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APPLE VISION PRO AUF DEM MARKT

Viele sind noch skeptisch. Doch Apple bringt mit der Vision Pro den Stein ins Rollen. Dass ab 2024 mehr und mehr Menschen VR- und AR-Brillen nutzen werden und sich dies enorm auf Marken und das Marketing auswirken wird, meint Sebastian Küpers, Chief Transformation Officer bei der Plan.Net Group sowie Managing Director der Plan.Net Studios.

Am 2. Februar kommt die Vision Pro auf den US-Markt. Dabei wartet Apple nicht als erstes Unternehmen mit einem Mixed-Reality-Headset auf, das Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) bietet. Seit 2019 verkauft Meta bereits die Headset-Serie Quest. Auch HTC oder Sony haben VR-Brillen im Angebot. Und Konzerne wie Samsung und LG stehen kurz vor ihrem Headset-Launch. Alle eint, ein großes Stück vom schnell wachsenden Markt abzubekommen.

Doch der Marktstart der Vision Pro markiert einen Wendepunkt: Apple passt – wie schon in der Vergangenheit mit dem iPod, iPhone, iPad und der Apple Watch – auch jetzt den richtigen Moment für den Markteintritt ab. Immer gelang es Apple, die Marktentwicklung mit jedem Produkt-Launch voranzutreiben, die Konkurrenz einzuholen und Menschen auf der ganzen Welt von neuen Technologien zu begeistern. Auch bei der Vision Pro ist dies vorprogrammiert. Denn Apple punktet mit seinem riesigen Ökosystem: Nutzer:innen können auf alle Apple-Apps zugreifen wie Apple Music oder Apple TV. Im Vergleich zum Wettbewerb bietet die Vision Pro damit einzigartigen Entertainment-Content an.

Marketers sollten auf Spatial-Computing reagieren

Aber was wird diese neue Headset-Generation bieten? Mit der Vision Pro können Kund:innen beispielsweise dreidimensionale filmische Szenen wie auch virtuelle Arbeitsumgebungen mit ihrem physischen Raum verbinden. Apps öffnen sich in großen Fenstern, die in der Umgebung schweben und sich frei im Raum platzieren lassen. Ferner ist es möglich, dreidimensionale Objekte in die eigene physische Realität zu bringen. Kund:innen werden beginnen, mit diesen neuen Anwendungen zu spielen, zu interagieren und zu kommunizieren.

Es ist davon auszugehen, dass Menschen mittelfristig in einer Welt leben werden, in der sie täglich virtuelle Inhalte nahtlos in ihre physische Welt integrieren. Damit einher gehen signifikante Veränderungen und völlig neue Möglichkeiten für das Marketing: Brands können durch die Nutzung räumlicher Designsysteme virtuelle Umgebungen schaffen, wo sie ihre Marken- und Produkt-Stories interaktiv erzählen und damit unvergessliche, immersive Erlebnisse schaffen. Sie werden so auf einer tieferen Ebene kommunizieren, starke Emotionen hervorrufen und bleibende Eindrücke hinterlassen. Das stärkt die Markenbindung und erhöht die Konversion. 

Ein Anwendungsbeispiel: Eine Automarke platziert sein neues Modell im Wohnzimmer von VR-Headset-Nutzer:innen. Sie können nun auf einmal selbst virtuell und ohne viel Aufwand in diesem Fahrzeug sitzen, es ausprobieren und entdecken. Sogar Menschen, die nicht gerade Fan dieser Automarke sind, werden sich mit dem interaktiven Content beschäftigen und so der Marke und dem neuen Produkt ihre Zeit und Aufmerksamkeit schenken. Es liegt auf der Hand, dass sich Produkte während dieser emotionalen Spatial-Experience besser verkaufen lassen werden.

Nächste Entwicklungsstufe: KI und Blockchain steigern die immersiven Erlebnisse

Künstliche Intelligenz (KI)-Systeme werden solche immersiven Markenerfahrungen künftig um personalisierte Interaktionen ergänzen und in Echtzeit neue Inhalte kreieren und so organisch mit Kund:innen im Dialog kommunizieren. Darüber hinaus wird die Blockchain-Technologie weiter an Relevanz gewinnen. Wenn nun Spatial Computing, KI und Blockchain-Technologie im Marketing kombiniert werden, könnte sich folgendes Markenerlebnis daraus entwickeln: Potenzielle Kund:innen möchten ein Auto kaufen. Sie setzen ihre Mixed-Reality-Headsets auf und benutzen den virtuellen Konfigurator der Fahrzeugmarke, der ihnen ein räumliches Erlebnis der Automodelle und ihrer Konfiguration bietet. Dabei berät sie ein digitaler KI-Assistent, mit dem sich die Interessenten in natürlicher Sprache austauschen und der ihnen hilft, gewisse Entscheidungen zu treffen – welches Leder oder welche Felge sie wählen sollten. Denn die KI weiß, dass es sich bei den potenziellen Käufer:innen um ein gutsituiertes, junges Ehepaar handelt, das gerne mit dem Auto verreist, Luxus, Komfort und Blautöne liebt. Parallel geben sie die Informationen aus ihrer Wallet frei, wo alle ihre Belege gespeichert sind. Das ermöglicht, dass das Kauf- und Markenerlebnis zusätzlich gesteigert wird. So erfährt der Hersteller vielleicht, dass die Interessenten schon einmal ein Auto von dieser Marke gefahren sind und geben ihnen einen Preisnachlass. Kund:innen sparen sich zum einen das Durchklicken durch die verschiedensten Konfigurationsmöglichkeiten und erleben zum anderen eine Kaufberatung auf höchstem Niveau.

Wie schnell auch immer die Brillen den Markt durchdringen: Marketingverantwortliche sollten sich auf die Spatial-Computing-Ära vorbereiten und sich mit räumlichen Designsystemen für ihre Marke und Produkte beschäftigen. Denn Spatial Computing funktioniert nicht nur mit Headsets, sondern Brands können schon heute ihren Kund:innen immersive Erlebnisse auf ihrer Website, in ihren Apps oder auf Displays am Point of Sale bieten. Deshalb gilt es, Konzepte, Brand Guidelines und möglichst schon eine Bibliothek immersiver Inhalte aufzubauen. Denn indem sie ihren Kund:innen gleich zu Beginn interaktive Markenerlebnisse in virtuellen Umgebungen bieten, werden sie der Konkurrenz ein Stück voraus sein.

Zuerst erschienen bei Horizont.

Digitale und virtuelle Erfahrungen verschmelzen zunehmend mit der realen Welt. Diese Entwicklung eröffnet Marketing- und Brandverantwortlichen völlig neue Möglichkeiten, mit ihren Kundinnen und Kunden in Kontakt zu treten und mit ihnen zu interagieren. Wie ein beeindruckendes, immersives Erlebnis in digitalen und virtuellen Räumen gelingt und warum Spatial Computing, Künstliche Intelligenz und die Blockchain-Technologie dabei wichtige Rollen spielen, schildern Sebastian Küpers, Chief Transformation Officer bei der Plan.Net Group sowie Managing Director der Plan.Net Studios, und Dr. Andreas Liebl, Managing Director und Gründer der appliedAI Initiative GmbH, im Gespräch mit Mario Zillmann von Lünendonk. Die beiden Unternehmen arbeiten im Rahmen von KI-Projekten für Kundinnen und Kunden partnerschaftlich zusammen.

Herr Küpers, Sie sind bei der Plan.Net Group für die großen Transformationsthemen zuständig, die derzeit alle Unternehmen betreffen, um zukünftig wettbewerbsfähig zu sein. Digitale Technologien nehmen dabei eine immer größere Rolle ein. Erklären Sie doch bitte einmal, was Sie unter Spatial Computing verstehen und wie sich die Unternehmens- und Markenkommunikation dadurch verändern wird.

Sebastian Küpers (SK): Die Ankündigung von Apple, mit der Vision Pro Anfang 2024 ein neues Device herauszubringen, hat dem Begriff Spatial Computing neues Leben eingehaucht. Generell existiert der Begriff aber schon über 20 Jahre. Im Kern geht es bei Spatial Computing um eine Technologie, die es ermöglicht, virtuelle und physische Welten und Nutzerinteraktionen nahtlos im dreidimensionalen Raum zu verschmelzen und damit ein neues, immersives Erlebnis zu bieten. Und dies völlig unabhängig von der Technologie: Spatial Experiences kann es nämlich auf einer Website, in einer mobilen App, auf einem Display am Point of Sale oder in Zukunft auf anderen Devices geben.

Meiner Ansicht nach ist das Spannende an Apples neuer Vision Pro gar nicht das Gerät an sich, sondern vielmehr das Betriebssystem und das damit verbundene Interaktionsparadigma – das stufenlose Reinzoomen: Man sieht ein Bild, zoomt hinein und steht plötzlich mittendrin.

Geben Sie uns doch mal bitte ein Beispiel.

SK: Gerne. Stellen Sie sich vor, Sie sehen sich Autobilder auf einer Webseite an und können plötzlich reinzoomen, bis Sie das Gefühl haben, Sie sitzen praktisch im Fahrzeug und erleben dieses räumlich. Das ist toll und bietet eine völlig neue Experience. Natürlich beschäftigen sich Menschen dann auch gerne mit einem solchen Content und verbringen auch mehr Zeit mit der Marke. Der positive Einfluss auf ein Erlebnis entsteht aber nicht nur beim Shoppen, sondern beispielsweise auch im B2B-Sektor, wenn es darum geht, komplexe Produkte greifbar darzustellen und erlebbar zu machen. Zudem haben wir festgestellt, dass sich Produkte während einer Spatial Experience besser verkaufen – wenn also beispielsweise ein Live-Konzert in einer immersiven Umgebung stattfindet.

Herr Dr. Liebl, schildern Sie bitte,wie KI unser Erleben und unsere Interaktion mit Marken schon heute beeinflusst und wie sich dies in Zukunft entwickeln wird. Wo liegen die Möglichkeiten und Vorteile für Marken in Bezug auf Spatial Computing oder eine neue Generation des Internets?

Dr. Andreas Liebl (AL):KI-Systeme ergänzen die Markenerfahrung um echte Interaktion und kreieren in Echtzeit neue, nicht einprogrammierte Inhalte. Die Interaktionen sind also nicht mehr vorgegeben, sondern entwickeln sich generativ, was die Qualität der Personalisierung und die der Interaktionen natürlich deutlich steigert.

Ich denke zwar nicht, dass „Browsing“ und „Search“ verschwinden werden. Aber Conversational wird einen starken Marktanteil einnehmen. Schon heute erleben wir eine Omnipräsenz der verschiedenen Conversational Interfaces. Wir sprechen mit Siri auf unseren iPhones, mit Alexa oder im Kundenservice mit einem virtuellen Assistenten oder KI-basierten Avatar. Ähnliches gilt für den B2B-Kontext. Die individuelle Exploration ist immens – angefangen von einem Maschinenbauhersteller, der ein virtuelles Interface zu Kundinnen und Kunden ermöglicht, um Anlagen zu bedienen oder zu warten, bis hin zu digitalem Content, der förmlich mit der Realität verschmilzt und Menschen Teil der Experience werden lässt.

Markenverantwortliche können vor allem von der möglichen Personalisierung profitieren, indem sie die KI entsprechend trainieren. In absehbarer Zeit hebt das die Markenerfahrung in eine neue Dimension.

Herr Küpers, wenn das Markenerlebnis bereits durch Spatial Computing und Künstliche Intelligenz eine neue Dimension erhält, welchen Nutzen kann da die Blockchain-Technologie Unternehmen in der Interaktion mit den Kundinnen und Kunden noch bieten?

SK: Während Spatial Computing und Künstliche Intelligenz sehr sichtbar für die Menschen sind, agiert Blockchain eher im Hintergrund.

Die Blockchain-Technologie punktet bei sogenannten Smart Contracts, indem sie automatisiert Verträge gestaltet und zusätzlich Interaktionen steuert. Ein Beispiel: Jemand kauft ein Produkt mit Garantie und der Kaufnachweis wird auf der Blockchain gespeichert. So kann die Käuferin oder der Käufer – ohne die Quittung aufzubewahren – digital nachweisen, dass sie oder er dieses Produkt besitzt. Darüber hinaus kann die Technologie im Smart Contract beispielsweise auch das Garantieversprechen vollautomatisiert einlösen und Geld zurückerstatten. Wenn der Kauf sogar an ein Loyalty-Programm geknüpft ist, könnte über den Smart Contract auch automatisch die Bonuszahlung veranlasst werden.

Wir gehen davon aus, dass hochautomatisierte Smart Contracts in Zukunft die Interaktion zwischen Marken und Konsumentinnen und Konsumenten immer stärker mitgestalten werden. Das betrifft insbesondere zusätzliche, an das Produkt gekoppelte Serviceleistungen. Die Menschen werden zukünftig mehr Belege in ihrer Wallet haben und davon automatisch profitieren.

Bitte erklären Sie uns genauer, wie die drei Themenbereiche Spatial Computing, Künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologie zusammenkommen. Was ist das Besondere an diesen Schnittstellen und wie wirken sie sich auf das Markenerlebnis aus?

SK: Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels schildern: Ich will ein neues Auto kaufen und benutze den Konfigurator, der mir zum einen ein räumliches Erlebnis der Automodelle und ihrer Konfiguration bietet. Dabei berät mich ein digitaler KI-Assistent, mit dem ich mich in natürlicher Sprache austausche und der mir hilft, gewisse Entscheidungen zu treffen –welches Leder oder welche Felge ich wählen könnte. Parallel gebe ich die Informationen aus meiner Wallet frei, wo alle meine Belege gespeichert sind. Das ermöglicht, dass mein Kauf- und Markenerlebnis zusätzlich personalisiert wird. So erfährt der Autohersteller vielleicht, dass ich schon einmal ein Auto der Marke hatte und gibt mir einen Preisnachlass.

Gerade in der Kombination aus allen drei Themen – Spatial Computing, Künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologie – entsteht ein ganz neues, immersives Kundenerlebnis. 

Für Spatial Computing oder die neue Generation des Internets werden AR-Brillen oder VR- und MR-Headsets gebraucht. Sie gelten nach wie vor als teuer und unpraktisch. Sind die Hürden nicht doch noch ein wenig zu hoch, damit eine breite Masse an Nutzerinnen und Nutzer täglich in digitale und virtuelle Räume eintaucht?

SK: Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass ein 3D-Erlebnis von AR-, VR- oder MR-Headsets abhängig sei. Spatial Experiences sind vielmehr Geräte-unabhängig und können über die verschiedensten Kontaktpunkte erlebt werden: beispielweise auf dem Handy, dem Tablet oder auf dem Laptop.

Davon abgesehen ist es nur eine Frage der Zeit, dass die Brillen oder Headsets wesentlich günstiger, einfacher verfügbar und in ihrer Anwendung immer simpler werden. Das haben wir beim iPhone, beim iPad oder auch bei der Apple Watch doch längst erlebt.

Was sollten Marketing- und Brandverantwortliche aus Ihrer Sicht heute schon tun, um sich auf die nächste Generation des Internets vorzubereiten und um ihren Kundinnen und Kunden gleich zu Beginn ein beeindruckendes, immersives Erlebnis in den neuen digitalen und virtuellen Räumen bieten zu können?

AL: Wir sollten uns vor Augen halten, dass nur zwei Monate nach dem Start von ChatGPT bereits hundert Millionen Menschen die KI nutzten. Der Reaktionszeitraum für Entscheiderinnen und Entscheider war also kurz. Darauf muss man sich vorbereiten und permanent am Ball bleiben. Denn KI ist nicht einfach eine weitere Software. Es sind Modelle, die auf Daten trainiert werden. Dabei besteht immer die Gefahr, dass KI beispielsweise offskript geht und außerhalb der gewünschten Bereiche antwortet. Es gilt unbedingt zu lernen, wie man mit diesen Systemen umgeht.

Auch wenn einige Technologien erst in ein oder zwei Jahren durchschlagen werden, empfehle ich jedem, jetzt zügig Erfahrungen zu sammeln.

SK: Absolut. Wenn man die ersten Schritte ins Spatial Computing gehen will, kann man schon auf der eigenen Webseite kleine Bereiche testen. Es geht ums Ausprobieren und Erleben – dass in dem Moment, wo jemand in ein Bild zoomt, ein räumliches Erlebnis entsteht.

Genauso mit KI: Man muss nicht gleich den alles könnenden Assistenten rund um die Marke bauen. Schon ein kleiner Use Case hilft, in dem man den Chatbot gezielt einsetzt und erste Erfahrungswerte sammelt: Worin liegen die Benefits eines intelligenten Assistenten?

Genauso ist es mit der Blockchain. Auch da geht es nicht um die eierlegende Wollmilchsau, sondern um erste Use Cases – gerade in den Feldern Loyalitätsprogramme oder Employer Branding–, die heute schon umsetzbar sind.

AL: Noch ein Tipp zum Schluss: Die Use Cases sind bestenfalls nicht nach dem Zufallsprinzip auszuwählen, sondern sollten sich systematisch mit Themen beschäftigen, bei denen man lernt und sich als Organisation weiterentwickelt.

Lünendonk: Herzlichen Dank für das Gespräch und die spannenden Insights.

Dieses Interview erschien zuerst im Rahmen der Lünendonk-Studie zum Markt für Digital Experience Services in Deutschland.

Die Einladung zur diesjährigen Cannes Jury kam für mich ziemlich überraschend. Als Strategin hatte ich Cannes eigentlich immer als Spielfeld für Kreative gesehen. Aber die Lions sind eben nicht mehr „Werbefestival“, sondern „Festival der Kreativität“ und Technologie hat einen immer stärkeren Einfluss auf Kreativität. Umso mehr habe ich mich über die Einladung in die Digital Craft Jury gefreut, um dort Serviceplan, sowie meine Disziplinen Web3 und Spatial Computing zu vertreten.

Drei Eindrücke sind für mich von meinen ersten Cannes Lions und meiner Jurytätigkeit besonders prägend gewesen. Und ein Aufruf an die deutsche Kreativbranche ist auch dabei.

Vielfalt ist ein Imperativ.

Es mangelt unserer Branche, speziell auch in Deutschland, nach wie vor an Diversität. Fakt. Natürlich gibt es die unterschiedlichsten Themenbereiche, die man hier betrachten könnte (und sollte), in Cannes wiegt ein Aspekt aber besonders schwer: die Vielfalt von Sichtweisen bei der Bewertung von Kreation.

Meine Digital Craft Jury hätte kaum vielfältiger sein können. Ein gebürtiger Südafrikaner und eine Britin indischer Abstammung aus New York, ein Kenianer, ein Brite sri-lankischer Herkunft aus Dubai, eine Kanadierin, eine Malaysierin, ein Brasilianer, ein in Italien lebender Russe, eine in Amsterdam lebende Amerikanerin. Und ich.

Vielfalt in Geschlecht, Alter, Ethnizität, Kultur, Profession, LGBTQIA+ und Lebensstilen. Das zeigt sich auch in der Bewertung der Arbeiten in der Digital Craft Kategorie. Viele Cases hätten wir nicht richtig oder nicht so fundiert bewerten können, hätte nicht eine:r von uns spezielle Insights gehabt. Die Genialität eines chinesischen Cases wurde uns erst bewusst, als Min, unsere malaysische Kollegin, ihn in den kulturellen Kontext einordnen half. Ein brasilianischer Tech-Case bewies sich erst, als der brasilianische Kollege Sergio sein Handy zückte, um allen zu zeigen, dass und wie die Anwendung funktioniert. Die Exzellenz eines Spatial / „Metaverse“ Cases wurde dadurch deutlich, dass ich ihn auf Basis meiner Web3 und Spatial Erfahrung technisch einordnen konnte.

Ohne diese Vielfalt in Sichtweisen, kulturellen und professionellen Hintergründen, hätten wir die Arbeiten nie so fundiert einordnen, verstehen und bewerten können. Deswegen ist es auch so wichtig, Diversität und Vielfalt in allen Bereichen, so gut wie möglich, abzudecken. Man sieht, dass sich in den letzten Jahren einiges getan hat, Luft nach oben besteht aber trotz alledem immer noch. Oftmals vermisse ich – sei es bei Speaker Lineups oder Panels oder Jurymitgliedern, etc. – immer noch eine gewisse Vielfalt. Ein Award Gremium, dass wir uns alle als Beispiel nehmen sollten, im Sinne der Diversität, ist das Cannes Lion International Festival of Creativity. CEO Simon Cook arbeitet jedes Jahr an noch stärkerer Repräsentanz in den Jurys, in diesem Jahr vor allem des afrikanischen Kontinents.

Tech allein reicht nicht

Wir haben in der Digital Craft Kategorie mehr als 600 Cases bewertet. Darunter eine Flut von AI Cases, bei denen neue Tools wie ChatGPT, vor allem aber Midjourney und Dall-e oft verwendet wurden, um zu visualisieren, was man sonst nicht sehen kann: Geschichten von marginalisierten Gruppen wie Flüchtlingen, Obdachlosen, Kriegsveteranen. Alles richtig, wichtig und auch gut. Exzellenz in digital Craft bedeutete für uns aber mehr als die reine Anwendung dieser Technologien. Im nächsten Award Jahr werden Midjourney und Co schon Tools wie Photoshop sein, die wir alle verwenden.

Und so kommt es wieder zurück auf einen grundsätzlichen Aspekt: Purpose. Welche menschliche Verbindung entsteht durch die Technologie? Welches Potential zu wirklicher Veränderung bringt ihr Einsatz mit sich? Lässt sich der Impact skalieren?

Das waren auch die ausschlaggebenden Kriterien für unsere Verleihung des Grand Prix in Digital Craft, den wir final an „Never Done Evolving feat Serena“ von Nike und AKQA vergaben.

Eine schwarze Athletin, die ihre sportliche Karriere bereits beendet hat, wird das Zentrum eines bahnbrechenden Brand- und Tech-Cases. Eine beispiellose Laufbahn wird mittels Machine Learning analysiert, mit digitalen Avataren visualisiert, und mit AI zum Leben erweckt in einem der meistgeschauten digitalen Sport Events. Daten und Erkenntnisse werden genutzt, um die Tennislegenden von morgen zu trainieren, um Produkte zu entwickeln und zu verbessern. Das ist Purpose, ermöglicht durch Technologie.

Unsere Jury Präsidentin Resh Sidhu von Snap fasste unsere Gedanken perfekt zusammen:

„Great digital craft for us is not just about technology. It’s really about using those tools to resonate with people on a human level. And this piece was the epitome of digital craft. It shows what ‘digital artistry’ is today – a combination of creativity, technology and purpose.“

Und wo wir bei „never done evolving“ sind…

Der Jury Präsident der Design Craft Jury in Cannes, Quinnton Harris, sagte zu uns, dass er die Digital Craft Kategorie so spannend fände, weil sie die einzige sei, bei der sich theoretisch ein und derselbe Case jedes Jahr weiterentwickeln ließe. Und er hat recht. Jeder der Cases könnte durch die dynamische Entwicklung von Technologie Jahr um Jahr verbessert werden. Neue Dimensionen erhalten, skalierbarer werden. So eine Art Case 2.0, 3.0, 4.0.

Ein Case mit genau solchem Potential ist einer unserer Gold Gewinner, Transparency Card. Bei diesem Case der brasilianischen Zeitung Congresso em Foco, umgesetzt auch wieder von AKQA, geht es darum, die Ausgaben brasilianischer Politiker transparent zu machen. Dazu mussten zig einzelne Databases angezapft werden, um die Daten zu sammeln und aufzubereiten. Die Kernidee: die Bevölkerung soll wissen, wofür ihre Steuergelder ausgegeben werden. Die Lösung: die Ausgaben der Politiker werden wie Zahlungen der eigenen Kreditkarte in das Handy-Wallet geladen. In real-time. Diese Transparenz dient als Kontrollorgan für die Bevölkerung und ermöglicht es, Politiker für Missbrauch zur Verantwortung zu ziehen. Der Case ist von vornherein so angedacht, dass auch andere Länder die Technologie nutzen können. Und sie soll weiterentwickelt werden, um Skalierung zu ermöglichen. Das ist die wahre Magie von Technologie.

So geht mein erstes Cannes Erlebnis zu Ende. Es war eine bewegende und großartige Zeit, verbunden mit viel, viel Arbeit, vor allem aber mit großartigen neuen Menschen und einem breiten, vielfältigen, beeindruckenden und inspirierenden Spektrum von Arbeiten.

Und jetzt ran an den Speck für 2024!