Beiträge

„Hersteller von nachhaltigen Produkten sucht solvente Konsumenten mit Interesse an grünen Themen.“ So könnte eine Kleinanzeige aussehen, die grüne Hersteller und Konsumenten zusammenbringt. Leider sind Kleinanzeigen aus der Mode und diejenigen, die grüne Produkte kaufen, sind oft auch ganz anders als viele denken. Also wo findet man grüne Konsumenten? Und wie sehen sie aus?

Ein kurzer Blick zurück: Früher zeichneten sich Menschen dadurch aus, dass man sofort erkannte, wer zu welcher Gruppe gehört. Käufer in Bio-Läden gehörten in den 80ern beispielsweise zur grün-alternativen Subkultur. Man erkannte dieses grüne Milieu schon an der Kleidung. Bei Frauen: Birkenstock und Glockenrock. Bei Männern gerne Lederjacke und gestreifte Hosen. In dieser Gruppe teilte man nicht nur das Faible für nachhaltige Ernährung, sondern eine ganze Weltanschauung. Wer Bio kaufte, war auch gleichzeitig gegen Aufrüstung und gegen Atomkraft, aber für Nicaragua und für die Legalisierung von Haschisch. Über kleine Widersprüche sah man tolerant hinweg –  wie beispielsweise die Überkompensation des gesundheitsfördernden Effekts von Bio-Äpfeln durch massenhaften Konsum selbstgedrehter Zigaretten. Eine verrückte Idee, wie einen „Bio Supermarkt“ hätte man dagegen, um im damaligen Jargon zu bleiben, als immanenten Widerspruch begriffen, also als eine geradezu lächerliche Idee. Ein Bio-Laden hatte antikapitalistisch klein zu sein und Rapunzel o.s.ä. zu heißen.

Heute ist alles anders. Bio-Lebensmittel haben eine beispiellose Karriere gemacht. Es gibt nicht nur Bio-Supermärkte, Bio gibt´s sogar beim Discounter. Und unter dem erweiterten Begriff „nachhaltig“ gibt es sozusagen alles: vom fairen Smartphone bis zur Urlaubsreise.  Aber wo ist das glasklar zu identifizierende grüne Milieu geblieben?

Klare Antwort: Das gibt es nicht mehr. Klar umgrenzte Milieus in denen man von der Mode bis zur Weltanschauung alles teilte, sind entweder ausgestorben, bis zur Bedeutungslosigkeit zusammengeschrumpelt oder sind mehr oder weniger unfreiwillige Notgemeinschaften (z. B. Rentner in aussterbenden Dörfern). Stattdessen gibt es als individuelles Pendant zur Patchwork-Familie die Patchwork-Existenz. Man bedient sich aus einzelnen Schubladen eines riesigen Lebensstil-Regals und baut sich seine eigene Individualität zusammen. Und das oft nicht aus Lust, sondern weil es zur Notwendigkeit geworden ist. Wo Milieus fehlen, denen man sich anschließen kann, gibt es sozusagen einen Zwang zur Freiheit. Und der Preis dieser Freiheit ist zunächst einmal Orientierungslosigkeit. Deshalb ist die Suche nach Orientierung so ausgeprägt wie nie zuvor. Jeder Blick auf das Smartphone ist ein Blick, um sich zu orientieren. Bin ich noch up-to-date? Habe ich etwas Wichtiges verpasst? Was soll ich tun?

Um zu verdeutlichen, wie radikal dieser Wandel ist, noch einmal ein Blick zurück zu unserem grün-alternativen Milieu der 80er-Jahre. Dort wurde zwar pausenlos diskutiert, aber nur um sich selbst zu versichern, dass die geteilte Weltanschauung auf einem sicheren Fundament steht. Die gefühlte Progressivität der Gruppe ging zulasten der Individualität innerhalb der Gruppe. Hätte jemand gleichzeitig „Nein zur Aufrüstung“ und „Nein zu Nicaragua“ gesagt, hätte man günstigenfalls vermutet, derjenige hätte was Falsches geraucht. Dieser Konformitätszwang wurde aber nicht als Verlust empfunden – schließlich stand man ja auf der richtigen Seite. Im Gegenzug gab es ja auch viel Nestwärme und Bestätigung. Und genau dieses wohlige Gefühl fehlt heute. Wer die Gemeinschaft derjenigen sucht, die gleich ticken wie man selbst, muss ins Fußballstadion gehen.

Natürlich ist die Sehnsucht Gemeinschaften zu bilden auch über den Fußball hinaus noch da. Und tatsächlich ist es der Wille zur „Gemeinschaft der Guten“ zu gehören, der nachhaltigen Konsum treibt. Nur ist es eben nicht mehr ein geschlossenes Milieu, in dem dies stattfindet. Statistisch betrachtet gehört rund die Hälfte der Bevölkerung in entwickelten Ländern zur Gemeinschaft der „irgendwie nachhaltig Orientierten“. Wenn man jedoch nach Gemeinsamkeiten innerhalb dieser großen Gruppe sucht, wird es schwammig. Tendenz: Je wohlhabender und gebildeter, desto grüner. Je ärmer und bildungsferner, desto weniger Interesse an nachhaltigen Konsum. Das ist ja auch naheliegend. Interessanter ist es, die Motive für nachhaltigen Konsum zu betrachten. In geschlossenen Milieus mit hohem moralischen Anspruch – wie dem verblichenen grünen Milieu der 80er Jahre – war Konsequenz der wichtigste Treiber. Das heißt, man wollte das, für das man weltanschaulich steht, so gut und ganzheitlich wie möglich umsetzen. Tenor: „Schaffen wir eine bessere Welt“.

In der heutigen Welt der Patchwork-Existenzen geht es dagegen um Kompensation. Nicht alles, was man aus dem Lebensstil-Regal gezogen und in sein Leben integriert hat, ist nachhaltig. Genaugenommen ist vieles davon gar nicht nachhaltig. Und weil man sich dessen bewusst ist, tut man gleichzeitig Dinge um dies kompensieren: „Ich fliege nach Bali, aber fahre mit dem Fahrrad ins Büro“. Oder: „Ich wohne in einer sehr großen Wohnung, aber habe Solarzellen auf dem Dach.“ Verglichen mit der idealistischen Konsequenz der grünen Pioniere wirkt das natürlich etwas schlapp. Statt die Welt zu retten, begnügt man sich damit, ein bisschen was dafür zu tun, dass sie nicht untergeht. In der Summe ist der Saldo für die Nachhaltigkeit aber positiv: a) weil es viel mehr Menschen gibt, die sich zumindest sporadisch an nachhaltigem Konsum beteiligen und b) weil das Angebot nachhaltiger Produkte ständig wächst.

Bleibt als letzte Frage: Wie erreiche ich die große Masse der Konsumenten, die teilweise nachhaltig konsumieren? Die Antwort ist einfach: Indem ich Orientierung gebe. Oben wurde bereits gesagt, dass durch das Verschwinden geschlossener Milieus und das Auftauchen der Patchwork-Existenzen ein Zwang entstanden ist, sich selbst zu definieren. Entsprechend hoch ist die Nachfrage nach Orientierung. Eine Orientierung, die Unternehmen geben müssen. Wenn Verbraucher, die Orientierung suchen, gleichzeitig von Unternehmen gefragt werden, wie sie es denn gerne hätten, geht das nicht auf. Bildlich gesprochen: Es nützt nichts, wenn sich zwei Orientierungslose an einer Weggabelung gegenseitig nach dem Weg fragen. Es ist die Aufgabe der Unternehmen, mutig zu sagen, wo es langgeht. Sie müssen klar formulieren, wofür sie bei Nachhaltigkeit stehen und warum sie tun, was sie tun. Je attraktiver und glaubwürdiger diese Kommunikation ausfällt, desto wahrscheinlicher ist es, dass Orientierung suchende Konsumenten darauf anspringen.

Interessanterweise schließt sich hier ein Kreis: Die Welt gehört wieder den konsequenten Überzeugungstätern – nur, dass sie diesmal auf Unternehmensseite stehen.

Man stelle sich vor: Ein Geheimtipp von einem Restaurant wird quasi über Nacht von meinungsbildenden Gastronomie-Kritikern gehyped: „Alles tagesfrisch zubereitet! Jede Seezunge wird vom Chef persönlich ausgesucht! Jede Schalotte nach strengsten Regeln handverlesen! Ein völlig neues Geschmackserlebnis!“ Der Durchbruch. Die Mühe hat sich also doch gelohnt, ab jetzt wird – endlich mal! – richtig Geld verdient. Die Reservierungen steigen, es wird angebaut, Köche werden eingestellt, Zutaten en gros bezogen. Alles läuft nach Plan, die hoch gesteckten Ertragsziele werden erreicht – während diesen Zielen die unternehmerischen Werte nach und nach geopfert werden: Qualität und Innovation genießen am Ende die gleiche Wertschätzung wie angelaufenes Silberbesteck. Das Lokal wurde schließlich von einer sehr erfolgreichen Pizzeria-Kette übernommen. Tja, der Chef hatte sich auf einflussreiche, aber an kulinarischer Exzellenz nur mäßig interessierte Teilhaber eingelassen. So oder ähnlich verlaufen immer wieder Schicksale anfänglich wirklich ambitionierter Inhaber.

Gerade dann, wenn eine charismatische Unternehmerpersönlichkeit nicht mehr selbst alle Mitarbeiter und Partner erreicht, sind Unternehmen herausgefordert: Es muss ihnen gelingen, ihre Angehörigen auf gemeinsame Werte „einzuschwören“, zu einer Wertegemeinschaft zu machen. Werte sollen Umsatzzielen natürlich nicht im Weg stehen, sondern den Kraftstoff für dessen Erreichung liefern! Werte muss man natürlich wertschätzen, sonst kann es passieren, dass die Filiale einer Biomarktkette den Umsatzrückgang bei Wollsocken mit Wegwerfhandys kompensiert. Natürlich: Ziele sind wichtig. Ihnen substantielle Werte unterzuordnen ist aber eben gefährlich.

Klar, niemand will in Schönheit sterben, deshalb stellt sich immer wieder auch die Frage nach der „Strapazierfähigkeit“ von Werten. Wer zum Beispiel unter Aufbringung höchster, traditionell gewachsener heimischer Ingenieurskunst mit „Made in Germany“ wirbt, wird unter Umständen realisieren müssen, dass eine hundertprozentige Fertigungstiefe von seinen Kunden nicht mit der entsprechenden Zahlungsbereitschaft honoriert wird. Ein Wert ist eben doch nur so gut, wie seine Wettbewerbsfähigkeit.

Werte können schon an der Art und Weise, wie Ziele verfolgt werden, Schaden nehmen. Ein Spiel mit dem Feuer und zugleich eine Steilvorlage für das Ausbrüten kreativer Lösungsvorschläge bis hin zu wahren Mogelpackungen kann die – oft genug von Verzweiflung getriebene – Vorgabe „egal wie!“ bedeuten. Nehmen wir mal einen einst höchst renommierten Autobauer, der in seinen besten Zeiten gleich den ganzen Begriff „das Auto“ für sich reklamierte. „Das Auto“ darf sich seiner ökologischen Verantwortung natürlich nicht entziehen! Ohne Einbußen an Motorleistung selbstverständlich – hey, wir haben die besten Ingenieure der Welt! Ein Wertekonflikt, in dem sich Werte gegenseitig neutralisierten, bis „das Auto“ sich schließlich seiner auftrumpfenden Selbstbehauptung schämte und nun deutlich bescheidener auftritt.

Durch trickreiche Manipulationen und Schönredereien wandeln sich scheinheilige Werte zu wahren Unworten wie – in diesem Falle – „Greenwashing“ als bitterer Kommentar für die verbreitete Unernsthaftigkeit populärer Scheinbekenntnisse. Da scheinen dann auch mal starke, weil handlungsbestimmende Ziele durch schwache, weil ungeliebte Werte hindurch.
In der Kundenkommunikation genießen Werte einen höheren Stellenwert als Ziele: Ein Konsument wird sich weniger für die Ambitionen eines Anbieters auf Marktführerschaft interessieren als für dessen Reputation als Trendsetter. Dabei ist die Behauptung nur so authentisch, wie deren Bestätigung durch die Realität, die sich oft schon mit einem Mausklick offenbart. Gut beraten sei der Kommunikationsberater, der nach Werten fragt – und sie auch hinterfragt.

Soweit zu unternehmerischen Fehlentwicklungen. Aber auch im Ego-Marketing kommt es bisweilen zu horrenden Inkongruenzen: Es gibt prominente Beispiele promovierter Überflieger, denen ein Dr.-Titel wichtiger war, als den Gegenstand ihrer Dissertation wirklich durchdrungen zu haben. Die vielleicht schon als Schüler nicht wertzuschätzen vermochten, wie eine unregelmäßige Fläche zu berechnen sei oder Dativ von Genitiv unterscheiden zu können. Nun, wenn das alles beherrschende Ziel die Erreichung des Titels war, erreicht man – wenn das schließlich gelungen ist – mit höherer Wahrscheinlichkeit auch das nächste. In einem Fall war das der Fall, die Fallhöhe allerdings schwindelerregend. Der Absturz endete erst auf einem entfernten Kontinent.
Naja, hätte ja auch gutgehen können, oder? Hm. Blöd wär halt, wenn man mit dem Schwindel an sich selbst „gute“ Erfahrungen gemacht hat und die so manifestierte Charakterschwäche zu wenig werthaltigen aber umso zielgetriebeneren Entscheidungen führt.

Nachhaltig erfolgreich ist – und das gilt für Menschen wie für Marken – wer seine Werte kennt, pflegt und als Maßstab für die Bestimmung von Zielen und deren Erreichung nimmt.
Gute Beispiele? Dem Autor fallen da schon ein paar ein: Eine Münchener Brauerei, die eigentlich mit nichts anderem in Erscheinung tritt, als seit bald siebenhundert Jahren erfolgreich gutes Bier zu machen. Eine unbeirrbare, aber durchaus nicht unbelehrbare Bundeskanzlerin. Mein Schwabinger Friseur, der immer drei Wochen im Voraus ausgebucht ist. Der seit Jahrzehnten tagein, tagaus nichts anderes macht, als Haare schneiden. Der mich wahnsinnig macht, weil er keine E-Mail-Adresse hat. Und den ich gegen keinen Friseur der Welt eintauschen mag.

Apple scheint in einer eigenen Liga zu spielen: Als wertvollstes Unternehmen der Welt mit den besten Produkten, dem coolsten Design und den am sehnsüchtigsten erwarteten Innovationen. Umso erstaunlicher ist es, dass Apple in einem Punkt besonders schlecht abschneidet – beim Thema Nachhaltigkeit. Aus der Sicht der eigenen (deutschen) Kundschaft nimmt Apple nur den viertletzten Platz von über 100 Unternehmen ein, die beim Nachhaltigkeitsimage untersucht wurden.

Warum ist das so? Zunächst einmal muss man sich vergegenwärtigen, wie dieses Ergebnis zustande kommt. Befragt werden beim Sustainability Image Score (SIS) immer nur Kunden eines Unternehmens. Es handelt sich also weder um eine Analyse der tatsächlichen Nachhaltigkeit von Apple noch um eine repräsentative Umfrage. Bewertet wird Apple ausschließlich von denjenigen, die Apple-Produkte kaufen und dadurch auch ein besonders intensives Verhältnis zur Marke haben.

Das Ergebnis klärt ein verbreitetes Vorurteil auf: Apple-Käufer sind keine unkritischen Follower. Das Klischee vom Apple-Nerd der monatelang der nächsten Innovation entgegenfiebert um sie dann wie eine Monstranz vor sich her zu tragen, ist eher ein Marketing-Gag. Ohne Zweifel, Apple ist weiter attraktiv, aber zumindest in Deutschland verliert die Marke an Strahlkraft. Das Nachhaltigkeitsimage ist dabei ein wichtiger Frühindikator.

Mit seinem schlechten Nachhaltigkeitsimage befindet sich Apple in ebenso schlechter Gesellschaft. Kein Unternehmen, das wir aus dem Bereich Consumer Electronics untersucht haben, schneidet gut ab. Alle befinden sich zusammen mit der Telekommunikationsbranche im letzten Drittel des Rankings. Samsung steht auf Platz 80, gefolgt von Huawei (Platz 83) und Sony (Platz 85). Die rote Laterne hat Apple mit Platz 104.

Wenn sich alle Unternehmen einer Branche die hinteren Plätze teilen, weist das zumeist auf ein Branchenproblem hin. Das ist hier nicht anders: Die Branche „krankt“ unter so kurzen Innovationszyklen, dass sie schwerlich mit Nachhaltigkeit in Einklang gebracht werden kann. Ein Smartphone tauscht man beispielsweise nicht aus, weil es kaputt ist, sondern weil es veraltet ist. Und das geschieht häufig im Jahresrhythmus. Es wird niemand gezwungen so zu handeln, aber den Konsumenten bereitet das offensichtlich ein schlechtes Gewissen, für das sie auch die Produzenten verantwortlich machen. Ein weiterer Aspekt, der das Nachhaltigkeitsimage eintrübt, sind die Produktionsbedingungen, die mittlerweile zum Dauerbrenner in den Medien geworden sind.

Aber warum trifft es Apple so besonders hart? Die Antwort darauf ist einfach: Wer besonders viel erwartet, wird besonders stark enttäuscht. Und bei Apple sind die Erwartungen nun einmal besonders hoch. Deswegen hat das schlechte Abschneiden von Apple auch etwas Gutes. Offensichtlich beschäftigen sich Apple-Kunden intensiver mit ihrer Marke als andere. Oder im Marketingsprech formuliert: Das emotionale Involvement ist höher. Andersherum scheint es so zu sein, dass Kunden beispielsweise von der Marke Huawei keine Wunderdinge in Sachen Nachhaltigkeit erwarten: Hauptsache gut und günstig.

Aber zurück zu Apple: Ist das Thema Nachhaltigkeit überhaupt relevant für die Marke? Und wie könnte ihr das schlechte Abschneiden schaden? Hier gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht: Im Moment beeinträchtigt das Nachhaltigkeitsimage den Erfolg von Apple kaum. Das liegt daran, dass für Apple-Käufer offensichtlich andere Dinge wichtiger sind als Nachhaltigkeit. Außerdem gibt es schlicht und ergreifend auch kaum nachhaltige Alternativen.

Die schlechte Nachricht für Apple deutet in die Zukunft und hat wieder mit Psychologie zu tun: Das Nachhaltigkeitsimage korreliert stark mit Loyalität. Je schlechter das Nachhaltigkeitsimage desto schlechter auch die Loyalität. Anders ausgedrückt: Selbst die eigenen Kunden begegnen Apple mit Misstrauen und können sich vorstellen, untreu zu werden. Auf lange Sicht hat sinkende Markenloyalität immer einen negativen Einfluss auf den Abverkauf. Deshalb sollte Apple diese Warnzeichen ernst nehmen.

Den ausführlichen und ungekürzten Artikel von Joachim Schöpfer lesen Sie auf WiWO Green.

Seit 2011 befragen wir jährlich Kunden der bekanntesten Unternehmen, wie sie deren Nachhaltigkeit einschätzen. Die Ergebnisse sind überraschend.

Wussten Sie, dass Huawei von den eigenen Kunden nachhaltiger bewertet wird als Apple? Oder dass BMW-Fahrer ihre Marke als „grüner“ ansehen als Opelkäufer? Diese Überraschungen sind nur einige von vielen, die sich aus den Ergebnissen des Sustainability Image Score (SIS) ergeben – einer Studie, die facit research im Auftrag der Serviceplan Gruppe und in Kooperation mit der WirtschaftsWoche erhebt.
Marketing-Erkenntnisse beim Thema Nachhaltigkeit, das sich von Jahr zu Jahr zu einem gewichtigeren Faktor entwickelt, sind gefragt. Bisher dominierten eher Meinungen wie „Nachhaltigkeit verkauft nicht“ oder „Käufer reden grün und kaufen billig“ oder „Nachhaltigkeit ist doch schon wieder kalter Kaffee“, aber belastbare Ergebnisse gibt es wenige. Kurzum: Wissensbasierte Marketing- und Unternehmenskommunikation hörte bislang dort auf, wo Nachhaltigkeit anfängt.
Deswegen haben wir mit dem SIS eine repräsentative und wissenschaftlich fundierte Studie geschaffen. Sie macht sich daran, einfache Fragen zu beantworten: Macht die Nachhaltigkeitswahrnehmung Unternehmen und Marken erfolgreicher? Und konkret: Hilft Nachhaltigkeit beim Verkaufen?

Fünf Jahre SIS mit über 40.000 befragten Verbrauchern und über 150 Unternehmen haben uns bereits einen spannenden Einblick geliefert. Hier ein Auszug:

Nachhaltigkeit ist das neue Premium: Früher bedeutete Qualität gleich Produktqualität. Und überlegene Produktqualität macht aus einem Hersteller einen Premiumhersteller. Das ist heute anders: Hohe Produktqualität wird erwartet. Darüber hinaus machen schnelle Innovationszyklen, Vergleichsportale und Schnäppchenjäger klassischen Premiumherstellern Kunden abspenstig. Nachhaltigkeit bietet da eine gute Möglichkeit: Sie schafft einen emotionalen Mehrwert, den sich Verbraucher etwas kosten lassen und der sich nicht so leicht kopieren lässt – und damit zur Premiumpositionierung beiträgt.

Nachhaltigkeitskommunikation zahlt sich aus: Image bildet sich durch das Zusammenspiel von Produkterlebnis und Kommunikation. Ohne Kommunikation tut man sich schwer mit einer positiven Image-Bildung. Aber genau das machen viele Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit. Sie verstecken ihre Leistungen im dritten Untermenü auf ihrer Website. Das ist verschenktes Kapital. Denn gut aufbereitet und wirksam dargestellt, können Nachhaltigkeitsleistungen das Image nach oben ziehen und damit viel erreichen.

Wie geht wirksame Nachhaltigkeitskommunikation?

Für viele Unternehmen spielt Nachhaltigkeit schon heute eine wichtige Rolle. Das heißt, von der Unternehmensstrategie bis zu konkreten Maßnahmen wird bereits an dem Thema gearbeitet. Allerdings tun sich viele Unternehmen auch schwer, die daraus resultierenden Leistungen in wertschöpfende Kommunikation zu übersetzen. Gründe dafür gibt es viele. Zum einen die Angst vor Kritik – man will ja keine vermeintlich destruktive NGO oder einen kritischen Journalisten wecken. Außerdem können zwei entscheidende Fragen nicht beantwortet werden: Was bringt mir das? Und wie mache ich das?
Was Nachhaltigkeitskommunikation bringen kann, zeigt der Sustainability Image Score. Wie man effektive Nachhaltigkeitskommunikation gestaltet, ist eine Aufgabe, der sich die Verantwortlichen für Kommunikation und Marketing in den Unternehmen und deren Agenturen stellen müssen. Wer hier nichts tut, verschenkt Chancen für das eigene Unternehmen.

Den ausführlichen und ungekürzten Artikel von Ronald Focken lesen Sie auf WiWO Green.

Nachhaltigkeit ist in den Medien omnipräsent. Nur die Werbung fasst dieses Zukunftsthema aus Angst vor Greenwashing-Zeigefingern nicht an.  Das ist kontraproduktiv.

Warum hat Nachhaltigkeit die Werbung oder Marketing-Kommunikation bislang kaum erreicht? Zu heftige Blessuren haben einige Unternehmen davongetragen, als sie ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten lautstark kommuniziert haben. Sie mussten lernen, dass viele, die beim Thema Nachhaltigkeit den Kopf herausstrecken, eine Kopfnuss bekommen. Und zwar von denen, die sich hauptberuflich damit beschäftigen, unsere Welt zu verbessern: engagierte Journalisten, Blogger und NGOs wie Greenpeace oder Foodwatch.
Natürlich muss man die anprangern, die Nachhaltigkeit nur vortäuschen, also Greenwashing betreiben. Doch häufig suchen die Kämpfer für mehr Nachhaltigkeit mit inquisitorischem Eifer nach Unzulänglichkeiten, die sie natürlich auch finden. Wenn etwas noch nicht perfekt nachhaltig ist, genügt das, um einen medialen Scheiterhaufen anzuzünden. Damit verhindern die Kämpfer für mehr Nachhaltigkeit das, was sie eigentlich erreicht wollen – mehr Nachhaltigkeit.

Nachhaltige Produkte bewerben – auch wenn sie nicht perfekt sind

Nachhaltigkeit ist ein Prozess und die Reise in eine nachhaltige Welt beginnt erst. Noch emittieren wir zu viel CO2. Noch werden Arbeiter in Entwicklungsländern für einen Hungerlohn beschäftigt. Noch vergeuden wir Rohstoffe. Noch ist nichts perfekt. Deshalb müssen wir diesen Prozess beschleunigen, aber wie? Nachhaltigkeit muss ein Wettbewerbsfaktor werden. Dazu gehört ein Marketing, das nachhaltig erzeugte Produkte in den Mittelpunkt stellen darf – auch wenn sie noch nicht perfekt sind im Sinne der Nachhaltigkeit.
Dann würde Werbung aus einem nachhaltigen Produkt ein nachhaltig erfolgreiches Produkt machen. Solange Werbung der natürliche Feind derjenigen ist, die sich für eine bessere, nachhaltigere Welt einsetzen, wird das schwer.

Werbung ist unschuldig

Zugegeben, bislang hat Werbung wenig zu einer nachhaltigen Welt beigetragen. Werbung kann Leuten einreden, dass Schokolade schlank macht, dass zwei Bonbons besser sind als eines und dass Rauchen sexy ist. Aber deswegen ist Werbung nicht der Feind der Nachhaltigkeit. Werbung ist unschuldig, sie macht nur, was man ihr sagt. Bislang war das hauptsächlich, mehr zu verkaufen, egal was.
Würde man von Werbung verlangen, sie solle mehr nachhaltige Produkte verkaufen, würde sie das wohl genauso erfolgreich tun. Werbung könnte eine Brücke schlagen zwischen zwei Gruppen, die beide mehr Nachhaltigkeit wollen – Hersteller und Verbraucher. Und dann wäre alles gut.

Regulierung von Werbung führt ins Kreativitätskoma

Im Hintergrund hören wir sardonisches Lachen. Diejenigen, die in Abrede stellen, dass es profitorientierten Unternehmen ernst ist mit Nachhaltigkeit, amüsieren sich. Nachhaltigkeitskommunikation sei nur Mittel zum Zweck, sagen sie. Unternehmen würden ein wenig grüne Tünche auftragen und weiter rücksichtslos nach Wachstum und Profit streben. Das einzige was helfe, so sagen sie, sei Regulierung. Es tut sich ein Graben auf – freies Spiel der Kräfte im Nachhaltigkeitswettbewerb gegen Nachhaltigkeit durch Regulierung. So lange dieser Graben nicht überwunden ist, verliert die Nachhaltigkeit.
Aber versuchen wir es mit Argumenten: Fast jedes Unternehmen gibt heute zertifizierte Nachhaltigkeitsberichte heraus, in denen seine Leistungen nachprüfbar offenliegen. Hier gibt es erstaunlich wenig Gegenwind – offensichtlich scheint zu stimmen, was darin steht. Das spricht für die Glaubwürdigkeit von Unternehmen. Aber nur Experten lesen die Nachhaltigkeitsberichte, weshalb glaubwürdige Nachhaltigkeitskommunikation unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Daher scheiden Nachhaltigkeitsberichte als Wettbewerbsfaktoren für Unternehmen aus.

Warum daher nicht gleich Nachhaltigkeit mit Massenkommunikation verbinden?

Diese Option ist auch deswegen attraktiv, weil die Alternative trostlos ist. Wer nur auf Regulierung setzt erzeugt zwangsläufig Überregulierung, Kreativitätskoma und undemokratische Bevormundung. So werden die Kräfte des Marktes, die auch für Nachhaltigkeit Erstaunliches leisten können, stranguliert. Werbung tut also not – und wenn es zunächst Werbung dafür ist, Unternehmen mehr Mut zu machen, über das zu reden, was sie tun.

Dieser Betirag erschien am 1. Juli 2013 im Magazin forum Nachhaltig Wirtschaften.
Die zum Thema passende große Nachhaltigkeitsstudie von Facit ist hier zu finden: http://sp-url.com/sis2013

„Neue Medien für eine neue Bewegung“, „jeden Tag eine gute Botschaft“, „zusammen retten wir die Welt“ – gerne, aber ohne meinen Kunden!

Mittlerweile wöchentlich sammeln sich beim Kunden (Start-up, Green Economy) Anfragen von crossmedial multichannel viral vernetzten Grünmedien, -initiativen und Veranstaltungsreihen. Der Anhang ist vollgepackt mit schicken Credential-Präsentationen, die mehr durch ihr Design als durch ihren Inhalt bestechen. Jedes zweite Chart zeigt eine gutgelaunte Weltkugel, die uns Erdenrettern hoffnungsvoll zuzwinkert. Worin der konkrete Inhalt der „grünen Medieninitiative“ besteht, bleibt hingegen unklar. IVW-Nachweis ist ein Fremdwort. Redaktionelle Linie sowieso.
Erste Rückfragen an die Redaktion nach benötigten Materialien für die Recherche werden auf eine gemeinsame Telefonkonferenz verlegt. Diese beginnt mit einem halbstündigen Monolog zu Aktionen, Partnern und Erfolgen und geht dann über in die offene Diskussion, wie man denn „am besten voneinander profitieren könne“. Die Frage nach Preisen und Inhalten einer Kooperation bleibt erst einmal unbeantwortet – als ungefähre Hausnummer nuscheln nach mehrfacher Nachfrage „so ab 10.000 Euro fürs Basispaket“ aus dem Hörer.

Das Modell scheint aufzugehen. Betrachtet man die entsprechenden Webauftritte und Facebook-Seiten findet man lobhudelnde Artikel über Marken und Unternehmen, die man selbst nie mit dem Thema „Grün“ in Verbindung gebracht hätte. Summiert man die Berichterstattung auf und multipliziert sie mit der ungefähren Hausnummer, die wir im Call aus der Nase gezogen hatten, kommt ein hübsches Sümmchen zusammen. Schlechte Nachrichten kriegt man scheinbar umsonst, gute kosten.

Es ist am Ende gar nichts gegen das Modell „eine Hand greenwasht die andere“ zu sagen. Wer möchte, soll zahlen. Der mittlerweile sehr aufmerksame und kritische Internetleser wird Medium und Berichterstattung aber schnell einordnen und beurteilen können. Auf der anderen Seite gibt es nämlich eine Menge an ambitionierten und seriösen Medien und Initiativen, die sich mit Herz und Verstand dem Thema Nachhaltigkeit widmen. Faszinierend ist lediglich, dass sich hier im Fahrwasser der umfangreichen Berichterstattung zu Nachhaltigkeit ein komplett neues Geschäftsmodell zu entwickeln scheint.

Gerade Start-ups, die durch eine starke Idee und eine wirklich nachhaltige Geschäftsphilosophie gewappnet derartige Schützenhilfe nicht nötig hätten, freuen sich über scheinbar gleichgesinnte Medien, die ihr Engagement zu schätzen und zu würdigen wissen. Und geben Geld an falscher Stelle aus. „Passt doch so gut zu uns“, ist die nachvollziehbare erste Reaktion. Doch die aufgerufenen Preise sind absurd. Eine gute Geschichte, klare Positionierung und handfeste PR-Arbeit reichen. Bleiben wir also bitte bei „Tue Gutes und sprich‘ darüber“, bevor wir zu „Tue und sprich darüber einfach gut“ übergehen. Das reicht. Denn wer nichts Gutes tut, bekommt seine Sünden dieser Art auch nicht erlassen – zumindest nicht nachhaltig.

Anna Gauto, Redakteurin beim Magazin forum Nachhaltig Wirtschaften, sprach mit Pavan Sukhdev und Florian Haller über Werbung und Nachhaltigkeit. Pavan Sukhdev ist ehemaliger Deutsche Bank-Manager und Gründer der Nachhaltigkeitskampagne Corporation 2020. Er möchte Werbung am liebsten regulieren. Florian Haller ist CEO der größten Werbeagentur Europas, der Serviceplan Gruppe. Für ihn ist Werbung weder moralisch noch unmoralisch. Beide werden auch auf der SusCon 2012 in Bonn sprechen.

 

Anna Gauto:Werbung tut, was man ihr aufträgt. Ist Werbung unschuldig?
Florian Haller: Werbung ist nicht unschuldig. Sie verantwortet die Wahrnehmung einer Marke. Unsere Aufgabe ist es, sie in dieser Hinsicht zu beraten und zu führen. Deshalb kann Werbung nicht unschuldig sein.
Pavan Sukhdev: Werbung ist definitiv nicht unschuldig. Werber stellen sich gern als Fachleute dar, die nur die Wünsche ihrer Kunden erfüllen. Um aber das System rücksichtslosen Konsums zu durchbrechen, müssen sich sowohl Werbeagenturen als auch die Unternehmen, die sie beauftragen, über die Botschaften Gedanken machen, die sie kommunizieren.

 

Unternehmen setzen Nachhaltigkeit heute effektiv für Werbezwecke ein. Wie wurde Nachhaltigkeit zum Prestigethema?
Haller: Der Trend zu einer nachhaltigeren Lebensweise geht von den Menschen aus, nicht von den Unternehmen. Weil die Menschen diese Sehnsucht haben, nutzen gut geführte Marken diesen Megatrend als Geschäftschance.
Sukhdev: Wir müssen vielen hart arbeitenden Schriftstellern, Wissenschaftlern, Unternehmern und Bürgern danken, dass Umweltbelange relevant geworden sind. Weshalb aber das Wort Nachhaltigkeit so populär ist, ist mir ein Rätsel. Nur selten wird es korrekt verwendet. Eigentlich beschreibt es Aktivitäten, die über Jahrhunderte Wirkung entfalten. Unternehmen sollten Rechenschaft ablegen müssen, wenn sie für sich beanspruchen, nachhaltig zu sein. Deshalb ist eine Standardisierung und Regulierung von Ratings, Rankings und Gütesiegeln nötig.

 

Zigarettenwerbung zeigt: Gut verkaufen heißt nicht automatische Gutes zu verkaufen. Braucht Werbung ein Gewissen?
Haller: Werbung per se ist ein Instrument, das man so oder so nutzen kann. Deshalb ist Werbung als solche auch weder moralisch noch unmoralisch. Aber Werbung ist ein starkes Instrument, um ein moralisches Anliegen in eine Geschäftschance zu verwandeln.
Sukhdev: Werbung braucht ein Gewissen, aber wir dürfen es nicht der Industrie überlassen, dieses Gewissen allein zu entwickeln. Wir müssen uns genauer fragen, welche Werbetechniken maßlos in die Irre führen und welche Arten von Angaben auf Produktverpackungen stehen sollten.

 

Immer mehr Menschen wollen ökologische Produkte. Was hat das Verhalten der Verbraucher verändert, Reklame – oder hat Werbung umgekehrt die Verbraucher beeinflusst?
Haller: Ich glaube, dass wir den Einfluss der Werbung nicht überschätzen dürfen. Das Bedürfnis nach Nachhaltigkeit haben Berichte über Klimawandel und Artenschutz sowie viele Lebensmittelskandale geprägt. Seit zwei Jahren untersuchen wir mit dem Sustainability Image Score, welche Unternehmen in Deutschland als nachhaltig wahrgenommen werden. Wir können damit den Einfluss der öffentlichen Wahrnehmung von der Nachhaltigkeit eines Unternehmens auf den Markenmehrwert und somit auf den unternehmerischen Erfolg darstellen. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass Unternehmen heute die Chance nutzen sollten, Nachhaltigkeit nicht nur zu praktizieren, sondern intensiv und professionell darüber zu reden, um damit auch bei den Verbrauchern zu punkten. Lasst daher Taten Worte folgen.
Sukhdev:
Im Hinblick auf die zunehmende Diskussion über Nachhaltigkeit haben die Konsumenten viel mehr Einfluss auf Werbung, als umgekehrt. Beide sollten sich gegenseitig bestärken. Weiterlesen

Gestern für Ökos, heute für alle:  Wir sehen seit Jahren, dass immer mehr Menschen wissen wollen, woher die Lebensmittel, die sie konsumieren kommen, unter welchen Umständen ihre Sportschuhe gefertigt werden und von wem sich Werder Bremen finanzieren lässt. Im Gegensatz zu früher ist Nachhaltigkeit keine politische Botschaft für Randgruppen, sondern der Lifestyle von mittlerweile  geschätzt 26 Millionen Menschen in Deutschland. Menschen mit einem überdurchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen (Index 125 vs. Gesamt), guter Schulbildung (Index 130 vs. Gesamt) und einer hohen Aufgeschlossenheit für Werbung (Index 127 vs. Gesamt).
Früher Nische, heute Erfolgsfaktor: In der Konsequenz ist Nachhaltigkeit zu einer Geschäftschance im positivsten Sinne geworden. Werber müssen jetzt nicht plötzlich zu Politikern oder Ökos mutieren – können aber diese einmalige Gelegenheit nutzen und ihren Beitrag dazu leisten, um auf amüsante, innovative und kreative Art Konsumenten das Thema Nachhaltigkeit näher zu bringen. Denn es gibt kaum noch einen Markt, der von ihr unberührt ist: Der Energiemarkt steht nicht erst seit der Energiewende Kopf, der LEH verändert sich durch Bio auf breiter Front, die Automobilindustrie mit dem Thema alternativer Antriebe und CO2 Emissionen, aber auch Babynahrung, Tiefkühlprodukte, Drogeriemärkte, Kosmetik und OTC werden grundlegend gewandelt. Wer das Thema „Nachhaltigkeit“ aus den Augen verliert, riskiert die Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens.
Es geht also nicht um Gutmenschentum, sondern um Marktchancen. Genauer: Es geht um gut gemachte Markenprofilierung. Und die fängt damit an, Nachhaltigkeit authentisch zu leben. Denn alles andere ist in Zeiten von Shitstorms unverantwortlich.  Bio ist bei Hipp kein Slogan, sondern gelebte Überzeugung. Und bei dm keine Werbekampagne, sondern Unternehmensphilosophie. Und im zweiten Schritt geht es darum, diese emotional zu kommunizieren. BMW hat eben unter „efficient dynamics“ seine Produkte nicht zu rollenden Verzichtserklärungen gemacht, sondern den Markenkern „Fahrfreude“ mit weniger Verbrauch emotional kommuniziert. Und ist damit 2011 zur weltweit stärksten deutschen Unternehmensmarke avanciert.
Deshalb gilt: Lasst Taten Worte folgen und nicht umgekehrt!

(Erschienen als Editorial in der September-Ausgabe von „Die Zeitungen“)

Einer Gruppe cleverer Agenturrebellen gelingt es über Jahrzehnte, den „Großen“ immer wieder Kunden und Etats abzujagen. Sie sind dabei schließlich so erfolgreich, dass sie irgendwann selbst zu den Großen gehören. Verlieren sie damit ihre Existenzberechtigung? Im Gegenteil, jetzt geht es erst richtig los. So war es bei den Rolling Stones, bei den GRÜNEN und auch bei Apple. Wichtig ist, dass man beim Übertritt ins Establishment erkennt, welche Attitüden, die den Weg geebnet haben weiterhin nützlich sind und welche man vielleicht loslassen sollte, weil sie der Zukunft im Weg stehen könnten. Dass man auch ohne den Sympathievorschuss, den David beim Kampf gegen Goliath genießt, seinen Charme behält. Dass man eine Wertegemeinschaft pflegt, auch wenn man nicht jede Woche weit mehr als tausend Menschen aus mehreren Kontinenten um ein Lagerfeuer versammeln kann. Dass es einem gelingt, Unternehmensziele zu vermitteln, die sich gleichermaßen der Kollege in München wie der in Zürich, Mailand oder Dubai zu eigen macht. Und dass man unbedingt selbstbestimmt bleibt.

Die Kultur vom Haus der Kommunikation ist eine flache Wolke, die uns über alle stofflichen Grenzen hinweg miteinander verbindet. Sie enthält Erfahrungen, Erfolgsgeschichten, Werte, Ziele, Ideen und Vereinbarungen. Die Wolke ist nie größer als der, der im Namen und im Interesse der Agentur handelt, denn auch der oder die tut dies unbedingt selbstbestimmt. Wir sind stark, wenn sich starke Menschen mit uns als Agentur identifizieren und das gelingt uns dann, wenn sie sich in uns wiedererkennen. Die flache Wolke ist aber auch nie kleiner als der oder die Einzelne, denn sonst würde vielleicht jemand unter unserem Markendach Hello-Kitty Handys oder Yoga-Kurse verkaufen während strategische Felder brachliegen. Das Wesen vom Haus der Kommunikation ist nicht sein Dach und es sind nicht seine Wände. Es ist das Leben darunter und dazwischen. Und so ist unsere Kultur auch kein starres Regelwerk, festgeschrieben in einem Handbuch einer App, oder einer Power Point Präsentation. Unsere Kultur ist das Leben zwischen ihren Worten.

Wir atmen diese Wolke, wir beziehen Energie und speisen sie mit Inhalt. Oh nein, kein Bla-bla-blubb, unsere Wolke ist voller nährstoffreicher Substanzen. Zum Beispiel Werte: Nachhaltigkeit von Beziehungen zu Kunden, Partnern und Mitarbeitern.

Das bedingt einen weiteren Wert: Fairness.

Offenheit ist ein ganz großes Thema, wie könnte man sonst täglich nach allen Regeln der Kunst Regeln brechen im Namen des Fortschritts?

Multikulti mag ja tot sein, wenn man der infantilen Vorstellung erliegt, dass Kopftuchträgerinnen, die angesichts eines Minirocks „Allahu Akbar“ rufen, ein Beweis für die Unvereinbarkeit verschiedener Ethnien mit ihren kulturellen Eigenarten ist. Unsere Agentur aber ist so selbstverständlich und alltäglich multikulturell, dass wir uns dessen ab und zu bewusst machen müssen. Selbst in München ist Deutsch keine unbedingte Einstellungsvoraussetzung mehr. Auf der letzten Agenturfeier sah man den Turban eines Sikhs. Eine japanische Kollegin sitzt ohne jeden Argwohn befremdlicher Außenwirkung im Manga-Bärchenkostüm am Schreibtisch. Ein Muslim und ein Jude diskutieren, ob das Mittagessen in der Cafeteria heute halal oder koscher oder beides ist.

Kreativität ist ein Wert an sich, wenn er weit über die Gestaltung von Markenkommunikation hinaus verstanden wird.

Jeder soll sich eingeladen fühlen, seine Ideen zu teilen. Dabei verdient die Idee an sich Anerkennung, aber auch die Courage, sie zur Diskussion zu stellen.

Voneinander lernen, sich gegenseitig unterstützen und des Anderen Domäne respektieren lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Synergie.

Unsere Visionen als treibende Kraft für Innovationen und als ständige Einladung an unsere Kunden, mit uns gedanklich in die Zukunft zu reisen.

Als Gruppe sind wir stark und groß. Aber unser Auftritt ist nie übermächtig. Wir sind in jeder Beziehung um Augenhöhe bemüht.

Eine starke, von allen verinnerlichte Kultur beweist ihre Stärke, wenn sie innere Konflikte aushält, wenn beispielsweise Renditeziele mit Agenturwerten kollidieren. Wir sind stolz darauf, dass wir auch dann Haltung bewahren, wenn uns ein solcher Konflikt äußerste kulturelle Disziplin abverlangt. Nein, nicht immer, nicht alles, aber in der Regel bleiben wir uns treu.
Ach ja, Treue: welche Rolle spielen heute die Rebellen von damals? Rückblick ins Jahr 1970: Deutschland ist noch geteilt, bekennende Homosexuelle waren eher Häftlinge als Außenminister, PC und Internet gab es noch nicht – und Serviceplan wurde gegründet. Die Gründer wirken nach, denn auch die kulturelle Erfolgsgeschichte der Agentur belebt unsere Wolke mit Stoff für eine aussichtsreiche Zukunft.

Der Spiegel machte diese Woche mit einem Aldi-Skandal auf. Wer den Artikel liest, entdeckt nur ein Skandälchen. Die Big News: Fililaleiter, die via Überwachungskamera Kundinnen ins Dekolleté äugen. Keine von oben gesteuerte Verschwörung, sondern lediglich dumme  Filialleiterstreiche. Der Rest des Artikels ist bereits seit Jahren bekannt: Aldi leidet unter Kontrollzwang und nimmt Mitarbeiter und Lieferanten ziemlich hart an die Kandare.  Man fragt sich also, wer hier ein Problem hat. Aldi, mit diesem Skandälchen oder der Spiegel, dem offenbar kein echter Scoop mehr gelingt.

Bei näherer Betrachtung bleibt das Problem bei Aldi. Denn auch wenn dem Spiegel die Fähigkeit zum die Republik erschütternden investigativen Journalismus abhanden gekommen ist: Wie man Auflage macht, das weiß Deutschlands größtes Nachrichtenmagazin noch immer. Und dass Aldi-Bashing gut ankommt, davon zeugen andere Medien, die willig auf den Zug aufspringen. Warum ist das so? Offensichtlich ist Aldi für deutsche Medien das, was Erich von Strohheim im frühen amerikanischen Kino war: „The one you love to hate.“ Aber warum wird Aldi eigentlich nicht als Robin Hood dargestellt? Dank Aldi wissen Hartz IV-Empfänger, was Räucherlachs ist. Dank Aldi sind die Lebensmittelpreise in Deutschland so niedrig, wie in keinem anderen europäischen Land. Dank Aldi fühlt sich das zustehende Wohlstandsgefälle in Deutschland nicht so  schlimm an. Wenn jemand Grund hätte Aldi zu hassen, dann gemobbte Mitarbeiter und ausgepresste Lieferanten, aber nicht die Masse der Konsumenten, auf die ein Spiegel-Aufmacher letztlich zielt.

Warum stellt man dann Aldi an den Pranger? Der Grund liegt darin, dass ein Deal immer angreifbarer wird, der zum Geburtsmythos des Konzerns gehört. Der Deal lautet: „Du kannst bei uns so billig wie möglich einkaufen. Dafür behandeln wir dich auch so billig wie möglich.“ Aldi Kunden kennen das: Man wird nicht bedient, sondern abgefertigt. Die Läden haben durchweg den Charme eines Gefängniskiosks. Und wie’s den Mitarbeitern geht, möchte man lieber nicht wissen. Kunden haben das lange akzeptiert und Aldi konnte florieren. Für eine kurze Zeit – in der „Geiz ist Geil“-Epoche, hatte Aldi sogar Kult-Status. Damals sah man die Besserverdienenden bei Aldi auf der Suche nach Top-Oliven-Öl und Neun-Euro-Champagner. Doch diese Zeiten sind vorbei. Heute ist die Gesellschaft dort angekommen, wo sie die Grünen immer haben wollten. Deren Themen, biologische Landwirtschaft, Energiewende und soziale Fairness sind heute Mainstream. Deswegen ist Bio in, Atomkraft out und klassisches patriarchales Verhalten sogar megaout.

Und Aldi? Aldi hat sich gefühlt seit seiner Gründung nicht verändert. Kommunikation? Vom Erfinder der Schweinebauchanzeige nichts Neues. Nachhaltigkeit? Problem der Lieferanten. Soziale Fairness? Geht euch nichts an. Für Aldi könnte diese Starrheit zu einem großen Problem werden. Nicht der Spiegel-Artikel selbst wird Aldi zu schaffen machen, sondern die wachsende Zahl der Menschen, die solche Artikel mit Schadenfreude lesen. Menschen, deren Loyalität zu dem Laden schwindet, bei dem sie seit Jahren einkaufen. Schlecker sollte ein warnendes Beispiel sein. Denn Schlecker warsozusagen Aldi radikal. Aber: Schlecker ist nicht deswegen insolvent, weil dort Mitarbeiter schikaniert wurden oder das Einkaufserlebnis noch klaustrophobischer war. Schlecker ist eingegangen, weil es eine Alternative gab: dm. Die ersteDrogeriemarkt-Kette, die kundenfreundliches, nachhaltiges und faires Verhalten tatsächlich und spürbar praktiziert. Gegen so einen Konkurrenten hatte Schlecker keine Chance. Für Aldi heißt das: Wenn im Discount ein Wettbewerber die Zeichen der Zeit erkennt und seine Geschäftspolitik entsprechend ausrichtet, dann werden die Zeiten für Aldi richtig hart.