Beiträge

Wenn die Welt aus den Fugen gerät, dann ist es genau die richtige Zeit, um eine neue zu schaffen. Das Immer-schneller und Immer-mehr als alleinseligmachende Wahrheit des Wirtschaftens funktioniert aktuell nicht mehr. „Doch wo sich die Welt, wie wir sie kannten, gerade auflöst, fügt sich dahinter sich eine neue Welt zusammen“, wie es Zukunftsforscher Matthias Horx auf dem Innovationstag 2020 zusammenfasste.    

Eine Krise ist ein produktiver Zustand, man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen. Was wie ein Allgemeinplatz klingt, war für alle Referent:Innen des Tages der wesentliche Ansatzpunkt für eine konstruktive Weichenstellung in die Zukunft. In diesem Sinne gab schon Florian Haller, CEO Serviceplan Group und einer der Gastgeber des Innovationstags, die Richtung vor: „Die Krise stellt alles auf den Kopf, aber sie ist gleichzeitig die Chance, Bestehendes neu zu denken.“ Folgerichtig stand deshalb auch der Innovationstag unter dem Motto „The Power of Rethink“.

Innovationstag 2020 neu gedacht

Den Beweis trat er gleich selbst an: Statt wie üblich die Gäste im „Haus der Kommunikation“ zu begrüßen und vor großem Publikum zu sprechen, entwickelten die Veranstalter wegen der Einschränkungen der Pandemie eine eigene innovative Event-Form. Mit dem rein digitalen „House of Rethinkers“ brachten sie nicht nur renommierte Speaker und interessierte Entscheider:innen aus ganz Europa digital zusammen, sie gaben den Expert:innen auch den jeweiligen passenden Raum, der ihre Inhalte optisch untermauerte. In seinem Eröffnungsvideo beispielsweise fährt Florian Haller in einem futuristischen Aufzug aus dem Haus der Kommunikation direkt ins virtuelle „House of Rethinkers“.

„Was wir erleben, ist eine Katharsis“

Dass es aufwärts geht, ist nicht nur symbolisch, sondern nach Ansicht aller Expert:innen der vorgegebene Weg. Für Matthias Horx ist das, was wir gerade erleben, ganz eindeutig eine Katharsis, aus der auf vielen Ebenen Neues entsteht. „Die Corona-Krise ist eine TIEFENKRISE, die alle Bereiche unseres Lebens erfasst: Alltag, Familie, Organisationen, Politik, Wirtschaft, unser WERTEsystem… Solche Krisen erzeugen aber auch neue MÖGLICHKEITSRÄUME. Sie lassen uns auf neue Weise auf die Welt schauen.“ Für ihn hat das mit einer Ent-Täuschung zu tun, denn das Anhalten und Zur-Ruhe-Kommen hat einige Täuschungen in unserer Gesellschaft aufgehoben. „Corona hat uns auf die Tatsache gestoßen, dass wir nach wie vor Teil der Natur sind – Viren und Bakterien werden uns so schnell nicht verlassen. Fragen des Klimawandels und der Ökologisierung werden weiter massiv in den Vordergrund gerückt.“

Neue Geschäftsmodelle erobern sich ihren Platz

Natürlich wird es Verluste geben und ein Teil der bisherige Geschäftsmodelle im Zuge der Corona-Krise nicht mehr zukunftsfähig sein. Aber das waren sie dann auch schon vorher, wie etwa der Overtourism und die Verwerfungen in der Fleischindustrie offensichtlich gemacht haben. Prof. Lars Feld, Vorsitzender der Wirtschaftsweisen, geht was die ökonomischen Folgen betrifft, noch einen Schritt weiter. Krisen verändern für ihn nicht die Welt, aber sie beschleunigen den Wandel. „Krisen transformieren eine Wirtschaft, manches Geschäftsmodell wird obsolet, neue Ideen gewinnen an Boden. Häufig sind aber heutige Zukunftsvisionen, wie die Welt nach Corona aussehen würde, von politischem Wunschdenken geprägt. Wenn etwas die Globalisierung in Frage stellt, dann ist es die geostrategische Rivalität zwischen den USA und China und nicht die Pandemie.“ Die europäische Wirtschaftskraft darf nach seiner Ansicht nicht überfordert werden. „Eine moralische Überhöhung der Unternehmen wird ihren Aufgaben nicht gerecht. Klimaschutz beispielsweise darf nicht nur in der Verantwortung der Unternehmen liegen. Hier ist die Politik gefragt, realistische Rahmenbedingungen vorzugeben.“ Dann kommen die Innovationen der Unternehmen als Folge noch stärker.

Mehr Gier nach Erfolg und nach Innovationen

Eileen Burbidge, Partnerin der Wagniskapitalgesellschaft Passion Capital und laut Forbes eine der „World’s Top 50 Women in Tech“ hält dagegen: „Wir brauchen mehr Mut und mehr privates Risikokapital, um die europäische Innovationspower zu pushen.“ Aber was noch wichtiger für sie ist: „Wir brauchen auch mehr Gier, mehr erreichen zu wollen. Sie ist in den USA und auch im asiatische Raum viel stärker ausgeprägt. Diese positive Gier treibt die Unternehmen und die Menschen dort an, und weil sie mehr erreichen wollen, sind sie auch mutiger und innovativer.“  

Diesem Aufruf folgt in weiten Strecken auch Christoph Keese, CEO hy – the Axel Springer Consulting Group, für den sich zeigt, wie sehr sich Unternehmen oft von den Bedürfnissen der Kund:innen entfernt haben. Er macht das an der Entwicklung vom Kameraherstellern und Smartphone-Produzenten deutlich. Während einstmals führende Unternehmen nahezu vom Kameramarkt verschwunden sind, teilen sich eigentlich Branchenfremde den Markt untereinander auf. „Dass die Zukunft digital ist, wissen wir nicht erst, seitdem die Welt, unsere Gesellschaft und die Wirtschaft im Frühjahr diesen Jahres von einem globalen Virus heimgesucht und erschüttert wurden. Die Pandemie wirkt wie ein Katalysator. Wer nicht abgehängt werden will, muss mitziehen. Wer die Zukunft gestalten will, muss in sie investieren!“ 

Vertrauen ist bei New Leadership eine wesentliche Komponente

Dass sich die Welt stark verändert wird, die für alle klar und ebenso, dass sich die Prozesse aufgreifen und nutzen lassen. Disrupting the existing world by rethinking it, ist dabei der Kern. Das betrifft jeden Bereich der Wirtschaft und auch der Kommunikation. Die Menschen einzubinden, ist eine der wesentlichen Aufgaben. Dabei geht es vor allem um Vertrauen. Für Insa Klasing, CEO TheNextWe und ehemalige Geschäftsführerin Kentucky Fried Chicken Deutschland, hat Kontrolle in der Führung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Zukunft grundsätzlich ausgedient: „Autonomie ist der Schlüssel für Motivation, Kreativität und Weiterentwicklung.“ Dem Hirnforscher und Bestsellerautor Prof. Gerald Hüther ist das noch nicht genug: „Führen mit Kontrolle ist obsolet, das ist ein altes Modell. Wer heute Führungskraft ist, muss das Vorgehen mit den Mitarbeitenden besprechen und ein Commitment geben. Andernfalls wird sie scheitern.“ Doch so einfach ist das Umdenken nicht. Einfache Erklärungsprozesse verfangen nicht. Das Gehirn reagiert nicht auf die Dauer, sondern auf die Intensität der Erfahrung. Deshalb ist es essentiell, das Erleben von Eigenverantwortlichkeit und Optimismus zuzulassen.  

Dieses Grundvertrauen und die Kraft der Innovationen ist auch der Grund, weshalb die Serviceplan Group gemeinsam mit den Partnern Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ad Alliance und Salesforce den Innovationstag 2020 nicht abgesagt hatte, sondern in einer innovativen Form ausgerichtet hat. Das digitales Konzept, bei dem nicht nur Vorträge der Expert:innen aus Wien, Zürich, London, Berlin, Frankfurt und München neue Einblicke vorstellen, sondern auch den Austausch mit den rund 300 Gästen aus ganz Europa aus ihren Home-Offices und über mobilen Devices ermöglichte, zeigte eines deutlich: So unterschiedlich die Ansätze für „The Power of Rethink“ in den einzelnen Bereichen sind, eines haben sie gemeinsam – den Mut etwas Neues zu tun.