Beiträge

Dank Technologien wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) verschmelzen reale und virtuelle Welten im Alltag der Menschen, auch beim Shopping. Eva Simone Lihotzky, Director Group Corporate Strategy bei der Serviceplan Group, erklärt in ihrem Gastbeitrag, wie diese Entwicklung den Handel beeinflussen wird.

Hybrid-Commerce-Strategien spiegeln schon seit Jahren die neuen Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden zwischen realen und digitalen Shoppingwelten – etwa traditionelle Handelsketten, die eigene Online-Shops betreiben, oder E-Commerce-Plattformen, die Brick & Mortar-Läden eröffnen. Nun steht der Hybrid Commerce vor seiner nächsten Evolutionsstufe: Das Metaverse eröffnet Handel und Marken neue Potenziale.

E-Commerce gilt als größter wirtschaftlicher Treiber des Metaverse, wie etwa eine aktuelle McKinsey-Studie belegt. 2022 liegen die Metaverse-Investitionen von Unternehmen bei 120 Milliarden Dollar – mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr. Marken wie Nike verbinden schon heute ihre virtuellen Showrooms und Shops mit dem stationären Handel: Das New Yorker Flagshipstore-Erlebnis wird in eine digitale Shopping-Welt verlängert und mit Nike Virtual View oder Nikeland auf der Spieleplattform Roblox verknüpft. Luxusmarken wie Prada, Gucci oder Balenciaga verkaufen dagegen digitale Produkte als NFTs (Non-Fungible Token) in virtuellen Metaverse-Räumen.

AR- und VR-Geräte werden massentauglich

In der Post-Screen-Ära werden wir neben Smartphones, Tablets und Laptops zunehmend auch AR- und VR-Devices nutzen. Derzeit kommen Technologien noch überwiegend beim Gaming zum Einsatz, doch die hohen Investitionen der großen Tech-Unternehmen könnten AR- und VR-Geräte bald massentauglich werden lassen und vielfältigere Nutzungen ermöglichen, etwa beim Shoppen, Reisen oder Arbeiten. (Teil-)Virtuelle Erlebnisse werden so immer mehr Einzug in unseren Alltag finden.

Dass Konsumierende beim Shoppen auch interagieren und entdecken wollen, verdeutlicht der Social-Commerce-Boom: Auf Facebook, Instagram und TikTok wird inspiriert, vor allem jüngere Zielgruppen erwarten ebenso kurzweilige wie einnehmende Erlebnisse. Virtuelle Welten werden diese Social-Commerce-Erlebnisse noch reichhaltiger machen. Nicht nur durch lebendige 3-D-Effekte, durch den Austausch mit anderen Avataren oder multi-dimensionale Inspirationen, sondern auch und vor allem, weil die neuen Räume mit uns in Echtzeit interagieren: Hier können wir Inhalte erstellen, Produkte entwickeln und Neues erschaffen.

Personalisierte und selbst gestaltete Produkte werden boomen

Ein Produkt zu kaufen, das für individuelle Bedürfnisse maßgeschneidert wurde, bietet ein einmaliges Exklusivitätsgefühl. Deshalb schätzen wir es, unsere Autos zu konfigurieren, unsere Sneaker und T-Shirts selber zu gestalten oder persönliche Duftvariationen zusammenzustellen. Im Metaverse wird sich dieses menschliche Bedürfnis besonders gut ausleben lassen: Dort können Individuen kreativ sein, gestalten, sich mit ihren Avataren und virtuellen Produkten und Umgebungen von anderen unterscheiden und in völlig neue Konstellationen begeben. Deshalb ist davon auszugehen, dass Nutzerinnen und Nutzer gerade hier den Drang nach Personalisierung ausleben, ihre Produkte selbst gestalten und sie dann auch im wirklichen Leben über den Handel kaufen wollen.

Vom Metaverse in den realen Handel

Die nächste Stufe des Hybrid Commerce wird Handel und Marken beim Verkauf von Metaverse-Produkten vor neue Herausforderungen stellen. Konsumierende sind an Echtzeitverfügbarkeit und -lieferfenster gewöhnt. Der Prozess von einem virtuell gestalteten hin zu einem real tragbaren Sneaker kann dagegen nicht nur längere Lieferzeiten bedeuten, sondern auch Designeinschränkungen. Um On-demand-Ware aus dem Metaverse in den realen Handel zu bringen, müssen Unternehmen daher weiter in die Digitalisierung und in innovative Design-Prozessketten investieren, von der Produktion bis hin zum Handel – zum Beispiel in noch bessere Produktionstechniken mithilfe programmierbarer Nähmaschinen oder 3-D-Drucker.

Noch steckt das Metaverse in Sachen Commerce sowie bei der Produkt- und Markeninszenierung in den Kinderschuhen. Künftig werden reale und virtuelle Shoppingwelten aber noch intensiver zusammenwachsen. Dabei wird es nicht nur um den Verkauf digitaler Ware im Metaverse gehen, sondern auch um personalisierte und selbstgestaltete Produkte, die Verbraucherinnen und Verbraucher anschließend in der realen Welt kaufen möchten. Die Evolution der Handelsstrukturen wird dabei Hand in Hand gehen mit den veränderten Bedürfnissen der Konsumierenden, insbesondere junger Zielgruppen. Im Zentrum stehen dabei Live-Erlebnisse, Freiräume für Ideen, Gestaltung und Differenzierung sowie der nahtlose Übergang zwischen realen und virtuellen Welten.

Zuerst erschienen auf zukunftsinsitut.de

Um es gleich vorwegzunehmen – die eine, universell richtige Strategie, auf Amazon zu verkaufen, gibt es nicht. Die Wahl des richtigen Verkaufsmodells ist jedoch ein erfolgskritischer Faktor in jeder ganzheitlich geplanten Distributionsstrategie. Es empfiehlt sich daher eine intensive Auseinandersetzung mit allen zur Verfügung stehenden Optionen.

Rückblick: 1995 startete Amazon-Gründer Jeff Bezos als Online-Buchhändler. Schnell erkannte er, dass er sein Ziel, Amazon zum „größten Online-Kaufhaus der Welt“ zu machen, allein über das Retail-Geschäft mit Amazon-Lieferanten, den sogenannten Vendoren, nur schwer werde erreichen können. So öffnete sich das Unternehmen aus Seattle bereits im Jahr 2002 Jahre für Dritthändler – auch Seller genannt – die seitdem gegen Abgabe einer Verkaufsgebühr in eigenem Namen auf der Plattform verkaufen können.

Wenn auch mit einigen Jahren Verzögerung, setzen mittlerweile immer mehr E-Retailer auf das Marktplatzmodell. Dazu gehören beispielsweise Douglas (2019), Otto (2020), Kaufland (2021, ehemals real.de) oder auch Media-Markt-Saturn, dessen Marketplace sich aktuell noch in einer Beta-Phase befindet. Die Vorteile liegen auf der Hand: Dritthändler über die eigene Plattform verkaufen zu lassen, kommt zum einen den Wünschen der Kunden nach einem möglichst breiten Produktsortiment entgegen. Zum anderen kann damit das eigene – zumindest selektive – Inventar-Risiko reduziert und positive Skaleneffekte für eigene Technologien wie die Amazon Web Services (AWS) realisiert werden.

Amazons Marktplatzgeschäft ist trotz allem Bemühen der Konkurrenz deutlich voraus und hat den eigenen Retail-Handel bereits 2015 an Umsatz übertroffen. Zusätzlich begünstigt durch die Corona-Pandemie haben die Amazon-Seller in Deutschland 2021 mittlerweile doppelt so viel Umsatz erzielen können wie Amazons Eigenhandel und erwirtschafteten damit mehr als ein Drittel (36%) des gesamten, deutschen E-Commerce-Volumens.

Amazon fokussiert sich zunehmend auf das Marktplatzgeschäft

Die Stärkung des für Amazon oftmals profitableren und gleichzeitig risikoärmeren Marktplatzgeschäfts ist dabei sicherlich nicht ungewollt, sondern vielmehr strategisches Kalkül. Begünstigte Amazon in der Vergangenheit seine direkten Lieferanten durch zahlreiche exklusive Programme und Tools, findet seit einigen Jahren eine spürbare Angleichung beider Modelle statt. So sind Formate und Aussteuerungsoptionen im Bereich Advertising mittlerweile nahezu identisch. Unterschiede bei den Gestaltungsmöglichkeiten des eigenen Contents sind marginal – mit Ausnahme des A+ Premium Contents, den nach wie vor nur Vendoren nutzen können. Zudem haben seit 2020 auch Seller Zugriff auf das zuvor exklusiv für Vendoren zugängliche Vine-Rezensionen-Programm. Ebenso stehen beiden Seiten die Amazon-Markenregistrierung sowie daran geknüpfte Markenservices zur Verfügung.

Außerdem wurden Support und persönliche Betreuung für zahlreiche Vendoren durch Vendor- und InStock-Manager deutlich zurückgeschraubt – mit Ausnahme von Amazons größten und stark wachsenden Handelspartnern in jeder Kategorie. Gleichzeitig wurde durch eine Angleichung der zur Verfügung stehenden Brand-Analytics-Daten im Vendor- wie Seller-Central den Vendoren mehr Eigenverantwortung zur Steuerung und Optimierung ihrer Aktivitäten übertragen.

Die Modelle unterscheiden sich weiterhin fundamental

Trotz Angleichungen in vielen Bereichen unterscheiden sich beide Modelle aber nach wie vor stark voneinander und stellen fundamental verschiedene strategische Ansätze dar (B2C vs. B2B). Fällt die Entscheidung für das Vendor-Modell, bedarf es zunächst einer entsprechenden Einladung von Amazon. Ist diese Hürde genommen, sind häufig vertriebspolitische Gründe ausschlaggebend. Zum Beispiel soll damit eine Konkurrenzsituation mit anderen Händlern, die im Zweifel ebenfalls Kunden sind, vermieden werden. Daneben sind auch das zumindest theoretisch höhere Absatzpotential sowie das hohe Vertrauen der Kunden in die Marke Amazon Argumente für den Vendor-Status. Im Gegenzug verlieren Vendoren preispolitische Einflussmöglichkeiten und müssen sich jährlich in zum Teil harte und langwierige Konditionsverhandlungen mit Amazon begeben und weitestgehend auf Endkundenkontakt verzichten.

Seller hingegen schätzen die größere Flexibilität hinsichtlich der Preisgestaltung und die bessere Planbarkeit in Bezug auf Lagerbestand, Margen und Konditionen. Zudem gibt es beispielsweise mit dem Amazon Product Opportunity Explorer oder dem Brand Referral Bonus Programm auch für Seller exklusive Tools, die helfen, Nischen auf dem Marktplatz zu identifizieren oder die Marge über die Incentivierung von Umsätzen, die durch externen Traffic generiert wurden, zu erhöhen.

Als nachteilig werden von Sellern hingegen vor allem der höhere Aufwand bei Fulfillment oder Kundensupport sowie das Risiko einer Account-Sperrung wahrgenommen.

Der hybride Ansatz vereint das Beste aus beiden Welten

Wer über genügend Ressourcen, Know-how und die entsprechende technologische Infrastruktur verfügt, um beide Modelle umzusetzen, für den könnte ein hybrider Ansatz eine lohnende Option darstellen. Dieser vereint die Vorteile von Vendor- bzw. Seller-Dasein. Die höhere Flexibilität bei der Festlegung der Verkaufspreise, die Sicherstellung der Verfügbarkeit auch unrentabler „CRaP-Produkte“ (Can´t Realize any Profit) können für (Teil-) Segmente eines Herstellers oder Händlers ausschlaggebende Argumente für die Wahl eines Hybrid-Modells sein. Richtig gemanaged, kann dieses Modell die erhöhten Aufwände und eventuell auftretende Kannibalisierungseffekte beider Kanäle mehr als aufwiegen.