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Wertschöpfungskiller Nr.1 ist Kommunikation. Zugegeben: eine gewagte These. Zumal sie aus der Feder einer Vertreterin der Kommunikationsbranche stammt. Doch was auf den ersten Blick gewagt klingt, lässt sich lupenrein begründen.

Dabei will ich mich gar nicht lange mit dem vordergründig Offensichtlichen, der Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden, aufhalten. Dass hin und wieder der Schuss gehörig nach hinten losgehen kann – weil man einfach sein Handwerkszeug nicht beherrschte oder schlichtweg vergessen hatte, die Brille des Kunden aufzusetzen – ist nichts Neues. Die stümperhafte Markenführung von Camel oder das Kitkat-PR Desaster von Nestlé stehen exemplarisch für viele weitere Beispiele.

Stattdessen will ich das Augenmerk auf drei weitere Kommunikationsfelder lenken, die deutlich weniger im Rampenlicht stehen. Und die ebenfalls einen signifikanten – aber stark unterschätzten – Einfluss auf die Wertschöpfungskraft eines Unternehmens haben.

1. Wenn zwei sich treffen und miteinander kommunizieren…

Betrachten wir zunächst die interpersonelle Ebene, d.h. die Kommunikation zwischen zwei Menschen. Klingt auf den ersten Blick banal? Ist es aber nicht! Denn spätestens seit Schulz von Thuns „4-Seiten-Modell“ (neben der Sachebene beeinflusst auch die Beziehungs-, Selbstoffenbarungs- und Appellebene die Qualität der Kommunikation) und Paul Watzlawicks „Konstruktion der Wirklichkeit“ (wir nehmen die Welt wie ein Vexierbild wahr) wissen wir, dass die zwischenmenschliche Kommunikation ein höchst komplexer Vorgang ist. Ein komplexer Vorgang, der oft genug schiefläuft – und Wertschöpfung im großen Stil vernichtet.

Diesen Zusammenhang hat Steven R. Covey bereits in den 80er Jahren in seinem Millionenbeststeller „7 habits of highly effective people“ erkannt und daher der interpersonellen Kommunikation einen hohen Stellenwert beigemessen: drei seiner sieben Effektivitäts-Gewohnheiten sind ausschließlich ihr gewidmet. So lautet beispielsweise Regel Nr. 5: „Erst verstehen, dann verstanden werden“.

Wir reden immer mehr, kommunizieren aber immer seltener

Doch gerade das aktive, zugewandte Zuhören als Teil einer effektiven interpersonellen Kommunikationsstrategie fällt uns kollektiv betrachtet immer schwerer. Wir reden zwar ständig und posten unentwegt – aber immer seltener gelingt es uns wahrhaftig wertschöpfend zu kommunizieren.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass viele New Work-Ansätze darauf abzielen interpersonelle Kommunikation im VUCA-Zeitalter wertschöpfender zu gestalten. Um nur zwei Beispiele zu nennen: das Tactical Meeting-Format ist eine höchst effiziente Vorgehensweise um wöchentliche Team-Jourfixe durchzuführen. Und die Retrospektive (Teil des Scrum-Regelwerks) hat zum Ziel, Wertschöpfungsbremsen im Prozess zu identifizieren und im Team entsprechend gegenzusteuern.

Kluge Unternehmens-Lenker stellen somit nicht erst heute sicher, dass das Niveau der interpersonellen Kommunikations-Skills in der gesamten Organisation hoch ist. Und inspirieren die gesamte Mannschaft, kritisch auf ihre Meeting-Formate zu blicken, um Wertschöpfungsfresser frühzeitig zu eliminieren.

2. Wenn zwei sich treffen und miteinander kommunizieren

Richtig, die Überschrift ist im Vergleich mit Punkt 1 unverändert geblieben. Denn vordergründig bleibt alles beim Alten, wenn man die Dimension „Organisation“ hinzunimmt. Doch weit gefehlt.

Jetzt kommen neue Kräfte ins Spiel, die an Wirksamkeit unterschätzt werden, da sie auf den ersten Blick unsichtbar sind. Eine Erkenntnis, die erst jetzt langsam im Top-Management Einzug erhält. Niklas Luhmanns Systemtheorie bietet ein hilfreiches Erklärungsmodell: ein soziales System ist ein geschlossenes System mit einem Eigenleben, das auf die einzelnen Menschen im System (in der Systemtheorie gelten sie als Umwelt) Einfluss ausübt. Somit besteht eine Organisation nur auf den ersten Blick aus Menschen – vielmehr beruht sie auf Kommunikation im systemtheoretischen Sinne.

Eine gerne verwendete Metapher zur Veranschaulichung von Luhmanns Systemtheorie ist das Brettspiel. Ohne die Spieler (d.h. Mitarbeiter) kann das Spiel zwar nicht gespielt werden, aber die Spieler fügen sich den Spielregeln, die das Spiel (sprich: die Organisation) vorgibt. Zu den Spielregeln der Organisation gehören die zahlreichen bekannten und noch zahlreicheren ungeschriebenen Gesetze, kulturellen Regeln und Glaubensätze, die sich seit Unternehmensgründung angesammelt haben. Sie sind die Leitplanken, innerhalb derer das Mögliche auf das Wahrscheinliche reduziert wird.

Mitarbeiter kommen und gehen – das einflussgebende System bleibt

Und jetzt wird es wirklich spannend, denn hier zeigt sich die Wirksamkeit dieses Erklärungsmodells: Wenn Sie sich von einem Mitarbeiter trennen und diesen durch einen neuen Mitarbeiter ersetzen, so lege ich meine Hand ins Feuer, dass Sie in den meisten Fällen ähnliche Verhaltensmuster wie zuvor auch beobachteten werden – und die Wahrscheinlichkeit steigt je größer das Unternehmen ist. Ganz einfach, weil nur die Umwelt und nicht das einflussgebende System verändert wurde.

Wenn es nun darum geht, Wertschöpfungsleistung zu erhöhen, hilft der systemtheoretische Ansatz insofern, als er einen differenzierten Blick auf Ursache und Wirkung erlaubt. Und er ruft in Erinnerung, dass es wenig bringt ausschließlich an den Symptomen (d.h. dem Verhalten von Mitarbeitern) zu doktern, sondern dass ebenfalls an den Ursachen (den Spielregeln, die das jeweilige Symptom hervorrufen) gearbeitet werden darf. D.h. Arbeit AM System anstatt IM System ist gefragt.

Arbeit AM System – und nicht IM System

Wer diese Zusammenhänge ignoriert, wird sich den Mund fusselig reden, zig Change-Programme initiieren oder die zentralen Köpfe austauschen können – die gewünschte Veränderung wird dennoch ausbleiben. Und spätestens jetzt wissen Sie auch, dass die sich aktuell häufenden „Brandbriefe“, in denen Vorstände z.T. öffentlich die Mitarbeiter für wertschöpfungsvernichtende Verhaltensweisen verantwortlich machen, verlorene Liebesmüh sind (was damit noch zerstört wird, steht auf einem anderen Blatt). Anstatt an den Formulierungen zu feilen bzgl. vermeintlicher Ursachen wäre die Energie und Zeit besser investiert, die Ursache hinter der Ursache zu erforschen.

3. Wenn zwei sich in mir treffen und miteinander kommunizieren

Ja, Sie haben richtig gelesen. Wir widmen uns nun der intrapersonellen Ebene, d.h. der Kommunikation in uns selbst. Keine Sorge, dies ist kein esoterischer Ansatz, sondern ein echter Wertschöpfungsfaktor.

Die Frage „Wer bin ich, und wenn ja wie viele?“, ist nicht nur der Bestsellertitel des Philosophen Richard David Precht, sondern beschreibt auch sehr plakativ das Konzept der Multiplizität der Persönlichkeit: Neben einem führenden Selbst existieren – oft unbewusst – diverse Persönlichkeitsanteile in uns, deren Gefühle, Glaubenssätze und Erinnerungen in unserem Gehirn fest verankert sind.

Auch wenn uns die unterschiedlichen Persönlichkeitsanteile (noch) nicht bekannt sind: sie wirken stetig in uns, treten emsig in Dialog zueinander und erhalten manchmal, abhängig von den äußeren Umständen, die Überhand. Dass ein sanftmütiger Mensch von einer Minute zur anderen explodiert und dabei sprichwörtlich viel Porzellan zerschlägt hat jeder schon einmal erlebt. Dann handelte nicht der erwachsene Mensch, den wir bislang gekannt haben, sondern das verletzte innere Kind oder der innere Rebell, der kurzzeitig das Ruder übernommen hat, weil ein äußerer Impuls diesen Persönlichkeitsanteil herausgefordert hat.

Das Management der inneren Persönlichkeitsanteile ist wichtig

Ein anderes Beispiel: das eigene Kopfkino verselbständigt sich und negative Gedankenroutinen spulen sich mehr oder weniger unbewusst im Dauerloop ab. Mit negativen Folgen für das eigene Energieniveau, die Auswahl möglicher Handlungsoptionen und in letzter Konsequenz für den persönlichen Wertschöpfungsbeitrag im Unternehmen.

Somit ist das erfolgreiche Management der inneren Persönlichkeitsanteile – das Bewusstwerden dieser und der professionelle Umgang mit ihnen – ein echter Wertschöpfungstreiber. Ich behaupte sogar: aufgrund seiner Hebelwirkung ist es einer der größten Wertschöpfungstreiber überhaupt, denn es beeinflusst signifikant die drei zuvor genannten Kommunikationsebenen.

Und im Zeitalter von VUCA und NEW WORK – wenn das bisher gewohnte Korsett aus vertrauten Routinen und Standards sowie Leitplanken vorgebenden Vorgesetzten wegfällt – werden unsere inneren Persönlichkeitsanteile stärker denn je herausgefordert. Somit wird auch diese Kommunikationsebene – alleine schon aus Eigeninteresse an einer robusten „bottom line“ – zunehmend mehr Topmanagement-Attention genießen.

Kehren wir zurück zur Eingangsthese: Kommunikation als fundamentaler Wertschöpfungskiller oder als signifikanter Wertschöpfungshebel – das ist hier die Frage. Abhängig davon wie hoch der Selbstreflexionsgrad aller Unternehmens-Stakeholder ist und welchen Stellenwert die vier Ebenen der Kommunikation im Topmanagement genießen, fällt die Münze der Wahrheit mal auf die eine, mal auf die andere Seite.

Weitsichtige Unternehmenslenker haben die beschriebenen Zusammenhänge längst erkannt und nutzen diese geschickt als Wettbewerbsvorteil. Herausragende Wertschöpfung ist der Lohn für ihren Mut.

 

Dieser Beitrag eschien zuerst bei manager-magazin.de.

Air Berlin ist auf dem Sinkflug. Auf dem Weg, als eine Art Slums der Lüfte wahrgenommen zu werden. Europas siebtgrößte Fluglinie strich beispielsweise alleine am 1. Juni dieses Jahres 44 Flüge. Einfach so, weil entweder keine Crew oder kein geeignetes Fluggerät am Abflugort verfügbar war. Manche Gäste wurden informiert, manche nicht. Wieder andere bekamen völlig widersprüchliche Auskünfte. Einige Gäste bekamen Verpflegungsgutscheine. Nur konnten diese oft nicht eingelöst werden, weil die Shops im Flughafen bereits geschlossen hatten. An Bord gab es Getränke nur gegen Cash. Kommentar der Flugbegleiter: „Beschweren Sie sich im Internet.“ In Passagierforen wird diskutiert, ob man Air Berlin überhaupt noch buchen könne.

Die Krisen-PR der angeschlagenen Airline ist hochinteressant. Air Berlin geht mit dem Chaos offensiv um und erklärt in ganzseitigen Tageszeitungsanzeigen, was die Fluglinie tut, um zuverlässiger zu werden. Die Airline habe etwa kurzfristig 700 neue Flugbegleiter eingestellt. „Erwarten Sie ab sofort ruhig mehr von uns (und nein, wir meinen nicht mehr Wartezeit)“ heißt es in einer aktuellen Kampagne. Ich finde es sympathisch, dass die Fluglinie ihre Qualitätsprobleme anspricht, auf Floskeln wie „wir entschuldigen uns und danken für Ihr Verständnis“ verzichtet. Und sich stattdessen selbstironisch gibt. Das beweist Mut, Haltung und Respekt gegenüber den Fluggästen. Deren Verständnis wird von Air Berlin nicht automatisch vorausgesetzt. Soviel Empathie sind wir von Mobilitätsanbietern nicht gewohnt.

Strategisch schlau finde ich den Subtext der Anzeigenkampagne: Er suggeriert, die Fluggesellschaft habe eine Zukunftsperspektive. Geschickt lenkt Air Berlin die Wahrnehmung auf das Thema Pünktlichkeit und vermittelt, wieder auf Flughöhe zu sein. Für ein Unternehmen, das auf einem Schuldenberg von über einer Milliarde Euro sitzt, dessen Zukunft ungeklärt ist und das wiederholt nicht in der Lage war, seinen Flugplan ordnungsgemäß zu bedienen, ist dies ein wichtiges Etappenziel. Wer kurzfristig 700 Mitarbeiter auf einen Schlag einstellt, wirkt zukunftsorientiert. Dass die neuen Mitarbeiter via Youtube eingeladen in Massencastings rekrutiert wurden, spielt eine Nebenrolle. Einstellungskriterien waren eine Körpergröße von mindestens 160 cm, keine sichtbaren Tattoos, der Besitz eines Reisepasses und die Fähigkeit zu schwimmen. Eine Tageszeitungsjournalistin berichtet über ein Casting in einem Berliner Hotel, es sei jeder Bewerber eingestellt worden. Und zitiert einen Teilnehmer: „Man muss sehr dämlich sein, um hier nicht genommen zu werden“.

Ganz alleine auf hastig eingestelltes Personal und die Kraft der guten Worte vertraut Air Berlin nicht. Die Fluglinie vermarktet Aktionstickets in die USA sowie die Karibik zum Schnäppchenpreis von 399 Euro. Für Hin- und Rückflug wohlgemerkt. Die Flugzeuge sind sehr gut gebucht. Dies zeigt: Die Krisen-PR der Fluglinie wirkt. Jedenfalls gab es Versuche zur Bewältigung einer akuten Krise, die wirkungsloser waren. Die Krisen-PR von Air Berlin zeigt aber auch, was Krisenkommunikation leisten kann und was nicht: Denn der Kern des Air Berlin-Problems bleibt weiter ungelöst. Niemand weiß, ob das Unternehmen, das täglich (!) drei Millionen Euro Verlust macht, Urlaubsflieger, Billigflieger oder Langstreckenspezialist ist. Ob es eine gute Idee ist, jetzt auf den erbittert umkämpften Markt Langstreckenflüge in die USA zu setzen, wird sich zeigen. Die Krisenkommunikation von Air Berlin kann die grundsätzlichen strategischen Fragen nicht erklären. Sie ist aber eine gut gemachte Ablenkung, ein wirksames Placebo.

Dieser Beitrag wurde auch bei W&V veröffentlicht.