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Rund 100 Gäste und damit einen neuen Besucherrekord gab es bei der vierten Auflage des After Work XChange, der am 07. Februar im Plan.Net Innovation Studio stattfand und bei dem sich alles um das Thema „Bricks & Clicks – wie Marken Chancen im vernetzten Handel nutzen“ drehte. Kein Wunder, denn der Bereich Omnichannel bzw Vernetzter Handel beschäftigt derzeit alle Handelsunternehmen. Michael Wörmann, Geschäftsführer und Partner der Facit Digital, zeigt zum Einstieg in den Abend exklusive Ergebnisse einer Studie über vier entscheidende Motive für den Onlinekauf: Zeit sparen, Geld sparen, bessere Auswahl und bessere Qualität. Ein Fazit der Analyse: Je nach Branche und Produkt liegen den Entscheidungen der Konsumenten unterschiedliche Motive zu Grunde. Gerd Güldenast, Geschäftsführer hmmh, hinterfragte anschließend exemplarisch “was an Omnichannel so schwer ist, dass es kaum einer richtig hinbekommt”.

Spannende Insights aus der Handelspraxis und unterschiedliche Lösungsansätze lieferten danach Jan Kegelberg, Geschäftsführer und Chief Digital Officer von SportScheck, sowie Alexander Ewig, Managing Director Media Markt Marketing. Beide Marketingprofis stehen vor der extrem komplexen Aufgabe, Offline- und Online-Angebote so zu vernetzen, dass sie für die Konsumenten einen wirklichen Mehrwert darstellen. Und das in Branchen, die völlig unterschiedlich funktionieren. Wir haben die Gelegenheit genutzt, um mit beiden über die größten Herausforderungen ihres Marketing-Alltags zu sprechen.

Herr Ewig, Herr Kegelberg, wenn Sie morgen ins Büro kommen, warten dann in Ihrem Communications Controlroom 50 Zoll-Bildschirme auf Sie, auf denen Sie alle Verkaufszahlen des vergangenen Tages und den Return on Advertising Spend sofort erkennen können? Oder ist dieses Bild eher Marketing Science Fiction?

Alexander Ewig: Nein, das ist tatsächlich gar nicht so weit weg von der Realität. Wenn wir morgens ins Büro kommen, dann schauen wir uns erstmal Zahlen, Daten und Fakten bezüglich Umsatz in den einzelnen Kanälen und den ROAS an und optimieren gegebenfalls planerisch.

Jan Kegelberg: Auch wir bei SportScheck haben für einzelne Disziplinen wie Performance Marketing oder Social Media bzw. Advertising eigene Dashboards mit den wichtigsten Parametern. Ein übergreifendes Dashboard, in dem alle Verkaufszahlen und auch andere wichtige Kenngrößen zusammenfließen, gibt es bei uns, aber noch sind nicht alle Marketingkanäle integriert.

Es gibt immer neue technische Innovationen wie AR, VR oder KI und stetig entstehen zusätzlich Kanäle und Netzwerke (Instagram, TikTok, uvm). Wie entscheiden Sie bei dieser hohen Buzzword-Dichte, welche Innovationsprojekte Sie umsetzen?

Alexander Ewig: Wir testen tatsächlich sehr viel selbst und versuchen, Dinge möglichst schnell praktisch auszuprobieren, um die Relevanz für unser Geschäft besser einschätzen zu können. Das läuft bei uns ganz nach dem Grundsatz: try fast, fail fast.

Jan Kegelberg: Wir evaluieren, welche Technologien für unsere Zielgruppen einen echten Mehrwert bieten. Bei der Nutzung von Social Media Kanälen probieren wir aus. Bei Technologien wo wir in einen Invest müssen, rechnen wir einen Business Case und evaluieren ob wir einen akzeptablen ROI erzielen können. Danach wird priorisiert.

Viele Händler haben einen tollen Laden, andere sind super beim E-Commerce. Die Herausforderung besteht in der Vernetzung. Wie gelingt Ihren Unternehmen das Spiel mit „Bricks & Clicks“?

Alexander Ewig: MediaMarkt und Saturn sind Multichannel-Händler, und das schätzen auch unsere Kunden. Gerade „Click & Collect“ erfreut sich großer Beliebtheit, fast jede zweite Online-Bestellung wird im Markt vor Ort abgeholt, und das ist bei vielen Produkten noch am gleichen Tag möglich. Das kommt vor allem jenen Kunden entgegen, die die Ware schnell benötigen oder unbedingt gleich haben wollen. Auch fast alle denkbaren Customer Journeys können wir heute effizient und kundenorientiert abbilden. Sei es beispielsweise die Bestellung im Internet ist mit Pick-Up im Markt oder die Bestellung im Markt und die Wunschtermin-Lieferung nach Hause: Wir bieten all das unseren Kunden an.

Jan Kegelberg: Wir haben mit der Einführung von SAP die Datengrundlage für die Vernetzung der Kanäle geschaffen. Heute bieten wir unseren Kunden alle Vorteile beim Omnichannel Einkauf. Ob Click&Collect, Click&Reserve, Returnieren in der Filiale, Versand von einer Filiale zum Kunden nach Hause, Bestellungen über die InStore App zum Kunden nach Hause, etc. Darüber hinaus haben wir ein Customer Journey Management implementiert, welches uns hilft mit unseren Besuchern und Kunden relevante, personalisierte, und individualisierte Dialoge zu führen. Diese Lösung befindet sich gerade im Roll Out.

Was ist die größte Herausforderung für Ihre Firmen durch das veränderte Nutzerverhalten?

Alexander Ewig: Bei uns gibt es keine strukturierten Customer Journeys mehr. Jeder Kunde reagiert komplett anders. Und zwar in jedem Handelssegment und in jeder Situation. Wir müssen uns von der Illusion einer „typischen“ Customer Journey verabschieden. Das bedeutet auch, dass das klassische Customer Journey-Mapping nicht mehr funktioniert. Das heißt, ich muss zu jeder Zeit bereit sei, auf das spezifische Verhalten meiner Kunden zu reagieren. Wir haben selbst Studien zu den Customer Journeys von Kunden erstellt, die bei unterschiedlichen Händlern einkaufen. Da unterscheidet sich der Verlauf des Expert-Kunden deutlich von dem des Amazon-Kunden und auch zwischen MediaMarkt und Saturn gibt es teilweise Unterschiede. In der Praxis bedeutet das: Ich bräuchte nicht eine Webseite, um die Bedürfnisse der jeweiligen Kunden zu bedienen, sondern ganz viele. Daran arbeiten wir. Personalisierung auf den verschiedenen Plattformen spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.

Wie stark kann Technologie helfen, diese Herausforderung zu bewältigen?

Jan Kegelberg: Technologie kann helfen, beispielsweise über Machine Learning, die Kundenkommunikation individueller zu gestalten. Wir stehen da aber als Branche eher am Anfang. Wir sind gerade in einer Phase, in der wir das Omnichannel-Erlebnis entwickeln. Und das ist eine komplexe Aufgabe. Denn der Omnichannel-Kunde da draußen kauft zwar Omnichannel, aber nicht notwendigerweise beim gleichen Händler. Ein Beispiel: Nur sechs Prozent der SportScheck-Kunden kaufen auf allen Kanälen bei uns. Das Gros der Kunden wechselt die Händler on- und offline situativ. Das mag auch daran liegen, dass die wenigsten Händler heute in der Lage sind, ihr Omnichannel-Geschäft so zu betreiben, dass der Kunde das wirklich als Mehrwert für sich empfindet. Die Verknüpfung der Dimensionen technisch, prozessual und kulturell hinzubekommen, ist eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe.

Kennen Sie ein Unternehmen, dass diese Herausforderung bereits bewältigt hat?

Jan Kegelberg: Im Sportsegment ist Nike eine der wenigen Marken, die über die App, stationär und online einen Mehrwert für den Kunden zu schaffen. Da gehören auch die Erlebnisse dazu, die Nike in seinen Stores bietet: das Designen und Personalisieren von Schuhen beispielsweise. Eigentlich müssen sich alle Händler gerade fragen: Wozu nutze ich den Erlebnisraum Filiale? Und wie verknüpfe ich ihn mit meinen digitalen Angeboten? Da findet gerade ein spannender Entwicklungsprozess statt.

Alexander Ewig: Mit MediaMarkt und Saturn sind wir in Europe relativ weit vorne in dieser Entwicklung. In den USA hat meines Erachtens Best buy hat ganz interessante Ansätze, das Thema Service on- und offline sehr gut zu verknüpfen. Auch Macys und Nordstrom machen das gut. Generell gibt es ganz tolle rein digitale Geschäftsmodelle, insbesondere im Mobile-Bereich, und ganz tolle Offline-Angebote. Aber die Welten so richtig zu verbinden, haben bisher nur wenige geschafft.

Amazon ist ja nicht die einzige große Herausforderung für Händler. Auch Marken, also Ihre Lieferanten, werden zu Konkurrenten und errichten eigene Shops.

Alexander Ewig: Alle Marken, die es in unserem Segment versucht haben, sind grandios gescheitert. Vielleicht mit Ausnahme von Apple. Deshalb mache ich mir darüber in unserem Marktsegment keine Sorgen mehr.

Jan Kegelberg: In den MediaMarkt gehe ich, um einen Fernseher zu kaufen und mich beraten zu lassen, ob der von Samsung, Panasonic, LG oder wem auch immer ist. Im Sportfachhandel ist das anders. Bei uns kommt der Kunde und sagt, ich will exakt dieses Produkt. Viele unserer Lieferanten sind als globale Marken stark genug, um mit ihren Online-Shops weltweit genügend Traffic und Umsatz zu generieren. Deshalb kann der Sportfachhandel perspektivisch vom Handel allein nicht mehr leben. In unserem Segment „Sport“ gewinnen eher die Markenikonen, da sie als Hersteller größere Margen erwirtschaften als wir Händler. Deshalb müssen wir uns als Händler perspektivisch beim Kunden anders positionieren und neue Kundenwertmodelle entwickeln.

Wie versuchen Sie, diese Herausforderung bei SportScheck zu lösen?

Jan Kegelberg: Indem wir als Marke ein eigenes Ökosystem schaffen, das aus vier Dimensionen besteht: Ware, Service, Content und Erlebnisse. Das alles zu einem Mehrwertprodukt für den Kunden zu entwickeln, darin besteht unsere Herausforderung. Mit Equipment, mit Erlebnissen, mit Fitness-Angeboten und vielem mehr. Für uns ist die härteste Währung, ob wir es schaffen, unsere Kunden als Mitglieder für dieses Produkt zu gewinnen. Unsere Unternehmensvision lautet: SportScheck formt und steuert das begehrteste Ökosystem des aktiven und sportlichen Lebensstils in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Wie beurteilen Sie die Relevanz von Sprachsteuerung? Und haben Ihre Marken in einer Voice-Welt einen wiedererkennbaren Klang?

Jan Kegelberg: Voice wird eine große Bedeutung bekommen. Aus meiner Sicht aber weniger für den Commerce, eher für Services. Und auch nicht von heute auf morgen. Für SportScheck wird es erst mal kein eigenes Voice Branding geben. Ich glaube persönlich aber stark an Voice, viel mehr als an AR oder VR. Gerade was Content betrifft, weil der per Voice überall und mobil verfügbar ist.

Alexander Ewig: Wir finden Voice auch extrem wichtig. Deshalb sind wir mit MediaMarkt auf Google Home und mit Saturn auf Alexa vertreten. Allerdings mit unterschiedlichen Ansätzen: Auf Alexa bzw. Amazon Echo mit einem Content-Ansatz, basierend auf unserem Saturn-Technikmagazin TURN-ON mit der News des Tages, bei Google Home testen wir gerade E-Commerce-Ansätze wie z.B. den „MediaMarkt Schnapp des Tages“. Das Thema Brand Voice oder Sound Logo beschäftigt uns intensiv, deshalb haben wir für beide Marken ein Sound Logo kreiert und uns des Sprecherthemas nochmal angenommen. Eine klare Erkennbarkeit auch „nur“ über Sound ist für uns dabei entscheidend.

Auf welche Innovation dürfen sich die Kunden von SportScheck bzw. MediaMarkt/Saturn in diesem Jahr freuen?

Jan Kegelberg: Wir werden den mobilen Checkout in den Filialen einführen. Der Kunde zahlt also nicht an der Kasse, wo er am Wochenende auch schon mal länger warten muss, sondern beim Verkäufer, der ihn gerade begleitet hat. 1000 unserer Verkaufsberater werden zu mobilen Kassen. Wir wollen den Kunden das Schlange stehen ersparen.

Alexander Ewig: Auch für uns ist der Mobile Self-Checkout ein ganz aktuelles Thema. Wir testen da verschiedene Modelle, um zu sehen, was für die Kunden am besten funktioniert. Das klingt als Thema nicht sexy, hat aber einen direkten Mehrwert für den Kunden.

Wo hatten Sie persönlich in letzter Zeit ein herausragendes Shopping-Erlebnis, Ihre eigenen Unternehmen mal ausgenommen?

Langes Schweigen

Alexander Ewig: Für mich persönlich ist der Bereich Mobilität, also die Angebote von Bahn und Öffentlichem Nahverkehr, flankiert mit Car- und Bike-Sharing, am weitesten fortgeschritten. Das funktioniert mittlerweile sehr reibungslos.

Jan Kegelberg: Ja, das sehe ich auch so. Die Handy Parken App der Stadt München schafft für mich einen echten Mehrwert, aber was das Shoppen betrifft, muss ich auch passen.

Das Internet allein ist nicht mehr zukunftstauglich. Omnichannel-Shopping ist angesagt – Einkaufen auf allen virtuellen und analogen Kanälen. Doch nur die wenigsten Händler haben dafür einen Plan.

Die eine Seite: Online-Shopping boomt wie nie zuvor. Um 12,5 Prozent auf fast 53 Milliarden Euro ist der Umsatz hierzulande im letzten Jahr angestiegen. Für dieses Jahr wird ein Plus von elf Prozent erwartet. Die andere Seite: Das Geschäft im stationären Einzelhandel brummt. Die Modebranche etwa hat den besten September seit 17 Jahren erlebt.

Abgesehen von der Tatsache, dass die Bundesbürger mit ordentlich Kauflust die Konjunktur am Laufen halten, heißt das vor allem: Alle Prognosen, dass wir in ein paar Jahren Waren nur mehr im Internet bestellen werden, sind falsch. Längst ist der Begriff Omnichannel-Shopping, das Einkaufen auf allen Kanälen, fester Bestandteil des Händlervokabulars – spätestens, seit der Online-Riese Amazon begonnen hat, in die reale Shopping-Welt vorzudringen. Er hat die amerikanische Bioladen-Kette Whole Foods übernommen und eröffnet eigene Supermärkte sowie Buchgeschäfte. Nur glauben scheinbar die meisten Retailer hierzulande, dass es genügen würde, einen Online-Shop einzurichten, um gegen die neue, mächtige Konkurrenz aus der Web-Welt bestehen zu können. Tut es leider nicht.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Amazon mit seiner physischen Ladenwelt auch nach Deutschland expandiert. Kein Unternehmen drängt sich mit seinen Diensten und Geräten so unerbittlich ins Leben der Kunden wie der Gigant mit 136 Milliarden Dollar Jahresumsatz – Tendenz steigend. Und er ist keineswegs der einzige Online-Händler, der in den Fußgängerzonen sesshaft werden will. Europas größter Online-Modehändler Zalando prüft die Eröffnung von Shops, die Web-Möbelhäuser Westwing und Home 24 haben es bereits getan.

Es sind nicht zwei Geschäftswelten, die nebeneinander herlaufen, die virtuelle und die reale. Vielmehr verzahnen sie sich zusehends. Erfolgreicher E-Commerce braucht stationären Handel – und umgekehrt. Gewinnen wird jedoch nur, wer beide lückenlos verbindet. „E-Commerce wird immer physischer, greifbarer und bietet ein intensiveres Erlebnis, während sich der physische Handel in vielem dem Web annähert: Er wird vernetzter und datengetriebener“, erklärt Dough Stevens, Gründer des Beratungsunternehmens Retail Prophet, auf dessen Kundenliste Namen wie Coca-Cola, Disney oder Google stehen. „Neuartige Technologien beschleunigen die Entwicklung beider Kanäle. Die Grenze wird immer durchlässiger, und wir werden irgendwann nicht mehr mit Sicherheit sagen können, ab welchem Punkt das Kauferlebnis digital oder physisch ist.“

Der Kunde heute ist informiert, anspruchsvoll, preisbewusst, ungeduldig und faul. Er will nach Lust und Laune einkaufen. Heißt für die traditionellen Händler: Sie müssen alle Kanäle bespielen, die der Kunden potenziell nutzt – den Shop ebenso wie den traditionellen Katalog, dazu Online, Mobile und Dialog bis hin zu Smart-TV. Das aber schaffen bislang nur die wenigsten. 90 Prozent der deutschen Unternehmen haben keine ganzheitlich vernetzte Digitalisierungs-Strategie. Das kann beim Ominichannel-Shopping zum Verhängnis werden.

Vieles dreht sich dabei um Mobile. Bei den größten Playern in den USA liegt der Umsatzanteil von Bestellungen via Smartphone oder Tablet bereits bei 60 bis 70 Prozent. Das Handy dient Retailern aber keineswegs nur als Schaufenster. „Schnelligkeit und Conveniance beim Einkauf werden das A&O sein, mit dem das Thema steht oder fällt“, sagt Gerrit Heinemann, Leiter des eWeb Research Center an der Hochschule Niederrhein. Für Einzelhändler könnte das beispielsweise so aussehen, dass eine App dem Kunden schon bei der Anfahrt Staus meldet und ihm signalisiert, wo ein Parkplatz bereit steht. Und im Laden zahlt der Kunde seine Ware via App, ohne zur Kasse zu müssen.

Womöglich möchte er sich die Ware auch abends bequem nach Hause liefern lassen statt Tüten zu schleppen. Amazon hat den Evening-Express, Media und Saturn bieten in einigen Städten Lieferung binnen drei Stunden an und die Deutsche Post arbeitet für alle anderen am Same-Day-Delivery-Standard. Derlei funktioniert übrigens auch im Kleinen, wie das Beispiel des Kiezkaufhauses in Wiesbaden zeigt: Auf der Website präsentieren lokale Händler ihre Produkte. Der Kunde ordert online und bekommt die Ware abends per Fahrradkurier. 80 Prozent der Bestellungen sind Lebensmittel, es gab noch nie eine Retoure.

Was es dabei natürlich flach fällt, ist das physische Einkaufserlebnis – mit der Betonung auf Erlebnis. Gerade da aber ist es höchste Zeit, aufzurüsten. Zwar beleben erste Kaufhäuser und Markenshops ihre Flächen mit Gastronomie. Aber das kann nur ein Anfang sein. Der Shop von morgen bietet ganz neue, durch die technologische Entwicklung getriebene Erlebniswelten. Burberry etwa hat in seinem Londoner Flagship-Store vor Jahren schon virtuelle Spiegel etabliert: Hält man ein Kleidungsstück davor, zeigt der Spiegel, wie es angezogen aussieht.

Der Laden wird zum Schaufenster für Innovationen. So können künftig auch Produkte präsentiert werden, die noch gar nicht auf dem Markt sind, die der Kunde aber bereits mittels Konfiguration für seine Bedürfnisse modifizieren kann. Neben der Virtual Reality wird auch die Augmented Reality Einzug halten – die neuen iPhones verfügen über diese Technik. Ikea etwa arbeitet an einer App, die Möbelstücke auf dem Handy in Bilder realer Umgebungen transponiert.

Ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt derartiger neuer Shop-Konzepte ist, dass sie zwar Investitionen bedingen, auf Dauer aber viel Geld sparen. Denn statt 400 Quadratmeter Fläche genügen 100 für das haptische Erleben, den Rest besorgt das Web. Die Ware muss nicht in einem teuren Lager in der City liegen, sondern wird vom Stadtrand aus per Kurier geliefert. Das mindert die Mietbelastung, ein dicker Brocken in jeder Retailer-Bilanz, erheblich. Und es zieht neue Player in die Innenstädte – von den E-Commerce-Riesen bis hin zu Autohäusern, die ihre Modelle virtuell, gleichwohl aber lebensgroß und in 3D präsentieren. Die Cities werden bunter.

Das Frankfurter Zukunftsinstitut, ein Think Tank verschiedenster Wissenschaftler, geht noch weiter. Der Shop wird zum Ort für Open Innovation. Heißt: Käufer und Verkäufer werden zu gleichberechtigten Partnern, nicht nur im Verkaufs-, sondern bereits im Herstellungsprozess, in der Sortimentsauswahl, der Produktgestaltung und der Vermarktung. Bei Community Retail gestalten Kunden die Ware mit. Das lohnt sich: In Japan untersuchte der Retailer Muji, ob es Unterschiede in den Verkaufszahlen von Möbeln gibt, wenn sie von Konsumenten entworfen waren oder aus dem eigenen Designzentrum stammten. Ergebnis: Im ersten Jahr nach der Produkteinführung waren die Verkaufserlöse der nutzergenerierten Objekte dreimal so hoch wie die aus der Designschmiede. Über die Jahre verstärkte sich dieser Effekt noch.

Basis für all das sind Daten zu den Kunden – je mehr und je exklusiver, desto besser. Damit lassen sich auch ganz neue Geschäftsmodelle schaffen. Einen ersten Ansatz in dieser Richtung hat die Otto-Gruppe mit dem Portal About You ins Rennen geschickt. Auf Basis der gesammelten Daten wird ein maßgeschneiderter Webshop für jeden einzelnen Kunden erstellt. Die Zukunftsvision ist es, Bestellungen schon vorbereitet zu haben, bevor sie überhaupt eingegangen sind.

Die Zukunft des Handels ist abhängig von technologischem Verständnis, vor allem aber von frischen Ideen. Amazon hat im letzten Jahr 1662 Patente angemeldet.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.wuv.de.