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Das Wichtigste vorweg: Ungeahnte Überraschungen halten die einzelnen Trendthemen für 2020 nicht bereit. Viel überraschender ist dieses Jahr hingegen etwas anderes: Der Handlungsdruck, den immer mehr Trends auf Marken ausüben. Denn viele der Trendthemen erfordern spätestens jetzt eine gezielte Auseinandersetzung – nicht nur unter dem Stichwort Purpose geht es heiß her – aber eins nach dem anderen. 

Alle Jahre wieder geben unzählige Experten zum Jahreswechsel ihre Prognosen zu den wichtigsten Trendthemen im neuen Jahr ab. Zum vierten Mal in Folge haben wir auf Basis dieser Trendprognosen eine Metaanalyse für das neue Jahr durchgeführt. Basis bilden diesmal 40 Prognosen, bei denen wir uns genau angesehen haben, was die Experten zu den Entwicklungen in Media, Marketing und Tech zu sagen haben. Die Quellen reichen von renommierten Fachmagazinen über Unternehmensberatungen bis hin zu Agenturen. Aus diesem bunten Strauß an Trends haben wir, die Experten aus dem Mediaplus Trendhub, zunächst die wichtigsten Themen identifiziert, herausgefiltert und geclustert. Anschließend wurden die Trends hinsichtlich ihrer allgemeinen Handlungsrelevanz für Marken bewertet. Das Ergebnis ist der Urgency Trend Radar 2020. Er besteht aus fünf großen Themenblöcken, in denen 44 relevante Trends auf einer Heat Map zur Handlungsrelevanz verortet sind.  

Auch wenn – wie schon zu Beginn erwähnt – keiner der einzelnen Trends bahnbrechend erscheinen mag, so bilden sie in Summe eine bisher nicht dagewesene Brisanz für Marketingtreibende. Die fünf großen Trend-Themenblöcke für das neu angebrochene Jahrzehnt sind: Purpose, Super User, Content Experiences, Platform Economy und Private Personalization.  

Purpose – ein Thema, an dem dieses Jahr kaum eine Marke vorbeikommt 

Das Jahr 2019 gab die Richtung vor: Trust, Nachhaltigkeit und klare Haltung waren Themen, die stark in den Fokus der medialen Öffentlichkeit gerückt sind. 2020 werden sich diese Themen vermehrt auf die Kommunikation von Unternehmen übertragen: Die Kunden erwarten eine klare Positionierung und ein offenes Bekenntnis zu aktuellen gesellschaftlichen Werten und Fragestellungen. Gleichzeitig werden die Konsumenten wesentlich empfindlicher und jede Form von „Woke Washing“, also gespielte und nicht gelebte Haltung zu Marketing-Zwecken, anprangern. Schnell stellt sich die Frage: Braucht meine Marke einen Purpose und wie kommuniziert man diesen richtig?  

Super User – ihr Einfluss wird noch dominanter 

Super User haben einen überproportional starken Einfluss und bestimmen das allgemeine Interesse. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung handelt es sich hierbei um relativ kleine Gruppen von Power Usern, deren Konsumausgaben, Mediennutzungszeit und meinungsbildender Einfluss jedoch weit über den der regulären Nutzer hinausgeht. Doch wer sind die für meine Marke relevanten Super User und wie kann ich ihre Einflussmacht richtig einsetzen? 

Content Experiences – der Schlüssel zur Aufmerksamkeit 

Die Aufmerksamkeit unserer Kunden ist ein knappes Gut. Aus diesem Grund werden Experiences, die Marken ihren Kunden anbieten, ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg auf allen Touchpoints sein. Die Transformation von analogen hin zu digitalen Experiences wird in diesem Jahr deutlich zunehmen. Wie schafft man relevante Markenerlebnisse in Zeiten boomender Short-Form Videos und Podcasts? 

Plattformen – hier spielt immer mehr Musik  

Plattformen haben sich als die zentralen Geschäftsmodelle der digitalen Ökonomie etabliert. Amazon, Uber und Facebook sind Paradebeispiele. Doch die lange währende Dominanz der US-Tech-Konzerne wird nun von chinesischen Konkurrenten wie Alibaba, Tencent und JD in Frage gestellt. Im Jahr 2020 werden sich Unternehmen darauf einstellen müssen, mehr Aktivitäten auf Plattformen zu verlagern. Welche Folgen hat das für die Customer Journey und warum gewinnen E-Sport-Plattformen immer mehr an werblicher Relevanz?   

Private Personalisation – Ungelöste Herausforderung  

Für die digitale Werbeindustrie brechen neue Zeiten an. Privacy, Datensicherheit und Trust waren bereits 2019 bestimmende Themen. In diesem Jahr wird sich die Werbe- und Kommunikationsindustrie nach Wegen umsehen müssen, mit weniger Daten das gleiche Maß an Personalisierung und Messbarkeit umsetzen zu können. Doch einen Königsweg gibt es bisher nicht. Welche Rolle spielen KI-Anwendungen und neue SSO-Lösungen dabei? Wie gelingt Data Storytelling in einer zunehmen cookielosen Zeit?  Blickt man im Ganzen auf die Entwicklung der Trendthemen der vergangenen Jahre, stellt man schnell fest, dass es einen starken Shift von Tech- und Gadget-Trends hin zu gesellschaftlichen und strategischen Herausforderungen gegeben hat. Auch die Welt der Trends wird immer komplexer. Ebenso wie den Konsumenten stehen auch Marken zahlreiche Möglichkeiten offen. Immer mehr Dinge können ausprobiert werden und locken mit neuen, gewinnbringenden Reizen. Doch nicht jede Entscheidung führt jede Marke auch gleichermaßen zum Glück. Hierfür ist eine professionelle Bewertung der markenindividuellen Chancen und Risiken unerlässlich. 

Weiterführende Details und Dokumente zum Trend Radar 2020 gibt es auf unserer Website.

In dem Format „Deep Dive“ tauchen Experten der Mediaplus Gruppe in die Welt der Marketing Trends ab und geben fundierte Einblicke in aktuelle Herausforderungen: Wie können neue Trends gesellschaftlich und wirtschaftlich eingeordnet werden und wie macht man Problemstellungen interdisziplinär anfassbar? Magnus Gebauer, Senior Consultant bei Mediaplus, bringt mit seinem Beitrag zum „Share-of-Wallet-Konflikt in der Subscription Economy“ Licht ins tiefe Dunkel.

„Do you really need a cow in order to get the milk?” Eine genauso einfache wie logische Frage, die sich Zuora-Gründer Tien Tzuo stellt. Zuora, das ist der weltweit führende Infrastrukturanbieter der Subscription Economy. Schenkt man Herrn Tzuo Glauben, dann gibt es in wenigen Jahren keinen Grund mehr, auch nur ein einziges Produkt zu besitzen. Eine gewagte These, auf die sich durchaus ein genauerer Blick lohnt.

Die Subscription Economy ist ein branchenübergreifendes Phänomen. Hello Fresh und der Dollar-Shave-Club stehen stellvertretend für eine Vielzahl an Services, die antreten, um etablierte Märkte auf den Kopf zu stellen. Selbst die eher konservativen Automobilhersteller entdecken das digitale Abonnement für sich. Mercedes-Benz testet mit „Mercedes me Flexperience“ ein eigenes Fahrzeug-Abo. Inzwischen hat sich also herumgesprochen, dass sich dieses Geschäftsmodell auszahlt. Zuora spricht von Wachstumsraten von über 300 Prozent in den letzten sieben Jahren.

Neue Player, neues Glück

Auch vor der Welt der Medien und des Entertainments machen Paid-Subscription-Angebote keinen Halt. Überbordende CD- und DVD-Regale gehören dank Netflix, Spotify und Co. der Vergangenheit an. Disney+, Apple TV+ und neuangekündigte Plattformen wie Quibi werden diese Entwicklung verstärken – gleichzeitig stehen sie für einen Wandel im gesamten Bewegtbild-Markt. Doch warum sind diese digitalen Abos so gefragt?

Die Subscription Economy steht für maximalen Kundenfokus. Heutigen Konsumenten geht es nicht mehr nur darum, ein Produkt zu besitzen oder einen Service zu nutzen; es geht ihnen um den Anspruch auf Lösungen, die sie flexibel und individuell an ihre Bedürfnisse anpassen können. Für die Nutzung von Paid-Media-Abonnements gibt es vier wesentliche Trigger:

  1. Höhere Flexibilität durch die Möglichkeit der On-Demand-Nutzung
  2. Zugang zu hochwertigen und oftmals exklusiven Inhalten
  3. (Teilweise) Werbefreiheit
  4. Kuratierte/personalisierte Inhalte

Paid Media Subscriptions sind eine bequeme On-Off-Beziehung – mit 30 Tagen Kündigungsfrist.

Der Share-of-Wallet-Konflikt

Netflix und Amazon Prime Video konkurrieren nicht nur untereinander – im Kampf um einen Teil des verfügbaren Entertainment-Budgets stehen Video-on-Demand-Dienste (VoD) auch den Subscription-Angeboten aus dem Audiosektor sowie dem digitalen Journalismus gegenüber. Hinzu kommen die neuen Abo-Angebote der boomenden Gaming-Branche sowie unzählige neue Player, wie etwa die digitale Magazin-App Readly. Immer mehr Dienste ringen um die Gunst der Nutzer, doch Paid Media Subscriptions verursachen Kosten. Schnell stellt sich die Frage, wie viele Abos ein Nutzer gewillt ist abzuschließen. Eine interne Umfrage unter Kollegen im Haus der Kommunikation bei Serviceplan hat gezeigt, dass zwei bis drei verschiedene Dienste genutzt werden – bei Kosten von 25 bis 35 Euro pro Monat. Nicht wenig, aber bei weitem nicht ausreichend, um sich vollumfassend mit Abo-Diensten zu versorgen. Der Share-of-Wallet-Konflikt um das verfügbare Budget ist offensichtlich. Zudem hat sich gezeigt, dass es den einen Subscriber-Prototypen nicht gibt – von der Binge-Watcherin über den Nachrichten-Aficionado bis zum Gaming Nerd – jeder nutzt Subscriptions anders.

Kann man sich ein werbefreies Leben kaufen?

Theoretisch könnte man sich mit Subscription-Media ein nahezu werbefreies Leben kaufen. Theoretisch! Praktisch ist das für den durchschnittlichen Nutzer schlichtweg zu teuer. Zudem decken Paid-Media-Abos inhaltlich bei weitem nicht alles ab. Die Dienste erweitern das Medienportfolio und ziehen Nutzungszeit von anderen Angeboten ab – substituieren sie aber nicht vollständig. Subscription-Kunden nutzen weiterhin andere mediale Angebote, die werblich belegt werden können. Fakt ist aber, dass die Werbefläche, insbesondere bei Heavy Usern, sichtbar kleiner wird.

Pauschale Antworten sind nicht in Sicht

Welche Folgen dies für die einzelnen Mediakanäle hat, lässt sich nicht pauschal beantworten. Viel zu sehr unterscheiden sich die Marktgegebenheiten in den Kategorien Video, Audio und digitaler Journalismus.

Pay-VoD zieht Nutzungszeit von linearem TV ab, da wir hier sehr ähnliche Nutzungsmotivationen haben. Pay-VoD-Nutzer sind aber weiterhin über werblich belegbare Bewegtbild-Kanäle erreichbar und werden werbefinanzierte Angebote in ihrem Medienportfolio haben. Musik-Streaming zieht etwas weniger Nutzungszeit von klassischem Radio ab als Pay-VoD bei linearem TV. Musik-Streaming löst vor allem physische Tonträger ab. Zudem ist Musik-Streaming nicht per se werbefrei. Spotify und Deezer haben neben den bezahlpflichtigen Accounts auch werbeführende, kostenfreie Varianten im Portfolio. Und wie reagieren die Verlagshäuser? Viele haben in den letzten Jahren ihre Strategien angepasst und Paid-Content-Modelle eingeführt. In Bezug auf Werbung sieht man bei digitalem Journalismus allerdings keine Erosion, da Paywalls nicht gleich „werbefrei“ bedeuten. Um Werbefreiheit zu bekommen, setzen User eher auf einen Adblocker, statt für Inhalte zu bezahlen.

Welche Bedeutung hat das für die Media-Strategie?

Durch die Subscription Economy verlieren immer mehr Kanäle kostbare Werbefläche. Eine Tatsache, die man nicht ignorieren darf – doch ist das noch lange kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen. Auch wenn die Ausgangssituation für Werbungtreibende schwieriger wird, es gibt sie – die Lösungsansätze.

Kontinuierlicher und in erosionsärmeren Kanälen werben

Marketer waren es gewohnt, dass Bewegtbild- und Audio-Medien ihnen nahezu unendlich skalierbare Reichweiten in kurzer Zeit bescheren. Doch gerade diese Medien unterliegen den stärksten Erosionserscheinungen. Journalistische Angebote, soziale Medien und Out-of-Home hingegen bieten weiterhin attraktive Werbeflächen und werden daher im Media-Mix wachsen. Wer den Aufwand nicht scheut, ist durchaus auch in der Lage in Medien vorzudringen, die sich abseits der klassischen Werbeplätze bewegen: Influencer Marketing, Sponsoring, Product Placement, Native Audio oder Eigenproduktionen bieten vielfältige Möglichkeiten zur Markeninszenierung – und sind den Content-Produzenten eine willkommene Unterstützung. In Bezug auf den Werbedruck empfiehlt es sich, eher moderat aber kontinuierlich präsent zu sein. So baut man Depot-Effekte für die Marke auf – der Marathonläufer schlägt hier eindeutig den Sprinter.

Zunehmende Komplexität: eine Frage des richtigen Planungstools

Dass Mediaplanung künftig noch komplexer wird, ist wenig verwunderlich. Werbekunden werden ihren Media-Mix zunehmend erweitern müssen, um die richtigen Konsumenten zu erreichen. Ein breiterer Media-Mix macht den Einsatz von High-End-Planungstools unumgänglich. So lassen sich diese Fragen beantworten: Ist die Reichweite eines Kanals schon ausgereizt? Lohnt sich die Hinzunahme eines weiteren? Wie hoch sind Kontaktkosten und wie gut die Werbewirkung? KI-basierte Planungstools wie der Mediaplus Brand Investor liefern entsprechende Antworten.

Zurück auf Start

Auch in Zukunft wird es möglich sein, Konsumenten über Werbung zu erreichen. Allerdings wird man mehr Hebel in Bewegung setzen und Stellschrauben feiner justieren müssen. Und wie sieht es mit der Kuh in den eigenen vier Wänden aus? Auch sie wird man weiterhin nicht benötigen, um ein Glas Milch zu trinken. Damit hat Subscription-Guru Tien Tzuo vollkommen recht. Anders als er sehen wir Paid Subscriptions mittelfristig nicht als das zentral dominierende Geschäftsmodell. Sie sind vielmehr ein zusätzlicher, wenn auch nicht unbedeutender Vertriebsweg – das gilt für den Lebensmitteleinkauf wie auch für den Medienkonsum.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei LEAD digital.