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Beginn einer „Post-Smartphone-Ära“

Wir stehen am Beginn einer neuen Ära – der „Post-Smartphone-Ära“. Aufgrund des rasant zunehmenden mobilen Datenverkehrs sind AI (maschinelles Lernen), VR, AR und Fictionless Computing heute brandheiße Themen – und eigenständige technische Assistenten der ganz besonderen Art.

All diese technischen Errungenschaften verbinden uns zuverlässig mit unseren Mitmenschen und unserer Umwelt. Am 14. Dezember 2016 gab das Wynn Las Vegas bekannt, all seine 4.748 Hotelzimmer mit Amazon Echo-Geräten ausstatten zu wollen. Am selben Tag gelang Amazon die erste Zustellung per Drohne mit „Prime Air“ in Großbritannien. Und was ist sonst noch passiert? Uber hat seinen ersten Betrieb für Autonomes Fahren in San Francisco ins Leben gerufen, und das Start-up „Lucid Motors“ aus dem Silicon Valley stellte sein neues Luxus-Elektrofahrzeug „Lucid Air“ vor, das mit einer Aufladung bis zu 640 km zurücklegen kann. Tagtäglich geschieht so viel, dass wir nicht einmal mehr Zeit haben, überhaupt noch überrascht zu sein. Aber: Trotz alledem gehört die Zukunft uns, den Menschen. Genießen wir also diese neuen Technikwunder mit all ihrem Komfort und allen Annehmlichkeiten in vollen Zügen.

Mobiles Universum

Für 2017 wird erwartet, dass mobile Inhalte eine noch zentralere Rolle im koreanischen Kommunikationssektor einnehmen werden, was letztendlich auch dem mobilen Handel zugutekommen wird. Angesichts einer Smartphone-Verbreitungsrate von 91 % (weltweiter Spitzenreiter, Stand: März 2016) und dem schnellsten Internet ist es sehr wahrscheinlich, dass in Südkorea künftig noch mehr Inhalte mit dem Smartphone abgerufen werden. (Selbst TV-Sendungen werden auf Mobilgeräten verfolgt.)

Diesem Trend folgend werden auch entsprechende Inhalte (u. a. Werbung) für mobile Plattformen erstellt und entwickelt. Mobile Werbung wird weiterentwickelt, um die jeweiligen Zielgruppen mit noch fortschrittlicheren Tools zur Leistungsmessung zu erreichen.

Technologieorientierte Inhalte

Sobald sich der Wirbel um die neue VR/AR-Technologie etwas gelegt hat, wird die Entwicklung relevanter Inhalte eine wichtige Rolle spielen. Zwei Schwergewichte der koreanischen Online-Industrie – Naver und Kakao – investieren stark in die Entwicklung von AR/VR-Inhalten, was künftig eine noch größere Auswahl an attraktiven Inhalten für die Konsumenten in Korea verspricht.

Neben VR/AR halten auch andere Technologien wie AI und Live-Übertragungen Einzug in diverse Marketingplattformen. Dies legt die Vermutung nahe, dass technologische Entwicklungen inzwischen mehr denn je auch die Entwicklung von Marketingmitteln befeuern. Content Creator dürfen hier nicht den Anschluss verlieren.

O2O Omnipräsenz

Der O2O(Online-to-Offline)-Sektor hat sich seit 2014 zu einem zentralen Geschäftsfeld koreanischer Start-ups entwickelt und wächst beständig. Tatsächlich sind die Servicehürden im O2O-Bereich verhältnismäßig niedrig. Mittlerweile sind Ausbreitung und Differenzierung jedoch zunehmend wichtig geworden, um im Markt erfolgreich sein zu können.

Große Plattformunternehmen wie Kakao sind hier tonangebend und übernehmen entweder relevante O2O-Dienste oder stellen verschiedene Services in einer bestimmten App zur Verfügung. Dabei wird das große Potenzial des O2O-Konzepts im jeweiligen Bereich zum gegenseitigen Nutzen erschlossen.

Im Trend liegen personalisierte O2O-Services, z. B. „Travel Accomodation“ für reiselustige Singles, „Personalized Beauty“ für Wellness-Fans und „Services aiming at 3049 target“, der inzwischen an der Spitze des Gesundheitsmarktes steht.

Dieser O2O-Service, der das Leben der Konsumenten weiter vereinfachen und bereichern soll, wird dank schnellerer mobiler Datenübertragung und bequemer Zahlungsmöglichkeiten per Mobilgerät wohl ebenfalls weiter wachsen.

Die Digitalisierung hat die Medien- und Kommunikationswelt revolutioniert. Kehrt nun etwas Ruhe ein? Nein, es wird genauso rasant weitergehen, weil die Digitalisierung – quasi als treibende Kraft – viele spannende Entwicklungen ausgelöst hat. Diese fünf Trends werden uns 2017 auf Trab halten.

1. Customer Centricity und Personalisierung

Der Verbraucher wird Zentrum allen Handelns

Früher wurden ein Produkt und eine Kampagne für möglichst viele Menschen entwickelt. Massenwerbung per Gießkannenprinzip funktionierte. Tempi passati – um heute erfolgreich zu sein, brauchen wir das Gegenteil: die gelungene Ansprache des einzelnen Verbrauchers. Die Werbung wird deshalb einen kräftigen Personalisierungsschub erleben. „Small Data“ im Sinne Martin Lindstroms und Mikrosegmentierung werden diese Entwicklung voranbringen.

Diese konzentrierte Fokussierung auf den einzelnen Kunden, auch „Customer Centricity“ genannt, wird selbst auf die Produktgestaltung Auswirkungen haben: Es werden Erlebnis- und Dienstleistungswelten entstehen, in denen das eigentliche Produkt – also die Ware – nur noch ein Aspekt von vielen ist. Ein Autokonzern verkauft dann nicht nur Automodelle, sondern komplexe Mobilitätslösungen. Wer mit seiner Markenwelt begeistern kann, profitiert im Idealfall von einer lebenslangen Loyalität der einzelnen Kunden, die das Produkt womöglich – etwa mit „Amazon Dash“ – immer wieder per Knopfdruck bestellen. Im Marketing der Zukunft gibt es keine „One Night Stands“.

2. Wahrhaftigkeit und Authentizität

Marken müssen um ihre Glaubwürdigkeit kämpfen

So merkwürdig es klingen mag: Gerade Marken, für die früher phantastische Scheinwelten und großspurige Claims ersonnen wurden, müssen heute ehrlicher und transparenter agieren denn je. In der heutigen als „postfaktisch“ gebrandmarkten Zeit, in der das zynische und gesellschaftlich gefährliche Geschäft mit Fake News floriert, dürfen sie sich nicht in den immer stärker werdenden Sog der Unglaubwürdigkeit hineinziehen lassen. Der Schaden an Kundenvertrauen und Umsatz wäre enorm. Stattdessen müssen sie Misstrauen standfest bekämpfen, mit wahrhaftiger, authentischer Kommunikation. Kluges Content-Marketing wird hier eine zentrale Rolle spielen.

3. Storytelling und Motion Media

Bewegte Bilder erzählen fesselnde Geschichten

Die Menschen sind „content-satt“ – es gibt inzwischen zu viel von allem. Auf viele Inhalte reagieren sie gereizt: Innerhalb weniger Sekunden entscheiden sie, ob sie ein Angebot gut finden – oder öde. Dann wird weggeklickt oder geblockt. Es gibt kein Dazwischen mehr, kein „so lala“. Zu den Gewinnern 2017 wird deshalb gehören, wer mit spannenden oder interessanten Storys zu fesseln weiß. Denn wenn es eine typische Eigenheit der Menschen gibt, dann diese: Sie lieben Geschichten. Bilder und Bewegtbilder eignen sich für das Erzählen besonders, weil sie schneller, intuitiver konsumierbar sind als Text. Aus diesem Grund wird ein weltweiter Trend zu Werbung via Bewegtbild und Motion Media einsetzen. Der Lohn erstklassiger Arbeiten wird ein starker viraler Effekt sein.

4. Virtual Reality und Artificial Intelligence

Neue Technologien werden zum Standard

Neue Technologien verlassen ihre Nische als hippe Erfindungen und werden zu praktikablen Instrumenten des Marketings.

  • Mit Virtual Reality entstehen aufregend neue Markenerlebnisse. Zu den guten Beispielen gehören die A380-Führung von Etihad oder die Ikea-App „VR Experience“, in der die Küche vor dem Kauf begutachtet werden kann. Werbung wird spielerischer werden, Erfahrungen mit Gaming sind von Vorteil.
  • Die Künstliche Intelligenz kommt mit Riesenschritten voran und wird die Kommunikation unterstützend bereichern. Dank ihr entwickeln sich Chatbots zu essentiellen Kontaktpunkten, die zum Beispiel den Kundenservice entlasten und bereichern können.

5. Kreativität und Marketingtechnologien

Die Kreation übernimmt die Führung

Die Kraft der Kreativität wird eine verstärkte Wertschätzung erfahren. Denn seien wir ehrlich: Die Begeisterung über das technisch Mach-, Mess- und Automatisierbare, das wir der Digitalisierung verdanken, hat die Kreativität ab und an ins Hintertreffen geraten lassen. Im Online-Marketing lässt sich gut beobachten, wie eine zu dominante Technikgläubigkeit Kreation und Qualität ausgrätschen kann. An erster Stelle muss für uns Marketer immer dieses Ziel stehen: Begeisterung für eine Marke zu entfachen. Letztendlich zählt die eine erstklassige, überraschende Idee, die den Unterschied macht. Technologien bedienen kann auch die Konkurrenz. Es sind großartige Werkzeuge – nicht mehr und nicht weniger.

Der Artikel wurde auf Capital.de veröffentlicht.

2016 war ein gutes Jahr für die italienische Konjunktur. Dank staatlicher Reformen auf dem Arbeitsmarkt, im Recruitment und der Rente sehen wir nach Jahren des Rückgangs und der Stagnation nun endlich ein Licht am Ende des Tunnels: Für 2016 wird erwartet, dass die Investitionen in die Werbebranche um drei Prozent steigen.

In der Medienplanung holt man zum großen Schlag aus: Die Investitionen in digitale Medien wurden im Lauf der letzten Jahre in rasantem Tempo aufgestockt. Für 2017 wird prognostiziert, dass ein Viertel aller Investitionen im Kommunikationsbereich auf digitale Medien entfallen. Übrigens: Das mobile Internet läuft dem traditionellen Desktop den Rang ab und wird mehr als doppelt so häufig verwendet. Nächstes Jahr wird es wohl ein Drittel aller digitaler Ressourcen auf sich vereinen können. Live-Videos entwickeln sich schnell weiter, aktuelle Inhalte werden täglich per Snapchat, Instagram und Telegram kommuniziert. Daneben kristallisieren sich neue Szenarien heraus, wie Native Advertising und Chatbots.

Dennoch kommt auch dem guten alten Fernseher mit rund der Hälfte der Gesamtinvestitionen noch immer eine Hauptrolle zu. Allerdings mit einem großen Unterschied: Die breite Masse wird so heute nicht mehr erreicht. Im Gegensatz zum Fernsehen zeigen die anderen traditionellen Medien wenig Entwicklung. Ihr Trend scheint unumkehrbar: Machten vor fünfzehn Jahren die Printmedien noch ein Drittel aller Investitionen aus, sind es heute nur noch 13 Prozent.

Vor diesem Hintergrund verwundert es dann auch nicht, dass die programmatische Medienplanung langsam aber sicher die Oberhand über die traditionelle Planung gewinnt: In Italien stiegen die Ausgaben in diesem Bereich von 42 Millionen Euro im Jahr 2013 auf 260 Millionen im Jahr 2016. Studien prognostizieren, dass programmatische Werbung nächstes Jahr 360 Millionen Euro wert sein wird, und im Jahr 2018 bereits 515 Millionen Euro.

Live-Videos

Den Prognosen zufolge wird der mobile Videokonsum 2017 um 33 Prozent und 2018 um 27 Prozent auf durchschnittlich 33,4 Minuten pro Tag steigen. In diesem Zusammenhang wird die Bedeutung von Live-Videos für Marken in den kommenden Jahren zunehmen. Für viele Nutzer von Facebook und Konsorten gibt es nichts Schöneres, als hautnah dabei zu sein, und Live-Videos geben ihnen genau dieses Gefühl: Im Gegensatz zu einer Aufzeichnung können sie alles unmittelbar miterleben.

Live-Events fördern die Interaktion. Ein Live-Stream mit vielen Zuschauern ist ein weitaus sozialeres Ereignis als ein On-Demand-Video, das einzeln abgerufen werden kann. Soziale Verbindungen und Interaktionen im Rahmen eines Live-Events sind für viele zugänglich und extrem wertvoll.

Aktuelle, tägliche Inhalte

Mit Snapchat, Instagram und Telegram kann vieles in Posts, Videos oder Fotos erzählt werden, die nach 24 Stunden automatisch gelöscht werden. Unternehmen müssen daher immer aktuelle und täglich neue Inhalte bereitstellen. Außerdem werden Inhalte so noch attraktiver für Follower, denn was nur schwer oder nicht erreichbar erscheint, ist bekanntlich seit jeher am interessantesten. Das Bewusstsein, dass die Inhalte, Geschichten oder Fotos morgen nicht mehr da sein werden, weckt die Neugier und macht es praktisch zu einer Grundvoraussetzung, immer auf dem Laufenden zu bleiben.

Programmatische Käufe

In Italien sind die Ausgaben für programmatische Werbung gegenüber 2013 von 42 Millionen Euro auf 260 Millionen (2016) gestiegen. Studien prognostizieren im nächsten Jahr einen Anstieg auf 360 Millionen Euro, und 2018 sollen es bereits 515 Millionen Euro sein. Wie in anderen Märkten bereits geschehen, gewinnt der Sektor in Italien an Fahrt: 2017 werden die großen Betreiber ihre Anstrengungen verdoppeln, um die Effizienz zu erhöhen und Lösungen anpassbarer zu machen. Gleichzeitig werden die Kunden zunehmend auf das Angebot aufmerksam.

Native Advertising

Das Phänomen „Ad Blocking“ breitet sich in Italien weiter aus. 13 Prozent der PC-Nutzer nutzen entsprechende Dienste, im Vergleich zu 7,6 Prozent der Smartphone-Anwender. Der Einsatz von Adblockern gibt ebenfalls Anlass dazu, die Art und Weise von Online-Werbung zu überdenken. Mit einer durchschnittlichen Klickrate von 0,06 Prozent ist es mehr als offensichtlich, dass sich etwas ändern muss. Daher wird für Native Advertising innerhalb der kommenden fünf Jahre ein Wachstum von 156 Prozent prognostiziert, was zu einem Marktanteil von 52 Prozent im Bereich der Bannerwerbung führen wird.

Chatbot

Immer mehr Marken setzen auf künstliche Intelligenz für ihre Kundenservices. Der Hauptvorteil von Hilfe per Chat besteht darin, dass schneller reagiert werden kann. Entsprechend können mehr Menschen davon abgehalten werden, negative Ansichten gegenüber dem Unternehmen öffentlich zu äußern. Das italienische Startup „Responsa“ hat einen Messenger-Chatbot für Self-Service-Kundenservice entwickelt, der hauptsächlich auf Konversation basiert. Die Technologie vereint Kontextanalyse und Algorithmen für natürliche Sprache (NLP), was die Interaktion mit dem Kunden ebenso spontan wie faszinierend macht.

YouTuber – Lizenzierung

In Italien beläuft sich der Gesamtwert des Geschäfts mit lizenzierten Produkten auf 3,18 Milliarden Euro. Weltweit sind es 214 Milliarden für das Jahr 2016. Der Trend geht neuerdings zu zweinamiger Youtuber-Lizenzierung. Beispielsweise hat sich der Name „Favij“ als Erfolgsmodell herausgestellt: Die Panini-Sammlung wurde mehr als 1,5 Millionen Mal verkauft. Während zunächst niemand ein Buch mit einem YouTuber schreiben wollte, stehen die Interessenten heute Schlange.

Das alte Jahr neigt sich dem Ende zu. Höchste Zeit also, einen Blick auf das kommende zu werfen. Die Experten der Serviceplan Gruppe haben ihre persönlichen Kommunikationstrends für das Jahr 2017 zusammengefasst.

Dr. Peter Haller, Gründer und Geschäftsführer der Serviceplan Gruppe

Auf ein gutes Dutzend Megatrends hat sich die öffentliche Diskussion eingestellt. Sie lösen Branchentrends aus und diese Konsum- und Kommunikationstrends. Wer sich besser entwickeln will als die Gesamtwirtschaft, hat keine Wahl, muss Wachstumstrends besetzen. Aber welche?
Es gibt hunderte von Trends und Gegentrends. All dies vor dem Hintergrund einer sich beschleunigenden Veränderung der Digitalisierung. Aber welche dieser Trends sind für welche Branchen relevant? Welche kann ich für meine Marke besetzen? Und welches sind in diesem verwirrenden Prozess die verlässlichen Orientierungshilfen für meine Markenführungspraxis?
Das ist das Thema unserer Marken Roadshow 2017 zusammen mit GfK und wieder unter der Schirmherrschaft des Deutschen Markenverbandes: „Dynamische Markenführung durch den Dschungel von Konsum- und Kommunikationstrends“ am 7. März in München, 9. März in Berlin, 22. März in Frankfurt, 28. März in Köln, 30. März in Hamburg, 9. Mai in Wien und 11. Mai in Zürich.

Jens Barczewski, Stellv. Geschäftsleiter Mediaplus Strategic Insights

2017 wird das Jahr der inflationären KPIs zur Erfolgsmessung von Kampagnen- und Medialeistungen werden. 2017 wird es eine Einigung der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) und Google/Youtube über die Ausweisung einer gemeinsamen Bewegtbildwährung geben. Die „Qualitätsinitiative Werbewirkungsforschung“ getrieben von der Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) in Kooperation mit Facebook und Google wird seine Arbeit vertiefen und erste Kennzahlen definieren. Die AGOF wird erstmalig eine Reichweitenausweisung auf Tagesbasis ausweisen und damit eine kontinuierliche Optimierung der Belegungseinheiten ermöglichen.
Neben den Verbandsinitiativen werden die einzelnen Vermarkter selbst nicht drumherum kommen, ihre eigenen Mess- und Erfolgskennzahlen stärker in Richtung Kunden und Agenturen zu öffnen, um größere Transparenz im Markt zu erlangen. Die Aufregung über die fehlerhafte Ausweitung der Video-Sehdauer auf Facebook hat gezeigt, dass nicht jede KPI ohne tieferes Verständnis von Kunden und Agenturen einfach hingenommen werden sollte.

Winfried Bergmann, Head of Human Resources, Serviceplan Gruppe

Political Correctness auf dem kommunikativen Rückzug

Übersteigerte Political Correctness hat sich endgültig als geistiger Wegbereiter des Populismus disqualifiziert. Der US-Präsidentschaftswahlkampf war an Verlogenheit nicht zu überbieten – von beiden Seiten. Man wusste nicht, was schlimmer war – die offensichtlichen Lügen von der einen oder das peinlich berührte, ängstliche Umgehen und Verschweigen der mehrheitsrelevanten Themen von der anderen Seite. Wer aus lauter vermeintlichem Anstand und falsch verstandenen Rücksichten nicht ausspricht, was große Teile der Öffentlichkeit umtreibt, muss sich nicht wundern, wenn ihm die Deutungshoheit im gesellschaftlichen Diskurs verloren geht. Das gilt in verstärktem Maße auch für Europa.
Deshalb, liebe anständige Konservative, löst Euch von der Political Correctness und besetzt im kommenden Jahr offensiv Eure Themen – gerne auch mit Obergrenzen. Und über all das lasst uns dann miteinander streiten – aus der Mitte der Gesellschaft heraus, die dann den Mut zur klaren Aussprache wiedergefunden hat. Während wir diese Diskussionen führen, können wir auch guten Gewissens ein paar Negerküsse essen. Denn wenn wir es so machen, wird den Populisten nichts anderes übrig bleiben, als vom rechten Bildrand aus zuzukucken. Und es wird wieder einsam um sie werden auf ihrem Bänkchen.

Stephan Enders, Head of Mobile Marketing der Plan.Net Gruppe

Chatbots

Mit den ersten Bot Shops in den Messengern ist das Thema 2016 aufgeflammt. Und wie so oft bei neuen Trends startet dann auch rasch eine euphorische, teilweise aktionistische Testphase: Manchmal, ohne den genauen Wert und die Bedeutung der neuen Entwicklung abschätzen zu können. Chatbots sind aber nur die attraktive Spitze einer schon älteren Idee, die viel weitreichender wirken kann, als auf den ersten Blick sichtbar wird. Es geht um den perfekten Kundendialog.

Chatbots sind (oder vielmehr: werden) in Kombination mit künstlicher Intelligenz ein wertvolles Instrument sein. Wenn nicht das wertvollste. Denn der 2016er Trend wird 2017 zum Megatrend, indem er ganz unterschiedliche Mechaniken, Teiltrends und Instrumente perfekt bündelt:

01 CRM: Chatbot Kundensupport, der jederzeit und rasend schnell reagiert.

02 BIG DATA: Nur lernende Chatbots mit allen verfügbaren Kundendaten in der Hinterhand werden ihre Kraft voll entfalten können. Die Chatbot Evolution wird Big Data Prozesse erzwingen.

03 MOBILE FIRST: Chatbots sind perfekt für die mobile Nutzung. Und damit ideal für die Zukunft aufgestellt. Ob auf Facebook, im (Mobile) Web oder wo auch immer sich Nutzer zukünftig aufhalten möchten.

04 SERVICELAYER: In einer „Information Overload“-Welt wird entscheidend sein, die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort bereit zu stellen. Und nur diese. Auch das wird ein Chatbot (in Zukunft) perfekt liefern können.

Oliver Grüttemeier, Geschäftsführer Serviceplan Köln

Digitalisierung gelingt nur mit Empathie

Wir erleben in der Arbeitswelt seit Jahren dramatische Veränderungen durch technologische Entwicklungen. Doch obwohl Unternehmen versuchen, ihre Prozesse entlang der Wertschöpfungskette immer stärker zu verschmelzen, kommt die Digitalisierung bisher oft nur schleppend voran. Das wird sich 2017 ändern. Denn das Top-Management erkennt aktuell, dass Führung durch „Command and Control“ nicht mehr funktioniert. Führungskräfte erfolgreicher Unternehmen werden deshalb in Zukunft weniger an ihren erreichten Zielen gemessen, sondern vielmehr an ihrer sozialen Kompetenz – der Grundlage für jede Form der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit.
Auch hier ist Google der Old-Economy schon 10 Jahre voraus. Denn bereits seit 2007 bietet das Unternehmen seinen Mitarbeitern mit dem Programm „Search Inside Yourself“ eine Chance für persönliches Wachstum und die Entwicklung von Business-Empathie. Denn der Erfolg von Google fußt nicht nur auf dem Anhäufen von immer mehr Daten, sondern auf der Erkenntnis, dass die beste Suchmaschine unser Geist ist.

Gerd Güldenast & Marcus Person, Managing Directors bei hmmh

Sprachsteuerung
Google Home und Amazon Echo eröffnen neue Möglichkeiten, zeigen uns aber auch noch deutlich ihre Grenzen. 2017 gilt es die Vorzüge der Produkte und Dienstleistungen ohne grafische Oberflächen überzeugend darzustellen. Kreative und Entwickler sind gefragt, diese Systeme zu smarten und nützlichen Begleitern für den Alltag oder zum intelligenten Touchpoint im Connected Commerce weiterzuentwickeln.

Big Data gestützte menschliche Kundenberatung
Das Thema Kundenberatung in der Online-Welt steht 2017 vor einem Wandel. Chatbots werden bereits heute stärker genutzt – weisen aber Defizite auf, wo subjektives Empfinden und Emotionalität eine wesentliche Rolle spielen. Mit neuen Customer-Intelligence-Systemen und smarten Chatbots, gestützt auf Big Data Analysen, werden Kunden 2017 eine völlig neue Beratungsqualität von Mensch zu Mensch zuteil.

Stefanie Krebs, Geschäftsführerin von Plan.Net Technology

Ein kreativer Kopf braucht 2017 analytisch und technisch breite Schultern. Während der Megatrend Digitalisierung rapide voran schreitet, hat der Großteil der Unternehmen reagiert – und ihre bestehenden Strukturen digitalisiert. Nun stehen sie, gemeinsam mit ihren Partnern, vor der Herausforderung, wie aus den entstandenen digitalen Inseln ein integriertes Geschäftsmodell werden kann, das auch in einer von Big Data, Machine Learning, Internet of Things und fortwährender, digitaler Innovation geprägten Zukunft bestehen kann.

Wer hier kreative Antworten liefern und kommunikativ Erfolge feiern will, muss fähig sein, sich organisatorisch und technisch komplexe Systeme in kürzester Zeit zu erschließen. Deshalb wird 2017 das Jahr der kreativen Teamplayer, denen es gelingt, aus dem Input ihres breit aufgestellten Teams mit Spezialisten für Technik und Tools, Prozesse und People elegante Lösungen für komplexe Fragen zu liefern. Es geht nicht (mehr) um die bunte Fassade, es geht ums Ganze.

Andrea Malgara, Geschäftsführer der Mediaplus Gruppe

TV wirkt

Klassisches TV ist laut ARF (Advertising Research Foundation) immer noch der wichtigste Werbeträger, um schnell Reichweite aufzubauen und den Gesamt-Kampagnen-ROI (Return on Investment) zu steigern. Besonders E-Commerce-Unternehmen setzen immer mehr auf TV-Werbung. 2015 bewarb fast jeder dritte TV-Spot ein E-Commerce Produkt. TV-Werbung steigert nachhaltig den Online-Shop-Traffic. Jedoch benötigen digitale Business-Modelle breite Reichweiten, um relevante Umsätze zu generieren.
Werden die geeigneten Spartensender und Screenplanning zur Optimierung einer Kampagne belegt, können die Werbeerinnerung, Markenbekanntheit und die Conversion Rate signifikant gesteigert werden. Durch markenindividuelle und innovative Mediaplanung können wir mit einem zielgruppen-individuellen Mediamix ein Umsatzplus von 20 Prozent erreichen.

Kevin Proesel, Geschäftsführer Saint Elmo’s Berlin

IOT (Internet of Things) und clevere Ideen verändern das Retail-Marketing

Wir stellen fest, dass sich die klassischen Sales-Funnel der Unternehmen verändern: Durch den Technologie-Shift und den vermehrten Nutzen von Smartphones werden Kunden selbst zum Point of Sales und Point of Information, denn sie sind überall vernetzt und können jederzeit sowohl Information abrufen, als auch Informationen anbieten. In der Folge überzeugen so in Zukunft vor allem personalisierte und vernetzte Kampagnen, die nah am Konsumenten stattfinden. So sehen wir 2017 erste Kampagnen, die im Internet of Things vernetzte Smart Buttons als Marketing-Incentive nutzen.
„Smart Button“? Hört sich smart an und ist auch smart: In erweiterten Retail-Kampagnen kann ein gebrandeter Button als Dreh- und Angelpunkt der Kommunikation stehen. Aber nicht wie die Dash-Buttons von Amazon als reiner Erfüller eines vernetzten Bestellprozesses, sondern als Startpunkt für ein vernetztes Kampagnen-Storytelling, das sich entfaltet, nachdem der Kunde seinen Button mit dem Smartphone verbunden hat – und sobald er den Smart Button gedrückt hat.
Vordefinierte Prozesse erzählen nun eine Geschichte, die den Kunden über mehrere Kapitel an immer weitere Touchpoints des Unternehmens führt: stets durch ein ein einfaches Drücken des Buttons. So wird eine Führung von Zuhause bis in den Retail-Bereich stattfinden, die Kunden immer weiter qualifiziert und Kampagnen komplett vernetzt erleben lässt. Quasi Experiential Marketing par exellence, da es über das reine Anzeigen von Inhalten hinausgeht, und Nutzer direkt miteinbezieht: „2017? Press the Button and see what happens.“

Dominik Schütte, Geschäftsleiter Serviceplan Content Marketing

Content-Klasse statt Masse

2017 werden endgültig alle begreifen, dass Content im Marketing-Mix andere Aufgaben hat als bloße Verkaufe. In der Folge werden sich Unternehmen mehr als bisher trauen, losgelöst von der Marke erzählerische Nischen zu finden. Dabei werden sie erstaunt feststellen, dass sich Menschen tatsächlich für die eigenen Themen interessieren – und dass man sie dadurch als mögliche Kunden überhaupt erst erreicht. Eine Win-Win-Situation. Für die Unternehmen und die Menschen da draußen. Storytelling für die Massen – gerne. Aber von hoher Qualität und Relevanz, und bitte nicht nerven.

Klaus Schwab, Geschäftsführer der Plan.Net Gruppe

Ich glaube, dass uns 2017 vor allem zwei Dinge beschäftigen werden:

Erstens glaube ich, dass 2017 das Jahr wird, in dem sich die Steuerung von digitalen Services mittels Sprache, also Sprachsteuerung, in der Breite durchsetzen wird. Und dass dies der Beginn des Verschwindens von technischen Interfaces wie Bildschirmen und Tastaturen ist.

Und zweitens werden wir 2017 erleben, dass Unternehmen in den unterschiedlichsten Branchen Plattformstrategien entwickeln. Das heißt sie werden sich für Startups öffnen und mit diesen kooperieren, um ihren Kunden die Nutzung der entsprechenden Services im eigenen Ökosystem zu ermöglichen.

Julian Simons, Geschäftsführer von mediascale und PREX Programmatic Exchange

Mit der weiter fortschreitenden Digitalisierung der Mediennutzung, ja am Ende der meisten Lebensbereiche, beginnen die altbekannten Gattungsgrenzen zwischen Offline- und Online-Werbekanälen zu verschwimmen. Immer mehr Werbeflächen werden digitalisiert, sind damit über IP erreichbar und gehen „online“. Dies bedeutet in der Folge auch, dass Programmatic Advertising vermehrt zur Auslieferung und Steuerung von Kanälen wie Radio, Out-of-Home und am Ende auch TV kommen wird. Dies wird für den Werbemarkt große Veränderungen nach sich ziehen.
Zu den gewaltigen Chancen einer übergreifenden Steuerung und individuelleren Ansprache kommen jedoch auch große Herausforderungen. Geschäftsmodelle wandeln sich und werden komplexer. Strategien und Steuerungslogiken, die es ermöglichen, die neue Komplexität sinnvoll zu nutzen, müssen gefunden werden, um zu verhindern, dass Kampagnen nicht in einer ziellosen Atomisierung an Wirkung verlieren. Dieser Wandel muss dabei stets die Interessen der Nutzer und deren Datenschutzbelange im Auge behalten, sonst wird er nicht erfolgreich sein.

Klaus Weise, Geschäftsführer von Serviceplan Public Relations

Digitale Wutbürger verändern die Welt

Großbritannien tritt aus der EU aus, Donald Trump zieht in das Weiße Haus ein. Wer hat ernsthaft daran vor einem Jahr geglaubt? Die beiden Ereignisse sind keine Zufälle oder singuläre politische Unfälle. Sie sind das Fanal eines Weltbebens, das gerade erst begonnen hat. Treibende Kräfte dieses Bebens sind Ängste vor der Veränderung unserer Welt durch Globalisierung und Digitalisierung. Vergleichbare Ängste gab es schon immer. Doch heute artikulieren und multiplizieren sich diese Ängste millionenfach in den Sozialen Medien. Befeuert von zwielichtigen Hasspredigern und angeheizt von Social Bots, Meinungsrobotern, deren einziger Zweck es ist, die Stimmung aufzuheizen. Der Umgang mit den digitalen Wutbürgern wird 2017 zu einer der zentralen Herausforderungen für Parteien, Verbände, Unternehmen und Marken.

 

Nun ist sie wieder gekommen, die Zeit der besinnlichen Jahresrückblicke und der Trendprognose für das kommende Jahr. Und wie immer besteht die Herausforderung für jeden Einzelnen darin, den Überblick zu wahren bzw. die richtige Einordnung für sich selbst zu finden.

Es gibt dabei Themen, die kann man nicht ignorieren: Die zunehmende Mobilisierung der Internetnutzung oder der wachsende programmatische Anteil an der Mediaabwicklung in allen Medien sind beispielsweise Phänomene, die mit dem technischen Fortschritt und den geänderten Nutzerverhalten einhergehen. Gleichzeitig finden sich zu all dem aber auch gegenläufige Entwicklungen wie etwa ein plötzlicher Verkaufsanstieg von Vinyl-Schallplatten oder Sofortbildkameras. Dies geschieht natürlich in relativ kleinen Umlaufbahnen und ich würde mich hier nicht hinstellen wollen und behaupten, dass dies die Zukunft ist. Genauso wenig glaube ich auch an eine Renaissance von Print in der Form, dass Gedrucktes wieder Dimensionen wie vor 20 Jahren erreichen wird.

Für die Mediaplanung ergibt sich aus diesen Entwicklungen deshalb keine Notwendigkeit, eine 180-Gradwendung zu vollziehen. Andererseits ist eine völlige Abkehr von einem bestimmten Medium ebenso wenig anzuraten – zumindest dann nicht, wenn ein Medium zu einer Zielgruppe passt und mehr bewirken kann, als eine Snapchat-Kampagne oder Sponsored Post auf Facebook. Es ist und bleibt eine Gratwanderung zwischen dem Festhalten an Bewährtem und dem notwendigen Innovationsgeist.

Eine pauschale, absolute Wahrheit gibt es nicht und wird es auch 2017 nicht geben. Wir werden durch die zunehmende Fragmentierung der Mediennutzung und -kanälen immer komplexere und individuellere Kommunikationsmodelle bauen müssen. Das ist mühsam und kostet viel Energie, das stimmt. Anderseits standen uns noch nie so viele und bessere Möglichkeiten zur Verfügung, um Kampagnen integriert aussteuern und bewerten zu können.

Sicher ist: Integration ist auch weiterhin das Gebot der Stunde, denn ein Gegeneinander gibt es aus (Marken-)Kommunikationssicht nicht. Es ist ein durch die Medienanbieter – und die damit verbunden Verteilungskämpfe – geschaffenes künstliches Konstrukt. Richtig ist aber, dass es um Opportunitäten bei der Verteilung von Budget geht. Dem nun mit polemischer Schlechtmacherei im Trump-Style zu begegnen, ist nicht das richtige Mittel. Zielführend ist die Konzeption intelligenter Lösungen frei von Befindlichkeiten. Denn die Zielgruppe, auch die junge, hat eben jene Vorbehalte nicht.

Es gibt Anbieter, die für Youtube Stars eigenen Mobile-Magazine heraus bringen, welche je nach Zielsetzung auch als limitierte Printversion in den Markt gegeben werden. Warum? Weil es physische Bindung schafft und sich abhebt im Kampf um Aufmerksamkeit. In dem Kontext funktioniert dann auch eine Mobile- neben einer Printanzeige in einem bis dato für unerreichbar erklärten Alterssegment. Ich kann den Bogen auch weiter spannen und auf Filialkonzepte von E-Commerclern wie Amazon oder Zalando verweisen, die in sich vielleicht maximal selbsttragend sein werden, aber eine Nähe zu potenziellen Kunden schaffen, die man digital gar nicht erzeugen kann. Und ja, auch ich blättere gerne mal in einem ziegelsteindicken Outdoor-Katalog, obwohl ich noch nie eine Bestellkarte ausgefüllt habe.

So gibt es für wirklich alles und jedes Medium eine Berechtigung, wenn auch in unterschiedlichen Skalierungen. Daran wird sich auch im kommenden Jahr nichts ändern. Mit einem konsequenten Weiterentwickeln der Strategien einhergehend mit den sich bietenden technologischen Möglichkeiten sichere ich dabei den nachhaltigen Erfolg. Und dieses Weiterentwickeln kann sowohl eine Influencer-Kampagne oder ein Chatbot, aber eben auch eine Besinnung auf altbewährte Medien sein – wobei weder das eine noch das andere die alleinige Lösung darstellt und nicht der Selbstzweck, sondern der Mehrwert im Mittelpunkt stehen muss.

Der Beitrag wurde auf lead-digital.de veröffentlicht.

„Bild“ und „Bild am Sonntag“ muss man nicht lesen. Und schon gar nicht mögen. Aber die Recherchen der Journalisten vom Boulevard sind doch immer wieder beeindruckend. „Geht nicht, gibt’s nicht“ scheint deren unausgesprochenes Motto beim Sammeln von Informationen zu sein. Dies zeigt der jüngste Scoop der „Bild am Sonntag“: Sie bringt anhand interner Mails aus dem VW-Konzern dessen ehemaligen Chef Martin Winterkorn in Bedrängnis.

Kommunikationsstrategie gerät ins Abseits

Laut „Bild am Sonntag“ wurde der Konzernlenker bereits im Mai 2014 schriftlich davor gewarnt, dass US-Behörden mit Tests eine bestimmte Schummel-Software enttarnen könnten. In internen VW-Dokumenten, die der Redaktion anscheinend vorliegen, ist die Rede von Messungen durch US-Behörden, bei denen die in den USA zulässigen Stickstoffwerte (NOx) um das bis zu 35-fache überschritten wurden. In einer Mail an Winterkorn steht laut „Bild am Sonntag“: „Eine fundierte Erklärung für die dramatisch erhöhten NOx-Emissionen kann den Behörden nicht gegeben werden. Es ist zu vermuten, dass die Behörden die VW-Systeme daraufhin untersuchen werden, ob Volkswagen eine Testerkennung in die Motorsteuergeräte-Software implementiert hat“. Winterkorn hatte stets zu Protokoll gegeben, nichts von Softwaremanipulationen gewusst und erst Mitte September 2015, also erst unmittelbar bevor die US-Behörden aktiv wurden, davon erfahren zu haben.

Mit diesen Enthüllungen nimmt nicht nur der Druck auf Martin Winterkorn zu. Die ganze Kommunikationsstrategie von VW gerät ins Abseits. „Ich habe mich von Anfang an dafür eingesetzt, dass wir die Geschehnisse schonungslos und vollständig aufklären. Dabei machen wir vor nichts und niemandem Halt. Das ist ein schmerzhafter Prozess, aber er ist für uns ohne Alternative. Für uns zählt einzig und allein die Wahrheit. Das ist die Voraussetzung für die grundlegende Neuausrichtung, die Volkswagen braucht“, postuliert Matthias Müller, der neue Vorsitzende des VW-Vorstands, auf der Website des Unternehmens. Und lässt sich weiter mit dem Satz zitieren: „Der Vorstand der Volkswagen AG betont, dass der eingeschlagene Weg der Aufklärung und Transparenz konsequent weitergegangen wird.“

Wie bitte? Schonungslose und vollständige Aufklärung? Einzig und allein die Wahrheit? Transparenz? – Waren da nicht eigentlich irgendwelche Experten für Krisen-PR, die der Konzern ins Haus geholt hat? Ich finde es irritierend, dass angesichts solcher vollmundiger Ankündigungen die Rechercheure einer Boulevardzeitung die Pacemaker auf dem Weg der Aufklärung sind. Und die Herren Kommunikationsexperten? Sie schweigen.

Vorwurf der „Salami-Taktik“ zurückgewiesen

Aber da ist ein neuer Leiter der VW-Konzernkommunikation, Hans-Gerd Bode sein Name: Der hatte sich erst Anfang Februar im Interview mit dem Branchenmagazin „PR Report“ gegen Kritik an der Krisen-PR des Konzerns gewehrt. Den Eindruck, dass Volkswagen immer nur das bestätigt habe, was ohnehin schon nachgewiesen wurde, wies er mit Vehemenz und einem starken Satz zurück: „Uns Salami-Taktik vorzuwerfen, halte ich für nicht zutreffend.“ Diese Haltung hat der PR-Stratege ziemlich exklusiv. Zumal sich Bode ausgerechnet über „unzureichende Recherchen der Medien“ beschwerte.

Es darf davon ausgegangen werden, dass er die Forderung nach intensiveren Recherchen so schnell nicht wiederholen wird, der Herr Bode. Und dass er auf die Rechercheergebnisse der Kollegen von „Bild am Sonntag“ liebend gerne verzichten würde. Im klassischen Drama wendet sich das Schicksal im vorletzten Akt gegen den Helden. Das Glück verlässt ihn, er steckt in der Falle. Und damit ist dann der letzte Akt der Tragödie eingeleitet: die finale Lösung des Konfliktes, die Katastrophe, der Untergang des Helden. In der Haut von Martin Winterkorn möchte ich nicht stecken. Und in der Haut des Herrn Bode? Ein Narr, der Böses dabei denkt …

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China auf der Suche nach Glück

Auch wenn mittlerweile bekannt ist, dass Glückskekse eine amerikanische Erfindung des 20. Jahrhunderts sind, fällt den Deutschen gemeinhin zum Thema Glück und China der Glückskeks ein. In der Vorstellung geben weise bärtige Konfuzianer kluge Ratschläge auf kleinen Papierchen, umhüllt von knusprigem Teig. Aufgebrochen lesen wir: „Trübsinn kann keinen erreichen, der stetig Möglichkeiten sucht, zu lächeln.“ Obwohl der Glückskeks nicht aus China kommt, gehört die Suche nach Glück, glücklich sein, Freude, der Traum vom Glück zu den wichtigsten Themen im Reich der Mitte und das schon seit viertausend Jahren.

Im Buch der Riten, einem konfuzianischen Klassiker, führt das Gefühl der Freude die Klassifizierung der sieben menschlichen Gefühle an. Für Laozi, einem Zeitgenosse von Konfuzius, lag das wahre Glück in der Untätigkeit. Wenn der Mensch aufhöre, so Laozi, dem Glück oder anderen Zielen hinterherzulaufen, dann sei er wirklich glücklich. Lin Yutang, ein Bestsellerautor des letzten Jahrhunderts, meinte, dass die chinesische Vorstellung von Glück „Warm, satt, dunkel und süß“ sei. Er hält Essen neben Sex für eine der beiden wirklichen Freuden des chinesischen Lebens. Glück ist warm und kommt aus dem Bauch.

Kleines Glück, Double Happiness Zigaretten, die Farbe Rot, als Symbol für Freude und Leben; Glück beginnt in China nicht im Paradies, sondern im Hier und Jetzt. Wenn dem so ist, drängt sich natürlich die Frage auf, warum die Chinesen nach dem World Happiness Report so freudlos sind? Unter den 85 gelisteten Ländern, angeführt von Dänemark, taucht China gar nicht erst auf. Was sagt uns der Glückskeks: „Echte Armut ist nicht der Mangel an Geld oder Besitz, sondern fehlende Wärme des Herzens.“ Chinas rasanter Aufstieg hat seinen Preis: Die Menschen vermissen die alltäglichen Freuden, das kleine Glück des Miteinanders. Sinnsuche und Wertesuche sind im Trend, was die gut gefüllten Hallen buddhistischer Tempel zeigen. Buddha ist wieder da.

 

Museum

Foto: Barbara Geldermann Oktober 2015, in der Nähe der Großen Mauer

 

Das hat auch die chinesische Regierung erkannt. Die momentane Kampagne für den chinesischen Traum wird gerne mit dem Weg zum Glück im Hier und Jetzt kombiniert. Was das heißt zeigt das Promotionvideo der Chinese Communist Party (CPC) „Chinese Dream“, ein Hit der chinesischen Netzgemeinde. In dem Video werden Bürger wie Du und Ich nach ihren Träumen interviewt. Geträumt wird in China von einer „hübschen Frau“ bis zum „Weltfrieden“.

 

 

Auch westliche Marken haben den Traum und die Sehnsucht der Chinesen nach Glück für ihre Kampagnen sehr erfolgreich aufgegriffen. Nicht Geld und Reichtum, sondern das Glück der Familienzusammenführung wurde von PepsiCo in der „Bring Happiness Home“ (BHH) Campaign zum Frühlingsfest 2015 das zentrale Thema. Gemeinsam mit der populären Video-making und –sharing-App Meipai luden sie die Bürger ein, kleine persönliche Videos über ihre glückliche Familienzusammenkunft einzureichen.

McDonald’s schrieb für sein zwanzig jähriges Jubiläum in China kurzerhand seine original Philosophie “I’m lovin’ it” um. Unter dem Slogan “Make Room for Happiness” entwickelte McDonald’s seine dem chinesischen Markt angepasste Positionierung: Ein Aufruf an die Konsumenten, in einer Restauration der Fastfood-Kette vom Stress des Alltags mit einem Burger auszuruhen. Die Neupositionierung zog einen Umbau der Restaurants und Neuausrichtung der Kommunikation nach sich.

Das kleine Glück in der Familie, Freiräume vom alltäglichen Stress, das glückliche Heim, die Seele baumeln lassen – die Suche nach und das Finden von Glück sind zentrale Marketingthemen geworden. Und um mit einem Glückskeksspruch zu schließen: „Einige Menschen träumen vom großen Glück, andere von Keksen.“

Über unsere Gastautorin: Barbara Geldermann ist zertifizierte Außenwirtschaftsberaterin des BWA mit Schwerpunkt interkulturelles Management. Als ausgewiesene Kennerin der „Seele“ Ostasiens stellt sie Marketingfragen in einen neuen Kontext. Bei der Serviceplan International Roadshow „China Insights” am 17.11.2015 in München moderierte sie die Panel Discussion zum Thema „Innovation als USP in China“.

Das alte Jahr neigt sich dem Ende zu. Höchste Zeit also, einen Blick auf das kommende zu werfen. Die Experten der Serviceplan Gruppe haben ihre persönlichen Kommunikationstrends für das Jahr 2016 zusammengefasst.

Florian Haller, Hauptgeschäftsführer der Serviceplan Gruppe

Um die Verbraucher zu begeistern, muss das Marketing der Zukunft Erlebniswelten schaffen, in denen fesselnde „Customer Experiences“ für dauerhafte Kundenbindungen sorgen sollen. Für das Marketing bedeutet dieser Wandel unter anderem:

1. Weg von der „14-bis-49-Jahren-Denke“ – hin zu Mikrosegmentierung und Personalisierung
Weil sich die Konsumenten in der neuen Konsum- und Medienwelt sehr individuell bewegen, kann die Mediaplanung mit grobkantigen Kategorien wie „14 bis 49 Jahre“ nicht mehr viel erreichen. Es wird in Zukunft weniger um Zielgruppen, soziogeografische Daten und Reichweiten gehen, sondern um die Lebensphasen, Bedürfnisse, Erlebnisse eines jeden einzelnen Konsumenten. Um diese Personalisierung mediaplanerisch begleiten zu können, müssen wir uns mehr denn je auf Methoden wie die Mikrosegmentierung konzentrieren.

2. Weg von der Kanalperspektive – hin zur „Customer Journey“-Begleitung
Die Verbraucher nutzen heute für ihre Kaufentscheidung mehr Kanäle, Kontaktpunkte und Marketingmittel denn je. Ihre „Customer Journey“ ist heute um ein Vielfaches komplexer als noch vor zehn Jahren: Online oder Offline? Ganz egal, gerne eine Mischung davon. Studien zufolge haben sich bisher nur wenige Unternehmen mit den Customer Journeys ihrer Kunden beschäftigt.

3. Weg von der Werbebotschaft hin zu relevanten Content-Angeboten
Übertriebene Werbeversprechen passen nicht mehr zum Kaufverhalten der Gegenwart, denn Konsumenten glauben nichts mehr ungeprüft. Bis zu 90 Prozent ihrer Produktrecherche haben sie bereits hinter sich, bevor sie einen Laden aufsuchen (Forrester). Deshalb müssen Unternehmen Ideen entwickeln, wie sie potentielle Kunden frühzeitig mit Informationen unterstützen und überzeugen können.

4. Weg von technologieverliebter Datenanalyse – hin zum Dateneinsatz für Kundenzufriedenheit
In Zukunft wird es nicht darum gehen, Daten für Werbezwecke zu horten. Vielmehr sollten sich Unternehmen überlegen, wie sie diese Daten nutzen können, um ihr Geschäftsmodell zu formen, ihre Produkte zu verbessern – und letztendlich ihre Kunden glücklich zu machen. Ihr intelligenter Einsatz kann wettbewerbsentscheidend sein. Diese frisch gestärkte Position verdient das Marketing aber nur, wenn es sich von überholten Mechanismen und Taktiken verabschiedet – und stattdessen den Mut aufbringt, einen Neuanfang zu wagen. Die Verbraucher werden dafür dankbar sein.…

Ronald Focken, Geschäftsführer der Serviceplan Gruppe

1. Agenturen müssen in das Consulting zur digitalen Transformation einsteigen, um sich gegen die neuen Wettbewerber von Beratungsseite durchzusetzen.
Schon heute ist Deloitte Digital weltweit mit einem Umsatz von 1,5 Milliarden US-Dollar auf Platz 11 im Agenturranking. Accenture, Deloitte & Co. gehen auf den Agenturmarkt zu und kämpfen auch um unsere Budgets. Und sie haben besseren Zugang zu Kunden, weil sie direkten Kontakt zu den CEOs haben. Über dieses Wachstumsfeld können aber auch Agenturen strategische Projekte akquirieren und haben die Chance die Rentabilität zu verbessern. Agenturen, die hier nicht investieren, vergeben eine Chance auf Reputation und auf langfristige Kundenbeziehungen.

2. Facebook, Google und Co. werden Agenturwettbewerber und somit auch Kreativleistungen verkaufen.
Es wird immer das Gegenteil behauptet. Aber das Thema kommt – wenn nicht 2016, dann 2017 oder 2018. Die Vertriebswege direkt zu den Kunden werden immer stärker forciert. Google ist nicht nur wegen der Kreativen mit einem großen Stand beim Cannes Festival, sondern auch wegen der großen Markenartikel-Hersteller. Das Verkaufen von Kreation ist in den USA schon üblich. Dort kämpfen große Agenturen gegen die Kreativabteilungen der Social-Media-Unternehmen. Facebook und Google bieten Kreativkonzepte an und werden damit auch beauftragt, weil Social Media einer der wichtigsten Kanäle zum Kunden geworden ist.

3. Die Idee wird nicht mehr bezahlt, die Komplexität wird steigen und die Rentabilität damit weiter sinken.
Der große Trend könnte deshalb sein, die Kraft der Agenturverbände zu bündeln, um gegenzusteuern. Für eine stärkere Stimme bei Politik und Wirtschaft. Bisher zeigt nur der Verband der PR-Agenturen wirklich Haltung und sorgt mit dem Pitchblog und einer Zertifizierung von Pitch-Beratern für Haltung und neue Spielregeln.

Wolfgang Bscheid, Geschäftsführer von Mediascale

Datengestützte Kampagnensteuerung wird ein großes Thema im kommenden Jahr – sowohl im Bereich Media als auch im Bereich Kreation. Dieser Trend wird durch mehrere Faktoren vorangetrieben: Zum einen werden immer mehr Reichweiten programmatisch verfügbar, was den datenbasierten Einkauf nochmals deutlich vereinfacht. So bieten wir mit unserer neuen Plattformlösung PREX (Programmatic Exchange) unseren Kunden die Möglichkeit, alle verfügbaren Reichweitenquellen automatisiert zu individuellen Kampagnen zu bündeln. Im Zusammenspiel mit CORE und NERO, unseren Analyse- und Targeting-Produkten, können dabei sowohl interne als auch externe Daten zur genauen Reichweitenselektion und Motivzuweisung genutzt werden. Zum anderen wissen sehr viele Kunden mittlerweile durch eigene Erfahrungen, welchen Mehrwert Daten einbringen, so dass sie immer öfter von sich aus auf dem Einsatz von Profildaten zur Mediaselektion drängen.
Aber auch die Kreation wird sich nächstes Jahr dieser Herausforderung deutlich intensiver stellen müssen als sie das noch in diesem Jahr getan hat. Und ich bin mir sehr sicher, dass eine aktive Teilnahme unserer kreativen Eliten dem Thema nochmals einen enormen Schub verleihen wird. Dann sehen wir hoffentlich schon nächstes Jahr, was wirklich möglich ist, wenn sich moderne Steuerungstechnik und tolle Kreation zusammentun.

Stephan Enders, Head of Mobile der Plan.Net Gruppe

1. Das unsichtbare Web
Das Internet wächst unaufhaltsam und der App-Konsumdurst ist ungebrochen. Allerdings ist es an der Zeit, eine Kehrtwende einzuleiten: Am Beispiel Apple zeigt sich diese darin, dass immer mehr Schnittstellen zwischen einer nativen App und Betriebssystemoberflächen bereitgestellt und so neue Widgets ermöglicht werden. Auf Basis von persönlichen Präferenzen, Orten oder Situationen kann man in der Tagesansicht, im Bereich der Mitteilungen, der Push-Notifications oder auch über die Suchseite relevante Informations- und Funktionsausschnitte abrufen. Das alles, ohne die App selbst zu öffnen. Die native App wird zunehmend lediglich zur „Basisstation“ auf dem Smartphone. Die Möglichkeiten nativer Apps weisen damit den Weg, wie wir zukünftig insgesamt mit digitalen Inhalten umgehen werden. Relevante Inhalte finden uns. Webseiten und Apps, wie wir sie kennen, treten damit in den Hintergrund.

Ganz eng mit dem unsichtbaren Web ist die zunehmende
2.  Digitalisierung unserer Umwelt
und damit die einhergehende weitere Vernetzung mit unseren mobilen Endgeräten verbunden. Das Web of Things wird zum Leben erweckt und damit der Informationsaustausch von Machine-to-Machine relevanter. Allen voran eignen sich dabei Beacons für gleich mehrere Aufgaben: Schon lediglich durch ihre Existenz können wir über offene Bluetooth-Schnittstellen Passagenfrequenzen tracken und somit diesen passiven Technologieeinsatz für die Optimierung von Verkaufsflächen einsetzen. Es lässt sich für Indoor-Routing-Systeme nutzen und für den behutsamen Einsatz von exklusiven Angeboten über Push-Informationen. Und letztlich eignen sich Beacons auch für die Authentifizierung bei mobilen Zahlungssystemen und Zugangskontrollen. Nachdem Apple das Thema zunächst mit „iBeacons“ exklusiv besetzt hat, zog Google mit dem offenen System Eddystone nach und auch Facebook ist mit eigener Hardware durchgestartet. Diese wird kostenlos an Ladeninhaber verteilt, um den Facebook-Likes auch eine räumliche Bedeutung zu geben. Denn so gelingt es, in Geschäften via Facebook-App Push-Notifications, die sich auf eigene Produkt-Likes beziehen, auf das Smartphone auszuliefern und somit treffsicheres Empfehlungsmarketing auf Basis der persönlichen Datenbasis durchzuführen. Natürlich sind Beacons dabei keine Allzweckwunderwaffe. Sinnvoll eingesetzt, eignen sie sich aber hervorragend für die Digitalisierung unserer Umwelt. 2016 wird auch ein Beacon-Jahr!

3. Chat is back. Und Augmented Reality ist auch nicht tot zu kriegen!
In letzter Zeit sind eine Reihe von neuen Chat-basierten Services entstanden. Die Frage, die sich die Macher dabei stellten: Was haben alle Nutzer bereits in intensivem Gebrauch? Richtig, alle Formen von Chat-, Messenger- und SMS-Anwendungen. Frei von jeglichem Schnick-Schnack, konzentriert auf das Wesentliche. Ein Beispiel dafür ist der Concierge-Service „Mission Control“ von Lufthansa. Die Angebotspalette solcher Dienste wird 2016 mit Sicherheit wachsen. Und auch Augmented Reality (AR) erfährt ganz aktuell eine Renaissance. In einigen Bereichen, beispielsweise als Anleitungen via AR-Brillen für KFZ-Reparaturen, hat die Technologie zwischenzeitlich schon ihren Platz gefunden. Nun hat auch die renommierte „New York Times“ die Stärken der erweiterten Realität für den Journalismus (wieder-)entdeckt und ergänzt einzelne Reportagen mit 360-Grad-Einblicken der Reportage-Locations. So kann der Leser in die Handlungsumgebung sprichwörtlich eintauchen. Und das nicht mit kostspieligen neuen Hardware-Anschaffungen, sondern seinem Smartphone und einem Google-Cardboard aus feinstem Pappmaschee für fünf Euro. Dass man so nicht nur in journalistische Welten, sondern auch in Markenwelten eintauchen kann, ergibt sich von selbst.

Thorben Fasching, Director Marketing & User Experience bei hmmh

Aus Sicht des Multitouchpoint-Handels stehen drei Themen 2016 im Fokus:

Erstens: Off- und Online wachsen weiter zusammen. Das Einkaufverhalten vieler Kunden zwingt Händler nicht nur, weiter ihr digitales Business auszubauen, sondern alle Touchpoints mit dem Kunden gewinnbringend miteinander zu vernetzen, so dass ein unterbrechungsfreies Einkaufserlebnis gewährleistet ist.

Zweitens: Zunehmend wird auch hier erkannt, dass man über intelligente CRM-Maßnahmen, unter anderem mittels Einsatz von BI-Systemen, zum Teil schon lokale Eins-zu-Eins-Marketingaktionen in Echtzeit fahren kann. Dies führt zu einer deutlichen Optimierung der Kosten pro Akquisition, so dass das Thema Conversion Rate Optimierung 2016 eine fast unfreiwillige Renaissance erfahren wird.

Drittens: Aller Konvergenz zum Trotz entwickeln sich native Applikationen immer mehr zum Überraschungssieger. Vor zwei Jahren bereits tot gesagt, da man jedweden Traffic im mobilen Browser sah, findet heute weltweit 80 Prozent des mobilen Traffics in nativen Applikationen statt. Selbst transaktionales Geschäft wird hier zunehmend beobachtet.

Tobias Grewe, Partner, Serviceplan Köln

Von Employer Branding zur Candidate Experience – Unternehmen werden zu Bewerbern

Die Bezeichnung „Bewerber“ gilt heute nicht mehr nur für die qualifizierten Jobsuchenden, sondern genauso für die Unternehmen, die sich um hochqualifizierte Fachkräfte bemühen und deren Geschäftserfolg mit ihrem Abschneiden im Kampf um die besten Talente steht und fällt. Denn die qualifizierten Jobsuchenden sind rar und inzwischen „kritische Konsumenten“ geworden. Und Unternehmen müssen sich eher um die begehrten Talente bewerben als umgekehrt. Bewerber wollen nicht nur glaubwürdige Einblicke in die Arbeitswelt eines Unternehmens, sondern auch einen schnellen Zugang zu relevanten und authentischen Informationen und vor allem Transparenz, was den Umgang mit ihrer hochgeladenen Bewerbung betrifft. Es geht bei allem deshalb nicht mehr nur um einen reinen Bewerbungsprozess, sondern darum, als Arbeitgeber eine positive „Candidate Experience“ zu erzeugen – durchaus vergleichbar mit einer Customer Journey, wie wir sie aus der Marken- und Produktkommunikation kennen. „Make them care and make them buy“ ist dabei das Ziel. Um das zu erreichen, liegt die Herausforderung darin, die Arbeitgeberinhalte mit der richtigen Employer Story an allen relevanten Touch Points über die Informations-, Bewerbungs- und Verhandlungsphase hinweg konsistent erlebbar zu machen – von der Personalanzeige oder Karriereseite bis hin zu Touch Points, die Kommunikationskonzepte zum Teil oft nicht berücksichtigen, wie etwa auch ein schnelles Feedback zu einer Bewerbung oder gar eine Zu- oder Absage.

Es findet gerade ein Umdenken statt, bzw. muss stattfinden. Eine Absage muss daher keine Absage mehr sein, sondern ist vielleicht ein Dankeschön, verbunden mit einer Einladung in den Talent-Pool des Unternehmens. Denn auch Kandidaten, denen man absagen muss, sind oft unterschätzte Multiplikatoren für das Arbeitgeberimage. In der digitalen Welt und den damit verbundenen Bewertungsforen sind schlechte Erfahrungen schnell kommuniziert. Dieser holistische Blick ist bei der Entwicklung von künftigen Employer-Branding-Konzepten wichtig für eine stimmige Candidate Experience – egal, ob diese zu einem Abschluss oder zu einer Absage führt.

Rami Hmadeh, Managing Partner, Serviceplan Middle East

Trends 2016 – It’s all about personalized experiences.

The consumer in the Middle East continues to desire and respond to highly individual marketing and advertising. The fact that they want to be wowed, courted, heard, understood and appreciated at any touchpoint of a unique customer journey also explains why Me-Commerce keeps growing in importance. Consumer-to-consumer communication on social media platforms, immediate access to content through mobile as well as beacons and near-field communication are becoming stronger triggers to drive purchase decisions – simply because they satisfy a growing demand for personalised shopping experiences. Accordingly, content marketing is on the rise, too. In 2016, 60 percent of marketers in the Middle East are said to increase their content marketing budgets, with more than 30 percent of them planning to spend up to a half of their digital budget on it. The challenge will be to create and distribute content that is valuable, relevant and attractive enough to retain a clearly defined audience – and, ultimately, to drive profitable customer action. This is where ‘Big Data’ will continue to play a decisive role, however we’re talking more about the ‘right’ rather than ‘big’ data. It goes all back to being truly personal, individual and authentic. Marketers who manage to establish an on-going conversation with their target customers with the right content on the right touch-points will definitely be on top of the trend in 2016.

Jörg Ihlau, Geschäftsführer von Serviceplan Berlin

Über Jahrzehnte hinweg glaubten wir zu wissen, in welchem Rahmen sich deutsche Politik bewegt. Nato und EU standen für verlässliche Grenzen und Regeln, die politische Öffentlichkeit bestand aus nichts mehr als Parteien und Medien und wo sich eine ethische Frage ergab, war der Pfarrer nicht fern. Allein das Jahr 2015 hat so viele vermeintlich unabänderliche Wahrheiten in sich zusammenfallen lassen, dass in immer mehr Köpfen die Desorientierung regiert. Das kann für die politische Kommunikation nicht ohne Folgen bleiben.
Die Trends zur politischen Kommunikation im Jahr 2016 von Jörg Ihlau finden Sie hier.

Manfred Klaus, Sprecher der Geschäftsführung der Plan.Net Gruppe

Für das Jahr 2016 sehe ich drei relevante Trends, in die wir nachhaltig investieren. Content-Kompetenz wird 2016 zu einem zentralen Erfolgsfaktor in der Kommunikation von Marken. Nur wer die Aspekte Relevanz von Inhalten für die Zielgruppe (für wen und warum?), Kreation und Content-Generierung (was und wie?) sowie Content-Management und -Distribution (wo, wie oft und wieviel?) beherrscht, wird nachhaltigen Erfolg erzielen können.

Um diesen verstehen und bewerten zu können, ist umfassende Datenkompetenz unabdingbar. Dies beinhaltet unternehmensweit erfolgsrelevante KPIs zu identifizieren, sie durch integrierte Systeme zu erfassen und zu analysieren und auf dieser Basis zeitnah Prognosen über die Wirkungen von künftigen Entscheidungen treffen zu können.

Dies ist die Basis für den Trend Business-Relevanz, der sich als übergreifendes Bewertungsraster über alle Facetten der (digitalen) Kommunikation legen wird. Dies wird die Basis darstellen für den künftigen wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen.

Michiel Noens, Strategic and Innovation planner of Serviceplan Belgium

2016 – The year of consumer data control

The fight for data control is in full swing. Powerhouses such as Google are trying to get more and more control over data. But this hasn’t passed by the consumer unnoticed. The Internet of Things powers their data consciousness, and wearable technology will increase its market presence and user adoption in 2016. This direct connection to their personal data has made them aware of the influence it has over who they are and what they do. In the meantime consumers are providing more data than ever for marketers to mine. The key is to find the right balance in giving data back to the consumer while providing the service to make it manageable and the knowledge to understand it all, thus protecting the value perception of the brand.
This increase in data is directly connected to the increase in marketing automation. To promote the content or story we create, we know we have to provide the correct pieces of the puzzle throughout the customer journey. Tools such as automated media buying, detailed campaign tracking and CRM software allow us to connect with the consumer with the right message at the right time. They are aware of this now. And we have to be honest and show them we know who they are, but also to allow them to control the data we manage. So, do you control your data? Do you track their activities? Are you transparent with your customers? Get in control now and share it with all of them.

Per Poulsen, Innovation Director der Serviceplan Gruppe

2016 – Das Jahr aller virtuellen Dinge.

Oculus Rift, Microsoft HoloLens, Magic Leap: Das alles mag bekannt klingen, doch bislang waren die 360-Grad-Videos auf YouTube und Facebook oder die Virtual-Reality-Brille aus Pappe von Google die einzigen Virtual-Reality-Erlebnisse für den „normalen“ Verbraucher. Ab 2016 kommen nun endlich die High-Definition-Geräte auf den Markt. Sie werden nicht nur verändern, wie wir spielen, sondern auch wie wir interagieren und Geschichten erzählen. Die Virtualität wird das Reale unterstützen und umgekehrt. Die Menschen werden Erlebnisse und Erlebniswelten erwarten, in denen sie von Bedeutung sind. Sie werden Teil Ihrer Marke und Ihre Marke kann ein Teil von Ihnen werden.
Viele Firmen kämpfen immer noch damit, relevante Werbung für Fernsehen und Internet zu konzipieren, aber in der virtuellen Welt ist der Aufwand wesentlich höher. Hier wird allein die Erzählung darüber entscheiden, ob Sie ein Publikum für sich gewinnen können. Es reicht nicht, einfach etwas „Neues“ zu erfinden. Sind Sie in der Lage die Geschichte Ihres Produktes auf emotionale Weise zu erzählen? Wissen Sie, was die Quintessenz Ihres Produktes ist? Schaffen Sie es, das richtige Markengefühl in einem Raum zu kreieren, der gar nicht existiert? Wenn nicht, dann ist jetzt die Zeit, genau das herauszufinden oder Ihre Marke wird die nächste Verbraucherwelle verpassen.

Klaus Weise, Geschäftsführer von Serviceplan Public Relations

2016 wird das Jahr des Contents und das Jahr des Affen.

Mit etwas Boshaftigkeit könnte man behaupten, Content Marketing habe einen Marktanteil von gefühlt mindestens 80 Prozent. In der Fachpresse. Und in den Diskussionen der Branchen-Community. Im echten Leben und in den Budgets der werbungtreibenden Wirtschaft dagegen spielt Content Marketing noch eine untergeordnete Rolle. Zwar gibt es hierzu wenig valide Zahlen. Bei einer Studie des Marktforschungsinstituts facit research gaben allerdings 84 Prozent der befragten Geschäftsführer und Marketingentscheider an, bei ihrem Content Marketing gebe es keinerlei Erfolgsmessung. Wenn aber Content Marketing im gesamten Marketingmix eine bedeutende Rolle spielen würde, dann würde man garantiert auch den Erfolg dieser Maßnahmen messen wollen. Ich glaube, im Jahr 2016 wird sich dies ändern. Das Content Marketing wird seinen Durchbruch erleben. Content Marketing wird sich weiter professionalisieren, es wird viel mehr sein als nur traditionelles Corporate Publishing im neuen Gewand. Content Marketing wird immer öfter auf einer durchdachten Strategie basieren und wird immer größere Budget-Töpfe zur Verfügung haben. Content Marketing wird immer performanceorientierter. Und Erfolgskontrollen im Content Marketing werden selbstverständlich.
Im chinesischen Kalender ist 2016 übrigens das Jahr des Affen. Im chinesischen Horoskop heißt es über den Affen: „Dieses freche Tier platzt mit Überschwang herein und bringt ein blitzschnelles Tempo und fantastische Motivation mit sich. Der Affe erhöht Kommunikation, Humor und Witz und hilft uns mit Anmut und Leichtigkeit durch stressige Zeiten. Das Geschäft floriert. Des Affen Geschenk ist die Fähigkeit, unkonventionelle Lösungen für alte Probleme zu finden.“ Dieser Affe heißt bestimmt Content Marketing.

Warum der Weltfußballverband eigentlich gar keine Krisenkommunikation braucht

Man stelle sich vor, bei Adidas, Coca-Cola oder der Kreditkartenfirma Visa würde das Headquarter von der Staatsanwaltschaft durchsucht und eine ganze Reihe von Spitzenmanagern verhaftet. Wegen des Verdachts der Erpressung, wegen Geldwäsche, Betrug und Bestechlichkeit. Nehmen wir weiter an, es ginge um den Vorwurf organisierter Kriminalität über mehrere Jahrzehnte, um mehr als 100 Millionen Euro Bestechungsgeld und den Beschuldigten würden Gefängnisstrafen von bis zu 20 Jahren drohen. Wie würde die Krisen PR bei diesen Unternehmen aussehen? Ganz konkret: Wer würde angesichts der Schwere der Vorwürfe vor die Kameras treten? Und mit welcher Botschaft? Im Falle des Fußballweltverbandes Fifa jedenfalls trat ein schlecht gelaunter Kommunikationschef vor die Presse. Seine Hauptbotschaft: „Wir fahren mit unserer Agenda fort“, die Fußballweltmeisterschaften 2018 und 2022 würden wie geplant in Russland und Katar gespielt werden.

Normal ist Krise Chefsache – aber ist die Fifa normal?

Bei Adidas, Coca-Cola, Visa –  den Hauptsponsoren der Fifa – und wahrscheinlich jedem anderen gut geführten Unternehmen wäre angesichts der Größe der Krise der oberste Chef persönlich vor die Medien getreten. Und hätte die Verantwortung übernommen, Bedauern ausgedrückt, Konsequenzen angekündigt und gesagt, man werde alles daran setzen, dass Derartiges nie wieder geschehen könne. Und hätte angekündigt, dass man untersuchen werde, ob die hochkriminellen Vorfälle – wenn sie denn wirklich geschehen seien – zu Fehlentscheidungen geführt hätten. Nicht so bei Sepp Blatters Fifa. Der ist wichtig zu verkünden, alles bleibe wie es ist – Verdacht auf organisierte Kriminalität und Korruption hin oder her. Man versucht, die Riesenaffäre klein zu reden. Ach ja, Gründe für einen Rücktritt sehe Präsident Sepp Blatter übrigens nicht, lässt er seinen Pressechef ausrichten. Schließlich richte sich der Verdacht ja nicht gegen ihn. Der Gedanke, dass er als Präsident der Organisation Verantwortung dafür trägt, was dort passiert, scheint ihm fremd zu sein. Immerhin hat Blatter die Fifa in 34 Jahren als Generalsekretär und Präsident geprägt wie kein anderer. Jenseits dessen wäre allein die Art des Umgangs mit den ungeheuren Vorwürfen schon Grund genug für einen Rücktritt.

Papst Franziskus und der Fußball

Aber die Fifa ist eben kein Unternehmen wie Adidas, Coca-Cola oder Visa. Sie ist ein Verband. Ein Verband, der ziemlich einzigartig ist. Ein Verband, der in Sachen Image und Popularität ungefähr mit der Mafia auf Augenhöhe sein dürfte. Und ein Verband, dessen Strukturen und Funktionsweisen am ehesten mit denen der katholischen Kirchen vergleichbar sind. Und da beginnt das Problem mit der Krisenkommunikation. Denn erfolgreiche Krisenkommunikation basiert auf Transparenz. Aus nachvollziehbaren Gründen schätzt die Mafia keine Transparenz. Daher sind bei ihr der Revolver und die Schrotflinte die wichtigsten Instrumente der Kommunikation in Krisenzeiten. Bei der katholischen Kirche hat sich dagegen das Ignorieren und Aussitzen von brisanten Themen seit Jahrhunderten von Jahren bewährt. Aber irgendwann funktioniert auch das nicht mehr. Insofern bleibt mehr als die Hoffnung, dass die Sponsoren die Fifa unter Druck setzen und zu einer besseren, transparenteren und faireren Organisation machen. Es bleibt nämlich auch  der fromme Wunsch, dass irgendwann ein Franziskus an der Spitze der Fifa stehen wird, der ihr Demut und vieles andere mehr beibringt. Ein Franziskus der Missstände offen anspricht und der die Sache selbst in den Mittelpunkt stellt und nicht den eigenen Apparat. Übrigens: Papst Franziskus ist seit seiner Bischofszeit Ehrenmitglied des argentinischen Fußball-Erstligisten CA San Lorenzo de Almagro und seit 2014 auch des TSV 1860 München.

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„Herr Ritter ist empört“, kann man seit Tagen auf BILD Online lesen. Dem Schokoladenhersteller mit dem kämpferischen Namen werden ob so viel geheuchelten Mitgefühls sicher die Nüsse im Hals stecken bleiben. Schließlich war es doch das gleiche Kampfblatt für Verbraucherrechte, das nur einen Tag vorher mit der Schlagzeile: „Ritter Sport: mangelhaft“ den Grund der Empörung ins Land hinausposaunt hat.

In Wahrheit ist Herr Ritter gar nicht empört. Er beißt vor Wut in seinen Schreibtisch. Denn ihm wird klar, dass alles, was er in den letzten Jahren für die Marke erreicht hat, wegschmilzt wie Schokolade in der Hosentasche. Hat er sich nicht strikt an jede gesetzliche Vorgabe gehalten und Millionen in Qualitätskontrolle investiert? Hat er nicht Zulieferer, die ihm schwören, dass keine Kakaobohne von einem Berufsschüler, Pollen-Allergiker oder Angehörigen einer verfolgten ethnischen Minderheit gepflückt wird? Und wie viel hat er in den Kundenservice gesteckt, damit auch die hirnrissigste Anfrage geduldig, ehrlich, freundlich und wertschätzend beantwortet wird?

Nur damit die allwissende Stiftung Warentest in einem einzigen Tag alles zunichtemacht? Weil sie tausend verschiedene Produkte durch den Testwolf dreht und am Ende den Brei in ein Standard-Raster packt. Ist natürlich auch gut für die Auflage, wenn am Schluss eine bekannte Marke am Pranger steht. Dabei geht es doch nur um eine einzige Sorte. Und der fragliche Aromastoff steht nicht einmal im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Strittig ist doch nur, ob er aus einer Pflanze gepresst oder im Labor aus seinen Bestandteilen zusammengebaut wird. Was für ein Luxusproblem.

Ja, ich habe jedes Verständnis für die Empörung von Herrn Ritter. Aber als Agentur-Kommunikator möchte ich ihm am liebsten zurufen: „Tu‘s nicht!“ Aber er tut es doch. Denn was das Unternehmen mutmaßlich durchläuft, ist ein Musterbeispiel für „Die fünf Phasen schlechter Krisenkommunikation“:

 

Phase 1: Nichtwahrhabenwollen (ist schon abgeschlossen): Erst wird geleugnet. Dennoch scheint Hoffnung zu bestehen, dass alles nur ein Missverständnis ist: Der Fehler wird beim Testlabor gesucht. Messungenauigkeit? Vertauschte Proben? Es wird verglichen, nachgemessen, konferiert. Was in dieser Phase noch nicht stattfindet: Selbstreflexion, kritische Fehleranalyse. Dabei zählt gerade in dieser frühen Phase jede Sekunde: Je schneller das Unternehmen die „Warum-gerade-wir-Phase“ abschließt und sich den Fakten zuwendet, desto mehr Handlungsoptionen bleiben. Wartet es ein paar Stunden zu lange, diktieren andere die nächsten Schritte.

Phase 2: Zorn (läuft noch). Hat sich herausgestellt, dass der Vorwurf nicht in wenigen Minuten entkräftet ist, blasen Unternehmen gern zum öffentlichen Gegenangriff: Lieferanten beschuldigen, Medien schelten, juristische Schritte androhen – selbst wenn die rechtlichen Grundlagen fehlen. Einziger Effekt: Jetzt wird auch der letzte bildungsferne Konsument auf die Vorwürfe aufmerksam. Auch wenn’s weh tut: Unbedingt gute Miene machen, Ursachen erforschen und alle Beteiligten in die Aufklärung einbinden. Das nimmt die Hälfte des Drucks aus der Krise. Für eine Abrechnung ist hinterher noch genug Zeit.

Phase 3: Verhandeln (kommt noch). Sind die juristischen Mittel ausgeschöpft, werden die Töne versöhnlicher. Jetzt versuchen Unternehmen „under fire“, die Vorwürfe durch jedwede Zertifikate, Siegel, DIN ISO Normen und Dankschreiben vom Kleintierzüchterverein zu entkräften. Größere Unternehmen schalten dann auch ganzseitige Image-Anzeigen oder bunte Advertorials. Dort kommen dann auffällig häufig die Wörter „Vertrauen“ und „Transparenz“ vor. Löst aber leider das Problem überhaupt nicht. Wichtiger ist es in dieser Phase, gemeinsam mit den Kritikern Sofortmaßnahmen und Lösungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Sonst wird die Krise nur verschleppt.

Phase 4: Depression (hoffentlich doch nicht). Einige Wochen nach der akuten Krise herrscht eisiges Schweigen. Über „den blöden Test“ wird nur noch im Flüsterton gesprochen. Stattdessen warten alle gespannt auf die neuesten Marktforschungsdaten. Parole: „Wird schon nicht so schlimm werden.“ Wird es aber doch. Und eines ist sicher: Das Internet vergisst nichts! Deshalb muss auch im Unternehmen offen gesprochen werden. Vor allem geht es darum, ein Wiederaufflammen zu verhindern, wenn nötig durch strukturelle oder personelle Maßnahmen.

Phase 5: Akzeptanz (hoffentlich). Noch lange nicht das Ziel, aber ein wichtiger Schritt. Wenn ein Unternehmen die unvermeidliche Tatsache anerkennt, dass es auch Zugeständnisse machen muss, besteht die Chance, aus der Studie-Gegenstudie-Spirale herauszukommen. Die souveräne Haltung entscheidet über den Erfolg, nicht die Maßnahme. Nur so kann eine langfristige Kommunikationsstrategie umgesetzt werden, die den angerichteten Image-Schaden langfristig repariert.

 

Frustrierend für Agenturen dabei: Sie können ihre Kunden nur durch die ersten drei Phasen führen. Sie müssen analysieren, moderieren, den Schaden begrenzen. Aber sobald der Kunde in Depression fällt, können sie ihn nur noch begleiten. Den Weg aus dem Zustand des latenten Beleidigtseins müssen Geschäftsführung und Kommunikationsverantwortliche ganz alleine finden – und der Kurswechsel muss Konsens sein. Sonst bekommt jede Kommunikationsagentur, die diesen unvermeidlichen Weg aufzeigt, mit Sicherheit mächtig auf die Nüsse.

Ritter Sport muss sich aber nicht grämen. Die Marke hat längst noch genug emotionalen Dispo-Kredit bei Millionen Fans. Nur ist auch der irgendwann aufgebraucht, wenn Kommunikationskrisen nicht mutiger und flexibler gemanagt werden.