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Austausch auf Augenhöhe

Marken haben bisher nur in eine Richtung kommuniziert – und das, obwohl es seit 20 Jahren Dialogmedien gibt. Jetzt beginnt der alte Status „Die Marke ist der Sender, der Konsument der Empfänger“ zu bröckeln, weil die Konsument:innen alle Rückkanäle nutzen, um selbst Deutungshoheit über Unternehmen und Produkte zu erlangen. Die Folge: Das Machtgefälle der Kommunikation zwischen Marke und Käufer:in verschiebt sich gerade massiv. Zeit umzudenken, meint Wolfgang Bscheid, Managing Partner von Mediascale, in seiner Talking-Heads-Kolumne auf Horizont. 

Zum Thema Austausch auf Augenhöhe lohnt sich immer wieder ein Blick nach Skandinavien. Beispielsweise ins schwedische Malmö. Die Stadt ist heute international als sehr nachhaltig bekannt und hat sich auf der OECD-Liste „Die innovativsten Städte der Welt“ auf Platz 4 hochgekämpft. Dabei war Ende der 90er Jahre von der ehemals prosperierenden Industriestadt nicht mehr viel übrig. Dass Malmö den Turnaround schaffte, ist in erster Linie einem bis dahin nicht praktizierten Kommunikationsansatz zu verdanken. In der drittgrößten schwedischen Stadt spricht jeder mit jedem, alle dürfen mitbestimmen. Nicht nur Politik, Verwaltung und Geschäftsleute, vor allem auch die Bürger:innen. Das ist anstrengend und aufwändig. Doch mit dieser zukunftsweisenden Kommunikationskultur wurde Malmö zum Paradebeispiel einer Smart City. Denn das weiß inzwischen jeder: Solche Mammut-Projekte schafft kein einzelner, sie sind das Ergebnis des Zutuns vieler. Alle nehmen sich ein Stück zurück, um eine große Lösung möglich zu machen.

Übertragen auf die Welt der Markenkommunikation könnte das heißen: Mach Dich nicht so wichtig, mach Dich zum Teil Deiner Community! Doch warum sollten Unternehmen das tun? Nun ja, es ist nicht mehr wegzudiskutieren, dass die kollektive Vernetzung, die Feedback-Kultur und nicht zuletzt auch Corona das über Jahrzehnte gelernte und gelebte Modell „Die Marke ist der Sender, der Konsument der Empfänger“ gerade abschießen. Durchchoreographierte Inhalte und vorgefertigte Aussagen, die man den Konsument:innen mit entsprechendem Werbedruck verabreicht – dieses Konzept wurde auch die letzten Jahre stoisch weitergeführt und das, obwohl die Dialogmedien längst Teil der Lebenswelt geworden sind. Mit riesigen Budgets und rosaroten Kreationen reden sich Marken die Welt weiter schön und hoffen, dass die Konsument:innen Beifall klatschen, beziehungsweise das in Konsum umsetzen. Doch allmählich bahnt sich ein Ende dieser Top-Down Kommunikation an. Die Frage, wie eine zukunftsfähige Begegnung von Marke und Mensch auf Augenhöhe aussehen könnte, wird immer drängender. Um es gleich vorweg zu nehmen: Wir brauchen ein neues Mindset. 

Bedingt durch die Krise haben Menschen ein feines Gespür dafür entwickelt, ob Unternehmen nur fürs Marketing Dinge tun oder ob eine glaubhafte Überzeugung dahintersteckt. Die Stadt New York beispielweise verklagt gerade hat die Ölmultis ExxonMobil, Shell und BP sowie den Lobbyverband American Petroleum Institute wegen irreführender Werbung und betrügerischer Geschäftspraktiken. Die Unternehmen zählten zu den größten Umweltverpestern, würden ihre Produkte aber als „grüner“ und „sauberer“ bewerben. 

Wer nur zum Schein die Welt retten will, wird zu Recht abgestraft. Das wurmt Verbraucher:innen, die über die Dialogmedien ein gewaltiges Werkzeug in der Hand halten. Nicht nur Marken, auch Parteien und sogar Fußballvereine – sie alle werden in den Dialog gezwungen. Und was tun die Angegriffenen? Die meisten sind weiter um Kontrolle bemüht, doch ihr Rückzugskampf hat längst begonnen. Auch, wenn sie nur scheibchenweise aufgeben, was ohnehin nicht mehr zu retten ist. 

Die Krise macht die Menschen nicht nur sensibler für falsche Werbebotschaften, sie schweißt sie auch enger zusammen. Eine neue Solidarität formiert sich und schiebt Bewegungen in die Mitte der Gesellschaft. Prominente Beispiele: Black lives Matter und Fridays for Future. Hier hat sich eine Form der organisierten Kommunikation gefunden, die so vor ein paar Jahren noch nicht einmal denkbar war.

Wer also morgen noch gehört werden will, für den dürfte es sich lohnen, schon heute die Denkrichtung zu ändern. Der wichtigste Schritt könnte sein, dass Marken in ein ausbalanciertes Miteinander investieren, statt in einen aussichtslosen Kampf. Es gibt sicher kein Patentrezept dafür, wie diese Herkulesaufgabe zu stemmen ist. Aber das hier könnte ein mögliches Szenario sein: Menschen lieben Menschen, die nicht zu 100 Prozent perfekt sind, die nicht auf alles eine Antwort haben, auch mal Fehler machen und diese eingestehen. Genau das macht sie liebenswert. Warum sollte das bei Marken anders sein? Wer so eine Haltung ausstrahlt, erreicht Menschen nicht nur, der bewegt sie. Nicht der bewundernde Fan, sondern der geschätzte Freund sollte daher das neue Leitbild werden. 

Um diesen Spirit „Wir als Marke sind Teil Deiner Gemeinschaft“ umzusetzen, braucht es eine neue Denke. Konsument:in und Marke funktionieren nämlich nur miteinander. Und dieses Miteinander wird nur klappen, wenn beide sprechen und beide zuhören. Vertrauen und Verantwortung, Wertschätzung und gegenseitige Unterstützung statt starrem Konkurrenzkampf und bossy Gehabe. Sie setzen im Idealfall neue Potentiale und Kreativität frei, die eine Marke zum Strahlen bringen.

Die künftige Währung könnte also heißen: Begib Dich auf Augenhöhe mit Deiner Community, kommuniziere transparent und verantwortungsvoll, zeige Dich verwundbar, dann wird man dich als Gleichgesinnten akzeptieren. Und diese neue Beziehung könnte die beste Basis für zukünftigen Erfolg sein. Das Beispiel Malmö illustriert, wie auch andernorts ein neues Miteinander neue Perspektiven schafft. Das könnte auch in der Marken-Kommunikation klappen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Horizont.de

Florian Haller: Neu denken, sich selbst immer wieder neu erfinden – gehört „Rethink“ bei einem Tech-Unternehmen wie Facebook zur DNA?

Angelika Gifford: Es ist sogar ein wesentlicher Bestandteil unserer Facebook-DNA, immer Dinge zu hinterfragen, immer neu zu denken. Unsere Leitschnur dabei: Wir bleiben bei allem, was wir tun, unserer Unternehmensmission treu. Nämlich: Wir wollen mit unseren Plattformen Menschen verbinden und ihnen eine Stimme geben. Ein zentraler Treiber beim Neudenken ist für uns die Frage: Was brauchen die Menschen, die unsere Services nutzen, gerade? Wir haben zum Beispiel erst im Sommer Messenger Rooms gestartet, ein einfaches Videokonferenz-Tool im Facebook Messenger, nutzbar für jeden, und haben die Teilnehmerzahl bei Gruppen-Videoanrufen in WhatsApp auf acht erhöht, alles auf Basis des Feedbacks der Menschen da draußen. Rethink heißt für mich auch, dass man sich nie mit dem Stand X eines Produkts zufriedengibt, sondern sich immer fragt: Wie können wir die Dinge verbessern, vereinfachen, beschleunigen, anpassen und weiterentwickeln? Dieses Denken ist bei Facebook sehr ausgeprägt.

Florian Haller: Facebook heute ist nicht mehr Facebook von vor 16 Jahren. Gab es bestimmte Meilensteine der Veränderung im Laufe dieser Zeit, oder ist das eher ein ständiger Prozess?

Angelika Gifford: Es ist ein ständiger Veränderungsprozess, deshalb passieren Anpassungen oft kontinuierlich, graduell über Zeit und mögen dem Betrachter nicht direkt auffallen. Insgesamt haben wir uns aber deutlich weiterentwickelt, zum Beispiel beim Stichwort „Election Integrity“, also allem, was wir unternehmen, um transparente und sichere politische Wahlen sicherzustellen. Eine deutliche Veränderung sehe ich auch beim Thema Kommunikation: Ich glaube, wir sind über die Zeit besser im Erklären geworden, wer wir sind, was wir tun, wie wir denken, wie wir etwas anpacken und wieso. Das ist auch meine persönliche Ambition, „giving a face to Facebook“. Wir müssen nahbarer, erlebbarer sein. Wir machen natürlich auch Fehler und sind noch lange nicht da, wo wir sein wollen. Aber wir sind eine lernende Organisation und entwickeln uns ständig weiter, erfinden uns immer wieder neu.

Florian Haller: Was braucht es, um in Sachen Innovation immer die Nase vorne zu haben?

Angelika Gifford: Ich habe für sehr erfolgreiche Unternehmer arbeiten dürfen, 21 Jahre für Bill Gates und jetzt ein knappes Jahr für Mark Zuckerberg. Und ich erkenne viele Gemeinsamkeiten. Punkt eins: die Vision und die Ausdauer, starke, relevante Produkte auf den Markt zu bringen. Punkt zwei: eine hohe Vielfalt innerhalb des Unternehmens zu schaffen, nicht nur hinsichtlich Geschlecht, sondern auch bezüglich des religiösen, geografischern ethnischen, kulturellen und politischen Hintergrundes und so weiter. Man muss viele Stimmen hören und die Vielfalt der Nutzer und Kunden, die man bedient, intern widerspiegeln. Punkt drei: eine gewisse Rastlosigkeit, bei der man erst mal mithalten können muss. Da härten einen die Amerikaner wirklich ab. Das bedeutet konsequent unternehmerisches Denken, die Bereitschaft, sich zu verändern und eben eine lernende Organisation zu schaffen. Heißt: Es ist erlaubt und sogar erwünscht, auch Fehler zu machen – sofern man daraus lernt und sich weiterentwickelt. Und der vierte Punkt: Mitarbeiter*innen mitnehmen, sie befähigen und ermuntern, sich selbst und das Unternehmen immer wieder zu hinterfragen.

Florian Haller: Wie muss das Empowerment konkret aussehen, damit es bei den in Ihrem Fall mehr als 56.000 Mitarbeiter*innen weltweit auch wirklich ankommt und etwas bewirkt? Was ist Ihr Geheimnis?

Angelika Gifford: Wir versuchen erst mal, unsere Kultur überall im Unternehmen zu materialisieren, auch physisch, sei es auf Postern, Bildschirmschonern, Aufklebern, Unterlagen: Da liest man Dinge wie „Be bold“, „Move fast“ oder auch „What would you do if you were not afraid?“. Man muss die Leute immer wieder inspirieren, ermutigen und daran erinnern: Wir gehören zusammen, das ist unser aller Firma, jede Meinung wird gehört, jeder kann und soll etwas beitragen.

Florian Haller: Poster und Bildschirmschoner, mehr braucht es nicht?

Angelika Gifford: Doch, das waren nur einige konkrete Beispiele. Wir haben insgesamt eine sehr transparente, partizipative Unternehmenskultur und sind eine wirklich durchlässige Organisation. Von offenen Türen sprechen wir gar nicht erst, die Arbeitsflächen in unseren Offices haben oft nicht mal Türen. Außerdem der Grundsatz „Make others look great“, den finde ich wirklich einzigartig: Wenn Sie eine coole Idee haben, fühlen Sie sich befähigt, diese auszuarbeiten, andere ins Boot zu holen, sie dafür zu gewinnen. Und auch den Mut zu haben, damit dann an Führungskräfte heranzutreten, das ist für mich das Wichtigste überhaupt.

Florian Haller: Die Gesellschaft in Deutschland ist – noch – nicht sehr divers. Wie bringen Sie an allen Standorten Diversität in die Organisation?

Angelika Gifford: Erst mal, indem wir überall in Personalgewinnung und -weiterentwicklung großen Wert auf Diversität legen. Jeder unserer Mitarbeiter*innen in Job-Interviews hat vorher Schulungen zum Umgang mit Vorurteilen und viele weitere verpflichtende Trainings durchlaufen. Außerdem können wir als weltweit agierendes Unternehmen, in dem Englisch gesprochen wird, vielen Mitarbeiter*innen anbieten, in ein anderes Land zu wechseln, sei es zum Beispiel nach Deutschland, um hier zwei, drei Jahre lang den Markt und die Kunden kennenzulernen.

Florian Haller: Wie viel Mobilität erwarten Sie von potenziellen Mitarbeiter*innen?

Angelika Gifford: Wir stellen ganz aktuell auch dort Leute ein, wo wir gar kein Office haben, und statten sie dann mit einer Homeoffice-Ausrüstung aus. So gewinnen wir etwa osteuropäische Top-Talente für uns, die nicht unbedingt physisch aus unserem zentralen Office in Warschau arbeiten wollen oder können. Ich denke, das ist ein weiterer Schritt zu noch mehr Diversität bei Facebook, aber auch hin zu neuen, flexibleren Arbeitsmodellen. Wir schätzen, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren jeder zweite Facebook-Mitarbeiter dauerhaft von zu Hause aus arbeiten wird.

Florian Haller: Welche Rolle spielen Unternehmerpersönlichkeiten wie Mark Zuckerberg oder Elon Musk im Kontext von Innovation? Werden sie von der Öffentlichkeit überschätzt?

Angelika Gifford: Diese Unternehmer haben eine starke Vision, eine zündende Geschäftsidee. Mark Zuckerberg zum Beispiel ist ein wirklich außergewöhnlicher Mensch: Er ist 36, ein Visionär, disruptiv, unkonventionell und auch in manchen Dingen provokant. Und er hat eine sehr klare Vision: Menschen weltweit die Möglichkeit zu geben, sich austauschen und Gemeinschaften zu bilden. Das sind mittlerweile mehr als 3,1 Milliarden Menschen. Außerdem hat er bei Facebook eine wirklich offene, vertrauensvolle und Feedback-orientierte Kultur aufgebaut, die jeden befähigt und ermutigt, sich zu hinterfragen und eigenverantwortlich zu handeln. Er teilt seine Ideen, aber auch die Dinge, die nicht gut gelaufen sind. Ich habe noch nie erlebt, dass sich ein CEO jede Woche vor seine gesamte Belegschaft stellt und Fragen beantwortet. Diese sind nicht vorbesprochen, alle können anbringen, was sie bewegt, von der IT-Ausstattung bis zur Unternehmensstrategie, und Mark geht darauf ein und erklärt seinen Standpunkt dazu. Und Unternehmer wie Mark Zuckerberg haben als Mehrheitseigentümer auch den Spielraum, eine langfristige, kohärente Strategie zu verfolgen und in Innovationen zu investieren.

Florian Haller: Facebook hat hauptsächlich junge Mitarbeiter*innen, Sie sind also sozusagen „the adult in the room“. Müsste die Europa-Chefin nicht eigentlich selbst eine 28- oder 30-Jährige sein?

Angelika Gifford: Vielleicht wäre das besser (lacht). Nein, ich glaube es wäre nicht besser. Wir haben sehr viele kreative, agile, schnell denkende, smarte Mitarbeiter*innen. Partizipation und Empowerment von Einzelnen sind essenziell, aber Agilität darf nicht in Chaos münden. Wir wachsen als Firma, da braucht es klare Rahmenbedingungen, Spielregeln, einen Kurs, Prioritäten, um aus diesem an sich sehr guten, kreativen Chaos eine Ordnung und ein Ziel ableiten zu können, was dann jeder mitträgt. Es braucht also aus meiner Sicht eine Symbiose aus strukturierendem Management und Kreativität sowie Agilität.

Florian Haller: Deutschland macht in Sachen Digitalisierung keine gute Figur. Welche Rethink-Hausaufgaben würden Sie dem Land und den Unternehmen mitgeben?

Angelika Gifford: Ich bin über den Digitalisierungsgrad hierzulande seit vielen Jahren enttäuscht. Dass wir so schlecht dastehen, hat auch etwas mit der Mentalität zu tun. Vor dem Neuen hat man in Deutschland oft erst mal Angst, zumindest große Skepsis. Das spüre ich, wenn ich mit Menschen rede, vor allem mit kleinen und mittelständischen Unternehmen. Menschen haben oft Vorbehalte vor Technologie, befürchten, dass künstliche Intelligenz die Welt regieren wird. Diese Angst müssen wir ihnen nehmen. Es muss ein Wandel in der Mentalität her, die Menschen sollten Technologie nicht als Bedrohung, sondern als Chance und Bereicherung sehen. Und ein weiterer Punkt: Schauen Sie sich an, welche bürokratischen Hürden heute beispielsweise zu nehmen sind, wenn man in Deutschland Innovation vorantreiben möchte. Verstehen Sie mich nicht falsch, wir brauchen zum Beispiel ein starkes Datenschutzgesetz! Ich finde aber, wenn laut Bitkom bei jedem zweiten Unternehmen neue, innovative Projekte aufgrund von Datenschutzbedenken scheitern, dann ist das wiederum sehr bedenklich. Und zu guter Letzt das Thema Umsetzung: Oft wird von Digitalisierung groß geredet und es werden bunte, schöne Folien gezeigt, aber die wenigsten investieren richtig, setzen Dinge wirklich um und verändern somit auch ihre Geschäftsmodelle und ihre Kultur. Das alles aber müsste passieren, damit man von erfolgreicher Digitalisierung in einem Unternehmen sprechen kann.

Florian Haller: Wo geht aus Facebook-Sicht in Sachen Technologie die Reise hin? Was ist das Next Big Thing?

Angelika Gifford: Drei Themen beschäftigen uns besonders: Erstens haben wir zum Beispiel unser Facebook Artificial Intelligence Research Lab mit einem internationalen Team, das Grundlagenforschung im Bereich Künstliche Intelligenz betreibt. Ich bin zwar kein Techie, aber was dieses Team da macht, ist absolut führend. Mein zweites Lieblingsthema ist das, was Mark Zuckerberg als großen Trend nach Mobile sieht, nämlich Virtual und Augmented Reality. Wir haben kürzlich erst die neueste Version unserer Oculus-Quest-Brille vorgestellt und haben richtig spannende Anwendungsfälle, nicht nur im Privaten, sondern auch im Business-Umfeld: Ob das virtuelle Schulungen in Warenverteilzentren von DHL sind, virtuelle Operations-Trainings bei Johnson & Johnson oder virtuelle Hotel-Touren für Hilton-Mitarbeiter. Kommendes Jahr werden dann auch Smart Glasses ein großes Thema. Wir arbeiten daran, alle Anwendungen in einer kleinen Brille unterzubringen. Dann können Sie sich etwa eine Wegbeschreibung anzeigen lassen, wenn Sie zum Beispiel München zu Fuß erkunden. Ein drittes Thema ist Nachhaltigkeit. Viele wissen das nicht, aber Facebook ist schon heute der zweitgrößte Abnehmer erneuerbarer Energien weltweit. Darüber hinaus haben wir uns ganz konkrete Klimaneutralitätsziele für 2030 gesetzt: Selbst unsere Zulieferer müssen dann eigene Nachhaltigkeitsziele umgesetzt haben und wir wollen die innovativsten Rechenzentren der Welt am Netz haben. Außerdem haben wir ein Klimainformationszentrum geschaffen, ein Tool auf Facebook, das jeder über sein Menü aufrufen kann und mit dem wir unsere Nutzer mit konkreten Beispielen und Fakten zu einer nachhaltigeren Lebensweise inspirieren möchten.

Florian Haller: Dazu darf ich sagen, Sie sprechen mit dem Chef der ersten zertifizierten klimaneutralen Agenturgruppe Deutschlands nach hundert Tagen. Darauf sind wir richtig stolz. Aber lassen Sie mich bei einem Punkt nachhaken: Bei AR und VR habe ich das Gefühl, dass es in den letzten Monaten ein bisschen still geworden ist. Da fehlt mir der Bezug zum Alltag der Menschen.

Angelika Gifford: Wir arbeiten im Moment genau daran, die Technologie in den Alltag zu bringen – etwa in Brillen, die wir zusammen mit Ray-Ban, einer Marke von EssilorLuxottica, entwickeln wollen. Bis wir ein massentaugliches Produkt haben, das sich jeder morgens aufsetzt, wie er seine normale Brille aufsetzen würde, werden noch Jahre vergehen, sicher. Aber unsere Vision ist es, sinnvolle Produkte für Menschen zu entwickeln, und wir nehmen sie auf dieser Innovationsreise auch mit.

Florian Haller: Wie lautet Ihr wichtigster Rat für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen?

Angelika Gifford: Also, wenn ich die Zauberformel dafür in der Tasche hätte, würden wir uns heute wahrscheinlich nicht unterhalten (lacht). Nun, was müssen wir tun? Wir müssen die Digitalisierung konsequent weiter voranbringen, Innovationstreiber sein. Dafür braucht es die entsprechenden Kompetenzen. Das bedeutet auch, schon unsere Kinder entsprechend auszubilden und ihnen Spaß am Thema IT und Digitales zu vermitteln. Und genau da muss die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzen, sei es bei Bildung und Ausbildung, aber auch bei flexiblen Arbeitsmodellen. Und wir alle müssen erkennen: Technologie ist keine Bedrohung, sondern eine Chance. Die müssen wir nachhaltig nutzen, um in der globalisierten Welt die Nase weiter vorne zu haben.

Florian Haller: Ich danke vielmals für dieses Gespräch.

Dieser Artikel erschien zuerst im TWELVE, dem Magazin der Serviceplan Group für Marken, Medien und Kommunikation. Weitere spannende Artikel, Essays und Interviews von und mit prominenten Gastautor:innen und renommierten Expert:innen lesen Sie in der siebten Ausgabe unter dem Leitthema „Rethink!“. Zum E-Paper geht es hier.

Das Virus als Disruptor

Seit einem Jahr stellt Corona unsere Welt auf den Kopf. Geltende Regeln und Gepflogenheiten haben sich radikal verändert. Das wirkt sich auf alle Ebenen der Kommunikation aus, besonders auf den persönlichen Austausch. Homeoffice und Video-Presence sind das „New Normal“. Für geschäftliche Treffen, vor allem aber für Vertriebsveranstaltungen, Messen und Produktinszenierungen, die vom Zusammenkommen vieler Gäste abhängig sind, ein Dilemma.

Wie kann man dennoch auf persönliche Art und Weise kommunizieren? Wie kann man weiterhin Events veranstalten und so inszenieren, dass sie relevant und spannend sind? Wie lassen sich Produkte Interessenten vorstellen, wenn Präsentationen wegen Corona-Auflagen ausfallen? Eine Situation, in der das digitale Standard-Marketing und die darum herum-gewachsenen Strukturen an ihre Grenzen stoßen.

„Say goodbye to handshakes and the old way of doing business.“

Charlie Fink, AR/VR-Evangelist und Forbes-Kolumnist, bringt es mit dieser Aussage auf den Punkt. Aus analog und persönlich wird plötzlich digital und virtuell. Was uns gestern noch wie Zukunftsmusik vorkam, wird nun zum Pflichtprogramm. Digitale Tools wie Videokonferenzen über Zoom & Co., Website-Videos und Online-Kollaboration gab es schon vorher. Doch erst jetzt erfahren sie eine breite Nutzung und werden zum Standard.

Mit diesen Tools können auch digitale Kommunikationswege zur Produktpräsentation und -inszenierung relativ einfach aufgebaut werden. Unternehmen stellen sich den Herausforderungen jedoch ganz unterschiedlich und nicht jedes Produkt eignet sich dazu, auf einer digitalen Bühne präsentiert zu werden.

Überhaupt, was bedeutet eine digitale Bühne? Ein Beispiel: Apple, eigentlich für durchchoreografierte Live-Events bekannt, bei denen auf einer Bühne vor Presse und Fan-Community über Produkte gesprochen wird, hat bei der Vorstellung des neuen iPhone 12 nur ein Video auf der Website freigeschaltet. Dieses zeigte jedoch eine beeindruckende Inszenierungsqualität. Mehrere Speaker wechselten sich ab, wobei die Szenen nahtlos per Kamerafahrten und Zoom-ins miteinander verschmolzen. Durch die trickreiche Inszenierung wurden rund zwei Stunden Informationsvermittlung zu einem Erlebnis in Spielfilmqualität. Die vorgestellten Produkte konnte man anschließend in webbasierten Augmented Reality Experiences auf dem eigenen Smartphone erleben. Alles über die Website.

Eine andere Form von digitalem Bühnen-Event zeigten die Emmy Awards 2020, in denen die Preisvergabe virtuell stattfand. Die Nominierten wurden jeweils in ihrem Zuhause gefilmt und in einer Mischung aus vorproduzierten Clips und Live-Sequenzen mit einer Studio-Live-Präsentation zusammengeschaltet. Keine großen Jubelszenen, dafür aber der Beweis: The show must go on! Und es hat funktioniert. Dabei handelte es sich im Grunde genommen nur um clever kombinierte Varianten normaler Kommunikations-Tools, wie wir sie im Homeoffice täglich benutzen.

Verfolgte man den Saison-Restart der NBA und die Playoffs 2020, fiel auf, dass die Spiele allesamt ohne reale Zuschauer, dafür aber mit „Virtual Fans“ stattfanden. Über Microsoft Teams und die neue Funktion „Together Mode“ wurden virtuelle Plätze verlost, die das Webcam-Bild der Zuschauer während der Spiele auf großen LED-Wänden zeigten. Auch eine Form der Partizipation – mit dem lustigen Ergebnis, dass man als Fan vielleicht sogar das Glück hatte, neben Live-Bildern von echten Celebrities zu erscheinen.

Auch in kleinerem Rahmen und anderen Kontexten können diese Tools zu einer erfolgreichen Inszenierung von digitalen Events beitragen. Dabei kommt es darauf an, sich als Marke oder Unternehmen auf das zu konzentrieren, was wichtig ist – denn die Herausforderungen liegen nicht darin, einen analogen Event oder ein analoges Verkaufsformat in ein digitales zu übertragen, sondern in der Auswahl des richtigen Kommunikationsschwerpunktes, der Dosierung an Inhalten und nicht zuletzt in der eigenen Organisationsform. Technologie ist da nur das Werkzeug.

Digitaler Event ist nicht gleich analoger Event

Maßstäbe im digitalen Bereich entsprechen nicht realen Maßstäben. Dies gilt sowohl in puncto Größenordnung und Handhabung als auch hinsichtlich der internen und externen Erwartungshaltung. Trotz Videoschaltung und virtueller Partizipation ist ein Teilnehmer am Ende allein an seinem Rechner. Der räumliche Kontext einer Event-Location fehlt und in der Regel auch die Interaktion mit anderen Teilnehmern. Das heißt: Fehler im Ablauf fallen schneller und gravierender auf. Dort, wo auf einer Jahresversammlung die Büfetthäppchen in der Pause oder der Plausch mit dem Sitznachbarn über Längen und Pannen einer Bühnenshow hinwegtrösten, gibt es im Online-Format eine gnadenlose Absprungrate. Denn warum mehrere Stunden konzentriert einem langweiligen Stream folgen, wenn man nebenbei etwas vermeintlich Sinnvolleres erledigen kann.

Es ist ein Kardinalfehler anzunehmen, dass sich ein Offline-Event 1:1 in ein digitales Format übertragen lässt. Vielmehr gilt es das Wichtigste formvollendet auf den Punkt zu bringen. Teilnehmer zeigen online ein vollkommen anderes Rezeptionsverhalten als bei einem realen Event. Sie erwarten keine sich über Stunden hinziehende Dramaturgie, sondern eine knackige Inszenierung, deren Zusammenfassung sie sich im Zweifelsfall auch schnell zusammenklicken können.

Die visuelle 1:1-Übertragung einer Event-Architektur ist ebenfalls nur bedingt empfehlenswert. Selbst eine noch so gut inszenierte virtuelle Nachbildung etwa einer Messehalle in 3-D ist am Ende doch nur eine Kopie, die in der Wahrnehmung immer Grenzen haben wird. Einzelne virtuell nachempfundene architektonische Elemente hingegen können wunderbar eingesetzt werden – solange man sie gezielt inszeniert. Eine sinnvolle Alternative kann zum Beispiel eine bewusst überspitzte virtuelle Darstellung einer fiktiven Architektur sein. Und wenn schon ein fiktives Konstrukt, warum nicht gleich (Brand-)Welten inszenieren, die in einem realen Event-Kontext undenkbar wären. Schließlich geht es auch darum, Zuschauer und Nutzer zu entertainen.

Auch bezüglich der Kosten und des Aufwands lässt sich keine 1:1-Portierung anlegen. Sicherlich entfallen bei einem digitalen Event die Catering-Kosten sowie Mittel für Bühnenbau und Logistik. Allerdings sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass nur Ausgaben für eine Website anfallen. Je nach Art und Inszenierung eines Events müssen auch Budgets für die Produktion, gegebenenfalls das 3-D-Design virtueller Räume sowie das Scripting der Video-Feeds berücksichtigt werden. Hinzu kommen die Streaming-Infrastruktur, die ein ruckelfreies und unmittelbares Erlebnis garantieren soll, und natürlich die konzeptionelle Leistung.

Sich selbst erkennen und hinterfragen

Bei einem digitalen Auftritt müssen sich Unternehmen fragen: Wer sind wir überhaupt? Was ist unsere Essenz, was die Markenbotschaft? Denn wer authentisch sein will, kann sich bei einem digitalen Event nicht hinter Showeinlagen oder prominenten Moderatoren verstecken. Digitale Events sind meist keine abendfüllenden Veranstaltungen, sondern stark verkürzte, auf den Punkt gebrachte Marken-Shows im Web. Bling-Bling wie bei einer Abendgala gibt es hier nicht. Und: Die Nutzer sind knallhart. Ist die Übertragung langatmig oder weckt eine Produktpräsentation keine Neugier, sinken die Aufmerksamkeit und der Wille dranzubleiben. Das heißt: Unternehmen und Marken müssen sich und ihre Strukturen hinterfragen.

Sind wir die Marke? Sind wir das Produkt?

Die Erfahrung zeigt, dass sich die Repräsentanten einer Marke oder eines Produktes am besten aus dem Kreis der Mitarbeiter rekrutieren. Wer könnte schließlich besser für ein Produkt sprechen als diejenigen, die es tagein, tagaus erdenken, erschaffen, auf den Markt bringen, verkaufen? Sicher, das hat es auch schon bei analogen Events gegeben. Aber in Zeiten der digitalen Omniverfügbarkeit mit Kommunikations- und Kollaborations-Tools wandert die Produktions- und Partizipationshoheit verstärkt in Mitarbeiterhände. Und hier zeigt sich die nächste Herausforderung: Wie digitalaffin sind die Mitarbeiter und wie flexibel die Unternehmensstrukturen? Schließlich fällt bei einem digitalen Event sofort auf, wenn sich die Absender zum Beispiel mit Präsentationstechniken schwertun.

Ist live live?

Mit dem Wegfall eines bühnengestützten Programms entfällt auch der Druck, einen zeitlichen Ablauf in Echtzeit zu haben. Der wesentliche Vorteil eines online-gestützten Event-Formats ist, dass es jeder jederzeit abrufen kann. Da, wo eine auf einen bestimmten Zeitpunkt getimte Präsentation nicht unbedingt erforderlich ist, empfiehlt es sich, Event-Inszenierungen ganz oder teilweise vorzuproduzieren. Live-Elemente können dann beliebig mit vorproduzierten Inhalten kombiniert werden. Durch das Vermeiden aufwendiger Live-Schaltungen können zudem Fehlerquellen reduziert und Produktionsaufwände geringer gehalten werden.

Eine Ausnahme bilden Formate, bei denen eine direkte und nahe Kommunikation gewünscht ist. Findet der digitale Event mit einer moderierbaren Menge an Nutzern statt, können Webinar-Formate sinnvoll sein. Hier entsteht ein persönlicherer Austausch, auch unter den Event-Teilnehmern. Eine andere Möglichkeit wäre, mit einem vorproduzierten Haupt-Event zu starten und dann mit kleineren Gruppen in einen direkten Live-Austausch zu gehen.

Digitaler Event und Virtual Showroom

Ein digitaler Event kann einen zusätzlichen, explorativen Aspekt haben. Digitale Event- und Produktinszenierungen mit einer ausgewogenen Mischung aus kurzen Videobotschaften und interaktiven Inhalten sorgen für entsprechende Kurzweil und verankern das Vorgestellte nachhaltig in der Kundenwahrnehmung.

Eine mögliche Erweiterung stellen Virtual Showrooms dar. Die Grenzen sind dabei sogar fließend: So könnten Nutzer nach einem Event die beworbenen Produkte direkt erleben. Hier eröffnet der Faktor „Digital“ eine schier endlose Menge an Inszenierungsmöglichkeiten, die auch interaktiv sein können (und auch komplett ohne den Event-Teil auskommen). Differenzierungsmerkmale können technische Neuerungen sein, die ein nie zuvor dagewesenes Produkterlebnis bieten.

Dank der Entwicklungen im Augmented-Reality-Bereich etwa können Nutzer von überall und jederzeit in Markenwelten eintauchen, ohne sich vorher in Menschenschlangen zu stellen oder in vollen Räumen aufzuhalten. Produkte werden nicht mehr von zig Leuten angefasst, bevor ein Kauf stattfindet, sondern können von Interessierten ganz in Ruhe zu Hause in holografischer Form entdeckt werden. Und das Beste dabei: Das alles funktioniert schon übers Web. Theoretisch kann also jeder ganz unkompliziert Zugang dazu haben.

Eine Überführung von einem Event-Teil in den nächsten kann dabei vollkommen nahtlos ablaufen. Ein Aufruf einer mobilen Microsite kann zum Beispiel per QR-Code im laufenden Stream eingeblendet werden. Stellt ein Moderator gerade ein Produkt vor, können Nutzer dieses parallel zum Geschehen virtuell und in 3-D auf ihrem Smartphone erleben und testen – quasi in einem parallelen AR-Showroom. Dabei könnten ihnen holografische Avatare des Sales-Personals zur Seite stehen. Für Fashion Brands ist zusätzlich ein virtuelles Try-on in AR per Selfie-Kamera auf dem Smartphone denkbar, das sogar eine Verlinkung zum Online-Shop enthalten kann. Touristische Locations wiederum könnten mittels AR ein Gefühl von Teleportation vermitteln und Nutzer durch AR-Portale in andere Welten eintauchen lassen – ohne dass diese dabei das eigene Wohnzimmer verlassen müssen.

Neue Chance für die Marken- und Event-Kommunikation

Die Corona-Krise kann also auch eine Chance sein: Grundsätzlich sind alle dargestellten Technologien bereits seit Jahren verfügbar, doch erst jetzt erfahren sie eine breite Akzeptanz – und damit ihren wahren sozialen Nutzwert. Digitale Events und Virtual Showrooms sind ein willkommenes Addendum zur klassischen Marken- und Event-Kommunikation. Zum einen helfen sie, eine kontinuierliche Kundennähe in Zeiten von Social Distancing und unvorhersehbaren Corona-Beschränkungen zu gewährleisten, zum anderen werden die sich jetzt ausprägenden Best Practices auch nach Corona als parallel existierender und von der Nutzerschaft erwarteter Teil des Kommunikations- und Service-Mixes etablieren.

Bei genauerer Betrachtung ist alles auch gar nicht so kompliziert. Es braucht zwar etwas Mut in Unternehmen, aber die Mühen, neue Denk- und Produktionsmuster zu etablieren, lohnen sich. Diejenigen, die jetzt in digitale Inszenierungen investieren, werden nicht nur als besonders innovativ wahrgenommen, sondern auch nach Corona ihren digitalen Vorsprung weiter ausbauen können.

Dieser Artikel erschien zuerst im TWELVE, dem Magazin der Serviceplan Group für Marken, Medien und Kommunikation. Weitere spannende Artikel, Essays und Interviews von und mit prominenten Gastautor:innen und renommierten Expert:innen lesen Sie in der siebten Ausgabe unter dem Leitthema „Rethink!“. Zum E-Paper geht es hier.

Merkel mahnt, Markus Söder droht und macht: Was Unternehmen und Agenturen von Top-Politikern in der Krisen-Kommunikation lernen können.Merkel mahnt, Markus Söder droht und macht: Was Unternehmen und Agenturen von Top-Politikern in der Krisen-Kommunikation lernen können.

Die Aufgabe könnte größer kaum sein: Der Gesamtbevölkerung Deutschlands zu erklären, dass gravierende Verhaltensänderungen samt massiver Einschränkungen der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit unbedingt angezeigt sind. Den Ernst der Lage vermitteln – ohne sofort Schockstarre auszulösen oder Massenpanik zu verbreiten. Unsere Spitzenpolitiker müssen aktuell gleichzeitig hysterische Klorollen-Hamsterer und unvernünftige Corona-Party-Gänger zur Räson zu rufen. Was können Unternehmenslenker und Agenturchefs davon lernen?

Die Rolle sitzt: Mensch Merkel

Wie viele Abgesänge auf Angela Merkel haben Sie im Laufe der Jahre schon gelesen? In der Stunde der Krise zeigt die Kanzlerin allerdings, was sie immer noch drauf hat: In moderatem Ton trägt sie eine kluge Blut-, Schweiß- und Tränenrede vor. Sie verwendet einfache Sätze, klare Sätze. Beispiel: „Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst.“ Ungeschminkt und ohne zu verharmlosen beschreibt sie die Lage: „Ich weiß, wie dramatisch die Einschränkungen sind.“ oder „Die nächsten Wochen werden noch schwerer.“ Zudem zeigt sich die Kanzlerin von ihrer empathischen Seite: „Das sind nicht einfach abstrakte Zahlen in einer Statistik, sondern das ist ein Vater oder Großvater, eine Mutter oder Großmutter, eine Partnerin oder Partner.“ Merkel schafft es damit, nüchternes Rechenwerk in hochemotionale Bilder zu gießen, die mitten ins Herz treffen. Genau so geht gute Kommunikation!

Gleichzeitig hilft Angela Merkel die Situation anhand von Fakten einzuordnen und gibt klare Orientierung. Sie spricht von der „größten Herausforderung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.“ Und die sonst durch und durch rational wirkende Physikerin kann auch warmherzige Mutter der Nation sein, bedankt sich für ihre Verhältnisse fast temperamentvoll bei Pflegern und Ärzten und verabschiedet sich mit einem „Passen Sie gut auf sich und Ihre Lieben auf.“ WOW! Das berührt. Das ist für mich in warme Worte verpacktes Leadership. Die Kanzlerin zeigt Klarheit, Stärke und Empathie. In der Krise – und das gilt auch für die Welt der CEOs und Kommunikatoren – kommt es darauf an, ungeschminkt die Lage zu beschreiben, dabei Haltung zu bewahren, Einordnung zu geben, die Richtung zu weisen und dabei viel ehrliche Empathie zu zeigen. Funkspruch an alle: Auf der Brücke steht jemand, der – oder die – dem Sturm ins Auge blickt, nicht voller Angst, sondern voller Zutrauen. Gemeinsam mit der Besatzung wird das schwankende Schiff durch schwere See am Ende wieder in einen sicheren Hafen einfahren. Ganz bestimmt.

Die Macht der Inszenierung

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ist gelernter Journalist und ebenso wie Angela Merkel nicht gerade der Typ Volkstribun, dem die Herzen der Menschen einfach so zufliegen. Aber er denkt mehr als jeder andere Politiker in Deutschland in Geschichten und Bildern. Das kann zwar auch schon mal leicht daneben gehen und für Hohn und Spott sorgen. Im Streit um die Kruzifix-Pflicht in bayerischen Behörden etwa ließ sich der bayerische Ministerpräsident im grellen Licht mit einem Kreuz in der Hand ablichten. Eine Visualisierung, die irgendwie skurril wirkte und nicht nur einen seiner Amtskollegen eher an gruselige Vampirfilme erinnerte. Abgehakt. Im Krisenmodus punktet Söder instinktsicher. Beispielsweise jüngst beim Besuch des REWE-Zentrallagers, in dem er sich vor einer 12 Meter hohen Wand von Klopapierrollen fotografieren ließ. Sub-Botschaft: Der Mann kümmert sich um alles und zwar höchstpersönlich. Auch das ist eine Möglichkeit, um Empathie gepaart mit klarer Fokussierung zu zeigen: Wenn mitten in der größten Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ausgerechnet die Versorgung mit Klopapier das Aufregerthema Nummer eins für viele Menschen ist, dann kümmert sich der oberste Krisenmanager des Freistaats eben um Toilettenpapier. So viel Pragmatismus kommt an. Denn Markus Söder demonstriert damit etwas ganz Wichtiges: Er hört sehr genau zu und gibt Antworten auf Fragen – egal wie unsinnig diese auch sein mögen.

Gleichzeitig kann man von dem ehrgeizigen fränkischen Politiker noch etwas lernen: Zu echtem Leadership gehört es, nicht um jeden Preis gemocht zu werden. Söder will Chef im Ring sein, er gibt den Takt vor, er treibt an. Er zeigt klare Kante, kann unbequem sein, droht den Bürgern unverhohlen mit einer noch stärkeren Ausgangsbeschränkung. Gleichzeitig – und das ist entscheidend – präsentiert er bereits greifbare Lösungsansätze, während andere noch langatmig das Problem beschreiben. Gefühlt ist der Chef überall, kein Weg ist ihm zu weit. Einer muss schließlich da sein und er ist da: Genau da, wo er gebraucht wird. Bei so viel Präsenz fragt man sich manchmal, wie oft es diesen Markus Söder eigentlich gibt. In der Krise jedenfalls kommt dieser demonstrativ ungebremste Taten- und Schaffensdrang hervorragend an. Mögen die Herausforderungen noch so groß sein, der Mann hat immer einen Plan. Das schafft Vertrauen bei den nach Orientierung und Sicherheit irrlichternden Bürgerinnen und Bürgern. Die Medien überschlagen sich geradezu mit Lob für den „energischen Krisenmanager“, „den Kümmerer“, „den Anti-Viren-Politiker“. Merke – auch für die Agentur- und Wirtschaftslenker: Essentiell ist es in schweren Zeiten, einen Plan zu haben, ihn mit klugen Worten und starken Bildern verkaufsfähig zu machen und ihn dann vehement durchzusetzen. Klar. Konsequent. Stark.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei W&V.

 

2019 klopft bereits an die Tür – neues Jahr, neue Trends. Zum Ende des Jahres haben wir die Experten der Serviceplan Gruppe nach ihren persönlichen Trends für 2019 gefragt. Was neben Influencer Marketing, New Work und Nachhaltigkeit auf uns zukommen wird, erzählen die Kommunikationsprofis hier. Viel Spaß beim Lesen!

Scrum, Kanban, Design Thinking, Prototyping und Kollaboration sind Arbeitsweisen und -methoden, die ihren Ursprung im Produktdesign und der Softwareentwicklung haben. In den letzten Jahren fanden sie Eingang in die Entwicklung digitaler Plattformen, Produkte sowie Services. Nun erleben wir, wie sie auch die Arbeitsweise innerhalb von Kommunikationsagenturen in der Breite zu verändern beginnen: Zukünftig werden sowohl Kommunikationsstrategien, wie auch Kommunikationskampagnen und Maßnahmen immer häufiger kollaborativ – auch gemeinsam mit Kunden – in Sprints iterativ entworfen und konzipiert.

 

Dieser Beitrag ist ein Teil der Reihe Trends 2019 der Serviceplan Gruppe.

Wertschöpfungskiller Nr.1 ist Kommunikation. Zugegeben: eine gewagte These. Zumal sie aus der Feder einer Vertreterin der Kommunikationsbranche stammt. Doch was auf den ersten Blick gewagt klingt, lässt sich lupenrein begründen.

Dabei will ich mich gar nicht lange mit dem vordergründig Offensichtlichen, der Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden, aufhalten. Dass hin und wieder der Schuss gehörig nach hinten losgehen kann – weil man einfach sein Handwerkszeug nicht beherrschte oder schlichtweg vergessen hatte, die Brille des Kunden aufzusetzen – ist nichts Neues. Die stümperhafte Markenführung von Camel oder das Kitkat-PR Desaster von Nestlé stehen exemplarisch für viele weitere Beispiele.

Stattdessen will ich das Augenmerk auf drei weitere Kommunikationsfelder lenken, die deutlich weniger im Rampenlicht stehen. Und die ebenfalls einen signifikanten – aber stark unterschätzten – Einfluss auf die Wertschöpfungskraft eines Unternehmens haben.

1. Wenn zwei sich treffen und miteinander kommunizieren…

Betrachten wir zunächst die interpersonelle Ebene, d.h. die Kommunikation zwischen zwei Menschen. Klingt auf den ersten Blick banal? Ist es aber nicht! Denn spätestens seit Schulz von Thuns „4-Seiten-Modell“ (neben der Sachebene beeinflusst auch die Beziehungs-, Selbstoffenbarungs- und Appellebene die Qualität der Kommunikation) und Paul Watzlawicks „Konstruktion der Wirklichkeit“ (wir nehmen die Welt wie ein Vexierbild wahr) wissen wir, dass die zwischenmenschliche Kommunikation ein höchst komplexer Vorgang ist. Ein komplexer Vorgang, der oft genug schiefläuft – und Wertschöpfung im großen Stil vernichtet.

Diesen Zusammenhang hat Steven R. Covey bereits in den 80er Jahren in seinem Millionenbeststeller „7 habits of highly effective people“ erkannt und daher der interpersonellen Kommunikation einen hohen Stellenwert beigemessen: drei seiner sieben Effektivitäts-Gewohnheiten sind ausschließlich ihr gewidmet. So lautet beispielsweise Regel Nr. 5: „Erst verstehen, dann verstanden werden“.

Wir reden immer mehr, kommunizieren aber immer seltener

Doch gerade das aktive, zugewandte Zuhören als Teil einer effektiven interpersonellen Kommunikationsstrategie fällt uns kollektiv betrachtet immer schwerer. Wir reden zwar ständig und posten unentwegt – aber immer seltener gelingt es uns wahrhaftig wertschöpfend zu kommunizieren.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass viele New Work-Ansätze darauf abzielen interpersonelle Kommunikation im VUCA-Zeitalter wertschöpfender zu gestalten. Um nur zwei Beispiele zu nennen: das Tactical Meeting-Format ist eine höchst effiziente Vorgehensweise um wöchentliche Team-Jourfixe durchzuführen. Und die Retrospektive (Teil des Scrum-Regelwerks) hat zum Ziel, Wertschöpfungsbremsen im Prozess zu identifizieren und im Team entsprechend gegenzusteuern.

Kluge Unternehmens-Lenker stellen somit nicht erst heute sicher, dass das Niveau der interpersonellen Kommunikations-Skills in der gesamten Organisation hoch ist. Und inspirieren die gesamte Mannschaft, kritisch auf ihre Meeting-Formate zu blicken, um Wertschöpfungsfresser frühzeitig zu eliminieren.

2. Wenn zwei sich treffen und miteinander kommunizieren

Richtig, die Überschrift ist im Vergleich mit Punkt 1 unverändert geblieben. Denn vordergründig bleibt alles beim Alten, wenn man die Dimension „Organisation“ hinzunimmt. Doch weit gefehlt.

Jetzt kommen neue Kräfte ins Spiel, die an Wirksamkeit unterschätzt werden, da sie auf den ersten Blick unsichtbar sind. Eine Erkenntnis, die erst jetzt langsam im Top-Management Einzug erhält. Niklas Luhmanns Systemtheorie bietet ein hilfreiches Erklärungsmodell: ein soziales System ist ein geschlossenes System mit einem Eigenleben, das auf die einzelnen Menschen im System (in der Systemtheorie gelten sie als Umwelt) Einfluss ausübt. Somit besteht eine Organisation nur auf den ersten Blick aus Menschen – vielmehr beruht sie auf Kommunikation im systemtheoretischen Sinne.

Eine gerne verwendete Metapher zur Veranschaulichung von Luhmanns Systemtheorie ist das Brettspiel. Ohne die Spieler (d.h. Mitarbeiter) kann das Spiel zwar nicht gespielt werden, aber die Spieler fügen sich den Spielregeln, die das Spiel (sprich: die Organisation) vorgibt. Zu den Spielregeln der Organisation gehören die zahlreichen bekannten und noch zahlreicheren ungeschriebenen Gesetze, kulturellen Regeln und Glaubensätze, die sich seit Unternehmensgründung angesammelt haben. Sie sind die Leitplanken, innerhalb derer das Mögliche auf das Wahrscheinliche reduziert wird.

Mitarbeiter kommen und gehen – das einflussgebende System bleibt

Und jetzt wird es wirklich spannend, denn hier zeigt sich die Wirksamkeit dieses Erklärungsmodells: Wenn Sie sich von einem Mitarbeiter trennen und diesen durch einen neuen Mitarbeiter ersetzen, so lege ich meine Hand ins Feuer, dass Sie in den meisten Fällen ähnliche Verhaltensmuster wie zuvor auch beobachteten werden – und die Wahrscheinlichkeit steigt je größer das Unternehmen ist. Ganz einfach, weil nur die Umwelt und nicht das einflussgebende System verändert wurde.

Wenn es nun darum geht, Wertschöpfungsleistung zu erhöhen, hilft der systemtheoretische Ansatz insofern, als er einen differenzierten Blick auf Ursache und Wirkung erlaubt. Und er ruft in Erinnerung, dass es wenig bringt ausschließlich an den Symptomen (d.h. dem Verhalten von Mitarbeitern) zu doktern, sondern dass ebenfalls an den Ursachen (den Spielregeln, die das jeweilige Symptom hervorrufen) gearbeitet werden darf. D.h. Arbeit AM System anstatt IM System ist gefragt.

Arbeit AM System – und nicht IM System

Wer diese Zusammenhänge ignoriert, wird sich den Mund fusselig reden, zig Change-Programme initiieren oder die zentralen Köpfe austauschen können – die gewünschte Veränderung wird dennoch ausbleiben. Und spätestens jetzt wissen Sie auch, dass die sich aktuell häufenden „Brandbriefe“, in denen Vorstände z.T. öffentlich die Mitarbeiter für wertschöpfungsvernichtende Verhaltensweisen verantwortlich machen, verlorene Liebesmüh sind (was damit noch zerstört wird, steht auf einem anderen Blatt). Anstatt an den Formulierungen zu feilen bzgl. vermeintlicher Ursachen wäre die Energie und Zeit besser investiert, die Ursache hinter der Ursache zu erforschen.

3. Wenn zwei sich in mir treffen und miteinander kommunizieren

Ja, Sie haben richtig gelesen. Wir widmen uns nun der intrapersonellen Ebene, d.h. der Kommunikation in uns selbst. Keine Sorge, dies ist kein esoterischer Ansatz, sondern ein echter Wertschöpfungsfaktor.

Die Frage „Wer bin ich, und wenn ja wie viele?“, ist nicht nur der Bestsellertitel des Philosophen Richard David Precht, sondern beschreibt auch sehr plakativ das Konzept der Multiplizität der Persönlichkeit: Neben einem führenden Selbst existieren – oft unbewusst – diverse Persönlichkeitsanteile in uns, deren Gefühle, Glaubenssätze und Erinnerungen in unserem Gehirn fest verankert sind.

Auch wenn uns die unterschiedlichen Persönlichkeitsanteile (noch) nicht bekannt sind: sie wirken stetig in uns, treten emsig in Dialog zueinander und erhalten manchmal, abhängig von den äußeren Umständen, die Überhand. Dass ein sanftmütiger Mensch von einer Minute zur anderen explodiert und dabei sprichwörtlich viel Porzellan zerschlägt hat jeder schon einmal erlebt. Dann handelte nicht der erwachsene Mensch, den wir bislang gekannt haben, sondern das verletzte innere Kind oder der innere Rebell, der kurzzeitig das Ruder übernommen hat, weil ein äußerer Impuls diesen Persönlichkeitsanteil herausgefordert hat.

Das Management der inneren Persönlichkeitsanteile ist wichtig

Ein anderes Beispiel: das eigene Kopfkino verselbständigt sich und negative Gedankenroutinen spulen sich mehr oder weniger unbewusst im Dauerloop ab. Mit negativen Folgen für das eigene Energieniveau, die Auswahl möglicher Handlungsoptionen und in letzter Konsequenz für den persönlichen Wertschöpfungsbeitrag im Unternehmen.

Somit ist das erfolgreiche Management der inneren Persönlichkeitsanteile – das Bewusstwerden dieser und der professionelle Umgang mit ihnen – ein echter Wertschöpfungstreiber. Ich behaupte sogar: aufgrund seiner Hebelwirkung ist es einer der größten Wertschöpfungstreiber überhaupt, denn es beeinflusst signifikant die drei zuvor genannten Kommunikationsebenen.

Und im Zeitalter von VUCA und NEW WORK – wenn das bisher gewohnte Korsett aus vertrauten Routinen und Standards sowie Leitplanken vorgebenden Vorgesetzten wegfällt – werden unsere inneren Persönlichkeitsanteile stärker denn je herausgefordert. Somit wird auch diese Kommunikationsebene – alleine schon aus Eigeninteresse an einer robusten „bottom line“ – zunehmend mehr Topmanagement-Attention genießen.

Kehren wir zurück zur Eingangsthese: Kommunikation als fundamentaler Wertschöpfungskiller oder als signifikanter Wertschöpfungshebel – das ist hier die Frage. Abhängig davon wie hoch der Selbstreflexionsgrad aller Unternehmens-Stakeholder ist und welchen Stellenwert die vier Ebenen der Kommunikation im Topmanagement genießen, fällt die Münze der Wahrheit mal auf die eine, mal auf die andere Seite.

Weitsichtige Unternehmenslenker haben die beschriebenen Zusammenhänge längst erkannt und nutzen diese geschickt als Wettbewerbsvorteil. Herausragende Wertschöpfung ist der Lohn für ihren Mut.

 

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Am Abend des 25.1. veranstalten wir im Plan.Net Innovation Studio, das letzten Herbst eröffnet wurde, einen ersten Event. Der After Work XChange ist der erste einer Veranstaltungsreihe, die künftig im Innovation Studio stattfinden wird – immer zu einem anderen Thema. Damit wollen wir eine Plattform für all diejenigen bieten, die sich gerne mit neuen Technologien beschäftigen, Lust auf Austausch und Inspirationen haben und die Zukunft mitgestalten wollen.

Am 25.1. werden wir die Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz in der Marketing-Kommunikation aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und Chancen diskutiert. Ab 17:45 Uhr erwarten die Teilnehmer spannende Vorträge von den folgenden Referenten:

Prof. Dr. Simon Hegelich

Der TUM Professor verbindet in seiner Forschung Politikwissenschaft und Computerwissenschaft zu Political Data Science. Dabei geht es sowohl um Themen der Digitalisierung, deren politische Relevanz untersucht wird, als auch um klassische politikwissenschaftliche Fragen, die mit Methoden wie maschinellem Lernen, Data Mining, Computer Vision oder Simulationen bearbeitet werden.

In seinem Vortrag im Innovation Studio erläutert er den Weg von Machine Learning zu künstlicher Intelligenz.

Dr. Emma Haddi

Dr. Emma Haddi, Group Head Data Science Plan.Net Business Intelligence, stellt ihre Perspektive dar, wie künstliche Intelligenz im Marketing zu bewerten und anzuwenden ist

Michael Rau

Der Plan.Net Business Intelligence Geschäftsführer geht genauer auf die technologischen und organisatorischen Voraussetzungen für KI Anwendungen ein.

Marcus Ambrus

Marcus Ambrus, ebenfalls Geschäftsführer der Plan.Net Business Intelligence, zeigt ein konkretes Fallbeispiel aus der Marketing-Praxis, das den enormen Mehrwert und die disruptive Kraft von KI demonstriert.

Axel Milberg

Vielen als Tatort-Kommissar bekannt, wird Axel Milberg den offiziellen Teil des Abends mit seinen Gedanken über die Chancen der Sprachsteuerung in der Entertainment-Industrie aus der Sicht eines Schauspielers beenden.

Im Anschluss haben Sie die Chance in unserem Plan.Net Innovation Studio entsprechende Technologien und Prototypen selbst auszuprobieren.

Aufgrund der vielen Anmeldungen werden wir an dem Abend etwas zusammenrücken müssen. Wer noch nicht zugesagt hat, aber gerne dabei sein möchte, schreibt an innovationstudio@plan-net.com, warum er oder sie gerne dabei sein möchte. Die überzeugendsten Zuschriften bekommen noch ein Ticket und im Zweifel entscheidet das Los…

Saint Elmo’s zeigt in diesem Blogbeitrag auf, warum sich Kunden nach  Kommunikation sehnen, die mehr wie ein inhaltsgetriebener persönlicher Dialog abläuft, anstatt sich auf die Wiederholung reichweitengerechter Botschaften zu fokussieren. Werbemaßnahmen müssen heute so gestaltet werden, so die Aussage, dass sie sich wie ein persönliches Gespräch anfühlen.

Es ist soweit: Erstmalig hat auf der globalen Ebene der mobile (49,7 Prozent)  den Desktop Traffic (45,2 Prozent) überholt. (Mobile Traffic bezieht sich dabei vor allem auf Smartphones, da der Traffic von Tablets bei gerade einmal 5 Prozent liegt.) In Deutschland sieht das zwar noch etwas anders aus:  Der Desktop Traffic (62,8 Prozent) dominiert hier nach wie vor die Nutzung und Mobile liegt hier „lediglich“ bei etwa 30 Prozent. Mobile ist damit aber auch längst „massenmarkt-tauglich“. Nur die Werbe-Spendings für den Mobile Bereich haben mit einer Summe von ca. 518 Millionen Euro für das Jahr 2016 (Quelle: Nielsen) diese Entwicklung bei weitem nicht nachvollzogen.

Wie kann es sein, dass sich die rasant wachsenden mobilen Nutzungszahlen noch immer nicht in den Investitionen niederschlagen, wo doch die Stärken von Mobile längst bekannt sind? Kein anderes Medium ist so nah dran am Konsumenten wie das Mobiltelefon. Dies zeigt z.B. die Google „Mobile Moments Studie“, die besagt, dass 68 Prozent der Smartphone-Besitzer bereits 15 Minuten nach dem Aufstehen ihr Smartphone benutzen. Werbungstreibenden bieten Push-Funktionalitäten die Möglichkeit, aktiv den User anzusprechen und Konsumenten können z.B. durch Couponing Standortinformationen oder Öffnungszeiten direkt auf Zusatzinformationen hingewiesen werden. Das, um nur ein paar der Pluspunkte zu nennen.

Worauf es aber natürlich auch im Mobile Bereich ankommt, ist gut gemachte und auf das Medium angepasste Kreation. Laut einer Analyse von GfK  ist die Kreation der stärkste Faktor eines Kampagnenerfolgs. Nur damit gelingt es, relevante Botschaften an den Konsumenten zu transportieren.

Mobil schafft man dies eher mit Großformaten und weniger mit 6:1-Werbemitteln. Es bedarf aussagekräftiger Bilder sowie Texte, die kurz und klar formuliert sind. Videos sollten mit und ohne Ton funktionieren und sind für mobile Endgeräte so konzipiert, dass ihre Hauptbotschaft bereits in den ersten drei bis fünf Sekunden kommuniziert wird.

Leider werden im mobilen Bereich noch viel zu häufig dieselben Fehler gemacht wie zur Anfangszeit der Desktop-Kommunikation: Was früher das Pop-up war, ist heute der Overlayer auf dem Smartphone. Dabei kann aber auch ein Overlayer funktionieren, wenn er innovativ und gut gemacht ist – wenn er in Form von „shaken“, „vibirieren“ oder „wischen“ einen spielerischen Mehrwert mit sich bringt. Das muss aber durch Frequency Capping intelligent eingesetzt werden. Die beste Kreation verblasst sehr schnell, wenn der Konsument diese mehrfach am Tag wegklicken muss.

Wichtigste Regel in allen Lean-Forward-Kanälen ist es dabei, die aktive Nutzung des Users mit seinem Content nicht zu unterbrechen. Neueren, usability-konformen Formaten als hoch performante Alternativen zu Overlayer gelingt das. Die sogenannten „Parallax Ads“ bauen sich im Hintergrund mit dem Scrollvorgang langsam zu einem in den Content integrierten Werbemittel auf. Der Nutzer kann so mit seinem Content interagieren und verbindet diesen mit dem Werbemittel.

Und zu guter Letzt gilt natürlich immer: Mix it! Keine Mediengattung entfaltet ihre optimale Wirkung, wenn sie für sich alleine steht. Nur eingebaut in einem sinnvollen Media-Mix entfaltet jeder einzelne Kanal seine volle Wirkung.

Meine 5 Kernpunkte lauten deshalb:

  • Relevanz vs. Reaktanz: Relevanz in der Kommunikation ist gut, Vermeidung von Irrelevanz ist Pflicht.
  • Mix it! –  Kombinieren Sie Mobile Kampagnen beispielsweise mit weiteren lokalen Mediengattungen wie Digital Out-of-Home, um die lokale Reichweite weiter aufzubauen.
  • Think Big!  – 6:1 Formate sind nicht die Zukunft. Vielmehr sollte der unique Mehrwert ausgespielt werden und auf die Device-Größe angepasst werden.
  • Weniger ist Mehr!  –  Kreative Werbemittel beeinflussen das mobile Werbeerlebnis nachweislich positiv. Botschaften auf mobile Devices müssen noch reduzierter sein und speziell auf die Größe der Werbemittel angepasst werden.
  • Don’t disturb! – Der Nutzungsflow des Users sollte durch den Werbemittelkontakt nicht stark unterbrochen werden. Werbemittel sollten eher in den Content eingebunden sein.

 

Quellen:
  • StatCounter: Mobile überholt Desktop Traffic, Stand Februar 2017
  • Studie GFK: GfK Crossmedia Link / Zeitraum Jan. 2013 bis Jun. 2014 / TV Impact Benchmark / 906 Spots von 196 Marken

 

#keingeldfuerrechts hat für Schlagzeilen gesorgt und die ein oder andere Kommunikationsabteilung in Unternehmen gleichermaßen in Aufregung versetzt wie in der Folge dann die betreuenden Agenturen. Zusammengefasst hat ein Werber eine Initiative gestartet, Werbung auf rechtspopulistischen Seiten zu brandmarken und den Werbetreibenden den Spiegel vorzuhalten. Die einen fanden es gut, die anderen hielten es für unlauter und wiederum anderen sahen sich genötigt Kommentare wie „Wir müssen aufhören, unpolitisch zu sein“ genötigt.

Ich möchte die Aktion jetzt gar nicht bewerten, sondern auf die technische Seite der Medaille eingehen: Wie ist es möglich, dass meine Werbung ohne meine Kenntnis auf diese Seite kommt? In dem vorliegenden Fall dürfte es wohl vornehmlich über das Google Display Netzwerk zu ungewollten Einblendungen gekommen sein. Es hätte aber auch jedwede andere Demand-Side-Plattform (DSP) oder Rotation mit zugekauftem Traffic sein können.

Gleichzeitig würde ich jetzt aber auch nicht mit dem Finger nach Mountain View zeigen, denn die hauptsächlich monierten Seiten mögen Rechtspopulismus und alternative Fakten verbreiten, dass alleine macht sie jedoch noch nicht zu einer No-Go-Area. Vielmehr handelt es sich um eine Grauzone von deren Belegung wir grundsätzlich abraten würden, die jedoch nicht per se sittenwidrig ist oder einen Verstoß gegen die demokratische Grundordnung darstellt. Anders ausgedrückt: Bei pornografischem, eindeutig rechtsextremen oder illegalem Content (z. B. File-Sharing) fällt eine Klassifizierung deutlich leichter.

Wer sich als Marke nicht in der beschriebenen Grauzone rund um breitbart.com (und anderen dubiosen Umfeldern) sehen möchte, hat hierfür die Möglichkeit, Seiten explizit zu blacklisten oder zu whitelisten. Das ist zugegebenermaßen mühsam, aber man sollte sich die Arbeit bei Ersteinstellungen machen und sehr genau mit den Kunden abstimmen, welche Platzierungen noch akzeptabel und welche inakzeptabel sind.

So weit, so gut. Dennoch können auch bei den besten Einstellungen immer mal wieder neue Seiten auftauchen, die nicht mit den Markenwerten vereinbar sind. Ebenso werden in programmatischen Zeiten Buchungen vermehrt wieder an Unternetzwerke weitervermittelt oder komplett Dritten übertragen. Mit entsprechender Software kann ich – wenn auch teils nur ex post – solchen Platzierungen auf die Schliche kommen. Einen 100-prozentigen Schutz gibt es jedoch nicht. Aber was wäre die Alternative? Im Grunde alleine das Buchen reiner Tagesfestbelegungen oder handverlesene Einzelseiten. Dies wiederrum führt allerdings dazu, dass ich in punkto Reichweite und Mediaeffizienz massive Abstriche machen muss und eine Vielzahl von heute gängigen Targetings und Zielgruppensegmentierungen nicht nutzen kann. Zusammengefasst kann konstatiert werden: Es bleibt ein Restrisiko, aber mit den richtigen Voreinstellungen, einem konsequenten Listing und Monitoring sowie geschultem Planungsverstand kann ich dieses auf ein geringes Maß minimieren bzw. frühzeitig erkennen.

Facebook und die Fake News

Komplizierter wird es, wenn wir über die Inhalte sozialer Netzwerke und die in Mode gekommenen Fake-News sprechen. Natürlich fällt es leicht, mit dem erhobenen Zeigefinger auf Facebook zu zeigen. Es ist ja auch einfach zu fordern, so lange man es nicht selbst umsetzen muss. Dass Facebook lieber primäre weibliche Geschlechtsmerkmale als Waffen zensiert, mag noch ein berechtigter Vorwurf sein. Was aber nun Hetze und was Meinung ist, was lauter und was unlauter ist, ist nicht so leicht zu beantworten. Das nimmt die Sozialwerker keinesfalls aus der Pflicht und es hilft weiterhin Druck auszuüben. Wunder darf man indes keine erwarten. Dass ich im Raum des user-genierten Contents mit meiner Anzeigen neben xenophoben Undifferenziertheiten stehe, kann ich kaum verhindern. Auf redaktionellen Seiten sprechen wir von der Airline-Falle, die immer dann zuschnappt, wenn beispielsweise fliegende Kraniche neben einem Artikel zu einem Flugzeugabsturz auftauchen. Dies kann man jedoch immer noch leicht unterbinden, indem man die Werbung vorübergehend aussetzt. In sozialen Medien fließen Meinungen allerdings kontinuierlich und nicht punktuell. Somit kann ich sie nicht so einfach ausschalten bzw. identifizieren und klassifizieren. Das bedeutet, dass ich als Marke genauso damit leben muss wie mit dem nächsten Shitstorm der über mich hereinbricht, weil jemandem langweilig ist und festgestellt hat, dass seine Marmelade zu 95 Prozent aus künstlichen Cranberries und nicht aus künstlichen Kirschen besteht. Die einzige sichere Alternative gegen unliebsame Inhalte ist, soziale Medien zu meiden. Ich denke aber, dass die meisten Werbetreibenden dann auch hier richtigerweise die Chancen höher einschätzen als die Risiken. Es schadet in dieser Gemengelage jedoch nicht, ein geschärftes Problembewusstsein und im besten Fall ein Plan zu haben, wenn trotz aller Vorsicht die Empörungswelle anrollt. Denn eine gute Vorbereitung bewahrt einen zumindest vor Panik und Aktionismus.

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