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Von „schlimmen Fehlern einiger weniger“ hatte der Ex-VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn gesprochen, als er sich Mitte September erstmals zu Dieselgate äußerte. Mit den schlimmen Fehlern lag Winterkorn zweifellos ziemlich gut. An die Theorie „einige wenig“ dagegen mag man als Beobachter der Affäre immer weniger glauben. Immer neue Verfehlungen werden öffentlich. Mal stellt sich heraus, dass weitere Dieselmotorenreihen betroffen sind, dann wird zugegeben, dass auch die Abgaswerte von Autos der Konzerntöchter Skoda und Porsche gefaket sind. Und jetzt kam ans Licht, dass weitere 800.000 verkaufte Autos  „Unregelmäßigkeiten“ beim tatsächlichen Verbrauch und den tatsächlichen CO2-Werten aufweisen. Betroffen sind dieses Mal Benzinmotoren. Und zwar ausgerechnet die, die unter dem Label „Blue Motion“ als besonders sparsam und damit umweltfreundlich vermarktet wurden. Nimmt die Flut der schlechten Nachrichten für VW gar kein Ende?

Von außen betrachtet, wirkt das Kommunikationsverhalten des Wolfsburger Konzerns wie die typische so genannte Salamitaktik. Zugegeben wird immer nur das, was sowieso schon publik ist. Alles andere wird verschwiegen, ganz in der Hoffnung, dass es keiner bemerkt und bald alles wieder gut, weil vergessen ist. In der Geschichte der Krisen-PR hat die Salamitaktik nur selten funktioniert. In Zeiten von Internet, E-Mails und Wikileaks ist die Salamitaktik mittlerweile ähnlich erfolgsversprechend, wie der Einsatz von Postkutschen in der modernen Logistik. Das weiß man auch in Wolfsburg. Offensichtlich liegt das Problem bei VW auch darin, dass niemand das gesamte Ausmaß der Manipulationen kennt. Und deshalb auch niemand in der Lage ist, kommunikativ reinen Tisch zu machen. Dies mag teilweise der Komplexität eines international agierenden Industrieriesen geschuldet sein. Es wirft aber auch kein gutes Licht auf die Führungsriege des Konzerns. Die verspätete Entschuldigungsanzeige und das „Augen zu und durch“ wird auf Dauer nicht reichen, um die Reputation von VW wiederherzustellen. So bleibt die einst stolze Automarke weiter Spielball der öffentlichen Debatte. Vom Bundesverkehrsminister bis zu den Umweltorganisationen werden sich weiter viele Interessensgruppen auf Kosten von VW profilieren zu versuchen.

Wenn es dann doch irgendeine gute Nachricht aus Wolfsburg gibt, dann diese: Die Absatzzahlen sind bisher von dem Skandal unberührt. Die Stärke der Marke überstrahlt den Skandal. Die Frage ist aber, wie lange dies noch so ist. Irgendwann ist auch das Wohlwollen der Autokäufer am Ende.

Eigentlich ist das Wort eigentlich ganz harmlos. Aber nur eigentlich. Denn der Begriff eigentlich – so erklärt es der Duden – verstärke oder relativiere besonders in Fragesätzen eine gewisse Anteilnahme, eine vorwurfsvolle Äußerung. Insgesamt sechs Mal benutzen die Wolfsburger Konzernkommunikatoren in ihren ganzseitigen Tageszeitungsanzeigen nach Dieselgate das Wort eigentlich. „Eigentlich sollte hier unsere Anzeige zum 25. Jahrestag der Wiedervereinigung stehen“ lautet die Headline. Um dann Satz für Satz, eingeleitet immer mit eigentlich, zu erklären, was man denn in normalen Zeiten so alles zum Jahrestag der Wiedervereinigung gesagt hätte. Um dann zum Kern zu kommen: „Aber wir möchten jetzt nur einen einzigen Satz sagen: Wir werden alles tun, um Ihr Vertrauen zurückzugewinnen.“

Daraus lernt der aufmerksame Zeitungsleser zweierlei: Erstens, dass die Anzeige von Volkswagen zum 25. Jahrestag eher wenig mit der deutschen Einheit, aber dafür umso mehr mit Selbstlob made in Wolfsburg zu tun gehabt hätte. Und das nicht eigentlich, sondern ganz offensichtlich.

Und Zweitens, dass man sich in der Autostadt ziemlich schwer damit tut, die richtigen Worte zu finden. Wie wäre es beispielsweise mit ein paar Worten des Bedauerns? Wie wäre es damit, sich öffentlich zu entschuldigen? Wie wäre es, wenn VW ankündigen würde, man werde alles daran setzen herauszufinden, wie es überhaupt zu diesem gigantischen Skandal kommen konnte? Und wie wäre es zu verkünden, künftig alles dafür zu tun, das vergleichbare Betrügereien nicht mehr vorkommen? All dies fehlt. VW will nur Eines: Vertrauen zurückzugewinnen. Das wird nicht so nicht funktionieren. So ganz ohne Schuldeingeständnis,  Bedauern und öffentliche Reue. Aber nichts für ungut liebe Volkswagenkommunikatoren: Diese Anzeige war bestimmt ganz gut gemeint. Eigentlich.