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Diana Degraa, Geschäftsführerin von Plan.Net Hamburg, spricht im Interview mit dem Blog „Frauen und Technik“ über ihre technische Erfahrung, über ihre Tipps für weibliche Talente und welche Rolle Big Data und Business Intelligence künftig spielen.

Florian Haller, Hauptgeschäftsführer der Serviceplan Gruppe, spricht in einem Interview mit der Marketing Review St. Gallen zur Positionierung der Agenturgruppe und zu aktuellen Entwicklungen im Marketing. Das Interview führten Sven Reinecke, Direktor des Instituts für Marketing der Universität St. Gallen und Friedrich M. Kirn, Geschäftsführer MIM Marken Institut München GmbH.

An der Universität St. Gallen (HSG) bilden wir Studierende in Marketing und Management aus – in Agenturen findet man aber nicht sehr viele „studierte“ Marketeers. Sie sind ein seltenes Beispiel dafür: War Ihre Ausbildung aus Ihrer Sicht förderlich, oder würden Sie heute einen anderen Weg wählen?

Meine Zeit an der HSG war für mich ausgesprochen förderlich. Das hat damit zu tun, dass sich das Geschäft für Werbeagenturen in den vergangenen 20 Jahren ganz extrem verändert hat. Früher war unser Kerngeschäft stark am Bauchgefühl ausgerichtet und in erster Linie kreativ. Eine wissenschaftliche „Verbildung“ war damals vielleicht gar nicht nützlich. Das ist heute völlig anders. Werbeagenturen arbeiten wesentlich strategischer und viel komplexer. Während wir einst vier bis fünf Werbekanäle bespielten, sind wir heute mit 20 bis 30 Kanälen konfrontiert. Und die wollen auch noch vernetzt sein. Zudem haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Berufsbilder entwickelt, die es früher nicht gab und die heute nicht mehr wegzudenken sind. Denken Sie nur an digitale Werbeformen. Auch die Geschäftsmodelle haben sich enorm weiterentwickelt. Strategische wie theoretische Grundlagen sind heute für die Führung eines Unternehmens unserer Größenordnung unerlässlich. Insofern bin ich sicher, dass mir das Studium an der Hochschule St. Gallen wertvolles Basiswissen vermittelt hat. Ich finde es schade, dass sich so wenige Top-Absolventen der renommierten Universitäten für den Eintritt in große Kommunikationsagenturen entscheiden. Hier müssen wir uns vielleicht aber auch an die Nase fassen und stärker kommunizieren, was für Tätigkeitsfelder und Aufstiegschancen wir bieten.

Was waren für Sie besonders „kritische“ und erkenntnisreiche Ereignisse in Ihrem Werdegang?

Echte Aha-Momente waren die wesentlichen berufliche Stationen in meinem Leben. Das fing natürlich mit dem Studium in St. Gallen und dem „St. Galler Management-Modell“ an. Das entscheidende Learning war, dass Führungskräfte sich nicht mit Vordergründigem zufrieden geben, sondern Strukturen erkennen müssen. Wer Strukturen erfasst und weiterentwickelt, kann erfolgreiche Strategien konzipieren. In St. Gallen ist auch der Kontakt mit der Wirtschaft sehr gefördert worden. So haben wir früh Vorträge gehalten und Manager-Seminare mitgestaltet. Schon in jungen Jahren kamen wir ganz selbstverständlich mit dem Schweizer und europäischen Top-Management in Kontakt. Daraus ergaben sich ganz natürlich Kontakte, die nun über Jahrzehnte bestehen. In meiner Universitätszeit entwickelte ich ein Gespür dafür, wie toll Werbung sein kann. Es war übrigens überhaupt nicht klar, ob ich einmal in die Agentur meines Vaters eintreten würde.

Eine wichtige Station war für mich nach dem Studium der Eintritt bei Procter & Gamble. Als ich nach Brüssel ging und dort für eine Marke europaweit arbeitete, hatte ich in einem internationalen Team einen riesen Spaß. Das Management gab uns jungen Marketingprofis das Gefühl, dass wir für unsere Marken persönlich verantwortlich sind. Daraus entstand ein ganz starker Bezug zu unseren Marken. Über die sechseinhalb Jahre bei Procter & Gamble reifte bei mir die Überzeugung, dass ich einmal mein eigenes Ding machen wollte. So bin ich dann in die Agentur meines Vaters eingetreten.

Wie differenziert man sich als Agentur? Die Positionierung, die „Vision“ oder „Leitbild“ der meisten Kommunikationsagenturen sind sehr ähnlich und somit wenig einzigartig, der Fokus liegt auf Markenführung und Kreativität.

Stimmt. Es ist wirklich schwer, sich in der Außenwahrnehmung abzusetzen. Aber das liegt einfach daran, dass Agenturen per se bestimmte Werte leben müssen. Von einer Agentur erwartet der Kunde, dass sie ein großes Maß an Kreativität hat und Marken nicht beschädigt. Das liegt in der Natur der Sache. Unkreative Agenturen gibt es nicht.

Am Markt differenzieren wir uns durch unsere vier „i‘s“: innovative, international, independent, integrated. Wir sind independent, also unabhängig, und partnergeführt. Zudem sind wir integriert aufgestellt. Dabei ist ganz wichtig, dass unsere Struktur nicht theoretisch ist, sondern in den Häusern der Kommunikation aktiv gelebt wird. Bei uns arbeiten die klassischen Kommunikativen selbstverständlich Tür an Tür mit Mediaplanern, Datenanalysten und Marktforschern. Innerhalb der Agenturgruppe ist dabei jede Agentur eine selbstständige Einheit. Wir haben die Tiefe der Spezialisierung, aber trotzdem das Ganzheitliche. Erreicht wird das dadurch, dass die Teams räumliche Nähe haben und zu Kundenteams zusammengefasst werden. Weiter stehen wir für Innovation und Internationalität.

Unternehmen verfolgen verstärkt eine „One Brand“-Philosophie. Serviceplan selbst agiert als Gruppe, aber man pflegt bewusst sehr viele „Subbrands“ und regionale Verankerung. Ist das nicht ein gewisser Widerspruch? Benötigt man in der heutigen globalen Zeit noch eine so starke nationale Präsenz?

Man muss die Leistungsebene von der Markenebene trennen. Auf der Leistungsebene haben wir tatsächlich einzelne Agenturen zu den Spezialbereichen. So macht eine Agentur nichts anderes als Business Intelligence oder eine andere ist auf Search Engine Optimization spezialisiert. Wir verstehen diese Spezialagenturen als Werkzeuge, die der Kunde einzeln kaufen kann. In den spezialisierten Einheiten entwickelt sich ein ganz spezifisches Know-how. Kreative suchen Kreative und Technik-Affine brauchen Technikfreaks. Als Agenturgruppe müssen wir die richtigen Umfelder schaffen und für die Bereiche passende Mitarbeiter finden. Auf der Markenebene versuchen wir dagegen, uns zu reduzieren. Wir wollen nicht für jeden Leistungsbereich eine eigene Marke. Das lässt sich am Markt nicht durchsetzen. Deshalb haben wir eine Marke für das Kreativprodukt im weitesten Sinne: Serviceplan. Wir haben eine Marke für die Fähigkeit, mit Kanälen umzugehen – Mediaplus. Die Marke Plan.Net steht dagegen ausschließlich für das digitale Segment, Facit umfasst den Bereich Marktforschung und unsere neueste Marke Solutions deckt das Realisierungsgeschäft ab. Unter diese Marken gliedern sich die Leistungsbereiche.

Ist es heute überhaupt noch sinnvoll, in so vielen Ländern und auf so vielen Kontinenten regional Präsenz zu zeigen oder müssten Agenturen viel mehr in einzelnen Märkten Synergien suchen?

Die Serviceplan Gruppe ist die erste deutsche Agentur, die in großem Maß internationale Präsenz zeigt. Wir haben im Ausland entweder eigene Standorte oder Partnerschaften. Unsere Präsenz erstreckt sich derzeit über 35 Länder – von Frankreich über Dubai bis nach China. Obwohl Deutschland so exportorientiert ist, hat sich nie eine deutsche Agentur so internationalisiert wie Serviceplan. Das ist eigenartig, weil deutsche Unternehmen für Eigenschaften wie Zuverlässigkeit und technikorientierte Denke geschätzt werden. Zudem setzen Global Player wie beispielsweise BMW als Kunden voraus, dass der Partner in der Lage ist, Werbekampagnen international zu planen und länderspezifisch anzupassen. Dazu braucht ein Unternehmen in einzelnen Märkten differenziertes Know-how. Wer heute eine Kampagne für den 7er-BMW plant, muss den chinesischen Markt verstehen. Dort werden ungleich mehr Autos verkauft als beispielsweise in Deutschland. Kurz: Die Internationalisierung wird ganz klar von unseren Kunden gefordert. Nicht vergessen möchte ich den Aspekt, dass die Internationalisierung für die Serviceplan Gruppe eine ungeheure Bereicherung ist. Bei Kick-off-Veranstaltungen ist es für mich immer wieder ein Erlebnis, wenn Teams aus China, Europa und den USA zusammentreffen und gemeinsam eine Vision entwickeln. Die Internationalisierung ist für uns durchaus auch eine emotionale Angelegenheit. Dass wir uns bei der Expansion auf Hubs konzentrieren, die wirtschaftlich relevant sind, versteht sich von selbst. Wichtig ist uns, dass die einzelnen Länderagenturen unabhängig sind und ihre Kunden betreuen. Natürlich entstehen länderübergreifend auch Synergien.

Serviceplan setzt mit dem Modell „Haus der Kommunikation“ stark auf das Thema Integration. Ich möchte nicht nach Ihrer Lieblingskampagne fragen – denn Kunden ordnet man nicht gerne. Doch welche Kampagne von Serviceplan bringt die Integration am besten zum Ausdruck?

(Lacht) Wir liefern jedem Kunden zuverlässig den passenden Service. Darauf bin ich stolz. Natürlich gibt es im Tagesgeschäft auch echte Leuchtturm-Projekte. Ich bin auf viele Arbeiten, die wir für BMW machen, stolz. Hier kombinieren wir sehr stark Kreativität, Media und den digitalen Ansatz. Ein gutes Beispiel ist die Einführungskampagne für den i8. Der ist ganz einfach ein tolles Produkt, für das die Entwicklung einer Kampagne Spaß macht. Dazu kommt der globale Anspruch und der Rollout auf allen Kanälen. Der ist auch für eine große Agentur eine Herausforderung. Ist der Kunde dann zufrieden, ist das für alle Beteiligten eine Freude. Es gibt aber auch kleinere Fälle, die ich superspannend finde. So haben wir für den Deutschen Anwaltsverein eine Kampagne entwickelt, die hauptsächlich viral funktioniert hat. Bei so einem Case steht dann das Innovative im Vordergrund.

Häufig wird 360-Grad-Kommunikation gefordert – Mittelständler mit bescheidenen Budgets favorisieren aber 80 : 20. Können Sie Beispiele geben, wann „Integrierte Kommunikation“ nicht das Ziel sein sollte und welchen Stellenwert Marke hat?

Ich halte den Begriff 360-Grad-Kommunikation für wenig sinnvoll. Es kann in der heutigen Zeit nicht darum gehen, möglichst alle Kanäle zu bespielen. Erstens reicht dafür das Geld wohl in den meisten Fällen nicht und weiter stellt sich die Frage, welche Logik dahinter stehen soll. Innovative Konzepte berücksichtigen durchaus, welche Kanäle es gibt, suchen dann aber eine intelligente, in der Zeitfolge sinnvolle Verknüpfung.

Der allgegenwärtige Trend zur Digitalisierung verstellt uns nicht ein einziges Thema. Wenn alles digitaler wird, rückt im Wettbewerb alles näher zusammen. Dadurch steigt meines Erachtens die Bedeutung der Marke. Früher gab es hohe Eintrittsbarrieren. Kunden mussten in das Geschäft gehen und beraten werde, bevor sie sich für ihr neues Sakko entschieden. Heute gibt es das Internet und der Vergleich per Mausklick ist die Regel. Deshalb kann man durchaus die These vertreten, dass Markenarbeit heute so wichtig ist wie nie.

Uns beschäftigt in der Forschung derzeit das Thema „Sponsorenaktivierung“. Warum wird Sponsoring in vielen Fällen – trotz der hohen Rechtekosten – ungenügend aktiviert und die Markenführung integriert? Gibt es hierfür Best-Practice-Beispiele?

Die Serviceplan Gruppe hat eine kleine Unternehmenseinheit, die sich spezifisch mit Sponsoring auseinandersetzt. Das Thema ist sehr spannend und Sponsoring kann enorme Werbewirkung entfalten. Gleichzeitig wird Sponsoring im Agenturgeschäft allerdings nie eine zentrale Rolle spielen. Sponsoring-Entscheidungen werden oft sehr emotional gefällt und besonders bei der Budgetplanung ist Vorsicht geboten. Wer sich mit doch meist beträchtlichen Summen beim Sponsoring engagiert, muss darauf achten, dass für Werbemaßnahmen in der Folge noch genügend Budget bleibt. Nur dann ist Sponsoring effizient.

Die Kommunikationslandschaft zersplittert sich, kaum einer hat noch den Überblick. Im digitalen Werbebereich gibt es zwei stark dominierende Player. Wie sieht die Kommunikation im Jahr 2025 aus? Wie verschieben sich die Budgets der Unternehmen, wie die Aufgaben der Agenturen und der anderen Player wie beispielsweise der Marktforscher?

Ich mache mir da gar keine Sorgen. Es gibt viele Dinge, die im derzeitigen Digitalhype nicht diskutiert werden. Auch künftig werden Unternehmen Partner brauchen, die kreative Ideen entwickeln. Selbst im digitalen Bereich entsteht ein enormer Beratungsbedarf. Agenturen, die sich nur auf ihre Einkaufsmacht im Mediabereich zurückziehen, werden verschwinden, weil Computer diese Arbeit übernehmen. Nicht beantwortet ist aber die Frage, welche Kundendaten ich überhaupt bekommen kann, zu welchem Preis kaufe ich die ein und wie segmentiere ich die verfügbaren Daten? Der Beratungsbedarf wird künftig nicht kleiner, sondern größer werden. Wenn ich Google oder Facebook meine Kanalstrategie übertrage, dürfte wohl ziemlich klar sein, auf welchen Kanälen meine Budgets eingesetzt werden. Das werden Werbekunden nicht wollen. Unsere Chance wird in der Zukunft sein, verschiedene Quellen zu nutzen und für unsere Kunden effiziente Angebote zusammenzustellen.

Blick nach vorne: Wie wird Serviceplan in 15 Jahren dastehen?

Seien wir zufrieden, wenn Serviceplan die kommenden fünf Jahre gut dasteht. Scherz beiseite: In 15 Jahren werden wir in jedem Fall noch digitaler sein. Der Anteil an digitalen Services liegt bei uns derzeit schon bei über 50 Prozent. Heute machen die Werbebudgets im Digitalbereich bei den Kunden durchschnittlich 30 Prozent aus. Künftig wird das Thema Daten ein wichtiger Bereich werden. Serviceplan wird noch mehr Content-Marketing machen als das heute der Fall ist und noch internationaler werden. Bei aller berechtigten Skepsis gegenüber der Datensammelwut und der Auswertung von Big Data in vielen Ländern auf dieser Erde müssen wir in Europa aufpassen, dass wir nicht abgehängt werden. Ich bin durchaus ein Verfechter von Datenschutz und kontrolliertem Umgang mit Daten, aber die Zukunft ist in vielen Teilen digital und die Geschäftsmodelle, die sich aus dieser Zukunft entwickeln, sind ebenfalls digital. Wenn wir an diesem Megatrend partizipieren wollen, müssen wir der digitalen Welt gegenüber aufgeschlossen bleiben. Gerade in der Werbung müssen wir darauf achtgeben, dass nicht nur Firmen in den USA in ihrem Safe-Harbour all das machen, was bei uns nicht erlaubt ist, und damit richtig gut Geld verdienen. Dafür ist es wichtig, den Menschen auch die Angst vor Big Data zu nehmen.

Zum Abschluss vielleicht noch einige Worte zu Ihrem Engagement in der Schweiz, in der Serviceplan ja auch eine Niederlassung unterhält?

Gern. Mein Vater ist Schweizer und ich auch. Ich habe in der Schweiz meinen Militärdienst absolviert, studiert, gearbeitet und habe der Schweiz viel zur verdanken. Insofern sind wir genau betrachtet die größte Schweizer Agentur weltweit. Die Schweiz ist für uns im Übrigen ein wichtiger Markt, weil sie ein Hub für international tätige Firmen ist. Wir arbeiten beispielsweise für ABB international global mit Standort Zürich. Ich fühle mich in der Schweiz sehr wohl.

Dieses Interview erschien in Marketing Review St. Gallen.

Die Digitalisierung hat die Medien- und Kommunikationswelt revolutioniert. Kehrt nun etwas Ruhe ein? Nein, es wird genauso rasant weitergehen, weil die Digitalisierung – quasi als treibende Kraft – viele spannende Entwicklungen ausgelöst hat. Diese fünf Trends werden uns 2017 auf Trab halten.

1. Customer Centricity und Personalisierung

Der Verbraucher wird Zentrum allen Handelns

Früher wurden ein Produkt und eine Kampagne für möglichst viele Menschen entwickelt. Massenwerbung per Gießkannenprinzip funktionierte. Tempi passati – um heute erfolgreich zu sein, brauchen wir das Gegenteil: die gelungene Ansprache des einzelnen Verbrauchers. Die Werbung wird deshalb einen kräftigen Personalisierungsschub erleben. „Small Data“ im Sinne Martin Lindstroms und Mikrosegmentierung werden diese Entwicklung voranbringen.

Diese konzentrierte Fokussierung auf den einzelnen Kunden, auch „Customer Centricity“ genannt, wird selbst auf die Produktgestaltung Auswirkungen haben: Es werden Erlebnis- und Dienstleistungswelten entstehen, in denen das eigentliche Produkt – also die Ware – nur noch ein Aspekt von vielen ist. Ein Autokonzern verkauft dann nicht nur Automodelle, sondern komplexe Mobilitätslösungen. Wer mit seiner Markenwelt begeistern kann, profitiert im Idealfall von einer lebenslangen Loyalität der einzelnen Kunden, die das Produkt womöglich – etwa mit „Amazon Dash“ – immer wieder per Knopfdruck bestellen. Im Marketing der Zukunft gibt es keine „One Night Stands“.

2. Wahrhaftigkeit und Authentizität

Marken müssen um ihre Glaubwürdigkeit kämpfen

So merkwürdig es klingen mag: Gerade Marken, für die früher phantastische Scheinwelten und großspurige Claims ersonnen wurden, müssen heute ehrlicher und transparenter agieren denn je. In der heutigen als „postfaktisch“ gebrandmarkten Zeit, in der das zynische und gesellschaftlich gefährliche Geschäft mit Fake News floriert, dürfen sie sich nicht in den immer stärker werdenden Sog der Unglaubwürdigkeit hineinziehen lassen. Der Schaden an Kundenvertrauen und Umsatz wäre enorm. Stattdessen müssen sie Misstrauen standfest bekämpfen, mit wahrhaftiger, authentischer Kommunikation. Kluges Content-Marketing wird hier eine zentrale Rolle spielen.

3. Storytelling und Motion Media

Bewegte Bilder erzählen fesselnde Geschichten

Die Menschen sind „content-satt“ – es gibt inzwischen zu viel von allem. Auf viele Inhalte reagieren sie gereizt: Innerhalb weniger Sekunden entscheiden sie, ob sie ein Angebot gut finden – oder öde. Dann wird weggeklickt oder geblockt. Es gibt kein Dazwischen mehr, kein „so lala“. Zu den Gewinnern 2017 wird deshalb gehören, wer mit spannenden oder interessanten Storys zu fesseln weiß. Denn wenn es eine typische Eigenheit der Menschen gibt, dann diese: Sie lieben Geschichten. Bilder und Bewegtbilder eignen sich für das Erzählen besonders, weil sie schneller, intuitiver konsumierbar sind als Text. Aus diesem Grund wird ein weltweiter Trend zu Werbung via Bewegtbild und Motion Media einsetzen. Der Lohn erstklassiger Arbeiten wird ein starker viraler Effekt sein.

4. Virtual Reality und Artificial Intelligence

Neue Technologien werden zum Standard

Neue Technologien verlassen ihre Nische als hippe Erfindungen und werden zu praktikablen Instrumenten des Marketings.

  • Mit Virtual Reality entstehen aufregend neue Markenerlebnisse. Zu den guten Beispielen gehören die A380-Führung von Etihad oder die Ikea-App „VR Experience“, in der die Küche vor dem Kauf begutachtet werden kann. Werbung wird spielerischer werden, Erfahrungen mit Gaming sind von Vorteil.
  • Die Künstliche Intelligenz kommt mit Riesenschritten voran und wird die Kommunikation unterstützend bereichern. Dank ihr entwickeln sich Chatbots zu essentiellen Kontaktpunkten, die zum Beispiel den Kundenservice entlasten und bereichern können.

5. Kreativität und Marketingtechnologien

Die Kreation übernimmt die Führung

Die Kraft der Kreativität wird eine verstärkte Wertschätzung erfahren. Denn seien wir ehrlich: Die Begeisterung über das technisch Mach-, Mess- und Automatisierbare, das wir der Digitalisierung verdanken, hat die Kreativität ab und an ins Hintertreffen geraten lassen. Im Online-Marketing lässt sich gut beobachten, wie eine zu dominante Technikgläubigkeit Kreation und Qualität ausgrätschen kann. An erster Stelle muss für uns Marketer immer dieses Ziel stehen: Begeisterung für eine Marke zu entfachen. Letztendlich zählt die eine erstklassige, überraschende Idee, die den Unterschied macht. Technologien bedienen kann auch die Konkurrenz. Es sind großartige Werkzeuge – nicht mehr und nicht weniger.

Der Artikel wurde auf Capital.de veröffentlicht.

2017 werden Themen wie programmgesteuerte Werbung, Business Intelligence, Datenmanagement, Datensicherheit, mobiler Geschäftsverkehr und datengesteuertes Marketing an sich an Bedeutung gewinnen. Das ist nichts Neues. Tatsächlich müssen wir bereits in all diesen Bereichen zurechtkommen und im kommenden Jahr unsere „Hausaufgaben“ machen, um unser Wissen und unsere Kompetenzen auszubauen und zu festigen. Im Rahmen der Entwicklungen innerhalb der Kommunikationsbranche und insbesondere im digitalen Bereich können wir folgende wesentliche Trends beobachten, die bei der Entscheidung über „Top oder Flop“ eine immer größere Rolle spielen werden:

  • Responsive Content
    2016 war das Jahr des Native Advertising und der Content-Strategien – dabei lag der Fokus eindeutig auf Inhalten. Die meisten Online-Auftritte verfügen über ein responsives Layout. Aber: Im Idealfall passen sich auch die Inhalte selbst an das Mobilgerät an. Es gibt viele Möglichkeiten, die Usability und Wirksamkeit der Kommunikation vor dem Hintergrund des sich verändernden Mediennutzungsverhaltens zu optimieren. Neue Wege und Strategien der erfolgreichen Erstellung und Verbreitung von Inhalten werden an Bedeutung gewinnen – in diesem Fall Pixel für Pixel und nicht im 30-Zoll-Format.
  • Visualität und ikonische Wende
    Unsere Welt wird immer „bildlicher“: Wir sind umgeben von Icons, Bildern und Videos. Im Zeitalter der Informationsflut müssen wir Informationen schneller und in größeren Zusammenhängen verarbeiten. Für die Kommunikationsbranche bedeutet das Folgendes: Bildhafte Sprache und neue Möglichkeiten der Visualisierung werden weiterhin einen wesentlichen Erfolgsfaktor darstellen.
  • Datenstrukturierung – Komplexitätsabbau
    Datenmanagement, Datensicherheit, datengesteuertes Marketing, Business Intelligence: Im kommenden Jahr werden strukturierte Daten wichtiger sein als jemals zuvor. Die Fähigkeit, Daten logisch zu strukturieren, ist für alle innovativen Systeme im Umgang mit datengesteuertem Marketing eine unverzichtbare Grundvoraussetzung. Eine komplexe Welt einfacher machen – für alle (Kunden und Unternehmen)!
  • Übergang zwischen Apps und Web
    Auf dem Smartphone nutzen wir viel häufiger Apps als den Internet-Browser. Dennoch konzentriert sich die Marketingbranche bei ihren Kommunikationsstrategien noch immer auf das Web. Im kommenden Jahr wird sich dieser Fokus verlagern. Es muss zum Beispiel die wichtige Frage geklärt werden, wie der Übergang zwischen Apps und dem Web verbessert werden kann; Deeplinks und andere Gadgets können somit schnell zu mächtigen Marketinginstrumenten werden, insbesondere im Bereich des mobilen Geschäftsverkehrs.
  • Messenger-Marketing
    WhatsApp und der Facebook Messenger sind die wichtigsten Chatprogramme und Kommunikationsapps. Facebook beginnt derzeit damit, seinen Messenger für Unternehmen zu öffnen, und WhatsApp könnte diesem Beispiel schon bald folgen. 2017 müssen mobile Vermarkter dorthin gehen, wo sich ihre Zielgruppe befindet – und das wird in jedem Fall auch der Messenger sein. Es ist an der Zeit in einen Dialog über Facebook Bots zu treten.
  • Mobile Videoinhalte
    Mittlerweile wurde das größte „Videoproblem“ für mobile Geräte gelöst. Die Größe von Videos stellt in Zeiten von LTE kaum noch ein Hindernis dar. Videos sind in allen (persönlichen) Umgebungen beliebt, wobei der Trend stark zu Live-Videos geht. Mobiles Videomarketing muss bereits im Erstellungsprozess darauf achten, dass Videos in allen Alltagssituationen abgespielt werden können. Untertitel oder ein passender Call-to-action können hier eine Lösung bieten.

Trotz allem wollen wir auch die Trends im Bereich der realen Kommunikation nicht vergessen. Wir können diese zwar nicht unbedingt jeden Tag in den Medien verfolgen, doch Trendforscher beschäftigen sich intensiv damit: Digital Detox, störungsfreie Zeiten und entsprechende Retro-Trends, Postgenderismus, (endlich) kundenorientierte NFC-Lösungen und innovative E-Government-Dienstleistungen werden im kommenden Jahr ebenfalls zunehmend im Blickpunkt stehen.

Ein Traum für Marketer, eine erschreckende Erkenntnis für Konsumenten und Wähler: Die Firma Cambridge Analytica hat Donald Trump angeblich mit passgenauer, profilbasierter Wahlwerbung zu seinem Wahlsieg verholfen. Dieses Mal hat die Politik dem Marketing vorgemacht, wie es geht.

Doch Wahlen mit Daten beeinflussen, geht das tatsächlich? In einer neuen Folge „Bscheid gsagt“ beschäftigt sich Wolfgang Bscheid, Geschäftsführer von mediascale, mit diesem kontroversen Thema – nicht nur aus der Sicht eines Marketers.

Technologiefachwissen und Informatikkenntnisse zählen nicht gerade zu den Spezialgebieten von Marketing-Entscheidern. Doch die größten IT-Ausgaben eines Unternehmens werden in den kommenden Jahren im Marketing liegen. Denn nur mit einer geeigneten Soft- und Hardware-Lösungen kann eine wirklich erfolgreiche automatisierte und personalisierte Kundenansprache gelingen.

Wie Unternehmen deshalb Marketing und IT sinnvoll miteinander verknüfpfen können und wie sie die beste Lösung für ihre Anforderungen finden, erklärt Alexander Emmendörfer in seinem Gastbeitrag auf onlinemarketing.de: sp-url.com/marketingit

 

Die Regeln von VR sind noch ungeschrieben. Eine seltene Chance für die Markenkommunikation.

Innovationen werden in der Kommunikationsbranche routiniert angekündigt und selten eingelöst. Bei Virtual Reality ist es anders, dieses „Next Big Thing“ rechtfertigt jeden Hype. VR ist eher unter- als überschätzt, denn es ist tatsächlich ein vollständig neues Medium.

Wenn ein neues, folgenreiches Medium entsteht, muss es eine Weile mit bereits bekannten verglichen werden, um die Erfahrung in Begriffe zu bringen. Das beeinflusst eine Weile auch die kreative Form. Kino begann als „lebende Photographie, perfekt in jedem Detail und in Lebensgröße“, Fernsehen als visuelles Radio, das World Wide Web als Hypertext. Bei VR ist es der Name selbst, der auf diesen Übergang verweist: VR ist „sowas wie Realität“.

Natürlich ist VR so wenig über Realität erklärbar wie jedes andere Medium. Aber uns fehlen Erfahrungen und Konventionen, um VR als Medium einzuordnen. Deshalb ist jeder Beitrag über VR ein Erlebnisbericht, und deshalb macht Erfahrung hier auch tatsächlich noch den Unterschied: Man begreift es nicht, wenn man es nicht erlebt hat.

VR wird als immersives Medium aufgefasst, also das Versprechen des „als ob“ – als ob man da wäre, als ob man die Person wäre, die repräsentiert wird. Die Idee der visuellen Immersion ist jedoch wesentlich älter. 1787 baut Robert Barker seine begehbaren 360-Grad-Ansichten auf und nennt sie „Panorama“. Noch älter sind die „Guckkästen“, die bis ins 19. Jahrhundert in Salons und auf Jahrmärkten beliebt waren, hölzerne Kleinapparaturen zur Betrachtung von Perspektivtheatern aus Papier, Holz oder Glas. Frühzeitliche VR-Gears also.

Diese Panoramen und Guckkästen waren primär optische Illusionen. Mit der Digitalisierung kommt in den 1980ern Taktilität ins Spiel, aus dem Zuschauer wird ein Akteur. Jaron Lanier entwickelt den „Data Glove“ und prägt den Begriff Virtual Reality. Die visuelle Repräsentation, die der Data Glove steuern kann, ist noch abstrakt und klötzchenhaft, aber richtungsweisend. Die eigene Körperwahrnehmung beeinflusst, was wir sehen. Wir können im Bild handeln.

In modernem VR kommt beides zusammen – Körperlichkeit und Panorama. Dabei hat VR einige Tricks im Ärmel, die unser Gehirn effektiv überlisten. Und zurzeit sieht es so aus, als ob wir auch nach mehrfacher Wiederholung darauf hereinfallen. Der Gang über den virtuellen Abgrund bringt im Labor auch nach der x-ten Wiederholung das Herz zum Rasen und erzeugt messbare, körperliche Angst. Falsche Körpererfahrung im VR-Dummy, der simulierten Person, die „ich“ bin, kann quasi-traumatische Effekte auslösen. So spürbar, dass der Bewusstseinsforscher Thomas Metzinger mit Kollegen eine Ethik der VR-Produktion formuliert hat.

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Im britischen Thorpe Park schickt der Mentalist und Illusionist Derren Brown seit Juli die Besucher in seinen „Ghost Train“. Ausgestattet mit einem VR Gear Kit, wird man buchstäblich zum Teilnehmer eines Grusel-Szenarios, attackiert von Dämonen und anderen seltsamen Passagieren. Brown verstärkt die sowieso überzeugende VR-Illusion mit Bewegung, Ortswechsel und Berührungen durch Schauspieler. Immersion pur.

Und dennoch spricht vieles dafür, dass dieses Wunder des „Dabeiseins“ vorübergeht, dass es ein Phänomen der Pionierphase ist. Es fehlt nicht nur die Erfahrung bei Rezipienten, es fehlen auch die Regeln der Form. Beide, Produzenten und Rezipienten, experimentieren noch. Es ist ein Vortasten zur Grammatik des Mediums, die Konventionen ermöglicht.

Das zeigt sich in einer großen Formenvielfalt, geradezu eine Explosion der Ideen. Zurzeit scheint VR alles sein zu können: Spiel, Kino, Dokumentation, E-Learning, Horror-Trip, und, nun ja, Videokonferenz. Einer der Gründer der US-Produktionsfirma Wevr, Anthony Batt, bringt es auf eine schöne Formel [„Studio 360“, New Yorker, 25. April 2016]:

„Does that mean our stuff is always perfect? Fuck no! It means we start with no idea of how we´re gonna make a project work, and we make it work. Or we don´t, and the whole thing turns to jello, and we learn.“

Es ist eine große Chance der Markenkommunikation, sich an der Entwicklung dieser Grammatik zu beteiligen. Zwei Besonderheiten helfen dabei: erstens sind kurze Formate heute noch am besten für VR geeignet, und zweitens sind auch vergleichsweise kostengünstige Produktionen umsetzbar.

Seien wir ehrlich: 90% der Markenkommunikation ist mehr oder weniger freundliche Überlistung. Retargeting ist kein Vergnügen fürs Publikum. Mit VR darf Werbung endlich Spektakel sein. Gut gemacht, entlässt sie ihr Publikum aus einer (überwältigenden, aufklärenden, erschreckenden) Erfahrung. Dieses vollständig neue Medium mitzugestalten ist eine Gelegenheit, die so schnell nicht wiederkommt.

 

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Erleben Sie VR auf unserer Roadshow „Reality by Virtuality“ im November live in Hamburg, Berlin, München und Köln.

„Es ist an der Zeit, die abscheuliche Natur des Telefons öffentlich zu machen und seine vielen Erfinder zu verdammen.“ Nein, die Kritik zielt nicht auf das Smartphone, es geht nicht um Digital Detox und auch nicht um die NSA. Das Zitat stammt aus der New York Times des Jahres 1877. Der Autor sorgte sich schon damals um die Privatsphäre der Bürger. Aufhalten konnte die Technologiekritik die Entwicklung nicht: Mehr als drei Viertel aller Deutschen besitzen heute ein Smartphone. Bei den unter 30-Jährigen hat es den Fernseher als „unverzichtbarstes“ Gerät abgelöst. Die Digitalisierung hat unsere Hosen- und Handtaschen, ja sogar unseren Körper erreicht.

Das hat weitreichende Folgen und birgt jede Menge Chancen, aber natürlich auch Risiken. Wie bei jeder wichtigen technologischen Entwicklung, wird es Versuche geben, die neuen Möglichkeiten zu missbrauchen. Trotzdem überwiegen die Chancen der digitalen Transformation die Risiken bei weitem. Wir werden als Gesellschaft und als Einzelner den Umgang damit lernen und im Prozess der Digitalisierung reifen.

Chancen für den Einzelnen und die Gesellschaft

Heute kaufen wir mit dem Smartphone völlig selbstverständlich das Ticket für den Nahverkehr, lesen darauf die News oder den Wetterbericht, hören Musik, stoppen die Zeit für unsere Joggingrunde, chatten mit den Freunden. Für den Einzelnen bedeutet die digitale Transformation mehr Komfort, eine schnellere Verfügbarkeit von Information und neue Kommunikationsformen. Rund 14 Prozent der Deutschen lernen ihren Partner laut Statista mittlerweile völlig selbstverständlich über Online-Partnerbörsen kennen. Diesen Komfort zahlen wir auch mit unseren Daten. Wie wir künftig mit dieser neuen Währung umgehen, ist ein gesellschaftlicher und individueller Lernprozess. Datenschutz ist ein wichtiges Thema für Politik, Wirtschaft und jeden Einzelnen von uns.

Vor der Erfindung des Buchdrucks wurde Wissen in Klöstern gehortet, wo Bücher von Hand kopiert wurden. Lesen war ein Privileg für die, die sich Bücher leisten konnten. Heute findet jeder mit Internetanschluss global Zugang zu Information und Bildungsquellen. Die Demokratisierung des Wissens beinhaltet neben dem Konsum von Information auch die freie Meinungsäußerung: Über Kommentare, Blogs und soziale Medien können wir am politischen und öffentlichen Leben teilnehmen. Dass diese Möglichkeit auch für Stumpfsinn jeden Grades genutzt wird, müssen wir verkraften können. Wichtiger ist, dass in einer vernetzten Welt gesellschaftliche Fehlentwicklungen schneller sichtbar werden als je zuvor. Die Wikileaks Enthüllungen beispielsweise, hätte es ohne Digitalisierung nie gegeben.

Chancen für die Wirtschaft und das Marketing

Die Digitalisierung erlaubt in vielen Märkten eine Leistungserbringung ohne räumliche und zeitliche Beschränkungen. Das wird ganzen Branchen einen Schub geben. Und die Digitalisierung wird helfen, Prozesse noch effizienter zu gestalten. Eine aktuelle Bitkom-Studie schätzt die Potenziale für die Produktivitätssteigerung (Stichpunkt Industrie 4.0) in Deutschland auf bis zu 78 Mrd. Euro bis 2025.

Für das Marketing und Marken bedeutet die digitale Transformation, sie können und müssen mehr Relevanz bieten und zielgerichteter kommunizieren. Die richtige Botschaft zur richtigen Zeit am richtigen Ort anzubieten, benötigt jedoch Daten – nicht zwingend personenbezogene, auch pseudonymisierte Informationen reichen. Die Menschen, Nutzer und Konsumenten erwarten von Marken künftig mehr Service, einen klaren Mehrwert und sinnhaftes Tun.

Technologiekritik ist immer Teil einer gesellschaftlichen Debatte. Die Vergangenheit hat aber bewiesen, dass es deutlich sinnvoller ist, Marktentwicklungen mit zu gestalten, anstatt sie kategorisch abzulehnen. Für die digitale Transformation trifft das ganz besonders zu.

Dieser Artikel wurde auch in Horizont, Ausgabe 40/2016, veröffentlicht.

Personalisierung ist derzeit einer der Megatrends im Marketing. Innerhalb von nicht einmal zwei Jahren hat sich ein Markt entwickelt, an dem es kaum mehr einen Weg vorbei gibt. Für Business-Kunden und Solutionanbieter gleichermaßen. Auf der Anbieterseite bauen fast alle Branchen-Riesen wie Adobe, Oracle, Salesforce, Microsoft, IBM ihre sogenannten Marketing-Cloud-Lösungen immer weiter aus, auf Seiten der Kunden sucht man zunehmend nach Antworten, wie man die neuen Möglichkeiten gewinnbringend einsetzen kann.

Schließlich haben private Nutzer meist schon am eigenen Leib erlebt, wie beeindruckend Personalisierung und Automatisierung sich anfühlen können, wenn man ins Empfehlungsmanagement von Amazon rutscht oder das eigene Smartphone einem ungefragt die Zeit von der Arbeit nach Hause berechnet. Und die neuen Möglichkeiten versprechen, dass dies alles nur der Anfang ist. Da wird es höchste Zeit, dieses Potential auch für die eigenen Kunden zu nutzen.

Viele der erwähnten Cloud-Lösungen bieten tatsächlich bis dahin ungeahnte Möglichkeiten. Kunden können damit relevanter, schneller und effizienter angesprochen und begleitet werden. Egal ob vor oder nach dem Kauf. Dennoch ist aus Sicht eines einzelnen Unternehmens Vorsicht geboten. Denn die Erfahrung zeigt, dass die erwünschte Personalisierung auf Dauer kein Marketingtrick bleiben kann. Die Entscheidung für eine solche technische Lösung ist nur der Anfang. Echte Personalisierung ist der ernsthafte Wunsch beziehungsweise die Absicht, sich mit einem Kunden individuell auseinandersetzten zu können. Und zu wollen! Dies ist nicht nur eine Aufgabe für Systeme und Maschinen, es ist vielmehr eine Aufgabe von Menschen und letztlich der ganzen Organisation.

Kunden ganzheitlich verstehen

Wenn man heute Unternehmen auf dem Weg in die Personalisierung begleitet, merkt man schnell, wo die Chancen, aber auch die Risiken liegen. Die arbeitsteiligen Strukturen, oft viele Jahrzehnte lang Garant für eine erfolgreiche Unternehmensführung, versperren in vielen Unternehmen heute den Weg, Kunden und Interessenten wirklich ganzheitlich zu verstehen und alles, was man über sie weiß, auch zielführend zu nutzen. Es klingt logisch und paradox zugleich: Um Kunden individuell relevant ansprechen und begleiten zu können, müssen immer mehr Menschen und Bereiche in Unternehmen barrierefrei zusammenarbeiten.

Dies gilt zum einen horizontal für Vertrieb, Marketing, Kundenservice etc. Es ist schließlich nicht nur aus Sicht der Kunden wenig sinnvoll, wenn sie zum Beispiel gerade online einen Handyvertrag abgeschlossen haben, und parallel ständig weitere inkompatible Angebote derselben Marke erhalten. Oder wenn im aufkommenden Omnichannel die Kunden weiter mit Fragen zur Ergänzung ihres Profils belästigt werden, sie aber im stationären Handel längst geschätzte Kunden sind.

Auch vertikal ist Integration gefordert: Einkauf, IT, Legal etc. sind gefragt, die nötige Infrastruktur, Daten und Systeme, sowie Rechtssicherheit zu implementieren. Woher sollte eine IT-Abteilung zum Beispiel wissen, welches System zu welcher Marketing-Strategie am besten passt? Der Markt für derartige Beratungsmandate, also Unternehmen fit für das Personalisierungszeitalter zu machen, boomt gerade. Aus inhaltlich konzeptioneller Sicht, aber auch aus einer organisatorischen Perspektive, die Barrieren abbaut und Unternehmen abteilungsübergreifend handlungsfähig macht.

Ist Personalisierung für das Unternehmen wirklich geeignet?

Aber die Herausforderung ist noch viel tiefgreifender: Wer sagt, dass konsequente Personalisierung für jedes Unternehmen geeignet ist? Wer sagt, dass es innerhalb einer Branche der entscheidende Wettbewerbsvorteil für das eigene Unternehmen sein wird? Unternehmen sollten sich vielmehr überlegen, ob sie wirklich dem Megatrend folgen wollen, und wenn ja, wie sie sich von Wettbewerbern differenzieren können. Ist der Wunsch, einen Kunden noch persönlicher betreuen zu wollen, wirklich in der DNA eines Unternehmens verankert, und daher wettbewerbsfähig, oder ist der Wettbewerb letztlich überlegen.

Im digitalen Zeitalter bedeuten Personalisierung und Automatisierung auch extremes Tempo und Interaktionsbereitschaft, die langfristig bewältigt werden müssen. Und diese Frage stellt sich nicht nur gegenüber „alten“ Wettbewerbern: Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Megatrend neue Wettbewerber auf den Plan ruft, die nicht viel von den traditionell erfolgsrelevanten Wettbewerbsvorteilen einer Branche verstehen, aber neue Faktoren wie etwa eine konsequente Personalisierung zum Mittelpunkt und entscheidenden Erfolgsfaktor eines Angriffs auf eine etablierte Branche machen…

Dieser Artikel wurde auf capital.de veröffentlicht.

Aus dem Begriff RTA wurde mittlerweile und sinnvollerweise die Bezeichnung „Programmatic Advertising“. Aus dem einstmaligen Trend ist ein unumkehrbarer Prozess geworden, der nicht nur die digitalen, sondern zunehmend auch die analogen Medien erfasst. Programmatic Advertising hat die erste große Hype-Welle (endlich) hinter sich.

Der Online-Werbemarkt ist, das zeigen die Spendings und auch die inzwischen vorherrschende Unaufgeregtheit sowie die damit einhergehende Sachlichkeit der Diskussionen rund um das Thema, auf dem Weg ins programmatische Zeitalter bereits ein gutes Stück vorangekommen. In diesem Jahr wird in Deutschland geschätzt gut ein Drittel der Netto-Werbeumsätze in der Online-Displaywerbung programmatisch gehandelt. Tendenz klar steigend. Treiber der Marktentwicklung hierzulande sind vor allem die private Exchanges, die gewachsene Beziehungen zwischen Publishern, Einkäufern und Advertisern sinnvoller abbilden als die meisten offenen Marktplätze und dabei definierte Qualitätsniveaus besser einhalten können. Treiber sind aber auch Amazon, Google und Facebook.

Im digitalen Marketing stellt heute niemand mehr Programmatic als festen Teil eines Mediaplans in Frage. Dennoch stehen wir auch in der Diskussion mit unseren Kunden über den richtigen und effizienten Einsatz immer noch am Anfang. Der Markt durchlebt aus meiner Sicht vier Phasen.

Phase 1: Versuch und Irrtum – Nur wer mitmacht, ist modern!

In dieser Phase sind wir heute hoffentlich nicht mehr. Kunden kamen zu uns und wollten Systeme, Tools und Möglichkeiten kennenlernen. Der Erfolg und die Effizienz wurden – wenigstens in Teilen – hinten angestellt. Ein klassisches Trial and Error eben. Das machte Sinn, doch nur für eine begrenzte Zeit, denn irgendwann musste auch die programmatische Kampagnenidee vor allem eines liefern: Ergebnisse, die so gut sind, dass die Mehrkosten im Handling und für den Einsatz entsprechender Tools amortisiert werden. Die Erkenntnis beschäftigt uns auch heute noch in Phase 2.

Phase 2: Qualität und Effizienz – quod erat demonstrandum!

Je größer der Marktanteil von Programmatic Advertising wird, desto genauer werden Werbungtreibende darauf achten, dass auch die Qualität der eingesetzten Reichweiten ihren Anforderungen entspricht. Der Code of Conduct für Programmatic Advertising, den die Fokusgruppe Programmatic Advertising im BVDW in den vergangenen zwei Jahren mit allen Marktteilnehmern erarbeitet hat und der noch dieses Jahr veröffentlicht werden soll, wird ein erster und wichtiger Schritt hierbei sein.

Doch selbst wenn die angebotenen und eingesetzten Reichweiten allen Qualitätsanforderungen entsprechen sollten, steht der Markt vor einer noch zentraleren Frage: Ist Programmatic Advertising immer effizienter als der klassische Weg der Mediaplanung und -buchung? Gerade wenn wir die durch Programmatic Advertising zwangsläufig entstehenden Mehrkosten in Betracht ziehen und feststellen, dass der reine Mediaeinkauf keineswegs zwangsläufig günstiger wird, so stellt sich sofort die Frage, wie ein wirklicher Effizienzgewinn zu realisieren ist. Die Antwort ist in der Theorie sehr einfach, jedoch schwer in der Realität umzusetzen: Die Effizienz steigt nur, wenn wir weniger medialen Streuverlust produzieren. Also die richtigen User mit der richtigen Kontaktdosis ansprechen und teure Streuverluste minimieren.

Dies funktioniert jedoch nur, wenn wir dem richtigen User ein für ihn relevantes Angebot mit einer für ihn relevanten Botschaft zeigen. Der Beginn von Phase 3.

Phase 3 : Kreation, Storytelling und Programmatic? Kein Widerspruch!

Lange, viel zu lange, haben wir das Thema Programmatic Advertising aus der rein technologischen Perspektive und mit der Brille der Mediaplaner betrachtet. Diese Situation muss sich ändern. Denn Programmatic kann seine Möglichkeiten und eigentlichen Stärken erst dann ausschöpfen, wenn wir die Kreativen mit einbeziehen. Das ist – zugegebenermaßen – nicht einfach. Die meisten hochdekorierten ADC- und Cannes-Reisenden wechseln spätestens bei DMP, DSP und SSP in den Standby- oder ESC-Modus. Das ist schade, aber unsere Schuld. Ist doch verständlich, dass der Kreative im klassischen Retargeting-Banner mit Produktbild, Preis, Streichpreis und einer wahnsinnig aufregenden Headline nicht wirklich seine Zukunft sieht.

Das heißt, wir müssen alle umdenken und verständlich erklären, warum Programmatic Advertising und „für die eigene Mappe“ arbeiten kein Widerspruch mehr sein muss: Statt einer Konsens-Kampagne für alle, verschiedene Motive und Kreationen für unterschiedliche Zielgruppen. Statt eines Flights, Storytelling über mehrere Stufen hinweg. Programmatic bietet Kreativen, die den Ansatz verstehen, eine große Spielwiese, denn Programmatic-Kreation ist weit mehr als der Banner-Generator, der kleine Text- und Bild-Bausteine in Echtzeit zusammensetzt. Was genau entstehen kann, darüber sollen in der Arbeitsgruppe „Programmatic Creativity“ des BVDW ab sofort Digitalos, Mediamenschen und Kreative diskutieren. Um ein gemeinsames Verständnis zu etablieren und notwendige Schnittstellen zu entwickeln.

Denn eines ist auch klar: Wenn wir via Programmatic und Targeting feinere Zielgruppenprofile herausarbeiten und diese zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Inhalten ansprechen wollen, dann brauchen wir mehr als einen Spot, eine Anzeige oder ein Banner. Wir brauchen vielleicht fünf Versionen eines Radio-Jingles, drei Versionen des TV-Spots und unterschiedlichste Bild-und Text-Kombinationen für Bannerwerbung im Verlaufe der Customer Journey. Das kostet in der Produktion für Werbungtreibende mehr Geld. Wird der Wirkungsvorteil der individuelleren Werbeausspielung (als ein zentrales Leistungsversprechen von Programmatic) den Kosten-Nachteil ausgleichen? Müssen wir Agenturen Werbung für das programmatische Zeitalter künftig nicht anders produzieren?

Diese Fragen werden wir den Werbungtreibenden spätestens 2017 auf der dmexco beantworten müssen. Bis dahin ist es unsere primäre Aufgabe, kreative Kampagnenansätze, die das Wort kreativ verdienen, auf den Weg zu bringen und unsere Kunden hierbei mit auf die Reise zu nehmen. Und am Ende sollten wir sicherstellen, dass diese aufwendiger produzierten Kampagnenbausteine dennoch zu einer höheren Effizienz und nicht nur zu höheren Kreationskosten führen. Heute ist das noch ein digitales Thema, doch schon jetzt (und da werden wir zur dmexco noch viel mehr sehen …) schwappt diese Welle auf andere – bisher analoge – Medien über.

Phase 4: Analog wird digital wird programmatisch

Online-Displaywerbung hat den Anfang gemacht. Online-Videowerbung und Mobile zogen relativ schnell nach und in den nächsten Monaten werden immer mehr Medienkanäle in die Welt von Marketing Automation und personalisierter Werbung einsteigen. In der ersten Stufe geht es dabei weniger um das programmatische Aussteuern von Werbung (user-zentriert und in Echtzeit), sondern vor allem um das plattformgestützte Planen und Buchen von Werbeflächen. Fast alle klassischen Mediengattungen haben in diesem Jahr erste Pilotprojekte gestartet.

RTL-Vermarkter IP hat PR-wirksam Anfang des Jahres den Einstieg in den Programmatischen Verkauf verkündet, die Münchner Kollegen von ProSiebenSat1 stehen ebenfalls in den Startlöchern. Bis es jedoch soweit ist, dass „Programmatic“ bei linearem Fernsehen wirklich sein Label verdient, werden noch einige Monate oder sogar Jahre vergehen. Ein vollständig automatisierter Einkauf von Werbezeiten, bei denen Algorithmen entscheiden, wann und wo der Spot passend zur Zielgruppe ausgespielt wird, wird auch zur dmexco 2017 Vision sein. Bis dahin aber wird es jede Menge kleine Zwischenschritte geben: Vom Banner, der sich bei Umschalten des Programms über den Fernseher legt, bis hin zu „digitalen“ Fernsehsendern wie RTL II you, die 24 Stunden Programm ausstrahlen, jedoch nur über Desktop und App ansteuerbar sind, dafür programmatisch „Fernsehwerbung“ eingespielt werden kann.

Auch der Hörfunk hat die ersten Versuche mit Programmatic Audio bereits hinter sich. Die RMS testete mit Burger King Ende 2015 eine individualisierte Kampagnenaussteuerung und -optimierung in Echtzeit. Je stärker die Nutzung von Online-Audio-Angeboten (Webradios, Streaming-Angebote, Online-Only-Sender, Personal Radios, Aggregatoren, Music on Demand etc.) steigt, desto attraktiver wird dieser Kanal für Programmatic. Jüngst hatte auch Spotify angekündigt, sich für Programmatic Audio zu öffnen. Was fehlt, sind derzeit noch die großen reichweitenstarken Hörfunksender, die über UKW oder DAB ausgestrahlt und nicht via Smartphone konsumiert werden.

Je mehr Flächen in der Außenwerbung digitalisiert werden, desto interessanter wird auch der Bereich Digital Out of Home (DooH) für Programmatic, weil er Online perfekt ergänzen kann. Wir selbst haben erste positive Erfahrungen gesammelt: mit einer serverbasierten Ausspielung, flexibler Motivaussteuerung – kombiniert mit Online-Video.

Mein persönliches Fazit: Beim Thema Programmatic sind wir auf einem guten Weg. Auch wenn wir gefühlt schon lange unterwegs sind, ist es aber noch ein gutes Stück, bis zum Meer mit Sonnenuntergang. In diesem Sinne: gute Erholung, die dmexco wird laut und schnell und voller Programmatic!

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