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Wie wichtig dem „Spiegel“ sein neues Layout ist, zeigt die äußerst sympathische Erklärnote des Spiegel Online-Chefredakteurs Florian Harms. Hier wird in drei Punkten darauf eingegangen, warum, was und wann verändert wird – und das alles sehr knapp und sympathisch formuliert. Das sorgt für Erklärungen und Argumente, die ein Konzern nun mal braucht, um eine derartige Umstellung nach innen zu verkaufen.

In der Realität „draußen“ werden allerdings die wenigsten Konsumenten diesen Ausführungen folgen wollen und sich darauf konzentrieren, was ab jetzt wo zu finden ist. „Draußen“ muss es einfach funktionieren. Fertig. Und das tut es auf den ersten Blick. Sowohl auf dem Desktop als auch mobile. Wenngleich man hier nicht auf Responsive Design vertraut, sondern sich eine eigene mobile Variante gönnt.

Dass „Spiegel TV“ mit seinen Videocontent-Formaten auch seinen Platz im oberen Menü erhält, folgt der internen Logik: Jedem Ressort sein eigenes Daseinsberechtigungsfeld, dann kann keiner meckern. Auf der Default-Seite „Spiegel Online“ muss man hingegen schon relativ lange scrollen um auf Bewegtbildinhalte zu stoßen. Bei der heutigen Konsumfaulheit ein eher nicht nachzuvollziehender Schachzug.

Die „Suche“ funktioniert tadellos. Das erwartet man von einem reaktionsgetriebenen Medium. Der Gully Button (oder Hamburger Menu Icon) im linken oberen Navigationsbereich ist inzwischen ebenfalls etabliert, gibt zudem einen modernen Anstrich und hilft bei der Reduktion.

Das hat man sich wohl leider auch bei der Emotion gedacht. Mir ist unverständlich, woher der Irrglaube kommt, seriös wirken wollende Medien müssten sich kühl und nüchtern präsentieren. Genau das ist mein größter Kritikpunkt an der aktuellen Seite.

Man arbeitet mit sehr vielen Grauwerten, entstanden durch viel schwarzen Text auf weißem Hintergrund und kleinen unfreundlich wirkenden Bildformaten. Man ist beim „Spiegel“ stolz darauf, seinen eigenen Spiegel Font etabliert zu haben, die „Spiegel Sans Web“. Eine Schrift-Type, die sehr neutral beziehungsweise austauschbar erscheint und eben ohne Serifen. Gerade der gegenteilige Ansatz wäre ein toller Move gewesen. Schließlich hat man das „Spiegel“-Logo mit seiner Serifenbetonung seit Jahren bewusst nicht angefasst, da man um dessen Wiedererkennbarkeit weiß. Hier hat man wertvolles Potenzial in Sachen Branding liegen lassen.

 

Carsten Popp

„Mir ist unverständlich, woher der Irrglaube kommt, seriös wirken wollende Medien müssten sich kühl und nüchtern präsentieren.“

 

Das Gleiche gilt für die so eindeutige Signalfarbe Orange des klassischen „Spiegel“-Titels. Online mündet dieses Markenerbe in einem eher muffigen Rot, geschuldet einer vermeintlich besseren Lesbarkeit. Hier gibt es sicherlich auch andere Möglichkeiten einer geschickten Integration des Color Codings als nur über die Einfärbung der Headlines und Call to Actions.

Von daher sehe ich den aktuellen Auftritt von Spiegel Online ebenso wie Florian Harms eher als Zwischenschritt und wünsche dem Team im nächsten Step noch etwas mehr Mut zur eigene Marke und zu einer etwas zeitgemäßeren Auflösung.

Dieser Artikel wurde auf horizont.net veröffentlicht.