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Air Berlin ist auf dem Sinkflug. Auf dem Weg, als eine Art Slums der Lüfte wahrgenommen zu werden. Europas siebtgrößte Fluglinie strich beispielsweise alleine am 1. Juni dieses Jahres 44 Flüge. Einfach so, weil entweder keine Crew oder kein geeignetes Fluggerät am Abflugort verfügbar war. Manche Gäste wurden informiert, manche nicht. Wieder andere bekamen völlig widersprüchliche Auskünfte. Einige Gäste bekamen Verpflegungsgutscheine. Nur konnten diese oft nicht eingelöst werden, weil die Shops im Flughafen bereits geschlossen hatten. An Bord gab es Getränke nur gegen Cash. Kommentar der Flugbegleiter: „Beschweren Sie sich im Internet.“ In Passagierforen wird diskutiert, ob man Air Berlin überhaupt noch buchen könne.

Die Krisen-PR der angeschlagenen Airline ist hochinteressant. Air Berlin geht mit dem Chaos offensiv um und erklärt in ganzseitigen Tageszeitungsanzeigen, was die Fluglinie tut, um zuverlässiger zu werden. Die Airline habe etwa kurzfristig 700 neue Flugbegleiter eingestellt. „Erwarten Sie ab sofort ruhig mehr von uns (und nein, wir meinen nicht mehr Wartezeit)“ heißt es in einer aktuellen Kampagne. Ich finde es sympathisch, dass die Fluglinie ihre Qualitätsprobleme anspricht, auf Floskeln wie „wir entschuldigen uns und danken für Ihr Verständnis“ verzichtet. Und sich stattdessen selbstironisch gibt. Das beweist Mut, Haltung und Respekt gegenüber den Fluggästen. Deren Verständnis wird von Air Berlin nicht automatisch vorausgesetzt. Soviel Empathie sind wir von Mobilitätsanbietern nicht gewohnt.

Strategisch schlau finde ich den Subtext der Anzeigenkampagne: Er suggeriert, die Fluggesellschaft habe eine Zukunftsperspektive. Geschickt lenkt Air Berlin die Wahrnehmung auf das Thema Pünktlichkeit und vermittelt, wieder auf Flughöhe zu sein. Für ein Unternehmen, das auf einem Schuldenberg von über einer Milliarde Euro sitzt, dessen Zukunft ungeklärt ist und das wiederholt nicht in der Lage war, seinen Flugplan ordnungsgemäß zu bedienen, ist dies ein wichtiges Etappenziel. Wer kurzfristig 700 Mitarbeiter auf einen Schlag einstellt, wirkt zukunftsorientiert. Dass die neuen Mitarbeiter via Youtube eingeladen in Massencastings rekrutiert wurden, spielt eine Nebenrolle. Einstellungskriterien waren eine Körpergröße von mindestens 160 cm, keine sichtbaren Tattoos, der Besitz eines Reisepasses und die Fähigkeit zu schwimmen. Eine Tageszeitungsjournalistin berichtet über ein Casting in einem Berliner Hotel, es sei jeder Bewerber eingestellt worden. Und zitiert einen Teilnehmer: „Man muss sehr dämlich sein, um hier nicht genommen zu werden“.

Ganz alleine auf hastig eingestelltes Personal und die Kraft der guten Worte vertraut Air Berlin nicht. Die Fluglinie vermarktet Aktionstickets in die USA sowie die Karibik zum Schnäppchenpreis von 399 Euro. Für Hin- und Rückflug wohlgemerkt. Die Flugzeuge sind sehr gut gebucht. Dies zeigt: Die Krisen-PR der Fluglinie wirkt. Jedenfalls gab es Versuche zur Bewältigung einer akuten Krise, die wirkungsloser waren. Die Krisen-PR von Air Berlin zeigt aber auch, was Krisenkommunikation leisten kann und was nicht: Denn der Kern des Air Berlin-Problems bleibt weiter ungelöst. Niemand weiß, ob das Unternehmen, das täglich (!) drei Millionen Euro Verlust macht, Urlaubsflieger, Billigflieger oder Langstreckenspezialist ist. Ob es eine gute Idee ist, jetzt auf den erbittert umkämpften Markt Langstreckenflüge in die USA zu setzen, wird sich zeigen. Die Krisenkommunikation von Air Berlin kann die grundsätzlichen strategischen Fragen nicht erklären. Sie ist aber eine gut gemachte Ablenkung, ein wirksames Placebo.

Dieser Beitrag wurde auch bei W&V veröffentlicht.

Kennen Sie einen Manager, Politiker oder Würdenträger, der in eine Affäre verwickelt war und dann ohne Wenn und Aber zurücktrat? Der darauf verzichtete, seinen Fehler zu relativieren? Der nicht versuchte, die Schuld auf andere abzuwälzen? Der schlicht und einfach zugab, Mist gebaut zu haben und die notwendigen Konsequenzen zog? Dem der aufrechte Gang wichtiger war als die Geldbörse? Mir fällt gerade niemand ein. Mir gehen nur Namen wie Winterkorn, Tebartz-van Elst oder Wulff durch den Kopf.

Deshalb ist für mich Kevin Großkreutz ein Vorbild. Großkreutz? Vorbild? Das klingt nach einer ziemlich steilen These. Ausgerechnet Großkreutz. Ein Fußballprofi, der nach einem verlorenen Spiel betrunken in die Hotellobby pinkelt? Der Spieler, der einen gegnerischen Fan mit Döner Kebab bewirft? Der an Faschingsdienstag in einem Stuttgarter Club ausgiebig feiert – Boulevardmedien berichten von einer vierstelligen Zeche. Der alkoholisiert mit minderjährigen Kumpels aus der Stuttgarter U 17 Mannschaft in das Rotlichtviertel weiterzieht und spät in der Nacht nach einer Schlägerei übel zugerichtet ins Krankenhaus eingeliefert wird?

In den Medien wird Kevin Großkreutz gerne als Vollblutfußballer dargestellt, der sich außerhalb des Platzes nicht im Griff hat. Als Spieler, der Deutscher Meister, Pokalsieger, Nationalspieler, Champions-League-Finalist und sogar Weltmeister ist. Aber der trotz seiner 28 Jahre Lebenserfahrung jenseits des grünen Rasens agiert wie ein Pubertierender, der nicht alle Sinne zusammen hat. Aber Kevin Großkreutz hat auch eine andere Seite: Er ist aufrecht, ehrlich und authentisch. Der Familienvater hat nach den Vorkommnissen der Faschingsnacht Fehler eingeräumt, um Verzeihung gebeten, sich entschuldigt, seinen hoch dotierten Vertrag mit dem VfB einvernehmlich aufgelöst.

Das alles ist nicht selbstverständlich, in einer Zeit, in der es weit verbreitet ist, seine Strafzettel nicht zu bezahlen, sondern den Anwalt einzuschalten. Was mich am meisten beeindruckt: Der Ausnahmefußballer hat sich nicht weggeduckt. Er erschien persönlich zur Pressekonferenz seines Ex-Arbeitgebers, verabschiedete sich unter Tränen von Mitspielern, Verein und Fans. Die danken es ihm. Eine Online-Petition, die seine Rückkehr zum VfB fordert, hat bereits mehr als 30.000 Unterstützer. Sein Verein wird ihn trotzdem nicht zurückholen. Aber falls in ein paar Wochen in Stuttgart der sich abzeichnende Aufstieg in die 1. Bundesliga gefeiert wird, dann wird Kevin Großkreutz sehr wahrscheinlich dabei sein. Sein starker Abgang ermöglicht ihm den aufrechten Gang in der Zukunft. Das hat er diversen Managern, Politikern und Würdenträgern voraus. Deshalb ist er ein Vorbild in Sachen Krisen-PR.

Dieser Artikel wurde auf pressesprecher.com veröffentlicht.

PR durch Provokation: wie sich Sophia Thomalla beinahe um Kopf und Kragen getwittert hätte und dann doch noch die Kurve kriegt

Kennen Sie Sophia Thomalla? Nein? Das ist okay. Man muss Sophia Thomalla, Schauspielerin, Modell und Moderatorin nicht unbedingt kennen. Die Ex-Freundin von Rammstein-Frontmann Till Lindemann machte bei Germanys Next Topmodel und Let’s Dance mit, spielte bei der Verfilmung von Hanni & Nanni eine Nebenrolle, posierte im Playboy und schaffte es zur Co-Moderatorin einer Dauerwerbesendung auf Pro Sieben. An die Erfolge ihrer Mutter Simone, die als Kommissarin im Leipziger Tatort ermittelte und zu den am besten gebuchten deutschen Schauspielerinnen zählt, kann Sophia nicht ansatzweise anknüpfen. Dafür fungiert sie für Lidl als Markenbotschafterin und dient dem Schuhhändler Deichmann als Testimonial.

Als Botschafterin ihrer eigenen Marke agiert Sophia Thomalla allerdings – dezent formuliert – eher unglücklich. Im Vorfeld ihrer jetzt angelaufenen eigenen Tätowiershow im Spartensender Sixx wollte sie ein wenig Aufmerksamkeit für sich erhaschen. So verbreitete das schauspielernde Modell über die sozialen Netzwerke: „Kleine Titten sind wie Flüchtlinge. Sie sind nun mal da, aber eigentlich will man sie nicht.“ Dieser selten dämliche Post brachte ihr innerhalb weniger Stunden nicht nur 42.000 Likes auf Facebook und 19.000 auf Instagram, sondern auch einen gewaltigen Shitstorm samt Distanzierungen von RTL und zahlreichen Promis ein. Und Ärger mit ihren Werbepartnern. Die wollen ihre Produkte schließlich nicht nur an AfD-Wähler verkaufen. Thomallas schnell getwittertes Dementi „Ein Experiment und mal bewusst provoziert“ wirkte kaum, sie gewann innerhalb kürzester Zeit über 30.000 neue rechte Fans für ihren Facebookaccount und #Thomallagate beherrschte das deutschsprachige Social Web. Dann am nächsten Morgen die Rettung aus der Not: Micky Beisenherz, Sternkolumnist, Moderator, Autor und vor allem ein engagierter Gegner von rechten Hasspredigern bekennt, er habe die Posts abgesetzt. Er, so bekannte er in einer eher peinlichen Erklärung, habe die Social-Media-Kanäle von Sophia Thomalla geentert, er habe sich das mit dem Shitstorm Experiment ausgedacht. Warum Beisenherz sich erst mit Verspätung outet, bleibt sein Geheimnis. Und ob die Story überhaupt stimmt, auch. Mein Verdacht ist, dass sich irgendein kluger Mensch diesen Dreh ausgedacht hat, um Sophia Thomalla aus der Schusslinie zu nehmen und ihre Werbeverträge sowie ihre weitere Karriere zu retten. Wenn dies der Fall war, dann hat dieser kluge Kopf den Preis für den besten Krisen-PR Stunt des Jahres verdient.

Die frühere Kickboxerin Sophia Thomalla wird dieses PR-Desaster überstehen, so wie sie insgesamt 121 Ordnungswidrigkeits-Verfahren in zwei Jahren (davon 90 für falsches Parken) ebenfalls überstanden hat. Auch wenn man bei Lidl, Deichmann und den TV-Sendern den Kopf schüttelt und #Thomallagate kein Argument für neue Engagements geliefert hat. Aber sie ist es gewohnt, nicht nur verbal auszuteilen, sie kann auch einstecken. Sie ist eine, wie Micky Beisenherz formuliert „wind- und wetterfeste Shitstorm-Magneteuse“. Ihre Auftritte in Talkshows haben sie schon in der Vergangenheit zum Gespött gemacht. Als sie beispielsweise bei Markus Lanz offensichtlich die Begriffe Muslim und Islamist durcheinander brachte, wurde ihr Lapsus auf Twitter mit dem Satz kommentiert: „Melanie Müller wirkt neben der Thomalla wie Albert Einstein“. Melanie Müller übrigens ist eine ehemalige Pornodarstellerin und Trash-TV Ikone, der eine gewisse Bildungsferne attestiert wird. Aber die müssen Sie wirklich nicht kennen.

Wiesenhof –  das klingt eigentlich schön. Als unbefangener Konsument würde ich bei der Marke Wiesenhof an einen hübschen alleinstehenden Bauernhof denken, umgeben von Wiesen und Feldern, an einen Misthaufen mit scharrenden Hühnern und an einen Hofhund, der im Schatten einer Scheunentüre döst. Im echten Leben allerdings verbirgt sich hinter Wiesenhof ein gigantischer hochindustrialisierter Geflügelkonzern, der alleine für seine Schlachterei im niedersächsischen Landkreis Vechta die Erlaubnis hat, täglich 430.000 Hühner zu schlachten. Täglich wohlgemerkt.

Über die Folgen dieser Gigantomanie berichten Medien seit Jahren. Das ARD beispielsweise widmete dem Unternehmen eine Reportage mit dem Titel „Das System Wiesenhof: Wie ein Geflügelkonzern Tiere, Menschen und die Umwelt ausbeutet“. Die Liste der Vorwürfe gegen Wiesenhof auf Wikipedia liest sich wie der Plot eines Wirtschaftskrimis: Tierquälerei, illegaler Export von Tiermehl aus Schlachtabfällen mit hohem BSE-Risiko, Verletzung von Hygienevorschriften, Raubbau am Grundwasser, Verdacht auf Subventionsbetrug, Beschäftigung von Arbeitskräften aus Rumänien, Bulgarien und Vietnam, die in Massenunterkünften mit bis zu 15 Betten pro Zimmer eingepfercht sind, zu Hungerlöhnen.

Wahrscheinlich wird der Wikipedia-Beitrag über die niedersächsischen Geflügelbarone demnächst noch ein Stück länger. Der Geflügelfleischproduzent sah sich jüngst mit einem veritablen Shitstorm konfrontiert, nachdem ein Wiesenhof Werbespot Online gegangen war. In dem Video sitzt Profiproll Atze Schröder am Grill, grinst in die Kamera und fragt mit einer Grillzange in der Hand: „Und, seid ihr bereit für die größte Wurst des Sommers? Hier ist das Ding. Danach müssen Gina und Lisa erst mal in die Traumatherapie.“ Damit spielt Wiesenhof auf den Fall des Modells und it-Girls Gina-Lisa Lohfink an. Die Schönheitskönigin steht gerade vor Gericht, da sie zwei Männer fälschlicherweise der Vergewaltigung und der Verabreichung von K.O.-Tropfen verdächtigt haben soll.

Komödiant Schröder beschreibt in dem Video detailliert, wie die Wurst aussieht

„Guckt euch das mal an: Diese Form, dieser Schwung“ und macht peinliche, wenig zweideutige Bemerkungen wie: „Wisst ihr, was ich jetzt anlege? Das Zentimetermaß, damit ihr mal sehen könnt, wie groß meine Wurst wirklich ist.“

Die Empörung über den Spot im Netz ist riesig. „Ihr & Atze seid ekelhaft“, twitterte ein User. Ein anderer Kritiker schrieb in dem Kurznachrichtendienst: „20 Zentimeter Hirn – danach müssten Atze und Wiesenhof erst einmal in die Traumatherapie.“

Meiner Meinung nach lassen sich aus dieser jüngsten PR-Krise des Geflügelherstellers vier Dinge lernen.

Erstens: Wer glaubt, es gebe eine unterste Schublade, nennen wir sie Trash, die niveaumäßig nicht zu unterbieten ist, der täuscht sich. Es findet sich immer wieder ein Unternehmen, eine Agentur und ein Promi, die es gemeinsam schaffen, das Niveau noch tiefer legen. Von der untersten Schublade Richtung unterirdisch.

Zweitens: Comedians genießen Narrenfreiheit und das ist auch gut so. Bei kommerziellen Spots gelten andere Regeln. Atze Schröder hat dies erkannt sich mit den Worten „der Werbespot hätte niemals veröffentlicht werden dürfen. Schon gar nicht jetzt, wo er einen Bezug herstellt, der ekelhaft ist und so nie gedacht war“ entschuldigt.

Drittens: Ein Unternehmen, das über Jahre immer wieder von unterschiedlichen Stakeholdern massiv kritisiert wird wie Wiesenhof, verliert irgendwann seinen Kredit in Sachen Reputation komplett. Wenn sich Wiesenhof Sponsoringpartner Werder Bremen, der jedes Jahr Millionenbeträge von den Hühnerschlachtern bekommt sich öffentlich via Twitter von Wiesenhof distanziert, ist das ein Zeichen dafür, dass es langsam eng wird.

Viertens: Die Selbstkontrolle der Kommunikationswirtschaft funktioniert. Neben dem Agenturverband GWA hat der Deutsche Werberat den Online-Spot von Wiesenhof beanstandet und als „entwürdigend und diskriminierend“ eingestuft. Der Film ist zurückgezogen, Wiesenhof hat sich öffentlich entschuldigt. Dies zeigt, dass die Initiative von Bundesjustizminister Heiko Maas, geschlechterdiskriminierende Werbung per Gesetzt zu verbieten, überflüssig ist.

Dieser Artikel wurde auf wuv.de veröffentlicht.

Im Abgasskandal Dieselgate hat die kleine Deutsche Umwelthilfe (DUH) Politik und Autohersteller vor sich hergetrieben wie keine andere Organisation. Doch plötzlich sehen sich die Umweltlobbyisten mit einer neuen Form der Publizität konfrontiert: in den letzten Tagen erschien eine ganze Reihe kritische Artikel über die DUH. So meldete beispielsweise die FAZ „Umwelthilfe bekommt Geld von Toyota“, was im Kontext von Dieselgate und dem geringen Anteil von Dieselmotoren bei Toyotas Verkäufen Parteinahme für den japanischen Autohersteller suggeriert.

Ist diese Berichterstattungswelle einer gesteuerten Kampagne gegen die Ökolobbyisten geschuldet, wie ein Insider vermutet und wie manche Krisen-PR Experten munkeln? Ist das Gefälligkeitsjournalismus für eine Branche, die nach wie vor einer der wichtigsten Anzeigenkunden ist? Oder ist sie Resultat fleißiger investigativer Journalisten, die eine Geschichte weiterdrehen? Eigentlich egal. Denn Causa DUH zeigt auf, dass die Anderen mal wieder die Nase vorne haben – auch kommunikativ.

Jürgen Resch, seit 30 Jahren Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ist ein streitbarer Geist, ein Freund der klaren Kante. Die Statements aus seinem Haus tragen Titel wie „Verbrauchertäuschung bei Lidl“ , „Deutsche Umwelthilfe fordert Verkaufsstop für Opel Zafira Diesel“ oder „Umweltministerin Hendricks knickt vor Handelskonzernen ein“. Die deutsche Autoindustrie agiert nach seinen Worten sogar „weitgehend außerhalb des Rechtssystems“, der Staat sei ein Mittäter, der aus Rücksicht auf die Industrieinteressen die Rechte der Verbraucher nicht durchsetze. Daimler-Chef Dieter Zetsche bezichtigt er der „tausendfachen Körperverletzung mit Todesfolge“, weil dessen Autos bei unter zehn Grad Außentemperatur die Abgasreinigung abschalten.

Reschs jährlicher Dienstwagencheck, bei dem er die Emissionen der Limousinen der Spitzenpolitiker veröffentlicht, verdirbt in Berlin und den Landeshauptstädten Politikern aller Parteien regelmäßig die Freude am Dienstwagen fahren. Mit Lust an der Attacke und einer effizienten PR-Maschinerie im Hintergrund schafft der Umweltlobbyist es in die Tagesschau, in die Talkshows und auf die Titelseiten der Zeitungen. Dabei hat seine Organisation noch nicht mal 300 Mitglieder.

Auch von der Zulassung beim Bundesjustizministerium als Verbraucherschutzorganisation, die Vergehen direkt abmahnen darf wenn Konsumentenrechte in Gefahr sind, macht der streitbare Umweltkämpfer Resch gerne Gebrauch: 1.500 Verfahren leitet der Ökoverband jährlich ein. Rund 400 werden vor Gericht ausgefochten, in 96 Prozent aller Fälle verlassen Reschs Mitstreiter den Gerichtssaal als Sieger. Wahrscheinlich ist Jürgen Resch nicht nur der wirkungsvollste Umweltlobbyist der Republik, sondern auch der Lieblingsfeind ganzer Industriezweige. Den Krisen-PR Experten der Nation beschert er jedenfalls gute Geschäfte.

Was wird Resch und der Umwelthilfe nun konkret vorgeworfen? Seine Organisation ist ganz pragmatisch schon immer Bündnisse mit Industrieunternehmen eingegangen, das ist Teil des Selbstverständnisses der Ökoorganisation. Die Umweltschützer bestreiten entsprechend die Zusammenarbeit mit Toyota auch gar nicht. Die Kooperation mit den Japanern besteht seit knapp 20 Jahren und reicht wesentlich länger zurück als die aktuelle Diskussion um den Diesel. Aktuell unterstützt Toyota im zehnten Jahr das Projekt „CO2-Minderung im Straßenverkehr“, über das die DUH die bei den Medien so beliebte Dienstwagenumfragen unter Politikern und Behörden finanziert. Von Toyota bezuschusst wird auch das Projekt „Umwelttaxi“, in dessen Rahmen die Umwelthilfe Fachgespräche für Politiker, Taxiverbände und Umweltbehörden organisiert. Das nenne ich mal eine clevere PR-Strategie für einen Automobilhersteller, der Marktführer für Benzinhybridantriebe ist.

So weit, so nachvollziehbar.

Der unbefangene Leser fragt sich bei der Lektüre der kritischen Artikel über die Ökostreiter vom Bodensee vor allem, worin jetzt das Problem bestehe. Das gilt für die Kooperationen, aber auch für die vermeintliche Enthüllung auf Wirtschaftswoche.de, DUH-Chef Resch fliege schon mal von Zürich zur Geschäftsstelle nach Berlin und er nehme ein Taxi, wenn es schnell gehen müsse. Diese News lässt den Leser ratlos zurück. Von Zürich nach Berlin sind es 850 Kilometer. Soll der Streiter für die Umwelt die Strecke mit dem E-Bike zurücklegen? Und was ist schlimm daran, wenn sich ein Umweltlobbyist ein Taxi ruft, wenn er es eilig hat? Ich jedenfalls nehme mir ab und an ein Taxi. Selbst, wenn ich es nicht furchtbar eilig habe – aus reiner Bequemlichkeit.

Grundsätzlich ist die Frage, wer kontrolliert die Kontrolleure, beziehungsweise wer schaut den NGOs kritisch auf die Finger, hoch relevant. Kritischer Journalismus muss in alle Richtungen kritisch sein – das gilt gegenüber der Politik, der Wirtschaft und selbstverständlich auch gegenüber NGOs. Aber es sollte dann schon etwas Handfestes zu kritisieren geben.

Man kann die Tonalität von DUH-Chef Jürgen Resch mögen oder sie als überzogen kritisieren. Man kann über diverse Forderungen der DUH streiten. Aber wenn investigative Recherchen führender deutscher Wirtschaftsmedien nichts Wesentlicheres zu Tage bringen, als eine clevere, seit knapp 20 Jahren existierende Kooperation eines Autoherstellers mit einem Umweltverband und gelegentliche Taxifahrten eines Umweltlobbyisten, spricht dies für sich.

Tesla, Toyota und Co. haben momentan die Nase vorne. In Sachen Antrieb der Zukunft und in Sachen smarter Kommunikation. Die deutsche Autoindustrie sollte sich auf ihre große Ingenieurstradition besinnen und auch die Kommunikatoren der Branche sollten den Blick nach vorne richten

Dieser Artikel wurde auf wuv.de veröffentlicht.

Falsches Lob für schwache Krisenkommunikation: Dem Schokohersteller gehen die Verbraucherinteressen ziemlich am Mars vorbei

Renate Künast, die Vorsitzende des Verbraucherschutz-Ausschusses des Deutschen Bundestages, gilt als kritischer Kopf. Sie steht eigentlich dafür, keinem Streit aus dem Weg zu gehen. Für die groß angelegte Rückrufaktion des Lebensmittelriesen Mars findet die Grünen-Politikerin dennoch lobende Worte. Der Rückruf von mehreren Millionen Packungen Mars, Snickers und Milky Way sei Zeichen eines Kulturwandels. Die Ex-Bundesverbraucherministerin argumentiert, der Produktrückruf transportiere auch eine Metabotschaft: Nämlich dass die Sicherheit der Kunden Priorität habe. Lob kassiert der Süßwaren-Hersteller Mars auch von einem der Flaggschiffe der österreichischen Tageszeitungen, dem Standard aus Wien. Von einem Musterbeispiel für gelungene Krisen-PR ist dort zu lesen und davon, dass Mars am Ende von der Plastik-Causa profitieren könne. Schließlich steige die Bekanntheit der Produkte und das Vertrauen in die Marke erhöhe sich. Denn: Die Menschen hätten den Eindruck, die (Mars) meldeten sich sofort, wenn etwas passiert sei. Auch Dirk Popp, Krisenstratege und Chef der marktführenden deutschen PR-Agentur Ketchum Pleon, spendet der Mobilmachung aus dem Hause Mars Beifall. Langfristig würden die Verbraucher diesen Aufwand würdigen und ihn als wertschätzend wahrnehmen, erklärt der Krisenexperte in der Süddeutschen Zeitung.

Steigendes Markenvertrauen? Musterbeispiel für gelungene Krisen-PR? Wertschätzung der Verbraucher? Moment, das geht mir zu schnell. Der Rückruf als solcher war richtig und er erfolgte schnell. Soweit, so gut. Der Schokomulti hat sich damit an das gehalten, was ihm – zumindest in Deutschland – die Regulierungsinstanzen vorschreiben. Das Vertrauen in die Unternehmens- oder auch die Produktmarken ist damit aber lange noch nicht gesteigert. Denn es ist absolut selbstverständlich, dass der Verzehr eines Schokoriegels keine Gefahr für Leib und Leben darstellt – jenseits der bekannten Gefahren für den Body Mass Index (BMI). Die Vorstellung, der Konsument stehe vor dem Riegelregal und wähle in Zukunft eher ein Mars, weil er sich damit bessere Überlebenschancen sichern wolle, wirkt dann doch ein wenig praxisfremd. Natürlich gehen alle davon aus, dass die Bremsen unserer Autos funktionieren, und dass die Brücken, über die wir damit fahren, nicht zusammenbrechen. Soziologen bezeichnen dieses Phänomen als Reduktion von Komplexität. Sie ist nötig, damit wir unser alltägliches Leben ohne andauernde Panikattacken führen können. Mit Reputationsmanagement, dem systematischen Aufbau von Vertrauen oder gar einem Musterbeispiel für Krisenkommunikation hat dies aber wenig zu tun. Kommunikativ hat Mars hingegen den Rückruf ziemlich bescheiden gemanagt. Und hat damit sämtliche theoretische Chancen zum Aufbau von Reputation mehr verspielt als genutzt.

So hat der Riegelriese anfangs versucht, den Rückruf als regionales Ereignis klein zu reden, obwohl insgesamt 55 Länder betroffen waren. Das deutsche und europäische Management des Konzerns ist entgegen den Grundregeln sämtlicher Krisenkommunikationshandbücher bis heute komplett abgetaucht. Lediglich der freundliche Werksleiter aus den Niederlanden, der erklärte, welches Teil denn nun zerbröselte, durfte den Faktor Mensch in der Krisenkommunikation darstellen. Der Konzern, immerhin das drittgrößte Privatunternehmen in den USA, ist in etwa so transparent wie eine Zartbitterschokolade mit einem Kakaoanteil von 80 Prozent. Die wenigen knappen Statements zur Sache stammen von Pressesprechern, deren Namen anscheinend nicht einmal genannt werden dürfen. Und konkrete Informationen für die Verbraucher sind Mangelware. Auf der Unternehmenswebseite steht kein Wort dazu, ob, wo und wie die Riegel umgetauscht werden können. Stattdessen sollen die Konsumenten sich erst einmal bei einer Hotline melden oder ein höchst kompliziertes Online-Formular mit gefühlt unendlich langen Zahlenkolonnen ausfüllen. Im Vergleich dazu ist eine Überweisung mit der neuen IBAN geradezu kinderleicht. Im nächsten Schritt soll der Verbraucher dann seine Schokoriegel ordentlich einpacken, auf die Post tragen und zurückschicken. Als Belohnung für den ganzen Aufwand bekommt der Kunde dann nicht etwa sein Geld zurück. Stattdessen wird er mit anderen, nicht näher genannten Produkten aus dem Haus Mars entschädigt.

Praktisch. Schließlich gehören neben den Schokomarken Balisto, Bounty, M&M’s, Twix auch die Kaugummis von Wrigley’s, die Nudeln von Miracoli, der Reis von Uncle Ben‘s sowie die Tierfuttermarken Chappi, Frolic, Kitekat und Whiskas zum Konzern. Hoffentlich wissen die bei Mars, dass in meinem Haushalt drei Hunde und eine Wüstenrennmaus leben, aber aus nachvollziehbaren Gründen keine Katze – und dass ich den klebrigen asiatischen Reis viel lieber mag als den von Uncle Ben‘s. Spiegel Online berichtete, dass der Ansturm der Verbraucher nach dem Rückruf Mars überfordert und es massive technische Schwierigkeiten gegeben habe. Die Webserver waren zusammengebrochen und die Hotline völlig überlastet. Wahrscheinlich waren das all die Verbraucher, die sich die Mühe gemacht haben, ihre Entschädigungspräferenzen mit den freundlichen Damen von der Hotline ausführlich zu diskutieren. Den Aufbau von Reputation stelle ich mir jedenfalls anders vor. Gut gelaufen ist die Rückrufaktion vor allem für die Schweine in Deutschlands Ställen. Denn die zurückgerufenen Riegel werden ausgepackt, geschreddert und in das Tierfutter gemischt. Deutschlands Schweine- und Hühnerzüchter dürften sich über den durch die Extraration Fett und Zucker angestiegenen Body Mass Index ihrer Erzeugnisse freuen.

Nun gut, ein wenig hat die interessierte Öffentlichkeit durch den Riegel-Rückruf doch über den Süßwarenriesen gelernt. Wir wissen jetzt, dass der Verwaltungsrat von Victoria Mars, der Urenkelin des Firmengründers, geleitet wird. Auch sie scheut das Licht der Öffentlichkeit wie ein Weight Watcher den Schokoriegel. Geschäftstüchtig aber ist die Familie Mars. Laut Forbes ist die Urenkelin immerhin 80 Milliarden US-Dollar schwer. Und wir warten jetzt gespannt auf den nächsten Rückruf aus Victorias Reich. Eventuell trifft es beim nächsten Mal die Marke Uncle Ben‘s Reis. Und dann lernen wir vielleicht, dass auch ein Urenkel von Onkel Ben im Verwaltungsrat sitzt.

Der Artikel wurde auf horizont.net veröffentlicht.

„Bild“ und „Bild am Sonntag“ muss man nicht lesen. Und schon gar nicht mögen. Aber die Recherchen der Journalisten vom Boulevard sind doch immer wieder beeindruckend. „Geht nicht, gibt’s nicht“ scheint deren unausgesprochenes Motto beim Sammeln von Informationen zu sein. Dies zeigt der jüngste Scoop der „Bild am Sonntag“: Sie bringt anhand interner Mails aus dem VW-Konzern dessen ehemaligen Chef Martin Winterkorn in Bedrängnis.

Kommunikationsstrategie gerät ins Abseits

Laut „Bild am Sonntag“ wurde der Konzernlenker bereits im Mai 2014 schriftlich davor gewarnt, dass US-Behörden mit Tests eine bestimmte Schummel-Software enttarnen könnten. In internen VW-Dokumenten, die der Redaktion anscheinend vorliegen, ist die Rede von Messungen durch US-Behörden, bei denen die in den USA zulässigen Stickstoffwerte (NOx) um das bis zu 35-fache überschritten wurden. In einer Mail an Winterkorn steht laut „Bild am Sonntag“: „Eine fundierte Erklärung für die dramatisch erhöhten NOx-Emissionen kann den Behörden nicht gegeben werden. Es ist zu vermuten, dass die Behörden die VW-Systeme daraufhin untersuchen werden, ob Volkswagen eine Testerkennung in die Motorsteuergeräte-Software implementiert hat“. Winterkorn hatte stets zu Protokoll gegeben, nichts von Softwaremanipulationen gewusst und erst Mitte September 2015, also erst unmittelbar bevor die US-Behörden aktiv wurden, davon erfahren zu haben.

Mit diesen Enthüllungen nimmt nicht nur der Druck auf Martin Winterkorn zu. Die ganze Kommunikationsstrategie von VW gerät ins Abseits. „Ich habe mich von Anfang an dafür eingesetzt, dass wir die Geschehnisse schonungslos und vollständig aufklären. Dabei machen wir vor nichts und niemandem Halt. Das ist ein schmerzhafter Prozess, aber er ist für uns ohne Alternative. Für uns zählt einzig und allein die Wahrheit. Das ist die Voraussetzung für die grundlegende Neuausrichtung, die Volkswagen braucht“, postuliert Matthias Müller, der neue Vorsitzende des VW-Vorstands, auf der Website des Unternehmens. Und lässt sich weiter mit dem Satz zitieren: „Der Vorstand der Volkswagen AG betont, dass der eingeschlagene Weg der Aufklärung und Transparenz konsequent weitergegangen wird.“

Wie bitte? Schonungslose und vollständige Aufklärung? Einzig und allein die Wahrheit? Transparenz? – Waren da nicht eigentlich irgendwelche Experten für Krisen-PR, die der Konzern ins Haus geholt hat? Ich finde es irritierend, dass angesichts solcher vollmundiger Ankündigungen die Rechercheure einer Boulevardzeitung die Pacemaker auf dem Weg der Aufklärung sind. Und die Herren Kommunikationsexperten? Sie schweigen.

Vorwurf der „Salami-Taktik“ zurückgewiesen

Aber da ist ein neuer Leiter der VW-Konzernkommunikation, Hans-Gerd Bode sein Name: Der hatte sich erst Anfang Februar im Interview mit dem Branchenmagazin „PR Report“ gegen Kritik an der Krisen-PR des Konzerns gewehrt. Den Eindruck, dass Volkswagen immer nur das bestätigt habe, was ohnehin schon nachgewiesen wurde, wies er mit Vehemenz und einem starken Satz zurück: „Uns Salami-Taktik vorzuwerfen, halte ich für nicht zutreffend.“ Diese Haltung hat der PR-Stratege ziemlich exklusiv. Zumal sich Bode ausgerechnet über „unzureichende Recherchen der Medien“ beschwerte.

Es darf davon ausgegangen werden, dass er die Forderung nach intensiveren Recherchen so schnell nicht wiederholen wird, der Herr Bode. Und dass er auf die Rechercheergebnisse der Kollegen von „Bild am Sonntag“ liebend gerne verzichten würde. Im klassischen Drama wendet sich das Schicksal im vorletzten Akt gegen den Helden. Das Glück verlässt ihn, er steckt in der Falle. Und damit ist dann der letzte Akt der Tragödie eingeleitet: die finale Lösung des Konfliktes, die Katastrophe, der Untergang des Helden. In der Haut von Martin Winterkorn möchte ich nicht stecken. Und in der Haut des Herrn Bode? Ein Narr, der Böses dabei denkt …

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Die Krise von Angela Merkel ist eher eine PR-Krise als eine politische Krise

Die Debatte über die Flüchtlinge hat Deutschland fest im Griff. Migranten sind das beherrschende Thema in Talkshows und Nachrichtensendungen, in Zeitungen und Foren. Für die Wähler – so sagen die Demoskopen – ist die Flüchtlingspolitik mit Abstand zum wichtigsten Thema geworden. Jetzt ist gar die unappetitliche AfD bei den jüngsten Umfragen sogar an Liberalen, Grünen und Linken vorbeigezogen und rein numerisch zur drittstärksten Partei aufgestiegen. Was ist los in Deutschland? Hat die Kanzlerin dazu beigetragen? Und wichtiger noch: Kann sie das Blatt wieder wenden?

Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Entscheidung von Angela Merkel vom letzten September, die schwarz-rot-goldenen Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen. Damals, im Herbst letzten Jahres, hatte die Kanzlerin kommunikativ das Heft in der Hand. Ihr Diktum „wir schaffen das“, angelehnt an Obamas Erfolgsslogan „yes we can“, signalisierte Pragmatismus, Optimismus und Entschlossenheit. Selfies der freundlich lächelnden Angela Merkel mit dankbar schauenden Syrern gingen um die Welt. Damit hatte die Kanzlerin eine perfekte Ikonografie für ihren Satz geschaffen, in Notsituationen müsse Deutschland der Welt ein freundliches Gesicht zeigen.

Natürlich blies der Kanzlerin schon unmittelbar danach ein eiskalter Sturm der Entrüstung und des Unverständnisses entgegen. Doch sie hatte es geschafft, ihre Haltung stark zugespitzt und eindeutig auf den Punkt zu bringen. Und das auch für diejenigen verständlich, für die die Regeln von Schengen, das Dublin-Abkommen, die Genfer Konvention oder die Wizegrad-Gruppe eher böhmische Dörfer als politische Landmarken sind. Angela Merkel, die oft unterschätzte Kommunikatorin, hatte zu diesem Zeitpunkt mit knappen Worten und subtilen Gesten eine kommunikative Meisterleistung abgeliefert.

Und heute? Was trägt die Kanzlerin jetzt, Monate nach ihrer historischen Entscheidung, zur tobenden Flüchtlingsdebatte bei? Wie reagiert sie auf Argumente, Briefe, Positionen, Pläne, Provokationen, Shitstorms? Sie trägt stoisch ihren bekannten Plan vor, mit ihren Meilensteinen Fluchtursachen zu bekämpfen. Die da sind: EU-Außengrenzen sichern, Flüchtlinge innerhalb der EU gerecht verteilen. Das ist politisch klug gedacht, klingt aber nach einer eher langfristigen Lösung für ein akut empfundenes Problem. Man kann glauben, dass dies irgendwann funktioniert. Man muss es aber nicht. Was die Kanzlerin vorträgt, klingt eher nach Pastorentochter und nicht nach der mächtigsten Frau der Welt. Das Hauptproblem dabei ist: Die Kanzlerin erklärt zwar, was sie für richtig hält, schweigt aber zum warum. Und sie verzichtet darauf, über Alternativen zu reden und deren Schwächen zu entlarven.

Ich halte diesen Kommunikationsstil für grob fahrlässig. Wenn sie so weitermacht, wird sie die erste Politikerin, die sich um Amt und Würden geschwiegen hat. Denn ein kommunikatives Vakuum füllt sich von alleine. Solange die Kanzlerin nicht über die Gründe ihrer Politik spricht und die Debatte treiben lässt, überlässt sie den Vereinfachern und Demagogen kampflos das kommunikative Spielfeld.

Dabei hat Angela Merkel gute Argumente für ihre Politik: humanitäre, völkerrechtliche, politische, wirtschaftliche. Es gibt so vieles, was sie den Verfechtern vermeintlich einfacher Lösungen entgegenschleudern könnte. Die Kanzlerin könnte darstellen, welche Folgen eine abrupte Schließung der Binnengrenzen für uns alle hätte. Sie könnte über das mögliche Zerbrechen der Europäischen Union, über den endgültigen Kollaps des griechischen Staates, über eine unmittelbar bevorstehende humanitäre Katastrophe mitten in Europa reden. Sie könnte über einen Einbruch der Binnenwirtschaft als Folge des kollabierenden Schengen-Systems sprechen. Oder darüber, dass Deutschland der große wirtschaftliche Profiteur eines geeinten Europas ist und unendlich viel zu verlieren hat.

Angela Merkel muss die Alternativen klar darstellen: Auf der einen Seite überfüllte Turnhallen, eine überforderte Infrastruktur, Probleme mit der Integration. Und auf der anderen Seite eine drohende Katastrophe von historischen Dimensionen. Leider scheint es derzeit, dass Angela Merkel sich kommunikativ ihren Innenministers de Maizière zum Vorbild nimmt, der anlässlich der Spiel-Absage von Hannover auf die Frage nach einer Begründung sphinxhaft meinte, ein Teil der Antworten würde die Bevölkerung verunsichern, weshalb er diese Antworten nicht geben wolle. Nun gut, von einem de Maizière erwartet auch niemand strategisch kluge kommunikative Meisterleistungen.

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Von „schlimmen Fehlern einiger weniger“ hatte der Ex-VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn gesprochen, als er sich Mitte September erstmals zu Dieselgate äußerte. Mit den schlimmen Fehlern lag Winterkorn zweifellos ziemlich gut. An die Theorie „einige wenig“ dagegen mag man als Beobachter der Affäre immer weniger glauben. Immer neue Verfehlungen werden öffentlich. Mal stellt sich heraus, dass weitere Dieselmotorenreihen betroffen sind, dann wird zugegeben, dass auch die Abgaswerte von Autos der Konzerntöchter Skoda und Porsche gefaket sind. Und jetzt kam ans Licht, dass weitere 800.000 verkaufte Autos  „Unregelmäßigkeiten“ beim tatsächlichen Verbrauch und den tatsächlichen CO2-Werten aufweisen. Betroffen sind dieses Mal Benzinmotoren. Und zwar ausgerechnet die, die unter dem Label „Blue Motion“ als besonders sparsam und damit umweltfreundlich vermarktet wurden. Nimmt die Flut der schlechten Nachrichten für VW gar kein Ende?

Von außen betrachtet, wirkt das Kommunikationsverhalten des Wolfsburger Konzerns wie die typische so genannte Salamitaktik. Zugegeben wird immer nur das, was sowieso schon publik ist. Alles andere wird verschwiegen, ganz in der Hoffnung, dass es keiner bemerkt und bald alles wieder gut, weil vergessen ist. In der Geschichte der Krisen-PR hat die Salamitaktik nur selten funktioniert. In Zeiten von Internet, E-Mails und Wikileaks ist die Salamitaktik mittlerweile ähnlich erfolgsversprechend, wie der Einsatz von Postkutschen in der modernen Logistik. Das weiß man auch in Wolfsburg. Offensichtlich liegt das Problem bei VW auch darin, dass niemand das gesamte Ausmaß der Manipulationen kennt. Und deshalb auch niemand in der Lage ist, kommunikativ reinen Tisch zu machen. Dies mag teilweise der Komplexität eines international agierenden Industrieriesen geschuldet sein. Es wirft aber auch kein gutes Licht auf die Führungsriege des Konzerns. Die verspätete Entschuldigungsanzeige und das „Augen zu und durch“ wird auf Dauer nicht reichen, um die Reputation von VW wiederherzustellen. So bleibt die einst stolze Automarke weiter Spielball der öffentlichen Debatte. Vom Bundesverkehrsminister bis zu den Umweltorganisationen werden sich weiter viele Interessensgruppen auf Kosten von VW profilieren zu versuchen.

Wenn es dann doch irgendeine gute Nachricht aus Wolfsburg gibt, dann diese: Die Absatzzahlen sind bisher von dem Skandal unberührt. Die Stärke der Marke überstrahlt den Skandal. Die Frage ist aber, wie lange dies noch so ist. Irgendwann ist auch das Wohlwollen der Autokäufer am Ende.

Warum der Weltfußballverband eigentlich gar keine Krisenkommunikation braucht

Man stelle sich vor, bei Adidas, Coca-Cola oder der Kreditkartenfirma Visa würde das Headquarter von der Staatsanwaltschaft durchsucht und eine ganze Reihe von Spitzenmanagern verhaftet. Wegen des Verdachts der Erpressung, wegen Geldwäsche, Betrug und Bestechlichkeit. Nehmen wir weiter an, es ginge um den Vorwurf organisierter Kriminalität über mehrere Jahrzehnte, um mehr als 100 Millionen Euro Bestechungsgeld und den Beschuldigten würden Gefängnisstrafen von bis zu 20 Jahren drohen. Wie würde die Krisen PR bei diesen Unternehmen aussehen? Ganz konkret: Wer würde angesichts der Schwere der Vorwürfe vor die Kameras treten? Und mit welcher Botschaft? Im Falle des Fußballweltverbandes Fifa jedenfalls trat ein schlecht gelaunter Kommunikationschef vor die Presse. Seine Hauptbotschaft: „Wir fahren mit unserer Agenda fort“, die Fußballweltmeisterschaften 2018 und 2022 würden wie geplant in Russland und Katar gespielt werden.

Normal ist Krise Chefsache – aber ist die Fifa normal?

Bei Adidas, Coca-Cola, Visa –  den Hauptsponsoren der Fifa – und wahrscheinlich jedem anderen gut geführten Unternehmen wäre angesichts der Größe der Krise der oberste Chef persönlich vor die Medien getreten. Und hätte die Verantwortung übernommen, Bedauern ausgedrückt, Konsequenzen angekündigt und gesagt, man werde alles daran setzen, dass Derartiges nie wieder geschehen könne. Und hätte angekündigt, dass man untersuchen werde, ob die hochkriminellen Vorfälle – wenn sie denn wirklich geschehen seien – zu Fehlentscheidungen geführt hätten. Nicht so bei Sepp Blatters Fifa. Der ist wichtig zu verkünden, alles bleibe wie es ist – Verdacht auf organisierte Kriminalität und Korruption hin oder her. Man versucht, die Riesenaffäre klein zu reden. Ach ja, Gründe für einen Rücktritt sehe Präsident Sepp Blatter übrigens nicht, lässt er seinen Pressechef ausrichten. Schließlich richte sich der Verdacht ja nicht gegen ihn. Der Gedanke, dass er als Präsident der Organisation Verantwortung dafür trägt, was dort passiert, scheint ihm fremd zu sein. Immerhin hat Blatter die Fifa in 34 Jahren als Generalsekretär und Präsident geprägt wie kein anderer. Jenseits dessen wäre allein die Art des Umgangs mit den ungeheuren Vorwürfen schon Grund genug für einen Rücktritt.

Papst Franziskus und der Fußball

Aber die Fifa ist eben kein Unternehmen wie Adidas, Coca-Cola oder Visa. Sie ist ein Verband. Ein Verband, der ziemlich einzigartig ist. Ein Verband, der in Sachen Image und Popularität ungefähr mit der Mafia auf Augenhöhe sein dürfte. Und ein Verband, dessen Strukturen und Funktionsweisen am ehesten mit denen der katholischen Kirchen vergleichbar sind. Und da beginnt das Problem mit der Krisenkommunikation. Denn erfolgreiche Krisenkommunikation basiert auf Transparenz. Aus nachvollziehbaren Gründen schätzt die Mafia keine Transparenz. Daher sind bei ihr der Revolver und die Schrotflinte die wichtigsten Instrumente der Kommunikation in Krisenzeiten. Bei der katholischen Kirche hat sich dagegen das Ignorieren und Aussitzen von brisanten Themen seit Jahrhunderten von Jahren bewährt. Aber irgendwann funktioniert auch das nicht mehr. Insofern bleibt mehr als die Hoffnung, dass die Sponsoren die Fifa unter Druck setzen und zu einer besseren, transparenteren und faireren Organisation machen. Es bleibt nämlich auch  der fromme Wunsch, dass irgendwann ein Franziskus an der Spitze der Fifa stehen wird, der ihr Demut und vieles andere mehr beibringt. Ein Franziskus der Missstände offen anspricht und der die Sache selbst in den Mittelpunkt stellt und nicht den eigenen Apparat. Übrigens: Papst Franziskus ist seit seiner Bischofszeit Ehrenmitglied des argentinischen Fußball-Erstligisten CA San Lorenzo de Almagro und seit 2014 auch des TSV 1860 München.

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