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Volker Petzsch-Kunze von Plan.Net Performance nimmt Erfolgsfaktoren, die maßgeblich im Prozess der Marketplace Optimization sind, und erklärt, welche Maßnahmen fortlaufend und tagesaktuell durchgeführt werden sollten.

Für das e-commerce Magazin verfasste Björn Portillo, Managing Partner bei hmmh, einen Beitrag zum Thema POS-Innovationen in den USA und in China.

Vor einigen Jahren prophezeiten Experten das Ende des stationären Handels. Es hieß, er könne in dieser neuen, digitalen Welt nicht parallel neben dem Online-Handel bestehen. Mit der zwar langsamen aber stetig voranschreitenden Etablierung von Connected-Commerce-Konzepten änderte sich diese Sichtweise allerdings wieder. Ehemalige Online Pure Player wie notebooksbilliger.de oder mymuesli bauten sogar stationäre Concept Stores auf und finden sich nun im Sortiment großer Einzelhandelsketten wieder. Doch welche sind die Motoren, die diese Veränderung ins Rollen gebracht haben und welche Innovationen sind es, die den Einzelhandel wieder ins Spiel bringen?

Um das „Wieso“ und „Weshalb“ des Paradigmenwechsels zu ergründen, begeben wir uns auf eine wirtschaftliche und zugleich kulturelle Reise in die USA, besuchen China und kehren zurück nach Deutschland.

Koffer packen in Deutschland

Viele Unternehmen und Agenturen haben hart gearbeitet, um die technische Entwicklung voranzutreiben und unseren Alltag durch Innovationen einfacher zu machen. Konzepte für interaktive Berater-Lösungen sowie mobile Beratung über das eigene Smartphone, Mobile Payment oder Augmented- und Virtual Reality sind ausgereift genug, um sie im Store einzusetzen. Allerdings bleiben diese Möglichkeiten hierzulande noch viel zu oft ungenutzt. Doch warum ist das so? Liegt es an den Retailern, die Potenziale aus traditionellen Gründen ignorieren? Oder ist es die Skepsis gegenüber Neuem und das Misstrauen in die Technik selbst? Sind deutsche Ladenbetreiber, ihre Kunden oder sogar beide innovationsscheu?

Der risikoscheue, konventionelle Deutsche recherchiert und vergleicht besonders gern online. Wo er dann kauft, hängt vom Produkt und vom Kontext ab: mal online, mal offline. Ausschlaggebend dabei ist, dass er sich gut beraten sowie informiert fühlt und dass er sein gewünschtes Produkt ausgiebig begutachten kann.

Technische Hürden und fehlende Akzeptanz

Für die klassischen Retailer gilt es nicht nur ein stets verfügbares und breitgefächertes Produktsortiment anzubieten, sondern Marken sowie ihre Produkte für jeden Kunden richtig in Szene zu setzen. Oft scheitert die Umsetzung von Connected-Commerce-Konzepten jedoch schon am Internetzugang für die Kunden. Auch die Nutzung von unterschiedlichen Systemen, die nicht einfach zusammenzuführen sind, stellt Händler oftmals vor große Hürden. Das erschwert es Händlern ihre Kunden wiederzuerkennen und macht es unmöglich relevante Daten zu sammeln, eine ganzheitliche Beratung oder einen schnellen sowie einfachen Bezahlvorgang anzubieten. Einzelne wenige Beispiele ausgenommen.

Eine weitere Herausforderung: Obwohl der deutsche Konsument großen Wert darauf legt, sein gewünschtes Produkt zu testen, es am liebsten sogar in seinem privaten Umfeld auszuprobieren und darüber hinaus eine umfassende individuelle Beratung erwartet, ist er häufig gar nicht bereit seine persönlichen Informationen zu teilen.

Auf in die USA

Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten – ist das auch im Hinblick auf Store-Innovationen der Fall und welche dieser Entwicklungen sind bereits etabliert? Eine deutlich höhere Population auf einer 25 mal größeren Landesfläche macht es uns schwer, den Durchschnittsbürger der USA auszumachen. Wir können jedoch festhalten, er ist offen für Neues, praktisch denkend und stets auf der Jagd nach Schnäppchen. Beim Eishändler um die Ecke zahlt er am liebsten mit der Kreditkarte und beim wöchentlichen Einkauf ist das dicke Couponheft sein wertvollster Begleiter. Die vielleicht wichtigsten Motoren für Innovationen sind der Spartrieb und die Bequemlichkeit der Amerikaner.

Ideen werden getestet und optimiert

Täglich entstehen neue Konzepte, die den US-Bürgern ein Shopping-Erlebnis geben, das sie verlangen. So öffnete der Internetriese Amazon Ende 2016 die Türen seines Amazon Go Lebensmittelladens in Seattle, in dem Schlangestehen und physisches Bezahlen überflüssig sind. Alles über eine im Store installierte Bewegungserkennung – die sogenannte „Just walk out technology“. Bezahlt wurde über PayPal und das Amazon.com-Konto. Auf Grund von technischen Problemen bei der Bewegungserkennung und dem Tracking von mehr als 20 Kunden gleichzeitig, musste der Store jedoch vorerst geschlossen werden.

Amazon Go

Amazon Go – Einkaufen ohne an der Kasse Schlange zu stehen: rein in den Store, Produkt in die Tasche stecken und einfach wieder rausgehen. Quelle: Amazon

Das Beispiel zeigt, dass bei innovativen Unternehmen nicht gleich alles beim ersten Mal funktionieren muss. Während es in Deutschland verpönt ist, Fehler zu begehen – was verursacht, dass gar nicht erst probiert wird neue Konzepte zu etablieren – gilt in den Staaten das erfolgreiche Prinzip von „trial and error“. Mut wird belohnt.

US-Retailer wissen, was ihre Kunden brauchen

Konträr zu der vorsichtigen Mentalität deutscher Offline-Retailer bringt der US-Markt zahlreiche Beispiele für seine gelebte digitale Transformation. Der Retail-Riese Walmart kauft beispielsweise Online-Shops sowie -Startups auf und wagt so den Schritt in den E-Commerce. Der zweite stationäre Big Player, Target, bietet seinen Kunden eine praktische App, mit der Konsumenten nicht nur Coupons einfach per Smartphone verwalten können, sondern zusätzlich eine In-Store-Navi nutzen können. Diese zeigt den direkten Weg zum gesuchten Produkt. Weitere Konzepte werden bereits getestet. Uneingeschränktes Datenvolumen bei Mobilfunkverträgen erleichtert die Nutzung solcher Angebote ungemein.

„Ob künstliche Intelligenz in Form von Multiple Interfaces oder Robotern im Store, Sprachassistenten in Form von In-Ear-Beratern oder die Lieferung nach Hause, ohne dass man selbst zuhause sein muss: All das sind Trends auf dem US-Markt, die auf Grund der Mentalität nicht alle mit dem deutschen Markt kompatibel sind.“, gibt Nicolas Roemer, Chief Business Development Officer Serviceplan US, zu bedenken.

Weiter nach China

Wer China einst bereist hat, weiß um die besondere Technikaffinität und das gruppenorientierte, schwarmartige Denken der Menschen dort. Auch hat er das typische Stadtbild vor Augen: Millionen von Menschen auf den Straßen, immer mit gezücktem Smartphone und unbegrenztem Datenvolumen. Angetrieben von Fortschritt und Weiterentwicklung finden neue Konzepte hier schneller großen Anklang in der Gesellschaft.

Bei Innovationen einen Schritt voraus

Einzelhändler, die auch im E-Commerce erfolgreich waren, suchten bereits vor Jahren nach Wegen die Online- und Offline-Welten miteinander zu verknüpfen. Pioniere auf dem Markt wie Alibaba.com erkannten die damalige Entwicklung des „mobile Booms“ in China und entwickelten Konzepte, die der Mentalität und dem neuen Einkaufsverhalten der Chinesen entsprachen. Das Ergebnis waren futuristische Stores mit ausgefeilter Technik. So wurde in Chinas Provinz Guangdong ein Selbstbedienungsladen namens „BingoBox“ ins Leben gerufen. Noch lange nicht so komplex und umfangreich wie der Amazon Go Store, jedoch angepasst auf das Bedürfnis nach Mobile Shopping. Als der Amazon Go Store in den USA getestet wurde, eröffnete Alibaba.com bereits eine ausgereifte Variante des vollautomatisierten Store-Konzepts in China: das „Tao Cafe“. Hier können Kunden via LogIn per Smartphone und über Gesichtserkennung an den Kassenbereichen bargeldlos bezahlen.

Tao Cafe

Tao Cafe – Einkaufen via Gesichtserkennung: Das kassiererlose Cafe kombiniert automatische optische Sensoren und Gesichtserkennung, um die Fehlerrate zu senken. Quelle: VCG Photo oder CNR

Die Ära des staff-free Shoppings

Kassiererlose Stores und automatisierte Services sind in chinesischen Malls gelebter Alltag, denn das schnelle Bezahlen per Smartphone boomt weiter: Mittlerweile zahlen 6 von 10 Kunden ihre Einkäufe über ihr Handy. Für chinesische Einzelhändler bietet dies großes Potenzial. Payment-Dienstleister wissen um die soziale Interaktion der Chinesen und kombinieren die beliebte Zahlungsmethode mit Social Media Funktionen. So können Nutzer von WeChat Pay den offiziellen WeChat-Konten des jeweiligen Einzelhändlers folgen und sich beraten lassen oder Fragen stellen. Die Nutzer können sich auch untereinander austauschen und Empfehlungen aussprechen. Aus unserer Sicht besonders dabei: Die Retailer agieren dort wie Privatpersonen. Denn sie wissen, Kunden identifizieren sich viel stärker mit der Marke und verbinden damit deutlich mehr Emotionen als die Menschen in Deutschland.

Der Hype um Mobile Payment in China hat die Entwicklung hin zum Connected Commerce stark vorangetrieben: Für Retailer ist diese Zahlungsmethode nicht nur Umsatztreiber, sondern auch ein neuer Weg der Kommunikation sowie Interaktion – online und offline. Ein Paradebeispiel einer optimalen und ganzheitlichen User Journey.

Mit vollem Gepäck zurück in Deutschland

Die Amerikaner und besonders die Chinesen machen es uns bei der Implementierung von Connected-Commerce-Konzepten vor. Dabei sind Apple- und Samsung-Pay essenziell, genauso wie große mobile Datenpakete zu günstigen Tarifen, die es den 360°-Retailern erlauben, ganzheitliche Services über das Smartphone im Store anzubieten. Deutschen Händlern fällt es jedoch noch schwer, diesen Schritt mitzugehen. Der Seamless Customer Journey sind noch klare Grenzen gesetzt und der Kunde hat sie sogar selbst mit aufgebaut. Die Vorsicht des Deutschen, datenschutzrechtliche Barrieren sowie die Hemmungen gegenüber der Nutzung von vorhandener Technik müssen abgebaut werden. „Viele der deutschen Händler haben das Gefühl, ihnen seien die Hände gebunden und sie müssen einen gewaltigen Spagat machen.“, verrät Björn Portillo, Managing Partner bei hmmh. Genau hier ist es wichtig, den richtigen Partner an seiner Seite zu haben, mit dem man gemeinsam Möglichkeiten und Wege entwickelt, die dem Konsumenten Mehrwerte bieten, für die er seine Daten gern zur Verfügung stellt.

Während Deutsche noch immer Angst davor haben einen Fehler zu machen und deshalb häufig zu spät handeln, herrscht in den USA eine andere Fehlerkultur. „Testen, optimieren, anschließend erneut testen gehört zum Innovationsprozess und ist fest in den Köpfen verankert.“, so Nicolas Roemer, Chief Business Development Officer Serviceplan US. „Auch, wenn ein Konzept mal nicht gut ankommt und wieder eingestampft werden muss, bricht das der Marke nicht gleich das Genick. Ganz im Gegenteil, Mut macht sich bezahlt.“

Der Motor für die Digitalisierung des stationären Einzelhandels in China ist der Drang nach Fortschritt. Jedoch macht es keinen Sinn Innovationen einfach zu kopieren und sie auf Zwang bei uns einsetzen zu wollen. „Gemeinsam mit unseren Händlern müssen wir zunächst festlegen, welche Probleme der Zielgruppe wir lösen möchten. Erst dann sollten wir prüfen, welche Innovationen wir dafür wie einsetzen, damit sie auch Anklang finden.“, ermutigt Björn Portillo.

Wir kennen die Bedürfnisse und Ängste des deutschen Kunden, die technischen Herausforderungen von Retailern und haben bereits Ansätze für individuelle Lösungen. Erfahrene, international agierende Agenturen warten also nur auf den Startschuss.

Wenn Großinvestor Warren Buffet nicht mehr an den stationären Handel glaubt, dann ist das schon ein Paukenschlag. So darf man es auf jeden Fall deuten, wenn dessen Holdinggesellschaft „Berkshire Hathaway“, Wallmart Aktien im Wert von 900 Millionen US-Dollar verkauft und stattdessen lieber in Airlines investiert. Das Branchenportal Business Insider fragt sogar, ob es sich hierbei um den „Todesstoß für eine ganze Branche“ handelt.

PCs, Laptops, Smartphones, Tablets, Wearables – die Möglichkeiten um einzukaufen, sich beraten zu lassen oder einfach nur um zu stöbern sind grenzenlos. Ausgefeilte Produktdarstellungen und -beschreibungen, Chatbots sowie Live-Chats ersetzen mehr und mehr die Verkäufer im stationären Handel. Zunehmend kostenlose und immer schnellere Lieferungen sparen Zeit und schonen Nerven. Zusätzlich hilft Big Data dabei, den Online-Shop zu personalisieren und Waren schneller zu finden oder gar den richtigen Vorschlag für etwas zu bekommen, von dem man gar nicht wusste, dass man es sucht. 1:0 für den Online-Shop, könnte man meinen.

Seit einiger Zeit ist aber auch ein Gegentrend zu beobachten: Der Einkauf im stationären Shop hat für den Kunden wieder eine gewisse Wertigkeit erlangt. Das gilt aber selbstverständlich nur, wenn er sich davon einen Mehrwert verspricht. Für Konsumenten geht es längst nicht mehr um ein „Entweder Oder“. Sie wollen beides – sowohl Online-Shopping als auch Einkaufen im stationären Handel – und das am besten auf intelligente Weise miteinander verknüpft. Das bringt den stationären Handel wieder zurück ins Spiel.

Dabei ist die berühmte „Seamless Customer Journey“, also das nahtlose Einkaufen, aber noch längst nicht erreicht, wenn im Store Verkäufer mit Tablets ausgestattet sind bzw. digitale Beratungsterminals aufgestellt werden, um die Verlängerung in den Online-Shop zu gewährleisten. Möglichkeiten wie Beacon-Installationen im Shop, Tracking der mobilen Devices oder Voice Services wie Amazons Alexa ermöglichen es den Endkunden da abzuholen, wo er zuletzt seine Reise begonnen, pausiert oder beendet hat – nämlich online.

Durch die intelligente Auswertung von Daten können Händler darüber hinaus auch endlich einen weiteren entscheidenden Nachteil beheben: Bisher wusste ein Einzelhändler nicht sonderlich viel über seinen Kunden, abgesehen von den besonders guten vielleicht. Weder wusste er, für was er sich vor, nach oder während des Filialbesuchs interessiert hat, noch ob er parallel zum Besuch im Store Preise bei Konkurrenten verglichen hat. Durch das ganzheitliche Sammeln und Erfassen von Verhaltensmustern, Vorlieben und Bedürfnissen der Kunden im Store und im Online-Shop können diese Informationen sinnvoll zu einem persönlichen Profil zusammengefasst und an den Kunden in Form von echten Mehrwerten zurückgegeben werden.

Die Voraussetzung dafür ist, dass die richtigen Fragen gestellt werden. Dem Multimedia-Store nützt die Information zur Haarfarbe weniger als der Musikgeschmack des Kunden. Nicht alle Daten sind relevant – umso wichtiger ist die richtige Datenstrategie. So haben nicht nur Shop-Betreiber die Möglichkeit sich dem Besucher anzupassen, sondern auch der stationäre Möbelhändler, der Hifi-Shop oder der Supermarkt am Ende der Straße.

Gesammelte Daten können bereits heute in Echtzeit ausgelesen und in eine Interaktion im POS umgewandelt werden. Allzu oft mangelt es aber an einer intelligenten Datenstrategie und scheitert an veralteten Strukturen, die nun aufgebrochen werden müssen. Wenn man dann außerdem bedenkt, dass künftig das Einkaufserlebnis am Point of Sale sowie die Effizienz einer perfekten Beratung dank Virtual und Augmented Reality auf ein ganz neues Level gehoben werden kann, sollte man den stationären Handel auf keinen Fall zu früh abschreiben.
Die digitale Transformation eröffnet zukunftsorientierten Retailern die Möglichkeit aufzuholen und zu 1:1 auszugleichen. Sie müssen die Chance nur ergreifen.

Warum bringen wir also nicht endlich das Beste von Online und Offline im Sinne des Endkunden zusammen? Wenn der Kunde wirklich im Fokus stehen soll, muss das eigene Kanaldenken durchbrochen und Neues gewagt werden. Doch das gelingt nur, wenn man das Verhalten der Konsumenten genau kennt und einen Plan hat, wohin die Reise gehen soll. Der POS steht unter Zugzwang – wer sich nicht den Bedürfnissen der Kunden anpasst, wie es jeder Online-Händler tut, hat in Zukunft keine Chance.

Dieser Artikel wurde auf internetworld.de veröffentlicht.