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Stellt euch vor, ihr habt jeden Tag zwei Stunden mehr Zeit zu Hause: Was würdet ihr damit anfangen? Eine Frage, die uns zu Beginn des vergangenen Jahres noch komisch vorgekommen wäre, wurde kurz danach zur bitteren Realität. Als die Wohnung geputzt und der Keller aufgeräumt war, blieb immer noch genug Zeit für Instagram, Netflix, Spotify und Co. – also für Medien. Die Beschränkungen im März und April haben einen regelrechten Boom ausgelöst. Der Medienkonsum stieg spürbar an. Wie es danach weiterging und was wir daraus für den gegenwärtigen Lockdown lernen können, haben wir folgend zusammengefasst.

Veränderter Tagesrhythmus wirkt sich auf Medienkonsum aus

Die Prioritäten der deutschen Bevölkerung im ersten Lockdown waren relativ klar verteilt: Während im Durchschnitt nur 13 Minuten länger geschlafen wurde, wurden ganze 33 Minuten länger Medien genutzt. Durch die Beschränkungen waren die Menschen an ihr Zuhause gebunden und haben dort einen großen Teil ihrer zusätzlichen Zeit für mediale Angebote genutzt. Während sich die Tagesreichweiten der Mediengattungen in vielen Fällen nur leicht verändert haben, waren die Auswirkungen auf die Nutzungsdauer wesentlich stärker. Sprich: Menschen haben vorwiegend den bereits bekannten Medienkanälen noch mehr Zeit gewidmet. Dennoch war neben der Ausweitung der Nutzungsvorgänge auch zu erkennen, dass Konsument:innen einige digitale Dienste zum ersten Mal ausprobiert haben. Der Video-Chatdienst Zoom ist ein gutes Beispiel dafür. Von 800.000 Downloads im Apple App Store im Januar 2020 auf über 36 Millionen im April – ein beachtlicher Anstieg.

Gestiegenes News-Interesse und Bewegtbild-Boom

Zu Beginn der Pandemie gab es ein sehr ausgeprägtes Bedürfnis nach aktuellen Informationen. Nachrichten-Formate im linearen TV haben dadurch Reichweitenzuwächse generiert. Die Fernsehnutzung blieb auch den gesamten Abend über auf deutlich höherem Niveau. Der Wunsch nach Unterhaltung und Ablenkung war in dieser Zeit stärker präsent. Streamingdienste erfüllen dieses Bedürfnis in hohem Maße und sind ebenfalls intensiver genutzt worden. Netflix und der im März neu gestartete Dienst Disney+ haben neue Abonnenten gewinnen können. Netflix hat jüngst vermeldet, dass die 200 Millionen Marke geknackt wurde. In 2020 steht damit ein Plus in Höhe von 37 Millionen – mehr neue Kunden hat die Plattform innerhalb eines Jahres noch nie erreicht. Streaming konnte jedoch fast ausschließlich bis 22 Uhr zulegen. In der Zeit danach waren TV-Nachrichtenmagazine und -Talkshows zu den aktuellen Ereignissen stärker gefragt.

Phase der Normalisierung: Digitale Angebote profitieren nachhaltig

Mit den Lockerungen der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen in der zweiten April-Hälfte hat sich das öffentliche Leben wieder langsam normalisiert. Nach dem Peak im März und April ist die Mediennutzung zurückgegangen – allerdings nicht bei allen Angeboten. Digitale Dienste haben es zum Teil geschafft, Nutzer langfristig zu binden, während traditionelle Medien immer noch unter Druck bleiben. Digitale Kanäle übernehmen weiterhin soziale Funktionen. Dies ist einer der Gründe dafür, wieso Social Media Apps seit Krisenbeginn intensiver genutzt werden als zuvor. Nicht nur Apps mit integriertem Messenger oder Videochat-Funktionen wie Instagram oder Facebook verzeichnen höhere Nutzungszahlen, sondern auch TikTok – mit stärkerem Fokus auf Entertainment. YouTube liegt seit Beginn der Pandemie im Durchschnitt etwa 15 Prozent über dem Vorjahr – auch hier kann man von einer nachhaltigen Entwicklung sprechen. 

Online-News haben durch das anhaltend hohe Nachrichteninteresse in den letzten Monaten ihre Reichweiten längerfristig steigern können. Die lineare TV-Nutzung hingegen hat sich in den Wochen nach den Beschränkungen relativ schnell wieder auf Vorjahresniveau eingependelt. Hier hatte die Krise nur kurzfristige Auswirkungen. Zusammengefasst zeigt dies, dass die Pandemie diejenigen Entwicklungen weiter befeuert hat, die schon seit einigen Jahren zu beobachten waren: Die Mediennutzung entwickelt sich in Richtung einer flexiblen und individuellen Nutzung, bei der Medien verstärkt digital und non-linear konsumiert werden.

Was bedeutet das für den aktuellen Lockdown?

Auch in der aktuellen Phase ist davon auszugehen, dass die Mediennutzung durch die zunehmende Zeit zu Hause wieder sichtbar wächst. Im Frühjahr betrug das Nutzungsplus gegenüber den Wochen davor etwa 10 bis 15 Prozent. Da wir jetzt in der kalten Jahreszeit ohnehin mehr Zeit zu Hause verbracht hätten, dürfte die Steigerung der Nutzungsdauer diesmal etwas geringer ausfallen.

Aufgrund der weiterhin dynamischen Nachrichtenlage wird das Informationsbedürfnis in den kommenden Wochen auf hohem Niveau bleiben. Nutznießer dieser Entwicklung werden TV und Online News sein. Die positive Entwicklung bei den Digital-Abos von „Zeit“ und „Spiegel“ zeigen, dass Qualitätsjournalismus zur Einordnung der Ereignisse stärker nachgefragt wird. Immer mehr Menschen lesen auch hinter der Paywall weiter. Hier bietet die Krise eine echte Chance für die Akzeptanz von Paid Content. Die Verlagerung von Print zu Digital wird weiter vorangetrieben. Die Beschränkungen haben einen massiven Einfluss auf den Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften. Durch die geringere Mobilität der Bevölkerung und die Schließung des Einzelhandels werden die stationären Verkäufe weiter zurückgehen.

Auch Formaten für den Lean-Back-Modus zur Unterhaltung und Entspannung wird eine stärkere Bedeutung zukommen. Streamingdienste punkten mit einem kinoähnlichen TV-Erlebnis on Demand und werden noch mehr Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich ziehen. Klassisches Radio hat im ersten Lockdown die Verluste in der Drive-Time und die wachsende Konkurrenz durch Musik-Streaming zu spüren bekommen. Da aktuell – noch stärker als im März – Unternehmen dazu angehalten werden, Homeoffice für ihre Mitarbeiter anzubieten, könnten sich die Rückgänge in der Drive-Time noch stärker bemerkbar machen. In Bezug auf die Kommunikation über Messenger und Videochat-Dienste sind Hürden abgebaut worden – insbesondere bei den Älteren. Viele haben die Apps erstmalig installiert und genutzt. Die erneute Einschränkung von sozialen Kontakten wird zu einem weiteren Aufschwung der Dienste führen, die virtuelle Kommunikation ermöglichen.

Die Erkenntnisse aus dem Frühjahr und der anschließenden Phase der Normalisierung zeigen klar, dass die Pandemie der Digitalisierung bei der Mediennutzung einen deutlichen Schub gebracht hat. Digitale Apps und Plattformen sind die Krisengewinner und setzen klassische Kanäle noch stärker unter Druck als ohnehin schon. Der Peak hinsichtlich der Mediennutzungszeit in Lockdown-Phasen flacht in der Zeit danach sukzessive wieder ab. Digitale Angebote profitieren nachhaltig von der Entwicklung, da sich (neue) Nutzer an die Kanäle gewöhnt haben.

“Great stories can come from anywhere and they can travel everywhere, as long as we use technology to get the right story for the right person and make that a great experience”. Mit diesem Satz fasste Greg Peters, Chief Product Officer von Netflix, vor einigen Wochen seinen Vortrag auf dem Web Summit in Lissabon zusammen. Die Vision: Netflix als der Ort im Mediendschungel für die besten Formate der Welt, mit der besten User Experience und den besten Möglichkeiten für Produzenten um ihre Geschichten zu erzählen.

Momentan ist Netflix allerdings nur ein Anbieter von vielen und die Wahrscheinlichkeit, dass jemals wieder ein einziges Medium die Funktion als Hauptmedium, also sinnbildlich dem Lagerfeuer der Nation einnimmt – oder im Zeitalter der Globalisierung sogar als das der ganzen Welt – ist eher unrealistisch. Allerdings stehen Netflix, Amazon Prime Video und YouTube für einen grundlegenden Wandel in der Mediennutzung, der sich in den vergangenen zehn Jahren vollzogen hat: Das Zeitalter der Massenmedien geht zu Ende.

Meine Oma und Netflix werden keine Freunde mehr. Aber dafür meine Eltern?

Meine Großmutter sieht gerne fern. Sie feiert allerdings im Februar auch ihren 100. Geburtstag und bevor das Internet in den 90ern überhaupt ein Thema wurde, interessierte sie schon die Unterhaltungs-Innovation „VHS-Kassette“ nicht mehr sonderlich – gab ja schon Fernsehen.

Anders sieht es bei meinen Eltern aus, die beide mit Mitte 60 regelmäßige Nutzer von Amazon Prime Video sind, auch wenn der Großteil der Mediennutzung bei den beiden auf klassisches Fernsehen fällt. Und so gibt es in allen Altersgruppen noch viele regelmäßige Zuschauer von klassischem TV, aber sie werden mit abnehmendem Alter weniger und konsumieren unregelmäßiger.

Fernsehen ist eben nur noch ein Medium unter vielen und der große Gewinner ist der Konsument, denn die Auswahl an hervorragenden Formaten über alle Mediengattungen hinweg war nie größer. Neben den großen Medienmarken hat das Internet auch tausenden Mikro-Medien und Content-Produzenten Werkzeuge und Plattformen an die Hand gegebenen, um ihre Geschichten zu erzählen. Egal ob auf YouTube, Twitch, Instagram TV oder als Podcast auf Soundcloud, egal wie klein die Nische – so gut wie alles davon ist unabhängig von Zeit und Ort nutzbar.

Trotz hoher Komplexität: Fragmentierung als Chance für Agenturen

Eine fragmentierte Mediennutzung auf Konsumentenseite bedeutet für das Marketing eine inzwischen schier unüberschaubare Anzahl an Touchpoints in der Consumer Journey. Verstärkt wird diese Entwicklung durch den bereits langanhaltenden Trend zur maximalen Individualisierung der Lebensentwürfe der Konsumenten mit hohen Ansprüchen an die persönliche Relevanz von Produkten und Dienstleistungen. „One size fits all“ reicht schon lange nicht mehr aus.

Die Komplexität des Marketings hat inzwischen Stufen erreicht, die ohne Experten an allen Schnittstellen – von der Strategie bis zur technischen Implementierung – nicht mehr handhabbar ist und das bei hohem Effizienzdruck allerorten. Andererseits hat man als Marketer heute einen gigantischen Baukasten an Touchpoints und technischen Lösungen, um jedes Zielgruppensegment mit genau der richtigen Botschaft im richtigen Moment zu erreichen. AI-gestützte Budget- und Kanalableitung sowie programmatische Aussteuerung über alle Medienkanäle machen es möglich. Gleichzeitig lauern weiterhin Stolpersteine auf dem Weg – wenig vergleichbare Metriken zwischen Kanälen und Plattformen, stärkere Regulierung der für passgenaue Auslieferung wichtigen Datenerhebung und von großen Plattformen festgelegte Spielregeln für ihre Walled Gardens werden die Agenturen noch länger beschäftigen.

Marketer im Touchpoint-Dschungel: Ruhig bleiben, ausprobieren, lernen.

Hat man es im hochfragmentierten und komplexen Marketing-Dschungel als Agentur schon nicht leicht, möchte man ehrlich gesagt trotzdem nicht in der Haut der Kunden stecken, die das Marketing verantworten. Der Vorstand fordert Leuchtturm-Projekte für das Marken-Image, der Vertrieb will verkaufen, das CRM Team braucht Leads und das Produkt-Management bedient den Trend zur Konsumenten-Individualisierung mit immer neuen Line-Extensions, die unters Volk gebracht werden sollen. Und all diese Anforderungen soll man erfüllen, am besten gleichzeitig und für weniger Budget. Und dann beginnen auch noch die altgedienten und erfolgserprobten Maßnahmen an Effizienz zu verlieren; egal ob Zielgruppendurchdringung, kurzfristig verfügbare Reichweite oder Werbewirkung – mit einem Medium alleine wird es heutzutage schwierig.

Trotzdem kann die Empfehlung nur lauten, sich nicht verrückt machen zu lassen. Man muss nicht jeden neuen Touchpoint sofort belegen und von heute auf morgen die bewährten Maßnahmen einstellen. Stattdessen sollte mehrkanalig geplante und optimiert, die Wirkung maximiert und die starken Kanäle maximal ausgereizt werden. Den Erfolg, mit der Handvoll KPIs, die wirklich wichtig sind, messbar machen, statt sich in tausenden von Metriken zu verlieren. ROI und Contribution statt Last Click und Cost per Order. In der Customer Journey am Anfang beginnen und in Aufmerksamkeit und Image investieren, statt nur abzuschöpfen. Und nicht zuletzt die Aufmerksamkeit der Nutzer als rares Gut betrachten. Große Markengeschichten entstehen zukünftig als die Summe vieler kleiner, abgestimmter Maßnahmen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei lead-digital.de

Der Weltfrauentag ist gerade vorbei und die aktuelle BBC-Dokumentation zum Fall Nirbhaya offenbart konträre Weltanschauungen – vor diesem Hintergrund soll es heute um den Wandel des Frauenbildes in der Werbung in Indien gehen. Bei genauer Betrachtung der aktuellen Frauendarstellungen finden sich viele interessante Fälle: Die Marken heben oftmals nicht nur starke Frauen hervor, sondern stützen das gesamte Branding auf eine starke Frauenidentität. Ein Beispiel ist der aktuelle Airtel-Werbefilm „Boss“ – die Frau präsentiert sich darin unabhängig und mit einer absolut professionellen Einstellung.  Früher wurden ganz andere Situationen dargestellt. Die Schmuckmarke Tanishq zeigt sogar die zweite Ehe in einem sehr positiven Licht – mit der Wiederverheiratung als Kulisse für die moderne Hochzeitskollektion des Anbieters. Der Umbruch geht einher mit einer zunehmenden Berufstätigkeit von Frauen; die Frauen sind unabhängig genug, um eigene Entscheidungen zu treffen. Noch in den 80er-Jahren waren Frauen in der Werbung allenfalls bei Hausarbeiten zu sehen; alternativ kamen sie als dekoratives Beiwerk zum Einsatz. Die Rolle der Frau hat sich in Indien im Laufe der Jahre verändert. Immer mehr Frauen sind erwerbstätig und treffen eigenständige Entscheidungen – ein deutlicher Gegensatz zur Position der Frau in der Gesellschaft. Was einst die aufopferungsvolle Hausfrau war, die alles für das Wohl ihrer Familie tat, ist jetzt die unbeschwerte glückliche Mutter, die mehrere Rollen ausfüllt. Zu ihren Stärken gehören jetzt mehr Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit.

Der neue Werbespot des Haushaltswarenherstellers Prestige zeigt das Bollywood-Traumpaar Aishwarya und Abhishek beim gemeinsamen Kochen. Das beste Frauenporträt kommt vom Beleuchtungs- und Elektrogeräteanbieter Havells mit der „Respect for women“-Anzeigenserie, die Respekt für Frauen einfordert.  Im Waschmittel-Werbespot von Nirma sind drei Frauen zu sehen, die einen im Graben feststeckenden Rettungswagen anschieben. Mit all diesen Darstellungen entsteht ein anderer Raum in der Werbung – die vom Althergebrachten abweichende Rolle der Frau entwickelt Dynamik. Was ganz wichtig ist: Das positive Frauenbild – mit realistischen Personen statt glamourösen Puppenfiguren – wird auch von der Gesellschaft begrüßt. In der jüngsten Werbekampagne „Love you ma“ des Malzmilchanbieters Horlicks füllen Mütter ihre traditionellen Rollen aus, unterstützen damit aber unablässig ihre unabhängigen Töchter in verschiedenen Berufszweigen, etwa als Polizistin oder erfolgreiche Sportlerin. Eine kleine Tochter unterstützt im Gegenzug ihre Mutter und nimmt sie an die Hand. Die schönen Bilder zeigen das neue Zeitalter der Frau in einem völlig neuen Licht.

Während die indische Frau einst als unterwürfige Hausfrau präsentiert wurde, ist sie jetzt selbstbewusst, unabhängig und entscheidungsfrei zu sehen. Die Werbung ist nicht mehr von stereotypen Rollenbildern geprägt. In den letzten Jahren ist ein anderes Lebensmodell in den Vordergrund gerückt, das mit der alten Tradition von Frauen im Hintergrund oder als Blickfang bricht. Große Marken leisten dabei einen Beitrag, doch auch kleinere Marken spielen hier eine wichtige Rolle – so stellt etwa Fiberfitness das schönste Geschenk eines Sohns an seine Mutter und seinen Vater dar: die Fitnessstudiomitgliedschaft für lebenslange Gesundheit. Einmal mehr ist die Mutter hier die wichtigste Figur. Obwohl Frauen beispielsweise 30 Prozent des Personals in der Softwarebranche stellen, zeigen einige Markenartikler Frauen immer noch nur als Hausfrau oder hübsches Beiwerk. Bei einem großen Teil der Werbung hat sich die Rolle der Frau in den letzten Jahren jedoch verändert – das ist schon ein Aha-Erlebnis. Üblicherweise lässt sich die Darstellung von Frauen in drei Kategorien einteilen: traditionell, neutral und nichttraditionell. 

Das traditionelle Rollenbild: Mutter, Tochter, Hausfrau, schmückendes Beiwerk.

Das neutrale Rollenbild: sonstige Figuren.

Das nichttraditionelle Rollenbild: berufstätige Frau, Freundin, Vorgesetzte oder Kollegin.

Die nichttraditionellen Rollen sind auf dem Vormarsch – indische Frauen gehören längst nicht mehr nur in die Küche, sondern stehen als Protagonistinnen in zahlreichen Werbegeschichten führender Marken im Mittelpunkt.

 Referenz: Marketing White Book 2015

„Ich interessiere mich sehr für die Zukunft, denn ich werde den Rest meines Lebens in ihr verbringen.“ Diese Worte des Amerikaners Charles F. Kettering, der sein Leben der Entwicklung von  Innovationen verschrieb, sollten auch wir zu unserem persönlichen Credo machen. Denn nur wenn wir heute wissen, was uns morgen erwartet, sind wir vorbereitet.

Wie unsere Zukunft (ob nah oder fern) aussehen könnte, lässt sich erahnen, wenn wir aktuelle Trends betrachten. Die Digitalisierung ist dabei der derzeit wohl bedeutendste „Entwicklungsmotor“, denn durch sie ist unsere Welt in stetigem, vielfach rasantem Wandel begriffen. Viele Bereiche unseres Lebens verändern sich, insbesondere natürlich die Medienlandschaft. Die im Folgenden skizzierten Trends, sind die meiner Meinung nach gegenwärtig relevantesten:

1. Trend: „Internetisierung“ der Medien

Die Digitalisierung der Medien führt nicht dazu, dass die „klassischen Medien“ in der Zukunft keine Relevanz mehr haben, sondern, dass diese Medien sich von ihrem primären Trägermedium trennen und in digitaler Form im Internet zusätzliche Verbreitung finden. Dieser Prozess wird auch als Divergenz (Auseinanderstreben) bezeichnet, weil nun beispielsweise Print-Inhalte auf immer mehr Devices zur Verfügung gestellt werden, und nicht mehr nur auf dem Papier. Die „klassischen Medien“ erfahren über die Internetisierung zudem eine digitale Aufwertung, weil alle technischen Möglichkeiten der Einbindung von Bewegtbild, der Verlinkung zu anderen Inhalten und der Rückkanalfähigkeit gegeben sind.

Werbungtreibende profitieren von diesen Möglichkeiten, weil sie in den digitalisierten klassischen Medienmarken den gesamten kreativen Gestaltungsspielraum ausnutzen können, den die Digitalisierung ermöglicht. Zudem können die Werbemittel über Targeting-Systeme nahezu Streuverlustfrei, auf die konkreten Kundenbedürfnisse zugeschnitten, ausgespielt werden. In fünf bis zehn Jahren werden Targeting-Systeme sogar in der Auslieferung von TV-Werbung Anwendung finden, sobald TV ip-basiert ausgesteuert wird.

Kein Medium bleibt von der Internetisierung ausgespart. Selbst in der bisher statischen Welt der Außenwerbung ist es aufgrund der Digitalisierung nun möglich, nicht nur Bewegtbildinhalte in den Raum zu bringen, sondern jede einzelne „digitale Plakatstelle“ zeitlich an- und auszusteuern.

2. Trend: Fragmentierung der Medien

Früher wurde über wenige klassische Medien die breite Masse angesprochen. Auch heute erreichen diese Medien noch immer die Mehrheit der Bevölkerung, doch die Struktur der Medienlandschaft verändert sich drastisch und die elektronischen Medien profitieren in besonderem Maße. Treiber der zunehmenden Nutzung der elektronischen Medien ist insbesondere das Internet mit seiner Vielzahl an neuen digitalen Angeboten.

Fragmentierung der Medien im Einzelnen bedeutet aber auch Reichweitenverluste der tradierten Medienmarken innerhalb deren Gattung. Letztendlich fungieren aber die großen Medienmarken auch weiterhin als Leuchttürme im Medienmarkt, die auch zukünftig im Mediaplan notwendig sind, um relevante Reichweiten zu generieren. Denn das Ausmaß der Fragmentierung findet im Longtail der Medienangebote statt, deren Reichweite je neuem Angebot meist gering ausfällt.

Die Fragmentierung wird aber nicht nur durch neue Anbieter getrieben, sondern auch die großen Medienhäuser beteiligen sich an diesem Prozess. Deren Strategie besteht aber mit darin die Strahlkraft ihrer bedeutenden Medienmarken nochmals zu erhöhen, indem sie die Marke über neue Angebote dehnen. Beispielsweise ist der „Spiegel“ nicht mehr alleinig ein wöchentliches Magazin, sondern es gibt auch die ePaper-Ausgabe, das Online-Angebot, die Spiegel App, den TV-Sender Spiegel-TV.

Um den Überblick in der unübersichtlichen Vielzahl der Angebote zu behalten, bedienen wir uns sophistizierten Modelling-Ansätzen, die entlang der Customer Journey die Medienkanäle und -angebote identifizieren, die die beste Wirkung garantieren.

3. Trend: Das ubiquitäre Internet

Das Internet ist heute allgegenwärtig durch die Möglichkeit, es jederzeit auch mobil nutzen zu können. Im Jahr 2013 zählte man in Deutschland rund 27 Mio. mobile Internetnutzer – Tendenz nach wie vor steigend. In den USA ist das Smartphone bereits jetzt schon der häufigste Zugang zum Internet und der Verkauf von Tablets und Smartphones hat den von Computern längst überholt.

Mobile Medien sind inzwischen ständige Begleiter und damit unverzichtbare Touchpoints in der Markenkommunikation. So wird beispielsweise vielfach nach Kontakt mit Werbung in klassischen Medien (TV, POS, PZ und OoH) mobil nach weiteren Informationen gesucht. Zu diesen Ergebnissen kommt auch unsere Studie Mobile Nutzung in Wartesituationen, die das Mediennutzungsverhalten von Pendlern in Wartesituationen aufzeigt. 96% aller befragten Pendler verfügen über ein Smartphone, 42% sogar über ein Tablet. Sie lesen SMS oder E-Mails (84 Prozent), schauen auf die Uhr (79 Prozent) oder in die sozialen Netzwerke (58 Prozent), checken den Wetterbericht (57 Prozent) oder lesen Nachrichten (52 Prozent). Dabei nutzt die Mehrzahl der Pendler hierfür vorinstallierte Apps und nicht den Browser. Die Studie weist somit besonders mobile Personengruppen wie Pendler als eine interessanten und relevante Zielgruppe aus.

4. Trend: Mediennutzung ist multioptional

Waren 1950 unter den zehn Lieblingsbeschäftigungen der Deutschen nur drei Aktivitäten (Zeitung, Bücher, Kino) medial geprägt, so sind es heute bereits sieben Medienaktivitäten, die unser Freizeitverhalten prägen. Dabei ist die Art und Weise der Mediennutzung sehr individuell: Nachdem Medien analog oder digital, linear oder zeitversetzt, stationär oder mobil nutzbar sind, kann jeder Nutzer entscheiden, wann, wie und wo er welche Medien und Inhalte nutzt. Unsere Zeit am Tage ist aber begrenzt und die Vielfalt der Medien, die wir nutzen können und wollen, steigt. Bei einer Mediennutzung von über zehn Stunden am Tag brutto werden somit Medien immer häufiger parallel zueinander verwendet.

Parallenutzung zum Medienkonsum hat in der Vergangenheit zwar auch schon stattgefunden und ist somit eigentlich nichts Neues, allerdings erfährt die Parallenutzung durch die neuen digitalen Endgeräte eine neue Qualität. 66 Prozent aller TV-Zuschauer, die sich als Parallelnutzer ausweisen, sind nämlich Multiscreener, die zeitgleich zu ihrem TV-Konsum auch digitale Angebote nutzen (Surfen, E-Mails, Facebook etc.). Während des Fernsehens werden vor allem Smartphones (83 Prozent) und Tablets (87 Prozent) genutzt. Die Wirkung von TV-Werbung sinkt infolge der „Second Screen-Nutzung“ (Parallelnutzung von TV und einem weiteren Bildschirmgerät), denn insbesondere in den Werbepausen wird der Second Screen zum First Screen. Fatal für Werbungtreibende: Das Zapping-Verhalten in den TV-Werbepausen nimmt aufgrund der Second Screen-Nutzung zwar ab, jedoch nehmen die Sender die gestiegene Werbereichweite zum Anlass, ihre Preise marktgerecht anzupassen. Wird der Second Screen aber nun zum First Screen, so ist die Aufmerksamkeit der Zuschauer zwischen den Bildschirmen geteilt und es droht ein Absinken der Wirkung des TV-Werbeblocks. Um diesen Wirkungsverlust auszugleichen, bedarf es einer gezielten Cross-Channel-Planung zwischen TV, Online und Mobile, mittels derer sich – optimal umgesetzt – ein Uplift von bis zu 70 Prozent erzielen lässt. Eine weitere Option ist die gezielte Verzahnung von TV- und Online-Kampagnen.

5. Trend: Online-Bewegtbild

Rund 47 Mio. Deutsche nutzen zwar mittlerweile Online-Videos, doch vorwiegend unregelmäßig. Nur eine vergleichsweise kleine Gruppe nutzt Videos im Netz intensiv. Insbesondere bei YouTube stellen wir eine extreme Klumpung der Nutzer fest, denn auf nur 8% der Nutzer entfällt 66% der Nutzungszeit von YouTube. Um Bewegtbildkampagnen in der Breite auszusteuern gilt es, die restlichen 92% aller YouTube Nutzer zu erreichen, was aber ohne den Einsatz von Targeting nicht effektiv gelingt. Somit schafft die alleinige Belegung von Online-Videos keine nachhaltige Reichweite. Denn um allein die Netto-Reichweite, die das Medium TV an einem einzelnen Tag erzielt mit einer reinen Bewegtbild-Werbekampagne zu erreichen, benötigt man bis zu 50 Tage. Daher empfiehlt es sich für die Optimierung der Reichweite und Kommunikationswirkung die Strategie eines Transmedialen-Planungsansatzes der klassische Medien mit Online-Bewegtbild intelligent verknüpft.

6. Trend: Big Data / Right Data

Immer mehr Alltagsgegenstände werden digitalisiert und an das Internet angeschlossen. Google Glass, intelligente Kühlschränke, Überwachungskameras, deren Aufnahmen per Smartphone betrachtet werden können… Die Vielfalt ist nahezu unendlich – ebenso die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben.

Auch (Kauf-)Entscheidungsprozesse von Konsumenten lassen sich im Zuge der Digitalisierung immer detaillierter verfolgen; und das Marketing profitiert davon in erheblichem Maße. Neuste Entwicklung: die Beacons, von denen die Kollegen bei Plan.Net unlängst die größte Installation im deutschsprachigen Raum geschaffen haben. Mit ihnen lassen sich auch am Point of Sale die Wege und Entscheidungen der Verbraucher nachverfolgen – oder ganz neue Angebote schaffen.

Die aus den vielen Trackingmöglichkeiten resultierenden Datenmassen sind allerdings nur dann hilfreich, wenn wir sie zu nutzen wissen. Idealerweise wird auf einen „Big Data Attribution Modelling-Ansatz“ zurückgegriffen, mit dessen Hilfe sich der Einfluss jedes einzelnen Touchpoints (offline wie online) auf die Kaufentscheidung umfassend modellieren lässt. Nur so kann der optimale Mediamix für eine Marke bestimmt werden, der idealerweise klassische Medien (Monolog), Social Media (Dialog) und Location Based Services/Beacons etc. (persönliche Ansprache) berücksichtigt.

Unsere interne Veranstaltungsreihe »Campus Highlight« startete in diesem Jahr mit einem ganz besonderen Gast: Wir konnten Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT, Mitherausgeber des Berliner Tagesspiegel und Talkshowmoderator bei Radio Bremen (»3 nach 9«) für seinen Vortrag im Haus der Kommunikation Hamburg gewinnen. Die Mitarbeiter von Serviceplan Hamburg hatten so die Möglichkeit, Einblicke in die Tätigkeiten von Giovanni di Lorenzo zu bekommen und konkrete Fragen zu aktuellen Themen zu stellen. Es entwickelte sich eine interessante Diskussion über die Plagiatsaffäre von Karl Theodor zu Guttenberg, die enge Zusammenarbeit di Lorenzos mit Altkanzler Helmut Schmidt als Herausgeber der ZEIT sowie die Digitalisierung der Medienlandschaft und die Chancen und Risiken für die Printtitel in Deutschland, die durch das fundierte Wissen und die charmante Art von Giovanni di Lorenzo noch Stunden hätte dauern können.

Campus Highlight mit Giovanni di Lorenzo (rechts) und Serviceplan Hamburg-Geschäftsführer Jörg Schultheis

Giovanni di Lorenzo (rechts) und Serviceplan Hamburg-Geschäftsführer Jörg Schultheis.