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Durch COVID-19 ist unsere Welt, wie wir sie kannten, völlig aus den Fugen geraten: Unsicherheit, Angst und Isolation, gesundheitliche Bedrohungen, wirtschaftlich noch kaum abzusehende Entwicklungen sowie eingeschränkte persönliche und räumliche Freiheiten sind nur ein paar Aspekte, die die globale Pandemie zur Folge hatte, noch immer hat und auch weiterhin haben wird. Eine weitreichende Veränderung der Lebenswelt, die man auch im Medienkonsum – insbesondere auf den digitalen Plattformen – beobachten konnte: Online-Shops und Live-Streams boomten und News-Portale erlebten einen schon lange nicht mehr da gewesenen Zulauf. Die weltweiten Einschränkungen der Offline-Welt führten die Menschen ins World Wide Web.

Und auch wenn viele Menschen die erste Zeit hauptsächlich in den eigenen vier Wänden verbracht haben, schaffte diese Krise doch ein neues Gefühl der Zusammengehörigkeit. Ein neues Wir, das sich nicht nur, aber gerade in den sozialen Medien stark zeigte. Damit kehrten Facebook, Instagram und Co. zurück zu ihrem eigentlichen Auftrag. Nämlich Menschen auf der ganzen Welt zusammenzubringen, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich auszutauschen und zu vernetzen. Eine schöne Idee, die auf der Jagd nach Klicks, Likes und Abverkäufen in den letzten Jahren manchmal zu kurz gekommen ist.

Aufgrund der coronabedingten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen und der daraus resultierenden sozialen Abgeschiedenheit vieler Menschen hat die Nutzungsintensität der sozialen Medien stark zugenommen: 18 Prozent der Deutschen über 18 Jahre gaben bei einer Befragung an, Facebook in der Zeit des Lockdowns vermehrt zu nutzen; bei Instagram fiel dieser Zuwachs mit 48 Prozent der 18- bis 29-Jährigen sogar noch signifikanter aus.* Die Menschen nutzten das Social Web verstärkt, um sich über das Tagesgeschehen zu informieren, zu diskutieren und mit anderen in Kontakt zu treten. Und – in späteren Phasen des Lockdowns – um sich abzulenken, Zerstreuung zu suchen, sich um andere zu kümmern oder auch um Solidarität zu zeigen.

Die Entwicklung dieser neuen Art, soziale Medien aktiv und passiv zu nutzen, verlief nicht gleichförmig. Von der Zeit der ersten Krankheitsfälle in Deutschland über den Lockdown bis hin zum „New Normal“ veränderte sich das Nutzungsverhalten der Menschen – und lässt sich in fünf Phasen gliedern:

Phase 1: News, News, News – was passiert da draußen?

„Stay home, stay safe.“ Dieser Slogan prägte die ersten Wochen nach dem Lockdown wie kein anderer. In großen Städten patrouillierte die Polizei und forderte mit Lautsprecherdurchsagen die Bevölkerung dazu auf, in ihren Wohnungen zu bleiben und diese nur in dringenden Fällen zu verlassen. Ein verstörendes Gefühl einer unsichtbaren Bedrohung machte sich breit – und warf viele Fragen auf: Ist meine Stadt auch so stark betroffen? Wie ansteckend ist das Virus wirklich? Darf ich meine Wohnung zum Einkaufen verlassen? Was passiert, wenn ich mich testen lassen muss? Brauche ich eine Maske oder besser nicht? Gerade Nachrichtenseiten und Accounts offizieller Behörden erlebten in der ersten Zeit des Lockdowns einen nie da gewesen Boom. Facebook – schon länger vom ursprünglichen „Freundebuch“ zum digitalen Newsfeed transformiert – profitierte hier ebenfalls. Und wo bot sich ein Teaser zu einer sich im Stundentakt verändernden Lage besser an als auf Twitter, wo beispielsweise der Account des Bundesgesundheitsministeriums die Anzahl der Follower auf mittlerweile fast 200.000 Nutzer erhöht hat – und das ganz ohne Werbung.

Phase 2: Auf der Suche nach Gemeinschaft

Viele Marken nutzten in Phase 2 das Social Web auf eine ganz andere Art und Weise: Klassische Werbung trat erst einmal in den in den Hintergrund. Brands setzten verstärkt auf Inhalte, die den Menschen einen Mehrwert schafften, Gemeinschaft förderten oder Erleichterung im Lockdown-Alltag brachten.

Ein Beispiel dafür waren die Aktivitäten zahlreicher Marken aus dem Health- und Fitnessbereich: Regelmäßige Live-Sessions über Instagram mit fachkundigen Trainern brachten das Sportstudio nach Hause – und gaben ein Gefühl von gemeinsamer sportlicher Betätigung trotz Kontaktverbot.**

Und auch Prominente engagierten sich für ein fitteres Leben trotz Lockdowns. Unter dem Hashtag #StayAtHomeChallenge teilte die Internetgemeinde ihre kreativsten Ideen, um daheim Sport zu machen – allen voran prominente Fußballspieler wie Jérôme Boateng und Superstar Neymar.

Die Supermarktkette Penny*** hingegen setzte auf Solidarität und Gemeinschaft. Auf Facebook wurden Erntehelfer gesucht, Plakate für die Nachbarschaftshilfe für den Hausflur als Download zur Verfügung gestellt oder zum Applaus für die Mitarbeiter als „Helden des Alltags“ aufgerufen.

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Viele Marken haben dieses neue Handlungsfeld im Social Web für sich und die eigene Markenbildung genutzt, um sich auch für die Zeit danach zu positionieren. Nie ist die sonst so abgedroschene Phrase „Purpose schaffen“ so wichtig wie in Krisenzeiten. Es geht um Haltung, um Solidarität, darum, auch als Marke ein Teil der Gemeinschaft zu sein – und die Macht der eigenen Reichweite für das Gemeinwohl zu nutzen. Wer hier clever agierte, brachte sich in eine gute Position.

Und die Nutzer schauten genau hin. Unternehmen, die ausschließlich auf ihren eigenen Vorteil bedacht waren, rechtliche Schlupflöcher in der neuen Gesetzgebung suchten oder plump weiter warben, wurden ohne Umschweife abgestraft. So wie beispielsweise mehrere große Handelsmarken, die präventiv die Mietzahlungen für ihre Ladengeschäfte aussetzten, um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Unternehmen zu erhalten. Eine Entscheidung, die gravierende Folgen nach sich zog: Kunden riefen im Social Web zum Boykott auf, ein Shitstorm entlud sich auf den Profilen der Marken. Einige der Unternehmen ruderten daraufhin zurück und kündigten an, private Vermieter doch bezahlen zu wollen – der Image-Schaden insbesondere im Social Web war aber angerichtet.

Phase 3: Eskapimus

„Können wir bitte über etwas anderes sprechen?“ Dieser Satz fiel nach einer Weile immer häufiger in Gesprächen. Eine vollkommen normale Reaktion in Krisenzeiten: Der Mensch akzeptiert die Dinge, die er nicht beeinflussen kann, und sehnt sich nach Normalität und einer Art Alltag in einer nicht mehr alltäglichen Welt. Verfolgte man zu Beginn noch aufmerksam die Nachrichten, las jeden Artikel auf einschlägigen News-Portalen und fieberte dem nächsten „Public Applause“-Event entgegen, war die Phase 3 der Krise geprägt vom Wunsch nach Zerstreuung.

Und diese erhoffte und erwartete man sich unter anderem von seinem Social-Media-Newsfeed: Lustige Videos von Hunden, die sich über die dauerhafte Anwesenheit ihrer Besitzer freuten, standen hoch im Kurs, User fotografierten leere Klopapierregale in der Drogerie und man wunderte sich kollektiv über den reißenden Absatz von Hefewürfeln. Und noch etwas war neu: Man quittierte die Krise erstmals mit einem Augenzwinkern. Zahlreiche Memes zu angefutterten Corona-Kilos oder Rezepttipps für das beste Bananenbrot machten die Runde. Der beliebte Hashtag #coronahaircut zeigte die missglückten Versuche, den gewohnten Friseurbesuch durch einen heimischen Laienschnitt zu ersetzen.**** Allein in den ersten zwei Monaten verzeichnete der Hashtag mehr als 8.000 Beiträge auf Instagram.

Phase 4: Fake News on the Rise

Dieser verstärkte Konsum von sozialen Medien brachte jedoch auch die dunklen Seiten der Plattformen auf den Plan – und zwar schon sehr bald. Nirgendwo lassen sich Verschwörungstheorien besser verbreiten, Misstrauen besser schüren oder Falschmeldungen besser streuen als in den sozialen Medien. Die Ausbreitung des weltweiten Virus wurde schon früh von Gerüchten und Falschmeldungen begleitet, die WHO warnte gar vor einer „Infodemie mit Fake News“.

Facebook ließ verlauten, dass man einen „signifikanten Anstieg von weitergeleiteten Nachrichten feststellte, die auch zur Verbreitung von Falschinformationen beitragen könnten“. Und beschränkte daraufhin die Forward-Funktion auf WhatsApp von bereits häufig geteilten Beiträgen in Chat-Gruppen. Außerdem konnten User Meldungen an eine Art „Fact Checker“-Organisation schicken, um den Wahrheitsgehalt der News überprüfen zu lassen.

Auch Twitter reagierte im Mai, nachdem Falschmeldungen gefühlt überhandnahmen. „Tweets mit Inhalten, die von Experten als irreführend oder falsch eingestuft worden sind und durch die Menschen zu Schaden kommen könnten, würden gelöscht werden“*****, kündigte das Unternehmen an. Inhalte müssten künftig mit einer vertrauenswürdigen Quelle versehen werden, um dem Test standzuhalten.

Doch der Kampf gegen Falschmeldungen ist noch lange nicht gewonnen: Fake News von echten News zu unterscheiden, ist auch heute, viele Monate nach dem Lockdown, eine der wichtigsten Herausforderungen, der sich Plattformbetreiber, News-Portale, aber auch Konsumenten dieser Nachrichten stellen müssen.

Phase 5: Das neue Wir-Gefühl?

Es fühlt sich gut an, es fühlt sich wohlig an – überall entstehen neue Formen von digitalen Gemeinschaften, Kooperationen und Kollaborationen. Wir organisieren uns in Facebook-Gruppen, um Menschen in der Nachbarschaft zu helfen, wir verabreden uns auf WhatsApp, um gemeinsam für die Belegschaft im Krankenhaus zu musizieren, wir posten unsere persönlichen Mutmach-Statements auf Instagram und fordern unsere Follower auf, es uns gleichzutun.

Eine Reihenhaussiedlung in Bamberg veröffentlichte ihre persönliche Interpretation von „Bella Ciao“, um den italischen Mitmenschen Mut zusprechen, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind. Unter dem Hashtag #nachbarschaftschallenge riefen User auf Twitter dazu auf, ältere oder kranke Menschen durch Einkäufe oder andere Erledigungen zu unterstützen.

Und untersucht man die Anzahl der Nennungen des Wortes „danke“ in den sozialen Medien, so war von Februar auf März ein signifikanter Anstieg zu verzeichnen. Gedankt wurde Menschen in Pflegeberufen, Ärzt*innen, Angestellten in Supermärkten – oder eben dem netten Nachbarn von nebenan, der uns die Einkäufe mitgebracht hat.

Das neue Wir steht also hoch im Kurs. Ein soziales Miteinander in einer Zeit, in der alle denselben unsichtbaren Feind zu haben scheinen, der keinen Unterschied macht zwischen Mann und Frau, Arm und Reich, Weiß und Schwarz. Das solidarisiert und bringt zusammen. Doch wie nachhaltig ist diese neue Kultur? Bleibt diese Solidarität auch nach der akuten Krise bestehen – wenn wir uns an das „New Normal“ gewöhnt haben und geschäftig unserem Alltag nachgehen?

Nimmt man ein bekanntes Beispiel aus Jean-Paul Sartres Werk „Critique de la raison dialectique“, bestehen berechtigte Zweifel: In dem Buch wartet eine Menschenmenge tagtäglich auf einen Bus. Immer dieselben Personen an immer demselben Ort zu immer derselben Zeit. Sie sprechen nicht miteinander, jeder wartet für sich. Sie nehmen nicht einmal bewusst Notiz voneinander. Dann kommt der Bus eines Tages nicht. Und zum ersten Mal sind die Menschen aufeinander angewiesen: Sie organisieren sich, sie werden kreativ, sie helfen einander – um gemeinsam eine Lösung zu entwickeln. Denkt man diese Geschichte einmal weiter, muss man sich unweigerlich die Frage stellen: Was passiert, wenn alles wieder zur gewohnten Ordnung übergeht? Wenn der Bus morgen wieder pünktlich abfährt?

Doch es besteht durchaus die Möglichkeit einer bleibenden Gemeinschaft, der Wiederentdeckung der Familie, der Freunde, des Comebacks der guten Nachbarschaft. Und die sozialen Medien könnten einen ganz wesentlichen Teil dazu beitragen, dass morgens an der Bushaltestelle wenigstens ein freundlicher Gruß oder eine helfende Hand beim Einsteigen bleibt. Sie bieten virtuelle Räume für ein Miteinander in einer Zeit, in der kollektives Handeln im klassischen Sinne (noch) nicht möglich ist. Soziale Medien haben einen immensen Einfluss darauf, wie wir unseren Alltag erleben, sie ermöglichen gemeinschaftliche Erfahrungen mit Menschen, ganz unabhängig davon, ob sie uns bekannt oder fremd sind. Und solche Erfahrungen sind in Krisenzeiten von enormer Bedeutung. Sie stabilisieren und geben uns Halt – und lassen uns optimistischer nach vorn blicken. Nutzen wir diese Chance!

Dieser Artikel erschien zuerst im TWELVE, dem Magazin der Serviceplan Group für Marken, Medien und Kommunikation. Weitere spannende Artikel, Essays und Interviews von und mit prominenten Gastautor:innen und renommierten Expert:innen lesen Sie in der siebten Ausgabe unter dem Leitthema „Rethink!“. Zum E-Paper geht es hier.

* Quelle: MEDIAPLUS | Insights.​ Fragetext: Inwiefern hat sich Ihre Mediennutzung durch das Corona-Virus verändert?

** Quelle: Foodspring auf Instagram https://www.instagram.com/foodspring

*** Quelle: Penny auf Facebook https://www.facebook.com/PennyDeutschland/

**** Quelle: #coronahaircut auf Instagram https://www.instagram.com/explore/tags/coronahaircut

***** Quelle: https://blog.twitter.com/en_us/topics/product/2020/updating-our-approach-to-misleading-information.html

Dass Social Media die journalistische Arbeit beeinflusst, ist ein alter Hut. Bekannt ist auch, dass viele Medienmenschen das Social Web als nicht wirklich relevant einschätzen. Zahlreiche Studien wie der Social Media Trendmonitor belegen das immer wieder. Was noch nicht geklärt ist: Was bedeutet die unstreitig zunehmende Rolle von Social Media im Redakteursalltag für die Kommunikationsstrategien von PR und Unternehmen?

Ziel einer aktuellen Studie von Serviceplan Public Relations war es daher, die Sicht der Redakteure auf das Verhältnis von Journalismus, PR und Unternehmen zu erforschen. Denn nur wer wirklich weiß, wie Redakteure die Auswirkungen des Social Web als täglichem Arbeitstool bewerten und wie sich ihre Anforderungen an Informationen von Unternehmen womöglich ändern, hat als PR-Agentur bzw. Unternehmen die Chance, Medienversteher zu bleiben. Im Fokus der Untersuchung standen Journalisten der Ressorts Wirtschaft/Finanzen und Sport. 358 von Ihnen wurden 2011 online befragt.

Die Ergebnisse der Studie: Egal ob Wiki, soziales Netzwerk, Videoportal oder Blog: 97% der Befragten sind überzeugt, dass Social Media zukünftig eine Rolle in der Beziehung von Journalismus und PR spielt. Wie konkret das Social Web jedoch Einfluss nehmen wird, ist für 74% noch unklar. Mit den aktuellen Social-Media-Präsenzen der Unternehmen sind 93% der Redakteure unzufrieden. Dagegen bewerten 80% die traditionelle Pressemeldung als relevant für ihre journalistische Arbeit.

Klar ist: Das Social Web und vor allem die an Dialog orientierten Anwendungen sind mittlerweile etablierte Kommunikationskanäle. Sie müssen also in PR-Strategien mehr denn je mit einbezogen werden. Gerade, weil sich soziale Medien für Journalisten zu einer zusätzlichen Ressource für Trendbeobachtung und Networking entwickelt hat. So haben sich teilweise auch die Erwartungen an PR verändert, zumindest für 33% der Journalisten, so die Studie.
Internet-User machen heute weltweit News. User-generated Content ist das wichtigste Merkmal des World Wide Web und gleichzeitig eine in ihrer Bedeutung wachsende Ressource für Journalisten. Allerdings unterscheiden Redakteure fein zwischen subjektiven News und objektiven Nachrichten: Im Social Web finden sich persönliche Erfahrungsberichte, Lob, Kritik, Inspiration und Kontakt. Das hat seine Bedeutung für Journalisten – nicht mehr und nicht weniger.
So sind Journalisten heute zwar nicht mehr allein auf klassische Pressemitteilungen angewiesen, da auch Unternehmen und Organisationen zum Teil alle Informationen auf ihren Social-Media-Plattformen zur Verfügung stellen und User-generated Content auch dort an Bedeutung gewinnt. Auf der anderen Seite aber – und das zeigt die Studie deutlich – misstrauen Journalisten dem Social Web als Ausgangspunkt für Nachrichten. Zusätzlich beklagen sie die mangelnde Qualität vieler Inhalte. Kurzum: Das Social Web gilt nur in Ausnahmefällen als verlässliche Quelle für Nachrichten.

Kein Wunder also, dass die traditionelle Pressemeldung, ausgestattet mit erkennbarem Absender und mit direkten Kontaktdetails, immer noch eine tragende Rolle für die Informationsbeschaffung spielt. Klingt bieder, ist aber so. Durch die Qualität der Information und die Möglichkeit der direkten Nachfrage bietet sie in Zeiten millionenfachen Situationsjournalismus via Social Web professionelle Unterstützung für Redakteure. An der Pflicht zur Gestaltung von Multichannel Content ändert sich aus Sicht der PR nichts, an der Wertschätzung des guten alten PR-Handwerks vielleicht schon.

Kennen Sie das? „Wir haben 80.000 Fans bei Facebook“ oder „bis zum nächsten Quartal brauchen wir 1000 Fans mehr als die Konkurrenz!“ Viele Unternehmen und Organisationen haben die Anzahl der Fans bei Facebook zur Leitwährung ihrer Social Media-Aktivitäten erkoren. Ganz nach dem Motto: Viel hilft viel. Verständlich, die Anzahl der Fans ist sowohl für Organisation („mehr Fans als der Wettbewerber“) als auch für User („geteiltes Interesse“) ein wichtiger Imageindikator. Blöd ist dabei aber: Facebook tickt anders und schickt auch Unternehmen mit sehr vielen Fans in die kommunikative Wüste.
Wer heute allein auf die Fanzahlen schielt, Meldung nach Meldung auf der Pinnwand platziert und mittels Gewinnspiel ohne Markenrelevanz („gewinne ein iPAD“) Fanzahlen nach oben treibt, redet am Ende doch nur mit sich selbst. Er verhält sich wie jemand, der völlig belanglose Pressemitteilungen an einen riesigen Verteiler schickt und sich dabei gut verstanden fühlt. Und Facebook ist gnadenlos und behandelt alle gleich – ob Großkonzern, Wohltätigkeitsorganisation oder lokale Friseur-Kette. Der bloße „Gefällt mir“-Klick reicht nicht aus, um User mit den eigenen Einträgen zu erreichen – sie werden bei den Meldungen auf der Pinnwand schlicht und einfach nicht mehr angezeigt. Denn Facebook ordnet Meldungen und ganze Seiten nach der individuellen Relevanz – dem sogenannten Edge Rank. Das Geheimnis, wie dieser Algorithmus die drei Hauptkriterien Affinität, Gewichtung und Aktualität mit zahlreichen anderen Faktoren ermittelt, wird von Facebook gehütet wie die Brausehersteller aus Atlanta die Originalrezeptur ihrer Coke. Und wahrscheinlich auch ähnlich oft geändert wie die legendären Suchmaschinenalgorithmen von Google.
Smarte Social Media-Konzepte aktivieren daher gezielt den Dialog mit den eigenen Fans und deren Freunden. Wie man das bei Facebook macht? Ingo Di Bella, Experte der auf Social Media spezialisierten Beratungsfirma UCS, hat hierfür eine einfache Formel: „Gute Fragen stellen, Erfahrung sammeln und immer besser werden.“ Je mehr Fans Meldungen „liken“, kommentieren, die Anhänge anklicken und den Post mit ihren eigenen Freunden teilen, desto größer ist die Relevanz und die Wahrscheinlichkeit, dass Posts weiter auf der sogenannten Wall der Fans zu sehen sind.
Kommunikationsverantwortliche müssen daher entscheiden, ob sie wirklich den langfristigen Dialog und die Interaktion mit Usern suchen oder den reinen Imageeffekt einer großen Fanzahl. Das System Facebook zu verstehen ist für erfolgreiche Kommunikation im Social Web unerlässlich. Und fällt vielen Organisationen schon schwer genug.