Beiträge

Amazon kommt seinem erklärten Ziel, der globale „Everything Store“ zu werden, immer näher.

Seit der Öffnung der Plattform für Drittanbieter zur Jahrtausendwende wachsen die Anzahl der Händler und die Summe der gelisteten Produkte unaufhörlich. Allein im Jahr 2018 kamen laut einer Studie von Marketplace Pulse über 100.000 neue Händler auf den deutschen Marktplatz. Die Anzahl gelisteter Produkte auf Amazon.de beträgt mittlerweile weit über 200 Millionen.

Im Zuge dieser Entwicklung bieten immer mehr Händler die gleichen Produkte an, was einen erbitterten Kampf um die conversionstarke Vorauswahl im Einkaufswagen, der sogenannten BuyBox zur Folge hat. Ein Umstand, von dem kurz- und mittelfristig betrachtet vor allem der Konsument durch günstige Angebote profitiert.

Die Konkurrenz zwischen den Händlern steigt

Im Gegenzug nimmt durch die ungebrochene Ausweitung des Produktkatalogs die Konkurrenz zwischen ähnlichen, substitutiven Gütern zu. Das eigene Produkt sichtbar zu machen und in der Masse der Angebote nicht unterzugehen ist daher eine der größten Herausforderung auf Amazons Marktplatz, der sich Vendoren und Seller gleichermaßen stellen müssen.

Der Handelsriese aus Seattle hat diesen Umstand frühzeitig als Chance erkannt, sich ein weiteres, äußerst lukratives Geschäftsfeld zu erschließen. Amazon bietet bereits seit Ende der 2000er Jahre eine Vielzahl werblicher Lösungen an, mit denen Hersteller wie Händler ihre Produkte bewerben und kauffreudige Konsumenten entlang der gesamten Customer-Decision-Journey ansprechen können. Die eigens zur Vermarktung gegründete Abteilung hieß zum Start „Amazon Media Group“, heute einfach „Amazon Advertising“. Sie stellt ihren Werbepartnern ein umfassendes Tech-Stack zur Verfügung, dessen Bedienung sehr komplex ist und nur mit ausgeprägter Expertise wirklich gelingt. Um das eigene Produkt bestmöglich sichtbar zu machen, sollte auf die folgenden beiden Systeme ein besonderes Augenmerk gelegt werden:

1. Sponsored Ads

Dieses Self-Service-Tool wurde 2015 gelauncht und war bis Anfang des Jahres noch als Amazon Marketing Services (AMS) bekannt. Es beinhaltet aktuell drei Anzeigenformate (Sponsored Products, Sponsored Brands und Product Display Ads), welche Performance-basiert über Pay-per-Click Anzeigen innerhalb der Suchergebnisseite und der Produktdetailseiten ausgespielt werden können. Die möglichen Targetingoptionen sind vielfältig, variieren von Format zu Format. Sie reichen von einer automatisierten Ausspielung bis hin zu einer keyword-, produkt bzw. kategoriespezifischen Aussteuerung der Werbemittel.

Ausgestattet mit einem entsprechenden Werbebudget, kann man als Händler seine Produkte beispielsweise direkt innerhalb der begehrten ersten Suchergebnisse platzieren, um potentielle Kunden mit seinem Angebot unmittelbar anzusprechen. Da die Werbeformate aufgrund der bestehenden Nachfrage beim Kunden eingeblendet werden (Pull-Marketing) und durch den stark nativen Charakter kaum als Werbung wahrgenommen werden, stellen Sponsored Ads die derzeit performanteste Werbelösung auf Amazon dar – sie zeichnen derzeit sogar für den mit Abstand größten Teil der Werbeerlöse von Amazon verantwortlich.

2. Die Amazon Demand-Side-Platform (DSP)

Vor 2019 bekannt unter dem Namen Amazon Advertising Platform (AAP), ermöglicht das Einkaufssystem den programmatischen Einkauf von Display- und Video-Inventar und dessen präzise Aussteuerung mit Hilfe der von Amazon millionenfach erhobenen Such- und Einkaufsdaten seiner User.

So lassen sich beispielsweise Nutzer, die zwar eine Produktdetailseite auf Amazon besuchen, aber keinen Kauf abgeschlossen haben, auch außerhalb des Marktplatzes gezielt erneut ansprechen und für den finalen Kauf auf das Produktangebot zurücklotsen (dieser Vorgang nennt sich Re-Targeting). Auch Kampagnen, die an früherer Stelle im Entscheidungsprozess ansetzen, lassen sich in zahlreiche sogenannte In-Market oder Lifestyle-Segmente segmentieren, um Personen mit spezifischen Vorlieben, Interessen oder Lebensstilen gezielt anzusprechen.

Die Herausforderer schlafen nicht     

Auch wenn Amazon aktuell sicherlich das umfangreichste und am weitesten entwickelte Werbeportfolio anbietet, soll nicht unerwähnt bleiben, dass mit Ebay Advertising, Zalando Marketing Services (ZMS) und der Otto Group Media (OGM) weitere Marktplätze in ihr werbliches Portfolio investieren und spannende Lösungen im Bereich Retail Media entwickeln.

Insbesondere OGM hat aufgrund der vergleichbaren Positionierung als Sortimentsgeneralist und seinem in Mechanik und Werbeformaten mit Amazon vergleichbaren Angebot das Potential, künftig mehr als nur eine gute Ergänzung für Werbetreibende darzustellen.

Dieser Artikel ist Teil einer vierteiligen Serie bei etailment.de. Hier geht’s zu Teil Eins, Zwei und Drei.

„Fortnite ist für uns ein größerer Konkurrent als HBO (an den wir auch mehr Nutzer verlieren)“, schrieb Netflix-CEO Reed Hastings Ende 2018 in einem Brief an die Aktionäre und wies darauf hin, dass die Gaming-Industrie in Zukunft ein weitaus wichtigerer Wettbewerber für Netflix sein wird als andere Bezahlsender. Die Videospielindustrie verzeichnet Jahr für Jahr rekordverdächtige Umsätze und ist für Spieler aller Altersgruppen auf allen möglichen Geräten interessant, von speziellen Spielkonsolen bis hin zu PCs und Smartphones. Je mehr die Gaming-Industrie wächst, umso mehr wird sie zu einem Konkurrenten im Kampf um drei knappe Ressourcen unserer modernen, vernetzten Welt: die für den Medienkonsum aufgewendete Zeit, die Aufmerksamkeit der Zielgruppen und das ausgegebene Budget („Share-of-Wallet“). Dabei geht es nicht nur darum, dass die Spieler selbst spielen. Auch die E-Sports-Branche verzeichnet enorme Zuwächse und das Beobachten von professionellen Spielern, die in Turnieren gegeneinander antreten, ist für viele interessierte Gamer zu einer beliebten Freizeitunterhaltung geworden.

Doch der größte Wandel für die Branche zeichnet sich bereits am Horizont ab und könnte zu einer so tiefgreifenden Veränderung der etablierten Geschäftsmodelle führen, dass die Gaming-Branche nie mehr so sein wird wie zuvor, weder für Hardwarehersteller und Spieleentwickler noch für die Spieler.

Kurz vor der diesjährigen E3, der jährlichen Fachmesse der Gaming-Branche in Los Angeles, hat Google Pläne für seinen neuen Gaming-Service Google Stadia angekündigt. Über Jahrzehnte hinweg wurden Videospiele auf physischen Speichermedien wie Kassetten, DVDs, Blu-Rays und später Online-Downloads vertrieben und dann auf leistungsfähiger Hardware in Form von Konsolen und PCs installiert und gespielt. Mit Stadia will Google dies nun ändern, indem das Gaming in die Cloud verlagert wird.

Die Spiele können über das Internet auf allen Endgeräten gestreamt werden, die über eine Internetverbindung verfügen und einen Google Chrome-Browser unterstützen oder mit der Streaming-Technologie von Google Chrome Cast kompatibel sind. Alle aufwändigen Grafikberechnungen und -verarbeitungen finden dann in den Rechenzentren von Google statt.

Was für lineare Inhalte wie Filme oder Musikstücke eher trivial ist, gestaltet sich für das Medium Gaming viel komplizierter. Im Gegensatz zu Spielfilmen oder Serien, die von Netflix und anderen Diensten gestreamt werden, ist es bei Computerspielen entscheidend, dass ihre Umgebungen in Echtzeit dargestellt werden und sie sich ständig an die Bewegungen und Blickwinkel der Spieler anpassen. Darüber hinaus erfordern sie eine präzise Eingabe der Spieler über Controller oder eine Maus und Tastatur, die mit minimaler Verzögerung auf dem Bildschirm dargestellt werden muss. Die dafür notwendige erhebliche Verarbeitungs- und Netzwerkinfrastruktur können nur einige wenige Unternehmen bieten, darunter auch Google.

Der Vorteil für die Spieler besteht darin, dass sie nicht mehr teure Gaming-Computer oder -Konsolen kaufen müssen, um die komplexesten Spiele mit der besten Grafik zu spielen. Sie können einfach auf dem Fernseher, Tablet, Laptop oder sogar Handy gestreamt werden.

Das Geschäftsmodell von Stadia, das im November 2019 an den Start gehen wird, sieht vor, dass die Nutzer für den Dienst eine monatliche Abonnementgebühr zahlen müssen. Und genau hier wird es kompliziert. Im Gegensatz zu Video- oder Musik-Streaming-Diensten wird Stadia nicht mit einem umfangreichen Katalog alter und neuer Spiele starten, sondern mit einer sehr begrenzten Auswahl an meist älteren Titeln, die im monatlichen Paket enthalten sind. Wenn Spieler im Rahmen des Service auf andere Spiele zugreifen wollen, müssen sie einzelne Spiele digital im Stadia-Store kaufen oder eine monatliche Abogebühr an Publisher wie das französische Unternehmen Ubisoft zahlen, um Zugang zu deren Spielekatalog zu erhalten.

In einem Markt, in dem zahlreiche große Publisher und Hardwarehersteller mit unzähligen Abo-Diensten für den Zugang zu Publisher-Katalogen, Mikrotransaktionen für In-Game-Artikel, Gebühren für Online-Multiplayer und dem Kaufpreis vieler Spiele bereits in einem harten Wettbewerb um die Geldbörsen der Gamer stehen, ist es fraglich, ob Stadia erfolgreich sein kann, ohne auf herkömmliche Weise einen Marktanteil in der Gaming-Industrie zu gewinnen: durch exklusive Spiele und Rabattpreise.

Alle großen Konsolenhersteller besitzen mehrere Entwicklungsstudios, die Spiele exklusiv für ihre Plattform entwickeln und bei Microsoft und Sony hohe Summen für die zeitlich festgelegte Exklusivität für hochkarätige Titel von Drittanbietern zahlen. Ein weiteres Technologieunternehmen, das kürzlich das Modell des Verkaufs exklusiver Spiele gegen eine Abo-Gebühr an interessierte Zielgruppen eingeführt hat, ist Apple, dessen Service Apple Arcade später in diesem Jahr auf den Markt kommt.

Mittlerweile arbeiten auch Sony und Microsoft an cloudbasierten Spieleplattformen, die voraussichtlich mit der Veröffentlichung der nächsten Konsolengeneration auf den Markt kommen werden. Sony ist sogar eine strategische Partnerschaft mit Microsoft eingegangen, um seine eigenen zukünftigen Cloud-Gaming-Lösungen auf Basis der Azure-Cloud-Technologie von Microsoft zu entwickeln – ein Schritt, der noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Doch die neue Konkurrenz im Gaming-Bereich scheint auch zu neuen Allianzen zu führen.

Für die Zukunft des Spiele-Streamings sind jedoch auch Schwierigkeiten zu erwarten. Die traditionelle Kernzielgruppe der Gaming-Fans ist angesichts der Fragmentierung der Plattformen, der Exklusivität von Inhalten und der Umstellung der Spiele vom Einmalkauf zum Servicemodell mit dem Ziel, den langfristigen Umsatz durch Mikrotransaktionen und kostenpflichtige Zusatzinhalte zu steigern, zunehmend frustriert.

Auch wenn dies heutzutage nicht mehr auf Filme und Musik zutrifft, möchten viele Spieler nach wie vor die Spiele, für die sie bezahlt haben, „besitzen“, anstatt einfach das Recht zu kaufen, vorübergehend über einen Streaming-Service darauf zuzugreifen. Und da die jüngere Generation von Spielern mit durch Mikrotransaktionen finanzierten Handyspielen und Free-to-Play-Titeln aufgewachsen ist, ist es ungewiss, ob ein Streaming-Service mit Fixkosten und traditionelleren Spielen für sie überhaupt attraktiv ist, vor allem angesichts der vielen verschiedenen Formen konkurrierender Unterhaltung. Genauso wie Netflix Gaming als Konkurrenz betrachtet, wenn es um die Zeit, Aufmerksamkeit und das Geld des Publikums geht, so sieht sich die Gaming-Branche ebenfalls im Wettbewerb zu Video- und Audio-Streaming-Diensten.

Man darf also gespannt sein, wie sich die Branche in den nächsten Jahren verändert und ob Streaming und Abonnements wirklich die Zukunft sind. Der Gedanke, jedes Spiel überall und auf jedem Gerät spielen zu können, ohne eine Konsole oder einen PC kaufen zu müssen, ist sicherlich verlockend. Selbst werbefinanzierte Modelle erscheinen in diesem Szenario keineswegs weit hergeholt und würden Herstellern eine attraktive Möglichkeit bieten, um junge und zahlungskräftige Zielgruppen zu erreichen. Wenn es der Branche gelingt, ihre Kernzielgruppen in die Streaming-Landschaft einzubinden, und wenn dank der Benutzerfreundlichkeit und niedrigeren Zugangskosten sogar neue Zielgruppen erreicht werden, könnte sich das Gaming über Jahre hinweg bei jüngeren Zielgruppen als führende Form der Unterhaltung etablieren.