Beweise. All das wird im Zeitalter der Digitalisierung nachprüfbar. In Echtzeit.

Eigentlich doch eine gute Entwi­cklung, wenn „Wahrheit“ aus dem Marketing nicht mehr wegzudenken ist, wenn das Erlebte, Gelebte, das Echte wieder einen Stellenwert hat. Insbesondere in der HR-Kommunikation. Warum dann nicht gleich die „wahren Geschichten“ erzählen? Denn das ist, was Hochschulabsolventen erwarten, vor allem in der Entscheidungsphase, während der sie noch unsicher sind, wohin für sie die Reise beruflich gehen soll.

Umso wichtiger ist es für den Personaler, Dialogbereitschaft und Beziehungsbewusstsein zu entwickeln. Offenheit für neue Plattformen. Umgang mit direkter Kritik. Viele Personalabteilungen geben offen zu, keinerlei Prozess zu haben, sollten sich Mitarbeiter oder Bewerber in der Öffentlichkeit über sie äußern. Zudem haben sie mindestens Scheu, wenn nicht gar Angst, den direkten Kontakt zu suchen.

Personalarbeit war bisher auf „interne Angelegenheiten“ beschränkt, auf anonyme Umfragen, auf Vier-Augen-Gespräche. Egal, welche Technologie am Ende den Arbeitgeber transparent macht: der Mensch und die innere Einstellung zu Transaktion und Dialog werden darüber entscheiden, welche Unternehmen erfolgreich in den Dialog über ihre Arbeitgebermarke treten und welche nicht.

Eine besondere Chance stellt das Storytelling für die Hidden Champions dar

Für die „wahren Geschichten“ einer glaubwürdigen Kommunikation mit dieser jungen, kritischen und sehr wachen Klientel braucht es die richtige Grundlage. Viele Unternehmen stehen noch ganz am Anfang. Besonders die, die bisher für ihre Bekanntheit noch nie so richtig viel tun mussten. Bei Serviceplan haben wir immer wieder Anfragen von irrsinnig spannenden sogenannten „Hidden Champions“ – unbekannte Weltmarktführer in ihrem speziellen Segment mit oft erklärungsbedürftigen Produkten, die meist wesentliche Technologie-Treiber für bekannte Endprodukte sind. Problem: Keiner bekommt es mit. Wenn wir bei solchen Unternehmen tiefer eintauchen, entdecken wir Menschen mit außergewöhnlichen internationalen Karrieren und fantastischen Erfahrungsberichten, die den wahrhaften Kern des Unternehmens als Arbeitgeber eins zu eins widerspiegeln.

Dieses Potenzial kennen die Unternehmen oft selber nicht. Da sie dies wenig bis gar nicht nach außen getragen haben, kennen auch Hochschulabsolventen weder das Unternehmen noch die spannenden Aufgaben, die geboten werden. Über eine eigene Studie wissen wir, dass dieses Nicht-Kennen zu Skepsis und diese zu falschen Annahmen führt, à la „Die bezahlen bestimmt schlecht“, „Die sind ja am Arsch der Welt, da komme ich nie wieder weg“ oder „Das ist eine Karriere-Sackgasse“. Aber gerade die Big Player in der Provinz sind oft Türöffner zu internationalen Karrieren mit sinnstiftenden Aufgaben, die gut bezahlt werden. Gerade für sie ist es wichtig, diese Geschichte gut – und vor allem wahr zu erzählen!

Dafür müssen Unternehmen sich selber erst einmal kennenlernen, um ihr Potenzial zu erkennen, welche Geschichten sie wie erzählen können, so dass sie zu einem passen. Wie im wahren Leben. Denn Kennenlernen geht in die Hose, wenn man gekünstelt oder verstellt rüberkommt. Bleibt man „bei sich“ und vermittelt ein Bild, „wie man wirklich ist“ – wird dies oft positiv gespiegelt. Sowohl von Mitarbeitern als auch von Bewerbern. HR-Kommunikation ist daher auch gleichzeitig ,interne Kommunikation’ – denn die Mitarbeiter sind diejenigen, die das, was nach außen kommuniziert wird, nach innen leben.

Ich erinnere mich noch an mein erstes Bewerbungsgespräch, in dem ich die perfekten Antworten auf mögliche Fragen geben wollte. Klassiker: „Ich bin total ungeduldig…“. Natürlich wurde ich nicht genommen. Genauso ist es, wenn Unternehmen mit Bewerbern in Kontakt treten. Jedes hat seinen eigenen Charakter, der den Erfolg massiv beeinflusst. Wie die Kultur im Un­ter­nehmen gelebt wird, wie man miteinander umgeht, wie man führt und kommuniziert. Und natürlich, wie das Pro­dukt hergestellt wird, für das alle arbeiten. Kurzum: WIE das Arbeiten ist.

Der erste Schritt: Ab auf die Couch!

Dieser wahrhaftige und besondere Kern, der den Mitarbeitern den „Glanz auf die Augen zaubert“, steht immer am Anfang. Die gute Nachricht: Jeder hat ihn! Die schlechte: Noch nicht jedes Unternehmen hat ihn gefunden! Das ist jedoch der zentrale strategische Ausgangspunkt für jede Kommunikation. So schwer es ist, sich selbst als Person zu beschreiben und zu verkaufen, so schwer ist dies auch für Unternehmen. Wenn wir als Agentur hinzugezogen werden, ist daher der unerlässliche erste Schritt eines gezielten Employer Brandings: „Sich-Selber-Kennenlernen“. Dafür muss jedes Unternehmen sozusagen erst einmal „auf die Couch“. Mit Hilfe einer qualitativen Analyse, die über interne und externe Befragungen sowie individuelle Fokus Groups und Interviews läuft. Das machen wir je nach Fall mit unserer Research Agentur Facit der Serviceplan Gruppe oder Partnern aus dem HR-Umfeld. Das Ergebnis ist eine Anamnese mit einer authentischen Perspektive auf sich selbst: Was macht das Arbeiten in meinem Unternehmen „attraktiv“, „authentisch“ und „differenzierend“? Diese Erkenntnisse verdichten wir mit dem Kunden zu einem zentralen Begriff ­­­­­(oder Satz) als Arbeitgeberversprechen, der sogenannten ,Employer Value Proposition’ (EVP) und identifizieren Merkmale, Eigenschaften und Facts, mit denen das Unternehmen dieses Versprechen wirklich einlöst.

EVP bei Serviceplan

Serviceplan verspricht: Ownership! So haben wir für uns selbst praktiziert, was wir bei Unternehmen beraten. Über eine qualitative Befragung haben wir herausgefunden, dass die Menschen bei uns vom Praktikanten bis zum Managing Partner, die Möglichkeit finden, mit seinen Fähigkeiten etwas zu seinem Thema zu machen. Es gibt bei uns zum Beispiel acht Kollegen, die als Praktikant/Trainee angefangen haben und heute als Geschäftsführer ihre eigene Agentur leiten. Daher haben wir das Arbeitgeberversprechen mit „Ownership“ definiert – ein Versprechen, das wir mit einem breiten Leistungsspektrum für die KollegInnen auch halten.

Nur mit der Kenntnis der eigenen Stärken hat man ein Fundament für erfolgreiches Employer Branding und eine ,glaubwürdige’ Arbeitgeber-Geschichte. Bei Serviceplan entwickeln wir darauf kanalübergreifend die Kommunikation und kooperieren seit mehr als einem Jahr mit YeaHR. Spezialisten mit Personaler-Hintergrund, um auch die Übertragbarkeit und Relevanz auf den ,Candidate und Employee Lifecycle’ sicherzustellen. Denn eins haben wir gelernt: Substanz entscheidet.

 

Dieser Artikel erschien im Recruiting Journal am 05. Mai 2017.

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