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Was kreativ bedeutet?
Was für eine Frage.
Am besten, man ist es, ohne lang darüber zu quasseln.
Aber gut, drücken gilt hier nicht.
Also:

Kreativ bedeutet neu, unvorhersehbar, unberechenbar.
Schlaumeierisch gesagt: Kreativ sein ist ein Paradox. Die sinnvolle Kombination von Dingen, die nicht zusammengehören.
Dann macht es „Klick“ im Kopf.

Das Wort „sinnvoll“ ist hier wichtig. Gedanken, Gefühle, Formen wahllos miteinander zu kombinieren endet in der Regel im Irrsinn. Kreative Kombinationen dagegen müssen Sinn machen. Am besten erst im Kopf des Konsumenten. Wenn der Konsument den letzten Schritt einer Gedankenkette selbst tun, wenn er die letzte Bedeutung eines Filmes, eines Bildes selbst entschlüsseln kann, dann, liebe Testinstitute da draußen, ist die Wirkung viel stärker, als wenn man alles vorgekaut bekommt.

Konsument ist übrigens ein Wort, das ich nicht so gern benutze. Natürlich geht es bei Werbung letztlich ums Verkaufen. Doch je mehr Botschaften auf uns „Konsumenten“ heute einprasseln, desto mehr setzen sich nur die relevanten durch. Das kann das vielzitierte richtige Angebot zur richtigen Zeit im richtigen Medium sein. Stichwort Programmatic. Entscheidend aber ist: Je besser die Botschaft inszeniert ist, desto stärker – again – die Wirkung. Ich halte es daher mit seiner Heiligkeit Sir John Hegarty und spreche lieber von Publikum als von Konsumenten. Einem Konsumenten will man etwas verkaufen. Sein Publikum will man unterhalten. Das Schöne ist, gut unterhalten kauft man mehr, als nur gut informiert. Nicht umsonst heißt es „Kauflaune“.

Was ist gute Unterhaltung bei guter Kreation? Viel mehr als Entertainment. Ein neuer, anregender Gedanke etwa. Ein neue Perspektive auf das Leben, bei der man sich denkt: Wow, so habe ich das noch gar nicht gesehen. So bleibt etwas in Erinnerung, so erzählt man es gern weiter.

Gute Kreation lebt von starken Gefühlen. Von Begeisterung, Rührung, Erschütterung, Beschwingtheit, von Witz, von allem, was einen bewegt. Langweilig aufgezählte Information? Bewegt mich nicht. Mich bewegen gute Geschichten mit einem überraschenden Ende. Menschliche Geschichten, die meine Vorurteile und Denkschubladen erschüttern. Die eine eigene Dynamik entwickeln, aber nie zum Selbstzweck werden, sondern im Dienst der Marke stehen. Sagt sich einfach, ist aber sauschwer, täglich umzusetzen.

Kreativ bedeutet insofern natürlich auch unnachgiebig, ausdauernd, zäh. Wie heißt es so schön? Ein guter Kreativer unterscheidet sich von einem schlechten nicht durch seine Ideen, sondern dadurch, dass er nicht so schnell aufgibt.

PS.: Ich bin übrigens ziemlich stolz darauf, in diesem Text kein einziges Mal die momentanen Buzzwords „Disruptive“, „Diversity“ und „Digital Transformation“ benutzt zu haben. Aber bei Bedarf, liebes Publikum, einfach oben an geeigneter Stelle gedanklich einfügen, schon macht es „Klick“ im Kopf. 😉

Dieser Beitrag erschien zuerst bei W&V.

Vor nicht allzu langer Zeit kam ein Digital-Kreativer zu mir und wollte mit mir über ein Problem sprechen: „Wenn ich ein Briefing bekomme, weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Es gibt so viele Möglichkeiten. Und Plattformen. Und Innovationen. Irgendwie kann man alles machen – und nichts.“ Ich verstehe ihn total. Das ist genau das, warum es einerseits wirklich schwierig ist, ein Kreativer im Jahre 2017 zu sein. Warum es andererseits aber auch genauso spannend ist.

Und klar. Früher war vieles einfacher. Man hat sich ein paar weiße Blätter Papier, eine Menge Kaffee und manchmal eine Schachtel Zigaretten zurecht gelegt und „ausgedacht“. Aus dem Nichts bekannte Formate wie 35-Sekunden-TV-Spots geschaffen oder eine Doppelseite im Stern mit neuen Inhalten gefüllt. Man hat zehn Treatments geschrieben und der Creative Director hatte die rückblickend vergleichsweise einfache Aufgabe: Er musste entscheiden, welches davon das lustigste, überraschendste oder krasseste ist. Danach zehn Anzeigen gescribbelt, getextet und das Gleiche getan. Das wurde dann einigermaßen schnell aufbereitet und man wusste, wie man es später umsetzen wird.

Heute ist alles anders.

Profundes Wissen, eine Menge Research, eine lückenlose Strategie, intelligente Daten-Aggregierung und eine darauf basierende genaue Zielgruppen-Segmentierung scheinen heute oft die Grundvoraussetzung zu sein, bevor man überhaupt anfangen darf, über einen Banner nachzudenken. So sagt es zumindest die Theorie. Und die macht auch total Sinn. In dieser – zugegebenermaßen übertriebenen – Form ist das jedoch extrem aufwändig, teuer und kostest dementsprechend viel Zeit. Vor allem aber vergisst man oft einen Faktor, der sich seit der „guten, alten Zeit“ nicht geändert hat: der gesunde Menschenverstand und ein kreatives Talent. Natürlich sollte man sich als Kreativer heute mit den gängigen Technologien und Plattformen auskennen und sie im Idealfall auch bedienen können. Auch eine enge Zusammenarbeit mit Media und Strategie ist ein absolutes Muss. Aber eine gute Idee bleibt auch heute eine gute Idee. Nur die Basis, auf der sie entstehen kann, ist anders. Neue Formate wollen gefüllt werden und technische Möglichkeiten ausgenutzt.

Lösung für das Problem oder Problem für die Lösung?

Eine innovative, kreative Arbeit zeichnet sich per Definition dadurch aus, dass sie eine neue Lösung für ein bestehendes Problem bietet. In einer Zeit, in der aber viele Dinge entstehen, „weil es geht“, dreht sich der Spieß an vielen Stellen um. Heute gibt es neue Lösungen und man muss gewissermaßen erst das Problem dazu finden. Als Beispiel: Vor nur sieben Jahren gab es noch kein iPad. Und dann war es plötzlich da und Agenturen wie Kunden haben sich gefragt, welchen Einfluss diese technische Errungenschaft auf ihr Geschäft hat. Plötzlich bestimmte das Angebot die Nachfrage. Kreative waren quasi über Nacht gezwungen, sinnvolle Anwendungen für ein neues Device zu erfinden. Ungefähr so, wie wenn heute das Radio erfunden werden würde und morgen Texter Funkspots schreiben müssten.

Das Prinzip Trial-and-Error

Also bleibt einem eigentlich nur, Dinge einfach mal auszuprobieren –  weil sie da sind und weil es geht, weil es Spaß macht und nicht, weil man sich dazu gezwungen fühlt. Sei es nun VR, Chat-Bots, Facebook Live oder Alexa. Diese innovative Goldgräberstimmung, die uns die Tech-Start-Ups vormachen, sollten wir auf unsere Arbeit übertragen. Wir sollten uns anstecken lassen von diesem fast schon kindlichen Spieltrieb in dieser faszinierenden Zeit und Dinge ausprobieren. Und wenn dann etwas nicht funktioniert, ist es auch nicht schlimm. Dann macht man die Dinge einfach besser, verändert sie – oder man lässt es und macht was anderes. Klingt banal, ist aber nichts anderes als: Prototyping. Schnell etwas umsetzen, um zu testen, ob es macht.

Natürlich gibt es keine Vergleichswerte und unseren antrainierten Drang, wissen zu wollen, ob etwas richtig oder falsch ist, kann uns keine Marktforschung beantworten. Aber das muss sie auch nicht, denn heute sagt uns die wichtigste Testgruppe von allen, ob sie etwas gut findet: die Verbraucher selbst.

Serviceplan Health & Live sicherte sich Platz 3 im Kreativ-Ranking beim diesjährigen Comprix (nach Awards und Shortlistplätzen gewichtet) und zählt damit weiterhin zu den kreativsten Agenturen im Healthcare-Bereich. Reiner Kepler von Healthcare Marketing stellte Florian Bernsdorf (Geschäftsführer Beratung) und Mike Rogers (Geschäftsführer Kreation) folgende Fragen zum Comprix, dem größten und bedeutendsten europäischen Award im Healthcare-Bereich.

Laut Presse-Info wurde beim diesjährigen Comprix eine „wirklich hohe Qualität“ der Arbeiten festgestellt. Was sind die Kriterien für hohe Qualität in der Healthcare-Werbung (Unterscheidung nach Zielgruppen wie Ärzte, Patienten bzw. Segmenten wie Rx, OTC, Medizintechnik, sonstige Bereiche)?

ROGERS: Mein Eindruck ist, dass sich der Comprix dieses Jahr in der Tat wieder  über sehr  viele kreativ hochwertige Einreichungen freuen kann. Positiv ist zu sehen, dass nicht nur Top-Marken aus Deutschland, sondern auch große globale Marken beim Comprix vertreten sind – das finde ich begrüßenswert, denn es trägt im Zeitalter des globalen Marketings auch zur Bedeutung und Qualität des Comprix als einzigem deutschen Healthcare-Award bei. Aufgrund der guten und interessanten Arbeiten in allen Kategorien fanden die Diskussionen und Bewertungen in den Jurysitzungen auf sehr hohem Niveau statt, was mich besonders gefreut hat. Es zeigt, dass der Kreativdruck in unserer Branche steigt und alle gut performen wollen. Das kann dem Comprix und damit auch der ganzen Branche nur helfen.

Die Kriterien sind für mich weniger segmentspezifisch – eine gute Kampagne im Gesundheitsmarkt zeichnet sich für mich immer noch dadurch aus, dass sie einfach, schnell, wirksam und vor allem differenzierend die Positionierung und Kernkompetenz eines Produkts transportiert. Sie muss in den Köpfen unserer Zielgruppe für Unruhe sorgen, dann löst sie auch gewünschte Reaktionen bei der Zielgruppe aus.  Dazu braucht sie eine klare und einfache „Big Idea“, die auf einem relevanten Key Insight basiert sowie handwerklich überraschend und exzellent umgesetzt ist – kreativ, medial oder digital.

Budgetkürzungen und global aus dem Ausland gesteuerte Kampagnen erschweren die Arbeit der Kreativen: Was ist in diesem engen Rahmen noch möglich?

BERNSDORF: Grundsätzlich ist die Diskussion über die kreative Adaption und die lokale Relevanz von Global Campaigns ehrlich gesagt etwas leidig, denn ich finde Sie nicht mehr zeitgemäß. Gerade weil wir von Agenturseite den Kunden praktikable Lösungsansätze für das Problem anbieten können.  Mit unserem Global Network Indigenus bieten wir hierfür z. B. einen extra aufgesetzten Creative-Excellence-Process an, der insbesondere auf die Durchsetzungskraft einer global aufgesetzten Kampagne in den einzelnen Ländern ausgerichtet ist. Wir nennen das „Global Fusion Branding“. Mit diesem Prozess können wir nicht nur effizientere globale Kampagnen entwickeln, sondern bieten auch noch enorme Zeit- u. Kostenvorteile. Es wäre also sehr viel möglich, es muss nur angenommen werden – das erfordert aber auf Kundenseite eine demokratischere und  qualitätsorientiertere Denke bei der Entwicklung von globalen Kampagnen. Das eigentliche Problem sind jedoch die Budgetkürzungen für die kreative Agenturleistung oder anders gesagt die enormen Investitionen primär zur Absicherung einer Kampagne vs. der Investition in die kreative Qualität. Solange das Budget für Marktforschung und Kampagnentests höher ist als für die eigentliche kreative Kampagnenentwicklung, werden wir keine Top-Kreation mehr sehen, denn sie wird einfach totgetestet.

Ich halte Kampagnentests für wichtig und manchmal sogar für sehr hilfreich. Aber das Verhältnis von Kreation und Marktforschung stimmt im Mitteleinsatz nicht mehr. Darüber hinaus werden wir uns alle – damit meine ich die Agenturen, aber letztendlich auch die Industrieseite – schwertun, für die zur Verfügung stehenden Budgets noch Top-Kreative zu finden, die heute in der Lage sind, die hochkomplexen und teilweise auch schwierigen Themen in herausragende Kreation umzusetzen, denn die Leute sind zu Recht sehr teuer und haben kein Interesse daran, ihre Arbeit von Marktforschungsinstituten „belanglos“ und oft ohne Einfluss „glatt bügeln“ zu lassen. Es ist also meiner Meinung nach nicht die Frage der Budgetkürzung, sondern eine Frage des richtig verteilten Budgeteinsatzes, um wieder global und lokal mehr kreative Kampagnen anstelle von mehr oder weniger austauschbar bebilderten Produktinformationen auf die Straße zu bekommen. Denn es ist die kreative Idee, die differenziert, und Differenzierung wird zunehmend noch wichtiger!

Hier sehe ich eine wichtige Funktion des Comprix, der eben genau die Kunden und Agenturen auszeichnen soll, die es schaffen, sich unter den oben aufgeführten Herausforderungen  durch exzellente Kreativität herauszuheben. Es gibt diese Kunden und Agenturen und somit  auch diese herausragenden Arbeiten. Also rauf mit ihnen auf die Bühne!

Welche Trends sehen Sie in der Healthcare-Werbung, was ändert sich aktuell?

BERNSDORF: Der große Trend, auf den im Augenblick alle aufspringen, heißt „Patient Centricity“. Der Gesundheitskunde bzw. der Patient wird noch stärker in den Fokus rücken. Damit verbunden wird Multichannel-Kommunikation noch mehr an Bedeutung gewinnen. Das schließt besonders auch Social Media mit ein. Dies hat aus meiner  Sicht zur Folge, dass wir uns in Zukunft über ein völlig neues Qualitätsniveau in der Gesundheitskommunikation unterhalten – inhaltlich wie kreativ. Best Brands werden jene Marken sein, denen die Patienten vertrauen – der Schlüssel dazu wird exzellente Kreativität verbunden mit exzellentem Content sein!

Warum gewinnen Comprix-ausgezeichnete Arbeiten eigentlich nie bei anderen Kreativ-Awards einen Preis?

ROGERS: Grundsätzlich stehe ich dazu, dass sich die beim Comprix ausgezeichneten Arbeiten nicht verstecken müssen. Die kreative Qualität hat sich in den letzten Jahren wirklich enorm gesteigert. Dass Winner-Arbeiten beim Comprix bei anderen Wettbewerben nicht punkten, können wir nur teilweise so stehen lassen. Unser Anti-Raucher-Kalender für die AOK hat z. B. neben dem Comprix noch bei den global top angesehenen Awards EPICA und Eurobest Medaillen gewonnen. Das gilt für andere Arbeiten aus dem Comprix auch. Aber  das sind dann eben auch herausragende Arbeiten.

Es ist schon richtig: Obwohl das Niveau beim Comprix hoch ist, muss man der Tatsache ins Auge sehen,  dass sich Kampagnen aus dem Pharmamarkt bei anderen Wettbewerben sehr schwer durchsetzen. Dazu reicht das Niveau oftmals noch nicht, und Pharma ist im Vergleich zu Auto oder Telekommunikation auch nicht sexy genug. Doch daran arbeiten wir alle – und der Comprix tut sein Bestes dazu!