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Wiesenhof –  das klingt eigentlich schön. Als unbefangener Konsument würde ich bei der Marke Wiesenhof an einen hübschen alleinstehenden Bauernhof denken, umgeben von Wiesen und Feldern, an einen Misthaufen mit scharrenden Hühnern und an einen Hofhund, der im Schatten einer Scheunentüre döst. Im echten Leben allerdings verbirgt sich hinter Wiesenhof ein gigantischer hochindustrialisierter Geflügelkonzern, der alleine für seine Schlachterei im niedersächsischen Landkreis Vechta die Erlaubnis hat, täglich 430.000 Hühner zu schlachten. Täglich wohlgemerkt.

Über die Folgen dieser Gigantomanie berichten Medien seit Jahren. Das ARD beispielsweise widmete dem Unternehmen eine Reportage mit dem Titel „Das System Wiesenhof: Wie ein Geflügelkonzern Tiere, Menschen und die Umwelt ausbeutet“. Die Liste der Vorwürfe gegen Wiesenhof auf Wikipedia liest sich wie der Plot eines Wirtschaftskrimis: Tierquälerei, illegaler Export von Tiermehl aus Schlachtabfällen mit hohem BSE-Risiko, Verletzung von Hygienevorschriften, Raubbau am Grundwasser, Verdacht auf Subventionsbetrug, Beschäftigung von Arbeitskräften aus Rumänien, Bulgarien und Vietnam, die in Massenunterkünften mit bis zu 15 Betten pro Zimmer eingepfercht sind, zu Hungerlöhnen.

Wahrscheinlich wird der Wikipedia-Beitrag über die niedersächsischen Geflügelbarone demnächst noch ein Stück länger. Der Geflügelfleischproduzent sah sich jüngst mit einem veritablen Shitstorm konfrontiert, nachdem ein Wiesenhof Werbespot Online gegangen war. In dem Video sitzt Profiproll Atze Schröder am Grill, grinst in die Kamera und fragt mit einer Grillzange in der Hand: „Und, seid ihr bereit für die größte Wurst des Sommers? Hier ist das Ding. Danach müssen Gina und Lisa erst mal in die Traumatherapie.“ Damit spielt Wiesenhof auf den Fall des Modells und it-Girls Gina-Lisa Lohfink an. Die Schönheitskönigin steht gerade vor Gericht, da sie zwei Männer fälschlicherweise der Vergewaltigung und der Verabreichung von K.O.-Tropfen verdächtigt haben soll.

Komödiant Schröder beschreibt in dem Video detailliert, wie die Wurst aussieht

„Guckt euch das mal an: Diese Form, dieser Schwung“ und macht peinliche, wenig zweideutige Bemerkungen wie: „Wisst ihr, was ich jetzt anlege? Das Zentimetermaß, damit ihr mal sehen könnt, wie groß meine Wurst wirklich ist.“

Die Empörung über den Spot im Netz ist riesig. „Ihr & Atze seid ekelhaft“, twitterte ein User. Ein anderer Kritiker schrieb in dem Kurznachrichtendienst: „20 Zentimeter Hirn – danach müssten Atze und Wiesenhof erst einmal in die Traumatherapie.“

Meiner Meinung nach lassen sich aus dieser jüngsten PR-Krise des Geflügelherstellers vier Dinge lernen.

Erstens: Wer glaubt, es gebe eine unterste Schublade, nennen wir sie Trash, die niveaumäßig nicht zu unterbieten ist, der täuscht sich. Es findet sich immer wieder ein Unternehmen, eine Agentur und ein Promi, die es gemeinsam schaffen, das Niveau noch tiefer legen. Von der untersten Schublade Richtung unterirdisch.

Zweitens: Comedians genießen Narrenfreiheit und das ist auch gut so. Bei kommerziellen Spots gelten andere Regeln. Atze Schröder hat dies erkannt sich mit den Worten „der Werbespot hätte niemals veröffentlicht werden dürfen. Schon gar nicht jetzt, wo er einen Bezug herstellt, der ekelhaft ist und so nie gedacht war“ entschuldigt.

Drittens: Ein Unternehmen, das über Jahre immer wieder von unterschiedlichen Stakeholdern massiv kritisiert wird wie Wiesenhof, verliert irgendwann seinen Kredit in Sachen Reputation komplett. Wenn sich Wiesenhof Sponsoringpartner Werder Bremen, der jedes Jahr Millionenbeträge von den Hühnerschlachtern bekommt sich öffentlich via Twitter von Wiesenhof distanziert, ist das ein Zeichen dafür, dass es langsam eng wird.

Viertens: Die Selbstkontrolle der Kommunikationswirtschaft funktioniert. Neben dem Agenturverband GWA hat der Deutsche Werberat den Online-Spot von Wiesenhof beanstandet und als „entwürdigend und diskriminierend“ eingestuft. Der Film ist zurückgezogen, Wiesenhof hat sich öffentlich entschuldigt. Dies zeigt, dass die Initiative von Bundesjustizminister Heiko Maas, geschlechterdiskriminierende Werbung per Gesetzt zu verbieten, überflüssig ist.

Dieser Artikel wurde auf wuv.de veröffentlicht.