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Kurz vor den Wahlen zum Europäischen Parlament wird viel über die Zunahme von weltweiten Konflikten und Konfrontationen diskutiert. Auch das Internet hat eine Geschichte von großen Auseinandersetzungen. Ob zwischen Amazon und Google nun der nächste Krieg der Plattformen droht, besprechen wir in den SEO-News für den Monat Mai.

Sprachassistenten: Der neue Wettkampf der Marktschreier

Der Wettkampf der intelligenten Assistenten ist in vollem Gange. Nachdem sich die erste Aufregung über die Möglichkeiten der neuen Sprachtechnologie gelegt hat, wird der Wert der neuen Begleiter nicht mehr länger am Presserummel gemessen. Stattdessen müssen Alexa, Siri und der Google Assistant nun ihre Wirtschaftlichkeit im harten Wettbewerb unter Beweis stellen. Die Ausgangssituation könnte dabei unterschiedlicher kaum sein: Stehen wir nach dem Ende der der Browser- und Konsolenkriege erneut kurz vor einem Kampf der Plattformen?

Wer mit seiner Marktmacht die Standards der Zukunft setzen wird, ist noch lange nicht ausgemacht. In Sachen Hardware hat augenscheinlich Amazon die Nase vorne. Obwohl sich beide Unternehmen nicht gerne in die Karten schauen lassen, hat der Online-Versandriese Zahlen bestätigt, wonach Amazon bis Ende 2018 rund 100 Millionen Geräte mit dem Sprachassistenten Alexa verkauft hat – vor allem intelligente Lautsprecher, wie den beliebten „Echo“ in unzähligen Varianten. Zum selben Zeitpunkt kam Google laut einer Studie der Beratungsgesellschaft RBC auf rund 50 Millionen verkaufte Lautsprecher weltweit.

Nicht Quantität, sondern der Mehrwert ist entscheidend

Die Anzahl von aktivierten Geräteeinheiten zeigt allerdings nur die Hälfte der Wahrheit: Anlässlich seiner Entwicklerkonferenz „Google IO“ gab das Unternehmen aus Mountain View kürzlich bekannt, dass man zwar in Sachen Smart Speaker hinter dem Rivalen Amazon zurückliege, die Software des hauseigenen Google-Assistenten im Gegensatz dazu jedoch bereits auf mehr als 1 Milliarde Geräten verfügbar ist. Hierzu zählen in erster Linie Smartphones, auf denen der Google Assistant als App eingesetzt werden kann; auf Android-Handys ist die Funktion beispielsweise bereits vorinstalliert. Zwar versteckt sich auch Alexa immer häufiger in Mikrowellen, Toiletten oder Synthesizern, allerdings muss dabei die Frage erlaubt sein, welchen Mehrwert der als Einkaufs- und Unterhaltungsmaschine konzipierte Sprachassistent hier zu bieten hat.

Google hat da mit Blick auf die Nutzungsszenarien eine deutlich bessere Ausgangslage. Eingebettet in eine umfassende Palette an Diensten und Funktionen von Email über Shopping, Navigation und den Terminkalender kann der Suchmaschinenriese ein ganz anderes Portfolio von Dienstleistungen anbieten. Auf seinem Weg zur Etablierung einer umfassenden und allgegenwärtigen Orientierungs-, Lösungs- und Komfortmaschine ist der Assistant für Google ein entscheidendes Instrument.

Google bläst zum Angriff – doch zieht nicht in den Krieg

So lässt sich auch die Ankündigung nachvollziehen, dass die Darstellung von Suchergebnissen im Assistant nun sukzessive dem Erscheinungsbild der mobilen Suchergebnisseiten (SERPs) angepasst werden soll. Dies hat zur Folge, dass sich die semantische Markierung und Strukturierung von Inhalten ebenfalls im Kontext des Google Assistant auszahlen wird. Darüber hinaus werden auch nicht-strukturierte Informationsfragmente ab sofort in Formaten ähnlich den bekannten Rich Snippets (kleine Auszüge von Webseiteninhalten auf den Suchergebnisseiten), den Knowledge Graphs oder direkten Antworten dargestellt. Diese Beobachtung scheint auch die Theorie der hier bereits thematisierten „Fraggles“ zu bestätigen, laut der Googles Künstliche Intelligenz  in Zukunft vermehrt kleine Informationshäppchen ohne Verweis auf eine URL frei kombiniert und zu einem individuellen Suchergebnis zusammenstellt. Auch in Sachen Monetarisierung geht Google in die Offensive und will seine Anzeigenkampagnen ab sofort auch auf Android Geräten innerhalb des Assistant aussteuern.

Die Entwicklung der Sprachassistenten läuft also nicht auf eine direkte Konfrontation hinaus, ein neuer Plattformkrieg wird uns wohl erspart bleiben. Die Frage, welcher Anbieter mehr Anwendungen von Dritten auf seiner Plattform vereinen kann, steht dabei nicht mehr so Vordergrund, wie es noch beim mobilen Betriebssystem der Fall war. Vielmehr werden wir Nutzer die Frage beantworten, ob Sprachsuche in Kombination mit künstlicher Intelligenz individuelle Lösungen für eine Vielzahl eng gefasster Nutzungsszenarien wie Amazons Einkaufsservice und Musikdienst hervorbringen wird, oder ob sich die große Google-Lösung einer umfassenden technischen Infrastruktur zu Unterstützung menschlicher Existenz in allen Lebenslagen durchsetzen wird.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Internet World Business.