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Digitale und virtuelle Erfahrungen verschmelzen zunehmend mit der realen Welt. Diese Entwicklung eröffnet Marketing- und Brandverantwortlichen völlig neue Möglichkeiten, mit ihren Kundinnen und Kunden in Kontakt zu treten und mit ihnen zu interagieren. Wie ein beeindruckendes, immersives Erlebnis in digitalen und virtuellen Räumen gelingt und warum Spatial Computing, Künstliche Intelligenz und die Blockchain-Technologie dabei wichtige Rollen spielen, schildern Sebastian Küpers, Chief Transformation Officer bei der Plan.Net Group sowie Managing Director der Plan.Net Studios, und Dr. Andreas Liebl, Managing Director und Gründer der appliedAI Initiative GmbH, im Gespräch mit Mario Zillmann von Lünendonk. Die beiden Unternehmen arbeiten im Rahmen von KI-Projekten für Kundinnen und Kunden partnerschaftlich zusammen.

Herr Küpers, Sie sind bei der Plan.Net Group für die großen Transformationsthemen zuständig, die derzeit alle Unternehmen betreffen, um zukünftig wettbewerbsfähig zu sein. Digitale Technologien nehmen dabei eine immer größere Rolle ein. Erklären Sie doch bitte einmal, was Sie unter Spatial Computing verstehen und wie sich die Unternehmens- und Markenkommunikation dadurch verändern wird.

Sebastian Küpers (SK): Die Ankündigung von Apple, mit der Vision Pro Anfang 2024 ein neues Device herauszubringen, hat dem Begriff Spatial Computing neues Leben eingehaucht. Generell existiert der Begriff aber schon über 20 Jahre. Im Kern geht es bei Spatial Computing um eine Technologie, die es ermöglicht, virtuelle und physische Welten und Nutzerinteraktionen nahtlos im dreidimensionalen Raum zu verschmelzen und damit ein neues, immersives Erlebnis zu bieten. Und dies völlig unabhängig von der Technologie: Spatial Experiences kann es nämlich auf einer Website, in einer mobilen App, auf einem Display am Point of Sale oder in Zukunft auf anderen Devices geben.

Meiner Ansicht nach ist das Spannende an Apples neuer Vision Pro gar nicht das Gerät an sich, sondern vielmehr das Betriebssystem und das damit verbundene Interaktionsparadigma – das stufenlose Reinzoomen: Man sieht ein Bild, zoomt hinein und steht plötzlich mittendrin.

Geben Sie uns doch mal bitte ein Beispiel.

SK: Gerne. Stellen Sie sich vor, Sie sehen sich Autobilder auf einer Webseite an und können plötzlich reinzoomen, bis Sie das Gefühl haben, Sie sitzen praktisch im Fahrzeug und erleben dieses räumlich. Das ist toll und bietet eine völlig neue Experience. Natürlich beschäftigen sich Menschen dann auch gerne mit einem solchen Content und verbringen auch mehr Zeit mit der Marke. Der positive Einfluss auf ein Erlebnis entsteht aber nicht nur beim Shoppen, sondern beispielsweise auch im B2B-Sektor, wenn es darum geht, komplexe Produkte greifbar darzustellen und erlebbar zu machen. Zudem haben wir festgestellt, dass sich Produkte während einer Spatial Experience besser verkaufen – wenn also beispielsweise ein Live-Konzert in einer immersiven Umgebung stattfindet.

Herr Dr. Liebl, schildern Sie bitte,wie KI unser Erleben und unsere Interaktion mit Marken schon heute beeinflusst und wie sich dies in Zukunft entwickeln wird. Wo liegen die Möglichkeiten und Vorteile für Marken in Bezug auf Spatial Computing oder eine neue Generation des Internets?

Dr. Andreas Liebl (AL):KI-Systeme ergänzen die Markenerfahrung um echte Interaktion und kreieren in Echtzeit neue, nicht einprogrammierte Inhalte. Die Interaktionen sind also nicht mehr vorgegeben, sondern entwickeln sich generativ, was die Qualität der Personalisierung und die der Interaktionen natürlich deutlich steigert.

Ich denke zwar nicht, dass „Browsing“ und „Search“ verschwinden werden. Aber Conversational wird einen starken Marktanteil einnehmen. Schon heute erleben wir eine Omnipräsenz der verschiedenen Conversational Interfaces. Wir sprechen mit Siri auf unseren iPhones, mit Alexa oder im Kundenservice mit einem virtuellen Assistenten oder KI-basierten Avatar. Ähnliches gilt für den B2B-Kontext. Die individuelle Exploration ist immens – angefangen von einem Maschinenbauhersteller, der ein virtuelles Interface zu Kundinnen und Kunden ermöglicht, um Anlagen zu bedienen oder zu warten, bis hin zu digitalem Content, der förmlich mit der Realität verschmilzt und Menschen Teil der Experience werden lässt.

Markenverantwortliche können vor allem von der möglichen Personalisierung profitieren, indem sie die KI entsprechend trainieren. In absehbarer Zeit hebt das die Markenerfahrung in eine neue Dimension.

Herr Küpers, wenn das Markenerlebnis bereits durch Spatial Computing und Künstliche Intelligenz eine neue Dimension erhält, welchen Nutzen kann da die Blockchain-Technologie Unternehmen in der Interaktion mit den Kundinnen und Kunden noch bieten?

SK: Während Spatial Computing und Künstliche Intelligenz sehr sichtbar für die Menschen sind, agiert Blockchain eher im Hintergrund.

Die Blockchain-Technologie punktet bei sogenannten Smart Contracts, indem sie automatisiert Verträge gestaltet und zusätzlich Interaktionen steuert. Ein Beispiel: Jemand kauft ein Produkt mit Garantie und der Kaufnachweis wird auf der Blockchain gespeichert. So kann die Käuferin oder der Käufer – ohne die Quittung aufzubewahren – digital nachweisen, dass sie oder er dieses Produkt besitzt. Darüber hinaus kann die Technologie im Smart Contract beispielsweise auch das Garantieversprechen vollautomatisiert einlösen und Geld zurückerstatten. Wenn der Kauf sogar an ein Loyalty-Programm geknüpft ist, könnte über den Smart Contract auch automatisch die Bonuszahlung veranlasst werden.

Wir gehen davon aus, dass hochautomatisierte Smart Contracts in Zukunft die Interaktion zwischen Marken und Konsumentinnen und Konsumenten immer stärker mitgestalten werden. Das betrifft insbesondere zusätzliche, an das Produkt gekoppelte Serviceleistungen. Die Menschen werden zukünftig mehr Belege in ihrer Wallet haben und davon automatisch profitieren.

Bitte erklären Sie uns genauer, wie die drei Themenbereiche Spatial Computing, Künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologie zusammenkommen. Was ist das Besondere an diesen Schnittstellen und wie wirken sie sich auf das Markenerlebnis aus?

SK: Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels schildern: Ich will ein neues Auto kaufen und benutze den Konfigurator, der mir zum einen ein räumliches Erlebnis der Automodelle und ihrer Konfiguration bietet. Dabei berät mich ein digitaler KI-Assistent, mit dem ich mich in natürlicher Sprache austausche und der mir hilft, gewisse Entscheidungen zu treffen –welches Leder oder welche Felge ich wählen könnte. Parallel gebe ich die Informationen aus meiner Wallet frei, wo alle meine Belege gespeichert sind. Das ermöglicht, dass mein Kauf- und Markenerlebnis zusätzlich personalisiert wird. So erfährt der Autohersteller vielleicht, dass ich schon einmal ein Auto der Marke hatte und gibt mir einen Preisnachlass.

Gerade in der Kombination aus allen drei Themen – Spatial Computing, Künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologie – entsteht ein ganz neues, immersives Kundenerlebnis. 

Für Spatial Computing oder die neue Generation des Internets werden AR-Brillen oder VR- und MR-Headsets gebraucht. Sie gelten nach wie vor als teuer und unpraktisch. Sind die Hürden nicht doch noch ein wenig zu hoch, damit eine breite Masse an Nutzerinnen und Nutzer täglich in digitale und virtuelle Räume eintaucht?

SK: Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass ein 3D-Erlebnis von AR-, VR- oder MR-Headsets abhängig sei. Spatial Experiences sind vielmehr Geräte-unabhängig und können über die verschiedensten Kontaktpunkte erlebt werden: beispielweise auf dem Handy, dem Tablet oder auf dem Laptop.

Davon abgesehen ist es nur eine Frage der Zeit, dass die Brillen oder Headsets wesentlich günstiger, einfacher verfügbar und in ihrer Anwendung immer simpler werden. Das haben wir beim iPhone, beim iPad oder auch bei der Apple Watch doch längst erlebt.

Was sollten Marketing- und Brandverantwortliche aus Ihrer Sicht heute schon tun, um sich auf die nächste Generation des Internets vorzubereiten und um ihren Kundinnen und Kunden gleich zu Beginn ein beeindruckendes, immersives Erlebnis in den neuen digitalen und virtuellen Räumen bieten zu können?

AL: Wir sollten uns vor Augen halten, dass nur zwei Monate nach dem Start von ChatGPT bereits hundert Millionen Menschen die KI nutzten. Der Reaktionszeitraum für Entscheiderinnen und Entscheider war also kurz. Darauf muss man sich vorbereiten und permanent am Ball bleiben. Denn KI ist nicht einfach eine weitere Software. Es sind Modelle, die auf Daten trainiert werden. Dabei besteht immer die Gefahr, dass KI beispielsweise offskript geht und außerhalb der gewünschten Bereiche antwortet. Es gilt unbedingt zu lernen, wie man mit diesen Systemen umgeht.

Auch wenn einige Technologien erst in ein oder zwei Jahren durchschlagen werden, empfehle ich jedem, jetzt zügig Erfahrungen zu sammeln.

SK: Absolut. Wenn man die ersten Schritte ins Spatial Computing gehen will, kann man schon auf der eigenen Webseite kleine Bereiche testen. Es geht ums Ausprobieren und Erleben – dass in dem Moment, wo jemand in ein Bild zoomt, ein räumliches Erlebnis entsteht.

Genauso mit KI: Man muss nicht gleich den alles könnenden Assistenten rund um die Marke bauen. Schon ein kleiner Use Case hilft, in dem man den Chatbot gezielt einsetzt und erste Erfahrungswerte sammelt: Worin liegen die Benefits eines intelligenten Assistenten?

Genauso ist es mit der Blockchain. Auch da geht es nicht um die eierlegende Wollmilchsau, sondern um erste Use Cases – gerade in den Feldern Loyalitätsprogramme oder Employer Branding–, die heute schon umsetzbar sind.

AL: Noch ein Tipp zum Schluss: Die Use Cases sind bestenfalls nicht nach dem Zufallsprinzip auszuwählen, sondern sollten sich systematisch mit Themen beschäftigen, bei denen man lernt und sich als Organisation weiterentwickelt.

Lünendonk: Herzlichen Dank für das Gespräch und die spannenden Insights.

Dieses Interview erschien zuerst im Rahmen der Lünendonk-Studie zum Markt für Digital Experience Services in Deutschland.

 „Wir machen uns mit KI überflüssig.“ Diese Kritik haben wir alle schon gehört. Kopf aus, Maschine an. Läuft es ab jetzt so? Natürlich nicht. Und das sollte uns die DMEXCO, das jährliche Treffen der Digitalbranche, bestätigen. Komprimiert auf 14 Bühnen haben am 20. und 21. September insgesamt mehr als 770 Speaker:innen ihre Insights geteilt. Die Message hatten alle gemeinsam: KI ist das Thema der Zukunft, das wir uns schon heute zu eigen machen müssen.

KI-Tools: Neue digitale Mitarbeiter

Aktuell gibt es noch eine große Diskrepanz zwischen dem Hype um KI und der tatsächlichen Nutzung: Nur 2 Prozent der deutschen Unternehmen verwenden Sprachmodelle und KI in internen Unternehmensprozessen, 13 Prozent experimentieren damit. Das reicht nicht – wenn man Innovationen schaffen will. Inhouse-Expert:innen, die fähig sind, Tools zu bewerten und zu integrieren, sind das neue Must. Stichwort Prompts: Dieses Zitat aus einem Vortrag trifft es auf den Punkt – und ist auch ein Appell an uns:

A fool with a tool is still a fool”

Um einen hochwertigen Output und eine inspirierende kreative Erweiterung zu generieren, ist das Schreiben guter Prompts maßgeblich. Durch die Verknüpfung mehrerer Tools erhalten komplexe Prozesse, wie die Ideenfindung oder Erstellung einer Marketingkampagne, damit einen unvergleichlichen Boost. Uns fiel auf: Die KI soll dabei nicht, wie so oft gemutmaßt wird, unsere Konkurrenz sein. Sie ist eher wie ein:e neue Mitarbeiter:in, die uns im Alltag unterstützt.

Eine Welt voller perfect matches

Immer Ads und Content sehen, die interessieren – KI macht es uns als Agenturen leichter, Nutzer:innen genau das zu bieten. Die Tools personalisieren Content und Werbung mit nur wenigen Prompts. Bei einem spannenden Praxisbeispiel wurden mithilfe von KI Werbemittel erstellt, bei denen sich das Testimonial und die Hintergrundszenerie jeweils an die Lebensrealität der Kund:innen angepasst haben. Dank der KI-Bilderstellung ließen sich so eine Vielzahl an Ad-Varianten generieren und auch gleich testen. On top brauchte es nur einen Bruchteil der Kosten.

Klingt erstmal ziemlich gut. Gleichzeitig fragen wir uns: Wenn wir immer exakt das sehen, was als passend berechnet wird oder was wir gerade suchen, verlieren wir dann nicht jegliche Inspiration? Und was muss der Content leisten, um sich von all der anderen personalisierten Informationsflut abzuheben? Hier macht der menschliche Input eben doch den Unterschied, nachdem die KI die Vorarbeit geleistet hat.

Alles künstlich – aber nicht unmenschlich

Ein weiteres spannendes Take-away: Durch Technik wird das Menschliche nicht ersetzt, der Wunsch danach wird sogar größer. Avatare geben einem Touchpoint einen menschlichen Anschein, treten in den Dialog und beraten, wo Kund:innen im Normalfall für Minuten in der Warteschlange hängen. Oder sie erleichtern die Anprobe beziehungsweise die Vorführung eines Produkts – nicht nur im B2C, sondern auch im B2B-Kontext eröffnen sich durch virtuelle Showrooms oder AR-Produktrealisierung spannende Möglichkeiten und eine neue Nähe zwischen Produkt und Zielpersonen.

KI klug integrieren: die rechtliche Sicht

Geben wir KI die Chance, Teil unseres Alltags zu werden, übernimmt sie viele Fleißaufgaben und schenkt uns Zeit fürs Fein-Tuning – wir arbeiten aber auch mit zahlreichen Daten, deren Ursprung wir noch nicht transparent nachvollziehen können. Ein wichtiges Watch-out, das wir mitgenommen haben: Urheberrechtsfragen sowie das Trainieren der KI mit (geschützten) Daten und das Prompten an sich sind noch unreguliert. Eine geplante EU-Verordnung für 2026 soll Klarheit für Kennzeichnungspflichten bringen.

Auch ethische Fragen spielen im Entwicklungsprozess eine wachsende Rolle: Herausforderungen des KI-Zeitalters wie Deep Fakes sind ein gutes Beispiel. Es braucht ID-Lösungen, mit denen die Identität jedes einzelnen geschützt und Identitätsdiebstahl verhindert werden kann. Daraus erwachsen ist das „Value-based Engineering“, ein Ansatz, der die Integration von Werten in den Entwicklungsprozess betont. Es erfolgt in drei Schritten: Technologieanalyse, Werteidentifikation und Definition von Systemanforderungen.

Was wir mitnehmen

Wir haben viele Antworten von der DMEXCO23 mitgenommen. Kopf aus, Maschine an? Gewiss nicht. Unsere Herausforderung als Agenturen ist es, uns schnell und stark zu verändern. KI ersetzt uns nicht, kann uns und unsere Arbeitsweise aber um Jahre nach vorne katapultieren, wenn wir sie jetzt richtig nutzen. Wer den Anschluss verpasst, wird stark abgehängt – und verschwindet.

Vergangene Woche war es wieder so weit: Die gesamte deutschsprachige Digitalszene kam für zwei Tage in Hamburg zusammen und feierte sich selbst auf der OMR, der größten deutschen Messe für das digitale Universum. Mit knapp 72.000 Besucher:innen war das Festival komplett ausverkauft und stieß dabei auch durchaus an die ein oder andere Kapazitätsgrenze. Auffällig: Namhafte Branchenexpert:innen wie Matthew Ball oder Scott Galloway und Kara Swisher, die 2022 noch auf der großen Conference Stage gesprochen haben, wurden dieses Jahr schmerzlich vermisst.

Unsere Key Insights:

1. Künstliche Intelligenz war wie erwartet eines der Fokusthemen auf der OMR. In Deutschland sind die technologischen Entwicklungen im Vergleich zu anderen Industrienationen wie China jedoch noch recht überschaubar. Die Mission: den Anschluss nicht verlieren. Wie wir das schaffen können? Durch gezielte Investitionen in KI, eine aktive Integration von KI in unser Bildungssystem und etwas Mut, auch mal Neues zu wagen.

2. Greenwashing und leere Versprechungen sind out. Denn Klima und Nachhaltigkeit betreffen uns alle – und es liegt in der Hand jedes und jeder Einzelnen, laut zu werden, sich gegen die großen Klimasünder unserer Zeit zu erheben und selbst für Transformation zu sorgen. Als Marke muss man klare Werte vertreten und für diese einstehen, auch wenn das ab und an für Gegenwind sorgen kann.

3. Vertrauen und Authentizität sind wichtige Grundeigenschaften der Gen-Z, die sie nicht nur untereinander schätzt, sondern das auch in der Kommunikation von und mit Brands erwartet. Plattformen wie TikTok, Snapchat und Reddit spielen hier eine wichtige Rolle, um Communities einen Platz zur freien Entfaltung zu liefern. Ein Tipp für Brands: Mit „unhinged content“, also polarisierenden und auch mal weniger brand-safen, dafür aber authentischen und unterhaltsamen Inhalten, die Herzen der User:innen gewinnen.

4. Apropos TikTok & Co.: Eine der spannendsten Thesen dieser OMR war die (Weiter-)Entwicklung von Social Media. Früher lag der Fokus der sozialen Plattformen tatsächlich auf dem „Social“-Aspekt, also dem persönlichen Austausch mit Freund:innen, Familie und Kolleg:innen. Stattdessen agieren die Big Player heute immer mehr als Distributionsplattform für Entertainment und Profi-Content von Creatorn, Stars – und natürlich für Werbung.

5. Gaming ist längst in der breiten Bevölkerung angekommen. Der nächste Schritt: Die Konvergenz von Gaming und (Live) Entertainment. Denn mussten in der Vergangenheit Konzerte in Fortnite noch aufwändig vorab produziert werden, so zeigt die Zukunft real-time Interaktionen in den Games selbst bzw. spezielle Anwendungen, die die Grenzen zwischen Games, Künstler:innen und der realen Welt weiter verschmelzen lassen.

6. Nicht die Marke oder das Produkt sollten im Vordergrund stehen, sondern die Konsument:innen selbst. Stichwort Omni-Channel Marketing und eine Vernetzung aller relevanten Touchpoints. Noch nie war es wichtiger für Brands, eine Beziehung zu ihren Käufer:innen aufzubauen und in Markenloyalität zu investieren. Der emotionale, echte Kontakt (besonders in Zeiten von KI) muss weiterhin im Fokus stehen, denn am Ende wird auch in der Customer Journey oft nach Emotionen entschieden: Nicht der Preis, sondern das Gefühl hat das letzte Wort.

7. Die Zukunft von Search wird geprägt sein von Sprachverarbeitung (maßgeblich beeinflusst durch KI). Search wird viele verschiedene Bereiche, beispielsweise visuelles Verstehen, aus den verschiedensten Datentöpfen miteinander verknüpfen.

Simone Jocham und Alex Turtschan, Mediaplus Innovation Team

Die SXSW ist seit vielen Jahren der Impulsgeber der digitalen Szene. Vor 14 Jahren wurde Twitter bei der South by Southwest mit einem Schlag groß und die Google Glasses fanden hier ihren Weg zu den ersten Testern. Das Event ist voll mit Prominenten, die sich auf der Eventbühne in Texas präsentieren und von ihren Visionen und Erfahrungen berichten. Dieses Jahr konnte das Event nur digital stattfinden, doch diese unglaubliche Energie, die das Event mit sich bringt, konnte dennoch jeder spüren. Thema waren unter anderem ethische Fragen zum Umgang mit Daten und Herausforderungen, die auf den Datenschutz zukommen werden. Hier meine drei persönlichen Key-Takeaways:

Pay me for my data

Datenschutz ist ein sehr komplexes Feld. Vielen Nutzern ist nicht klar, welche Daten über sie gewonnen werden und was mit diesen Daten passiert. In Deutschland sind Datenschutzverordnungen klarer definiert, Stichwort Consent Management, und werden besser überprüft als in den USA. Dennoch: Daten sind wertvolles Gut, das von Unternehmen für ihre Zwecke weiterverwendet wird.

Deshalb bezahlen Unternehmen wie streamlytics Nutzer für ihre Daten. Sie bekommen die Infos direkt von den Unternehmen und aggregieren sie zu wertvollen Nutzerprofilen. Und dafür werden die Nutzer entsprechend belohnt und können einsehen, welche Daten sie überhaupt produzieren. Je aktiver ein Profil ist, desto mehr bezahlt streamlytics und so kann ein Nutzer seine Daten für bis zu 1000 Dollar verkaufen.

„I encourage everyone to do a data request if you haven’t yet. The data is typically unusable to everyday people“ – Angela Benton

My Biometric Me

Bei der Erfassung von Daten werden vor allem biometrische Daten die nächsten Jahre die Technologie entscheidend prägen, die von KI ausgewertet werden können und bereits jetzt in unterschiedlichen Bereichen Verwendung finden. So können bereits jetzt Kameras unsere 45 Gesichtsmuskeln aufnehmen und verarbeiten, beispielsweise um lustige Filter zu erstellen oder um das Smart Phone zu entsperren. Im Bereich Smart Home können Daten dazu genutzt werden, die richtige Musik für die derzeitige Stimmung zu empfehlen. Über ein Armband werden der Blutdruck und die Herzfrequenz gemessen und ausgewertet und darauf basierend Empfehlungen zu Musik gemacht. Stellt das Armband am Morgen einen niedrigen Blutdruck fest, so wird es aktivierende Musik empfehlen, um in den Tag zu starten.

Abseits der Unterhaltung kann diese Technik auch in anderen Bereichen nützliche Verwendung finden. So können die biometrischen Daten dazu genutzt werden, um autistische Menschen mit Hilfe von Smart Glasses dabei zu unterstützen, die Emotionen des Gegenübers zu erkennen.

Das Erkennen von Emotionen und Mimik ist auch im Marketing bzw. Conversion Segment relevant, da die Emotion auf eine Interaktion ausgelesen werden kann. So kann die Technologie beispielsweise dafür genutzt werden, herauszufinden, welche emotionale Faktoren dafür ausschlaggebend sind, wann eine Kaufentscheidung getroffen wird – oder eben nicht. Hier stellt sich jedoch die Frage: Bis zu welchem Grad ist die Nutzung dieser Daten moralisch vertretbar und wie kann man vor Missbrauch dieser Daten sicher sein?

„Your body is part of a network called the You of Things, and that network is becoming sentient.“ – Amy Webb

Stay critical – be ethical – and innovate

Jeden Tag wird man mit einer Vielzahl an Informationen versorgt. Durch die Informationsflut wird es immer schwerer für den Einzelnen, zwischen Wahrheit und Fake News zu unterscheiden. Fake News gab es zwar schon lange vor den digitalen Plattformen, doch jetzt können sie in rasanter Geschwindigkeit verbreitet werden. Wir brauchen also eine Art Anti-Virus im Gehirn, der uns vor Manipulation schützt und uns dabei hilft, kritisch zu sein. Die ethische Diskussion in der Kommunikation oder Bereitstellung von Informationen wird gerne mit Fingerpointing an die großen Unternehmen abgegeben. Aber sollte nicht jeder Coder, jeder Designer ethischen Richtlinien folgen?

„I want an antivirus for the Brain“ – Yuval Harari

Mein neues Mantra: Put life – not humans – in the center!

Mein neues Mantra hat mir Bruce Mau mitgegeben, dass unsere Haltung als Designer grundlegend ändern sollte in Richtung einer ethischen und nachhaltigen Art und Weise:

Put life – not humans – in the center!

Das bedeutet, dass die Natur verstärkt in den Vordergrund gerückt werden sollte, da der Mensch ein Teil von ihr ist. Der Aspekt der Nachhaltigkeit muss daher eine essenzielle Rolle im Arbeitsalltag eines Designers spielen.

„The only way to make real change is to inspire, to show people a future more exciting than their past, and inspire them to work together on the journey.“ – Bruce Mau

Die Signale, die bei der SXSW gesetzt werden, sind maßgebend für die nächsten Jahre. Lasst sie uns gemeinsam gestalten!

Bald öffnen wir täglich wieder ein Türchen des Adventskalenders nach dem anderen. In fast der gleichen Schlagzahl gibt Google Aufkäufe und Partnerschaften mit den bedeutendsten Playern der wichtigsten Industrien und Branchen bekannt. Was das alles bedeutet und warum wir mal wieder Sesamstraße schauen sollten, erfahren Sie in den SEO-News für den Monat November.

BERT und ELMO aus der Schlaumeierfabrik

Die beste Schule für das Leben ist eine glückliche Kindheit. Mit 20 Jahren kaum der Pubertät entronnen, scheint sich jetzt auch Google auf diese allgemeingültige Lebensweisheit verständigt zu haben. Wie sonst lässt sich erklären, dass die Suchmaschine aus Mountain View für ihre neuen Kollegen aus der Abteilung künstliche Intelligenz ausgerechnet die Namen von Helden der Sesamstraße gewählt hat. Der Maschine helfen, den Menschen besser zu verstehen, das sollen nun also BERT und ELMO richten.

In beiden Fällen handelt es sich um Akronyme für digitale Ausprägungen von maschinellen Lernprozessen („Bidirectional Encoder Representations from Transformers“, bzw. „Embeddings from Language Models“). Was kompliziert klingt lässt sich wiederum mit weiteren kindlichen Analogien einfach beschreiben: Zum einen sprengt die menschliche Neugier selbst die Fähigkeiten von Googles imposanten Tech-Stack. Rund 15 Prozent alle Suchanfragen können nach Angaben des Unternehmens auch mehr als zwei Jahrzehnte nach Gründung der Suchmaschine nicht einmal im Ansatz verstanden werden. Die Erweiterung der Inputtechnologie von Text zu Sprache hat dieses Problem noch einmal deutlich verschärft. Zum anderen kann man der Komplexität von Sprache, Realität und Leben nur gerecht werden, wenn man den Lernprozess der Maschine organisiert, wie man die Erziehung eines Kindes angehen würde.

Das heißt, jede einzelne Äußerung einer Suchanfrage muss in ihrem Kontext betrachtet und verstanden werden. Nur so lässt sich die Treffgenauigkeit zuverlässig prognostizieren. Der neue BERT-Algorithmus versetzt Google in die Lage, unterschiedliche Intentionen einer Suchanfrage anhand von sprachlichen Konstruktionen und wechselnden Kontexten zuverlässiger zu identifizieren und den relevantesten Ergebnissen zuzuordnen. Im Wettbewerb der Künstlichen Intelligenzen ist dies ein entscheidender Schritt für Google, denn auch Facebook, Microsoft, Alibaba und Tencent sind nicht untätig auf diesem Gebiet.  

Für SEOs und Websitebetreiber ergeben sich daraus zwar keine unmittelbaren Veränderungen, im Hinblick auf Googles Vision der Bereitstellung einer allgegenwärtigen Orientierungs-, Lösungs- und Komfortmaschine ist BERT jedoch ein zukunftsweisender Wendepunkt.

Die Portalwerdung von Google

Auch wenn das Google-Motto der ersten 20 Jahre lautete: „Don’t be evil“, so scheint dem Suchmaschinenriesen aus Mountain View eine harte Zukunft bevor zu stehen. Es mehren sich öffentliche Stimmen, die offen ansprechen, was man durch die tägliche Nutzung der Suchmaschine und einen aufgeklärten Blick in die Spalten der Wirtschaftspresse schon länger hätte ahnen können: Google durchläuft derzeit eine rückwärtsgewandte Metamorphose von einer Suchmaschine zu einem guten alten Internetportal. Die Inflation sogenannter „No-click-searches“, also Suchanfragen, die auf Googles eigenen Seiten beantwortet werden und keinen organischen Traffic für Drittseiten mehr generieren, der aggressive Ausbau von Vertriebsverticals in Bereichen wie Reise, Medizin und Finanzen, sowie der bevorstehende Relaunch der Shopping-Sparte inklusive Zahlungsabwicklung mit Google-Garantie, lassen ahnen, wohin die Reise geht.

Stephen Kraus, CEO der Analysefirma Jumpshot hat Google anlässlich seines Vortrags auf der Konferenz „Transformation of Search“ jüngst den Titel „AOL des Jahres 2020“ verpasst (Minute 5:50 im Video). Auch SEO-Urgestein Rand Fishkin hat auf seiner Keynote der „SMX East“-Konferenz beklagt, dass sich die Branche in Zukunft darauf einzustellen habe, im Sinne ihrer Kunden gegen Google zu optimieren. Da sich die Suchmaschine statt wie bisher als Moderator und Zulieferer relevanten Traffics (und damit Umsatz), nun als Marktteilnehmer in fast allen Bereichen des Vertriebs von Produkten, Dienstleistungen und Informationen positioniert, steckt Marken in einer Art Gefangenendilemma, so Fishkin. Sie müssen sich entscheiden zwischen klickloser Sichtbarkeit oder Vermeidung der Konkurrenz in ungenutzten Keyword-Nischen. In beiden Fällen wäre das Ergebnis suboptimal.  

Fishkins Antwort auf diese Zwickmühle nennt sich „On-SERP-SEO“ und ist zu verstehen als eine Art Markenpflege auf Googles Suchergebnisseiten in Kombination mit breit gestreuten Awareness-Kampagnen. Die Konsequenz aus diesen Entwicklungen wird aber auch im Jahr 2020 nicht der heiß ersehnte ‚Tod von SEO‘ sein, sondern vielmehr ein Signal für den engeren Schulterschluss der Search-Branche mit klassischen Marketingkanälen, sowie die Notwendigkeit zur technologischen Professionalisierung und Automatisierung von SEO, um mit der gewachsenen Komplexität der Suchmaschine Schritt halten zu können. Google ist nicht über Nacht böse geworden, sondern einfach nur erwachsen.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei internetworld.de.

Jedes Unternehmen, jede Branche kann durch die neuen Technologien komplett umgekrempelt werden. Künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence) ermöglicht es, Ideen umzusetzen, deren Realisierung ohne sie aus Zeit- oder Ressourcengründen niemals in Erwägung gezogen worden wäre. Die Blockchain definiert das Thema Transparenz komplett neu. Sie macht ganze Herstellungsprozesse – wie den Weg von der Rebe bis zur Flasche in der Weinhandlung – komplett nachvollziehbar. Kryptowährungen schaffen eigene Werte- und Monetarisierungssysteme und können beispielsweise ganz neue Kundenbindungsprogramme ermöglichen. Das ABC der neuen Technologien wird die kommenden Jahre prägen. Beim vergangenen Best Brands College 2019 konnte ich noch tiefer in diese Themen einsteigen und viele spannende Erkenntnisse mitnehmen. „Wir müssen alle wieder zu Kindern werden und das ABC neu lernen“ – dieses Zitat von Dr. Fabio Zoffi von der ORS Group, den ich nach seinem Vortrag interviewt habe, ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Was es mit dem ABC der Zukunft auf sich hat, erklärt er im Video:

Die Welt mit Kinderaugen sehen

Bleiben wir beim Thema Kinder, zu dem der Neurowissenschaftler Dr. Henning Beck ein anschauliches Beispiel präsentierte: Zeigt man einem Kind ein Modellflugzeug und bringt ihm den Begriff „Flugzeug“ bei, dann kann es höchstwahrscheinlich nach diesem einen Kontakt überall Flugzeuge erkennen – auch solche in Originalgröße. Eine Künstliche Intelligenz, die mit Hilfe von Machine Learning trainiert wird, muss erst mit Tausenden von Bildern gefüttert werden, um anschließend Flugzeuge halbwegs zuverlässig zu identifizieren. Den Zusammenhang zwischen einem kleinen Modellflugzeug und einem riesigen Original wird sie nicht zwingend und sofort erkennen.

Wer nicht fragt, bleibt dumm

Das Motto aus dem Titellied der Sesamstraße trifft auf so viele Lebensbereiche zu und ist in Zeiten der Digitalisierung aktueller denn je. Wir müssen alle wieder zu Kindern werden und ganz neu anfangen zu lernen, um die „neue Welt“ zu begreifen. Dafür sollten wir so viele Fragen stellen wie möglich, neugierig bleiben und offen sein. Zudem – so Dr. Beck – sollten wir keine Angst vor Fehlern haben und wie das Kind, das gerade Laufen lernt, immer wieder aufstehen und es weiter probieren. Es ist an uns, die richtigen Fragen zu stellen: Wo kann uns Technologie wirklich helfen, etwas zu verbessern? Welche Fragen wollen wir mit Hilfe von KI beantworten? Welche Daten besitzen wir und welchen Wert stellen sie für uns dar? Welche Daten brauchen wir noch? Hier hat jedes Unternehmen und jede Branche ganz eigene Fragen. Jetzt ist es an der Zeit, sie zu formulieren.

Idee + Daten = Zukunft

Künstliche Intelligenz stellt keine Konkurrenz für die menschliche Intelligenz dar – auch wenn es der Begriff suggeriert. Denn „Maschinen sind dumm“ und menschliche Sprache ist für sie viel zu komplex, wenn man dem Vortrag der Aufsichtsrätin Dr. Anastassia Lauterbach, den sie beim Brands College 2019 hielt, glauben darf. Dafür können sie ganz andere Dinge viel besser, als das menschliche Gehirn: beispielsweise große Mengen an Daten in wenigen Minuten nach Mustern und Gemeinsamkeiten durchsuchen. Welche Daten sie durchsuchen, nach welchen Mustern und warum, diese Entscheidung liegt immer noch bei uns Menschen. Allerdings müssen wir erst einmal das neue ABC der Technologien buchstabieren können, damit wir auch die richtigen Fragen an die KI stellen.

„In der Mediaplanung können wir die einfachsten Fragen noch nicht schnell genug beantworten.“ Diese Einschätzung meines Kollegen Marcus Ambrus von Plan.Net Business Intelligence beim diesjährigen Best Brands College ist berechtigt. Wie verändert sich die Wirkung einer Kampagne, wenn wir statt Radio im Mediamix noch etwas TV dazu buchen? Oder in Fachmedien statt in Tageszeitungen Anzeigen schalten? Oder im Fernsehen das Programmumfeld wechseln? Was für den Menschen noch aufwändige Arbeit darstellt, kann eine Künstliche Intelligenz mit entsprechender Datenbasis in wenigen Minuten beantworten und, als Nebeneffekt, auch gleich den optimalen (weil effizientesten) Mediamix vorschlagen. Eine KI kann aber auch andere Dinge herausfinden – zum Beispiel den passendsten Werbemoment in einem Film oder einer Serie, vorausgesetzt man möchte Werbung nicht im Werbeblock, sondern thematisch passend ausspielen. So wird der Zuschauer nicht von Werbung aus dem Geschehen gerissen, denn der Werbespot harmoniert mit dem Inhalt und dem Stil des Formats.

Zukunftsmusik? Nein! Wie das konkret funktioniert, hat mir Dr. Annina Neumann, Vice President Data Technology von ProSiebenSat.1, im Interview verraten:

In welchen Bereichen KI unsere Arbeit als Mediaplaner und somit das Ergebnis für unsere Kunden bereichern kann, wurde beim Best Brands College ausführlich beleuchtet – hier die für mich wichtigsten Aspekte:

  1. Der Mensch hat Ideen, die KI macht die Fleißarbeit
    Auf die Idee, dass man Werbung mitten in einem Film oder in einer Serie an einer thematisch passenden Stelle schalten könnte, anstatt im Werbeblock, ist nicht der Computer gekommen, stellt Dr. Annina Neumann in ihrem Vortrag beim Best Brands College heraus. Aber die KI ermögliche es, tausende Stunden von Filmmaterial auf bestimmte Merkmale hin zu untersuchen, um den Spot an den richtigen Stellen platzieren zu können – eine Aufgabe, die viel zu viel Zeit verschlingen würde, wenn Menschen sie erledigen müssten.
  2. KI kann vieles, aber nicht alles
    Gemälde malen wie Rembrandt, Sonette dichten wie Shakespeare, Romane schreiben wie J. K. Rowling – während des Vortrags von Holger Volland, Vice President der Frankfurter Buchmesse und Gründer der Konferenz THE ARTS+, beschleicht einen das Gefühl, dass es kaum etwas gibt, was Künstliche Intelligenz nicht kann. Wir empfinden einem KI-generierten Gemälde gegenüber die gleichen Emotionen wie gegenüber dem Werk eines Menschen. Wir können laut Volland in unserer Reaktion auf ein Kunstwerk – egal, ob es ein Bild, ein Musikstück oder ein Text ist – nicht unterscheiden, ob es von Menschenhand oder im Prozessor einer Maschine erstellt wurde. Deshalb trauen wir der KI oft mehr zu, als sie eigentlich kann. Denn obwohl sie menschliche Werke studiert, die „Regeln“ daraus extrahiert und darauf basierend neue Werke erstellen kann, entwickelt sie keine neuen Ideen.
  3. Die Idee: Was den Menschen von der Maschine unterscheidet
    Der Vortrag von Dr. Henning Beck am Ende des Best Brands College ergänzte das Thema Kreativität von KI sehr eindringlich: Der Neurowissenschaftler erklärte, dass eine Maschine nur einen Output auf Basis eines Inputs erzeugen könne, aber keine eigenständige Idee. Eine Idee sei ein soziales Konstrukt, zu dem nur wir Menschen fähig seien: „Eine gute Idee ist erst dann eine gute Idee, wenn jemand sagt, dass es eine gute Idee ist!“ Maschinen könnten Muster und Regeln herausfiltern und sie anwenden, sie könnten aber keine Regeln brechen oder eigenständig neue Regeln aufstellen. Der Zeitpunkt der „technologischen Singularität“ ist noch lange nicht erreicht.

Diese Beispiele und viele andere zeigen, dass der Mensch und die Maschine sich gegenseitig perfekt ergänzen. Erst mit der neuen Rechenpower und den intelligenten Algorithmen wird es uns in der Mediaplanung möglich sein, viele Ideen in die Tat umzusetzen, die vorher aus Zeit- und Kapazitätsgründen gescheitert sind.

„Künstliche Intelligenz ist kein Technologie-, sondern ein Leadership-Thema!“ Das Zitat der internationalen Aufsichtsrätin Dr. Anastassia Lauterbach fasst die für mich persönlich wichtigste Erkenntnis unseres Best Brands College perfekt zusammen. Warum KI mehr ist als Rechenpower und Algorithmen, darüber informierten sich Marketing-Fachleute aus zahlreichen Unternehmen am Mittwoch, den 20. Februar 2019, bei uns im Haus der Kommunikation in München. Wir haben viel über die Einflüsse von KI auf die Kommunikationsbranche gelernt, einen intensiven Austausch gepflegt und jede Menge Impulse mitgenommen – ich für meinen Teil besonders durch die Interviews, die ich mit Frank Bachér, Geschäftsleiter Digitale Medien von RMS, und Holger Volland, Vice President der Frankfurter Buchmesse, führen durfte.

 

 

Neben den Insights aus den Interviews erscheinen mir vor allem folgende Punkte wichtig:

  1. KI kann Kreativität nur simulieren
    „Intelligenz bedeutet nichts anderes als die Regeln zu beherrschen und anzuwenden“, definierte Henning Beck. Und das kann auch eine Maschine. Daher ist es für Computer zwar möglich, Kunstwerke nachzuahmen, Musik anhand der Analyse vorhandener Musikstücke neu zu komponieren oder standardisierte Texte zu schreiben, wie Holger Volland, Vice President der Frankfurter Buchmesse, anhand eindrucksvoller Beispiele präsentierte. Was eine Maschine dagegen nicht kann: Regeln brechen, neue Regeln aufstellen, Dinge erforschen, improvisieren, Fehler machen und Gedanken denken, die noch niemand zuvor gedacht hat. Dies sind die Dinge, die nur wir Menschen können und die uns über die Rechenpower jeder Maschine stellen.
  2. KI verändert unsere Berufsbilder
    Der Tenor in vielen Vorträgen klang ähnlich: Wir sollten Künstliche Intelligenz nicht um ihrer selbst einführen oder weil wir auf Technologie stehen. Das wäre so wie die Sonnenbrille in der Disco – ganz cool, aber eigentlich total übertrieben und wenig lösungsorientiert. Sicher wird KI unseren Arbeitsalltag verändern. Ja, es kann sein, dass wir beispielsweise in ein paar Jahren keine LKW-Fahrer mehr brauchen, weil das autonome Fahren sie überflüssig macht. Dafür entstehen ganz andere, neue Berufsbilder durch die KI. Gänzlich unterschätzt wird der Aufwand an Humaner Intelligenz beispielsweise im Bereich der Datenaufbereitung. Wir alle wissen mittlerweile, dass die gängigste Methode des Machine Learning nur funktioniert, wenn der Computer mit Tausenden von Datensätzen gefüttert wird. Diese Datensätze müssen aber erst einmal von sogenannten „Machine Trainers“ bereinigt und in die richtige Form gebracht werden – ein Job, den nur Menschen übernehmen können. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass Lernen künftig ein Zustand ist, der uns unser ganzes Leben begleitet. Angst vor Veränderungen ist zwar verständlich, aber nicht hilfreich. Veränderungen bewusst mitzugestalten, setzt hingegen positive Energie frei.
  3. Computer stürzen ab, Gehirne nicht
    Wenn wir Erholung brauchen, müssen wir mal wieder herunterfahren und unseren Akku aufladen. Jemandem, der ausrastet, ist eine Sicherung durchgebrannt und wenn es in der Firma gut läuft, greift alles wie Zahnräder ineinander. Auch wenn unsere Redewendungen heutzutage vermuten lassen, dass Mensch und Maschine ziemlich ähnlich funktionieren, widerlegte das der Neurowissenschaftler Dr. Henning Beck in seiner Keynote zum Abschluss des Konferenztages auf eindrucksvolle Weise. Denn Mensch und Maschine unterscheiden sich darin, wie sie ein Problem lösen. Bei der Maschine erfolgt das immer nach dem Prinzip: Input – Verarbeitung – Output. Im menschlichen Gehirn dagegen geschieht eine komplexe Interaktion zahlreicher Zellen, die gemeinsam einen Gedanken bilden – ein Gedanke ist allerdings kein Output, sondern ein Konzept.

Alles in allem war das diesjährige Best Brands College ein sehr lehrreicher und interessanter Tag, der viele Mythen über Künstliche Intelligenz widerlegte und anschauliche Beispiele für den Einsatz im Marketing und der Mediaplanung zeigte. So werden uns das Thema Voice, das Frank Bachér von RMS vorgestellt hat, und die damit verbundenen, völlig neuen Werbemöglichkeiten sicher in Zukunft noch viel beschäftigen. Denn Sprachsteuerung sei die niedrigschwelligste Art und Weise, mit einem Computer zu interagieren, die es jemals gab.

Vor allem eine Botschaft ließ sich aus allen Vorträgen raushören: Habt keine Angst vor neuen technologischen Entwicklungen! Wir leben in einer spannenden Zeit, die viele positive Veränderungen hervorbringen wird. Nun ist es an uns, diese Botschaft in unsere Unternehmen zu tragen. Auch das ist eine Sache, die Künstliche Intelligenz heute noch nicht kann.

Es ist keine Frage mehr, ob künstliche Intelligenz (KI) kreativ sein kann. Die Frage lautet: Welche Bedeutung übernimmt KI künftig im kreativen Prozess? Wird sich Ihre Rolle auf die eines Werkzeugs vergleichbar mit der eines Pinsels oder eine Fotokamera beschränken? Oder wird sie zur Muse? Zum eigenständigen Schöpfer neuer Kreationen? Ersetzt sie vielleicht gar den Art Director? Und wann wird das sein?

Für meine KollegInnen kann ich – vorerst noch – Entwarnung geben. Aber sie sollten sich schon mal langsam mit Kollege KI anfreunden. Auch wenn die Entwicklung künstlicher Intelligenzen ihre Anfänge bereits in den 1950er Jahre hatte, ermöglichen erst heute die exponentielle Entwicklung der drei ABC-Faktoren, dass sie so richtig in Fahrt kommt: A wie Algorithmen, B wie Big Data und C wie Computerchips. Deshalb muss sich jede Branche und jedes Unternehmen die Frage stellen, wie die Umsetzung und Integration von Artificial Intelligence in unseren Arbeitsalltag geschehen soll.

Im Marketing konzentrieren sich die Anwendungsszenarien für KI bisher hauptsächlich auf die Bereiche Predictive Analytics (zum Beispiel für Empfehlungen in Online Shops), Personalisierung (zum Beispiel für die individualisierte Ansprache in Newslettern), der Nutzung von Sprachassistenten und der Automatisierung (beispielsweise in der Mediaplanung). Ein wichtiger Bereich des Marketings wird bisher meist komplett ausgeklammert: die Kreativität. Sie wird oft fest in Menschenhand gewähnt und als uneinnehmbare Bastion dargestellt. Raffinierte Wortspiele, Gedichte, rührselige Melodien, großartige Grafiken bzw. alles was mit Emotion zu tun hat, kann schließlich nicht in einer kalten Maschine via Prozessor entstehen – oder?

Zu sicher sollten wir uns da nicht sein. Denn es gibt schon heute zahlreiche Beispiele dafür, wie künstliche Intelligenz menschliche Kreativität unterstützen, erweitern oder sogar nachahmen kann. Und es werden täglich mehr.

KI kann schreiben

Welcher Journalist hat schon Lust, die immer gleichen Börsen-News, Sportergebnisse und Wetterberichte mühsam herunterzutippen? Kein Problem, mittlerweile können Maschinen solche Texte, die nach einem bestimmten Schema aufgebaut sind, übernehmen. Ohne, dass der Leser etwas davon merkt. Wer weiß, wann nach dem Robo-Journalismus auch die ersten Anzeigentexte von Maschinen (den Copy-Cads) verfasst werden?

KI kann sprechen

Adobe hat mit Photoshop nicht nur das wichtigste Programm zur Bildbearbeitung erstellt, sondern widmet sich auch der menschlichen Sprache: Adobe VoCo ist das Photoshop für Sprachdateien. Nachdem sie 20 Minuten einer Person beim Reden zugehört hat, kann die KI die Stimme komplett nachahmen. Nicht, indem sie Wortschnipsel zusammenschneidet, sondern komplett neue Wörter, die eingetippt werden, ausspricht.

KI kann komponieren

Ein Team der University of Toronto konnte eine KI so programmieren, dass sie Musik zum Mitsingen selbst komponieren und texten kann. Das Programm namens Neural Karaoke wurde mit über 100 Stunden Musik gefüttert und hat darauf ein komplettes Weihnachtslied inklusive Text und Cover-Grafik erstellt.

KI kann Bilder und Grafiken erstellen

Sogenannte Generative Adversarial Networks können verblüffend echte Bilder aus von Menschen geschriebenen Beschreibungen erstellen. Sie funktionieren grob gesagt so, dass ein „Generator“ zufallsgenerierte Bilder produziert, die dann von einem Diskriminator, der anhand von echten Bildern gelernt hat Objekte zu bestimmen, bewertet werden. Aus „Ein kleiner Vogel mit kurzem, spitzen, orangefarbenem Schnabel“ wird dann ein fotorealistisches Bild.

KI kann malen

Die KI Vincent des Produktdesign-Unternehmens Cambridge Consultants basiert ebenfalls auf Generative Adversarial Networks und hat die Stile der wichtigsten Maler des 19. und 20. Jahrhunderts studiert. Vincent lässt jede Skizze, die per Tablet gezeichnet wird, wie ein Gemälde eines bestimmten Renaissance-Künstlers aussehen.

KI kann Produktdesign

Das intelligente CAD-System Dreamcatcher von Autodesk kann tausende Designoptionen für ein Bauteil, beispielsweise aus Metall oder Kunststoff, mit denselben Funktionen generieren. Diese sehen dabei erstaunlich organisch und überhaupt nicht „mechanisch“ oder „logisch“ aus.

KI kann Videos drehen

Das kanadische Unternehmen Nvidia hat gemeinsam mit dem MIT Computer Science & Artificial Intelligence Laboratory eine Technologie entwickelt, die komplette hochauflösende Video-Sequenzen synthetisch herstellen kann. Die Videos mit einer Auflösung von 2K sind bis zu 30 Sekunden lang und können komplette Straßenszenen mit Autos, Häusern, Bäumen, etc. enthalten.

KI wird zum Art Director

Die Werbeagentur McCann Japan hat schon vor längerer Zeit eine KI als Creative Director „eingestellt“. AI-CD ß wurde mit preisgekrönter Werbung der letzten zehn Jahre gefüttert und hat daraus einen TV-Spot erstellt.

https://www.businessinsider.de/mccann-japans-ai-creative-director-creates-better-ads-than-a-human-2017-3?r=US&IR=T

Große Veränderungen beginnen mit kleinen Schritten

Was bedeutet das jetzt für uns? Vielleicht lachen wir heute noch über die Unzulänglichkeiten so mancher KI-Anwendung. Doch die Entwicklung verläuft exponentiell und die Fortschritte sind beeindruckend. Daher sollten wir jetzt damit anfangen, Vorurteile und Ängste abzubauen und uns zu überlegen, wie wir kreative Prozesse in Zukunft gestalten und welche Rolle wir der Künstlichen Intelligenz dabei geben wollen. Große Veränderungen lassen sich nicht auf einen Schlag implementieren, sondern am besten in viele kleine Schritte. Barrieren baut man am besten ab, indem man neue Technologien spielerisch ausprobiert und Erfahrungen sammelt. Ja, dafür muss man als Unternehmen Zeit und Ressourcen bereitstellen. Aber wer einmal mit einem kleinen Projekt beginnt und sich dann langsam vorantastet, bei dem sind die Erfolgsaussichten deutlich höher, langfristige Erfolge zu erzielen und vielleicht sogar die ein oder andere Entwicklung im KI-Bereich mitzugestalten.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Horizont.net.

Was haben ein Landwirt und ein Marketing-Manager gemeinsam? Sie nutzen künstliche Intelligenz, um ihre Aufgaben besser zu erledigen, als sie es je zuvor konnten. Bei der 17 Uhr Akademie von Plan.Net und Mediaplus am 08. Mai 2018 im Haus der Kommunikation München zeigte der Journalist und US-Sicherheitsexperte Jay Tuck faszinierende Beispiele dafür, wie KI schon heute eingesetzt wird. Martin Seitz von Plan.Net ging darauf ein, wie Unternehmen ihr Marketing auf die neuen Technologien umstellen können. Die folgenden Erkenntnisse aus den Vorträgen empfinde ich als besonders wichtig:

KI hat keine Strategie

Auch wenn es neu erscheint, begleitet uns das Thema Künstliche Intelligenz schon unser Leben lang – zumindest der Traum davon. Denn was wäre „2001: Odyssee im Weltraum“ ohne HAL 9000, der Knight Rider ohne KITT und John Connor ohne den Terminator? All diese fiktiven Figuren eint, dass sie sehr menschlich handeln und teilweise auch aussehen. In der Realität ist künstliche Intelligenz jedoch alles andere als menschlich: Sie ist eine komplexe Software, die sich selbst schreiben und updaten kann. Ihre Vorgehensweisen sind für den Menschen größtenteils nicht mehr nachvollziehbar. Der größte Unterschied zwischen Mensch und Maschine ist jedoch, dass die Maschine nicht so „denkt“ wie wir und keine Emotionen hat. Menschen machen Strategien und Pläne, Maschinen nicht. Ein gutes Beispiel dafür ist ein Saugroboter: Scheinbar willkürlich fährt er den ganzen Tag hin und her, knallt immer wieder gegen Hindernisse – doch am Ende des Tages ist alles sauber.

KI hat uns schon jetzt überholt

Maschinen wie der „Lettuce Bot“ können 1,5 Millionen Salatpflanzen auf dem Feld in der Stunde analysieren und jeder einzelnen Pflanze genau die richtige Menge an Pestiziden oder Düngemitteln zukommen lassen – mit 90 Aktionen in der Sekunde. Das bedeutet enorme Einsparungen für die Landwirte und eine große Entlastung für Böden und Grundwasser. Die Frage, wann die Maschine den Menschen überholen wird, können wir uns also beantworten: Sie hat uns bereits überholt. Was wir heute erleben, sind laut Tuck jedoch nur die ersten Babyschritte. Sein Fazit über den aktuellen Entwicklungsstand von KI: Wir sind weiter, als wir wissen.

KI implementieren heißt Ordnung schaffen

Dass die Implementierung von Marketing Automatisierung mit künstlicher Intelligenz in bereits etablierte Prozesse in Unternehmen nicht immer einfach ist, zeigte Martin Seitz, Geschäftsführer Plan.Net Business Intelligence. Die dafür notwendigen Daten seien zwar meist vorhanden, jedoch nicht einheitlich und im selben System erfasst, sondern in vielen einzelnen Silos und verschiedenen Formaten gespeichert. Denn Unternehmen wachsen organisch, bekommen immer neue Abteilungen dazu, die die für sie nötigen Daten auf die für sie praktikabelste Weise aufbewahren. Der erste Schritt zur KI im Marketing heißt in den meisten Fällen also: aufräumen.

Kreativität macht den Unterschied

Die scheinbare Übermacht der Maschinen warf eine Frage im Publikum auf: In welcher Hinsicht sind uns die Maschinen denn nicht überlegen? Laut Rechnungen von Mediaplus und Plan.Net konnte nachgewiesen werden, dass gute Kreation bei Werbekampagnen einen geschätzten Effizienzgewinn von durchschnittlich 32 Prozent erwirken kann – und kreativ im Sinne von „Think outside the box“ sind Maschinen nun einmal überhaupt nicht. Ein Fakt, auf den wir uns verstärkt konzentrieren sollten.