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Das House of Communication zieht um. Wir verabschieden uns mit einem weinenden, doch vor allen Dingen auch mit einem zuversichtlichen und  lachenden Auge. Die Agentur von morgen wird keine reine Arbeitsstätte mehr sein, sondern eine Begegnungsstätte. Ein Ort, zu dem die Menschen kommen wollen und nicht kommen müssen.

Wie war das noch gestern?

Ist das noch dieselbe Straße,
die ich schon seit vielen Jahren geh‘?

Was einmal war ist vorbei und vergessen und zählt nicht mehr
Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben
Nananananana

So lauten einige der ersten Zeilen des Hits von Jürgen
Marcus aus dem Jahre 1973. Und siehe da, dieses Lied ist nicht umsonst ein
Klassiker. Jede:r kann mitsingen, nicht nur, weil jede:r das Lied kennt,
sondern auch dieses untrügliche Gefühl, wenn eine Liebe endet und eine neue
beginnt.

22 Jahre haben das alte Münchner Pfandleihamt direkt am Königsplatz und wir, die Menschen der Serviceplan Gruppe, sich eine solide und liebevolle Beziehung aufgebaut. Aufregend war es, als man im Jahr 2000 einzog. Alles neu, alles spannend, mitten in der Stadt, die neueste Technik, man war im Liebestaumel. Wie das so ist, wenn man frisch zusammenkommt. Die Zeit der rosaroten Brille hat seine Berechtigung.

Die Jahre vergehen, man richtet sich ein, investiert gemeinsam,
baut an und entscheidet sich für Kunst an der Wand die wie Baselitz und Kiefer
und anderen Künstlern den individuellen Charakter unseres Zusammenseins widerspiegelt.
Der Alltag hält Einzug. Schmuddelecken werden zunehmend akzeptiert, die Kaffee-
und Tomatensoßenflecken verschmelzen mit der Wand, Bodenleisten laufen sich ab,
so ist das eben und den Teppich, den tauschen wir auch erst bei der nächsten
Komplettsanierung aus. Trotzdem fühlt man sich wohl, ja eigentlich ist es doch
ganz gemütlich in der gewohnten Umgebung. Man kennt sich gut, weiß, wie Haus
und Bewohner:innen ticken, was uns ausmacht, wie wir am besten zusammen
arbeiten. Solide und verlässlich in dem, was wir tun, in der Umgebung, die wir
kennen.

Doch wie das Leben so spielt, nichts ist beständig und große
Einschnitte im Leben treiben Entwicklungen schneller voran. Corona kam und
veränderte. Natürlich wussten wir schon vorher, dass diese Liebe zur Brienner
Straße unter professioneller Begleitung (Danke Combine, Facility, IT, HR und
viele weitere) enden würde und etwas Neues beginnt. Conscious Uncoupling – und
doch kam es nun anders als geplant. Homeoffice war Pflicht. Die Beziehung wurde
nicht durch sanftes Ausrollen, sondern durch die Handbremse gestoppt – bei
voller Fahrt.

Wir gehen fremd. Naja, sagen wir so, eine akzeptierte
Nebenbeziehung zu den eigenen 4 Wänden wird neu attribuiert. Arbeit findet nun
auch zu Hause statt. Das hat Konsequenzen. Insbesondere auf die Sicht der
letzten 22 Jahre. Man fängt an zu reflektieren: War dieses Haus überhaupt noch
das Richtige für uns? Hatten wir am Ende der Beziehung die nötigen Freiheiten,
um auch mal allein und in Ruhe fokussiert zu denken? Hat die Enge der Räume zu
Enge in unseren Köpfen geführt und uns unbemerkt die Luft zum Atmen, zum Kreativsein
genommen? Sind wir freiwillig im Homeoffice geblieben, obwohl wir gar nicht
mehr mussten, weil die Kaffeeflecken jetzt eben doch genervt haben und wir
realisiert haben, dass wir dieser Umgebung entwachsen sind? Hätten wir es
früher merken müssen?

Vielleicht. Fakt ist, wir haben uns eine neue Liebe gesucht.
Das ist ok, denn auch das Haus in der Brienner Straße ist schon wieder
vergeben. Wir ziehen aus und haben uns etwas gesucht, was unserer
Persönlichkeit und den neuen Bedürfnissen, verstärkt durch Corona, gerecht
werden kann.

Eine neue Beziehung im Werksviertel, nicht nur unter einem
gemeinsamen Dach, sondern auch in neuer Offenheit und mit neuer Dynamik. Diese
rosarote Brille, die setzen wir langsam und genussvoll auf, aber unserem Alter
und unserer Erfahrung entsprechend (ja, Serviceplan existiert schon 52 Jahre)
haben wir vorher offen besprochen, wie wir in Zukunft miteinander sein und
arbeiten wollen: In weiten, offenen Räumen, mit weniger Wänden und weniger
Begrenzungen. Wir nutzen noch mehr Inspiration inmitten von mehr
Begegnungsflächen, mehr Licht und mehr Transparenz. Mit noch mehr Austausch
untereinander.

Es gibt nicht mehr nur den einen Ort, an dem wir arbeiten. Wir
arbeiten weiterhin zuhause UND in der Agentur. Die Agentur bzw. Beziehung von
morgen ist daher keine reine Arbeitsstätte mehr, sie wird eine
Begegnungsstätte. Ein Ort, zu dem die Menschen kommen wollen und nicht kommen
müssen. Ein Ort, der nicht nur den Blick weitet, sondern auch das Herz. Nennt
man das schon offene Beziehung? Darüber sollen andere urteilen. Ich schließe
mit Marcus Jürgens:

Mir ist als ob ich durch dich
neu geboren wär

Heute fängt ein neues Leben an

Deine Liebe, die ist schuld
daran

Eine neue Liebe ist wie ein
neues Leben

Nananananana

Und eine Frage, die immer am Ende jeder Beziehung steht:

Wer bekommt jetzt den Baselitz und wer den Kiefer? Oder
ziehen beide mit in das neue Haus?

Der kurze Gang zum Schreibtisch der Kollegin. Der Tratsch in der Kaffeeküche. Die gemeinsame Raucherpause. Der Austausch beim Mittagessen. Ein gemeinsames Getränk zum Feierabend. Den Geburtstagstisch für den Kollegen vorbereiten. Spontane Kollaboration am Flipchart.

Ich arbeite, wie auch viele andere Menschen, seit März Corona-bedingt nahezu ausschließlich im Homeoffice. Wir alle haben uns mehr oder weniger gut daran gewöhnt, haben neue Erfahrungen gemacht, unsere Verhaltensweisen entsprechend angepasst, neue private und berufliche Routinen entwickelt und neue Werkzeuge, Formate und Arbeitsweisen kennengelernt und etabliert. Wir haben in den letzten Monaten gelernt, dass das Zusammenarbeiten von unterschiedlichen Standorten aus funktioniert und wir im Homeoffice nicht weniger produktiv sind. So bin ich der festen Überzeugung, dass wir auch in Zukunft einen mehr oder weniger großen Anteil unserer Arbeit remote – von Zuhause oder mobil – leisten werden. Je nach Anforderung, Wetter, persönlichem Gefühlszustand oder Arbeitsumständen.

Doch wie sieht es mit der Kultur innerhalb von Teams und Unternehmen aus, wenn wir uns nicht mehr oder nur noch selten persönlich über den Weg laufen oder gemeinsam Mittag essen? Untersuchungen sind sich einig, wie wichtig die Unternehmenskultur für die Zukunfts- und Leistungsfähigkeit von Unternehmen ist. Mitarbeitende brauchen sie für eine gute und effiziente Zusammenarbeit und ihr soziales Netzwerk. Während der Pandemie und im Homeoffice fällt es schwer, Unternehmenskultur auf die bisher bekannte Weise zu schaffen oder zu erhalten. Wir sehen uns nicht persönlich. Es gibt also keine reale Plattform für Kultur, wo sie teilweise auch wie von allein entstehen kann. Kultur ist in den eigenen vier Wänden auch nicht wie im Büro durch die Räumlichkeiten, Poster, Kollaborationsorte oder andere kulturelle Artefakte sichtbar und erlebbar. Aber diese Entwicklungen in Folge der Pandemie können auch eine große Chance sein, die eigene Unternehmenskultur zu überdenken, zu reflektieren und ein neues Kulturverständnis aufzubauen.

Durch Erfahrungen mit unseren Kunden, die wir bei Kulturaufbau und Kulturwandel begleiten, und den eigenen stetigen Kulturwandel bei der Serviceplan Consulting Group, haben wir vier Tipps und Impulse zur Unterstützung der Unternehmenskultur im Homeoffice gesammelt. Sie sind nicht ganz neu, aber im Remote-Kontext neu gedacht und relevanter denn je. Obwohl unsere Ideen keinen ganzheitlichen Kulturwandel oder Remote-Kulturaufbau ersetzen, regen sie im besten Fall zum Ausprobieren und Nachdenken an.

4 TIPPS FÜR EINE GUTE UNTERNEHMENSKULTUR IN HOMEOFFICE-ZEITEN:

Vertrauen statt Kontrolle

In der Remote-Kultur ist Vertrauen elementar, der Drang nach Kontrolle sollte endgültig der Vergangenheit angehören. Eine virtuelle Stechuhr oder die Überprüfung von Anwesenheit sind passé. Was in Zukunft zählt, ist das Ergebnis, statt geleisteter Arbeitsstunden. Ein hilfreicher Tipp ist, eine verlässliche Erreichbarkeit zu bestimmten Zeiten zu definieren.

Persönlichen Austausch ermöglichen     

Wir experimentieren mit Kunden und innerhalb der Serviceplan Consulting Group mit verschiedensten Austauschformaten und haben viel Freudedabei. Eher informelle Möglichkeiten, die sich bewährt haben, sind gemeinsame virtuelle Spaziergänge oder Mittagessen über MS Teams. Bei einem unserer Kunden haben wir ein Culture Roulette eingeführt. Wöchentlich werden hier jeweils zwei Personen (Führungskräfte sowie Mitarbeitende) zufällig einander zugelost, die sich dann zu einem informellen Austausch verabreden.                                                                       

Aber es sind auch unternehmensübergreifende Formate wichtig. Wir haben mit einer digitalen Version der Fishbowl sehr gute Erfahrungen gemacht. Sie ermöglicht Diskussionen innerhalb großer Gruppen und wir haben das Format genutzt, um über Kultur, Ängste und Sorgen der Mitarbeitenden zu sprechen und Feedback an Führungskräfte zu geben. Wichtig hierbei ist ein vertrauensvoller Rahmen. Diesen schafft man unter anderem durch gute Moderation, die strukturiert klare Gesprächsregeln schafft und durchsetzt und so sicherstellt, dass jede und jeder auf konstruktive Art und Weise sagen kann, was auf den Nägeln brennt.

Transparenz schaffen

Der Flurfunkt steht still oder ist auf wenige begrenzt. Wissen wird weniger informell ausgetauscht. Die Gefahr der Bildung von Wissenssilos wächst. Aus diesem Grund muss spätestens jetzt Transparenz in der Kommunikation sowie in der Verfügbarkeit von Wissen geschaffen werden. Mitarbeitende sind aktuell besonders verunsichert und Informationen helfen dabei, Unsicherheit zu reduzieren und besser einordnen zu können sowie Vertrauen aufzubauen. Eine Kultur der Transparenz bringt zudem über die Arbeit im Home-Office hinaus weitere Vorteile: Neue Mitarbeitende können beispielsweise einfacher integriert werden, da sie wissen, wo sie wichtige Informationen finden oder wer wofür zuständig ist. Die sonst unausgesprochenen Gesetze eines Teams werden nun transparent.

Bei der Serviceplan Consulting Group haben wir mit kurzen Daily Standups im Frühjahr angefangen, Transparenz zu schaffen. Inzwischen haben wir die Anzahl auf zwei Standups pro Woche reduziert und tauschen uns innerhalb dieser kurzen Meetings über aktuelle Themen aus, teilen persönliche „Fuck-ups“ und erhalten Corona-bezogene Informationen durch die Geschäftsführung.   

Netiquette und die richtigen Tools

Wir brauchen klare Regeln, um eine gute, erfolgreiche Kommunikation in Remote-Umgebungen aufrechtzuerhalten. Auch hier spielt die Kultur eine wichtige Rolle. In Workshops, Arbeitsmeetings und internen Abstimmungen haben wir beispielweise erlebt, wie wichtig es ist, die Kamera einzuschalten. So wird Nähe hergestellt und die wichtige nonverbale Kommunikation wird dadurch wieder sichtbar. Die eher unpersönliche Kommunikation über digitale Kanäle wird persönlicher. Und wenn wir selbst erleben, dass die Kommunikation mit Kamera besser wird, werden wir uns auch schnell daran gewöhnen.

Weiterhin braucht es Regeln für soziales Kommunikationsverhalten im digitalen Raum, auch Netiquette genannt. Hier können Regeln wie Meetingdauer, die Art der Chat-Nutzung oder Diskussionsstandards, wie z. B. dass man virtuell die Hand hebt, wenn man einen Redebeitrag leisten möchte, festgelegt werden. Um Chaos und Überforderung zu verhindern, werden dazu noch klare Leitlinien für die Nutzung digitaler Tools benötigt. Dabei gilt, weniger ist mehr. Also wenige ausgewählte Tools, die eine klare Aufgabe und Nutzungsfunktion haben. So nutzen wir beispielsweise für Kommunikation, Wissensmanagement, Meetings und Projektorganisation nahezu ausschließlich ein zentrales Tool (Microsoft Teams).

  

                               

Erfahrungen aus dem Einzelbüro. Und: Was jetzt zu tun ist. Und wie.

Beginnen wir mit dem, was wir alle am meisten vermissen – mit guten Nachrichten: Das in den Kanälen von Venedig ist kristallklar, seit die Touristen ausbleiben. Die meisten Venezianer sehen zum ersten Mal Fische und sogar Delfine in ihrer Stadt. In Peking guckt man nach oben und sieht: den Himmel. Jeden Tag, den ganzen Tag, morgen wieder. Wir schaffen es tatsächlich und entgegen allen Beteuerungen, einfach mal nicht nach Bali zu fliegen. (Nimm das, Klimawandel!) Und es geht noch weiter: In dem Haus, in dem ich lebe, wohnen auch Leute, die es vor einigen Wochen noch abgelehnt hatten, ein Paket für andere anzunehmen, die jetzt ältere Nachbarn fragen, ob sie ihnen etwas aus dem Supermarkt mitbringen können. Ich, zum Beispiel. Seriöse Medien gewinnen wieder an Einfluss, Fake-News werden gemeinsam bekämpft, selbstverliebte Mein-Urlaub-ist-schöner-als-deiner-Postings sind über Nacht verschwunden, Klopapierrollen werden an Bedürftige verschenkt. Hunderttausende von Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice erfahren, dass sich ein Arbeitsplatz oder eine Erfolgskultur nicht durch einen Tisch oder ein Eckbüro definieren und hochwertige Meetings nicht durch Kekse und Mineralwasserflaschen im 0,2-Liter-Format. Mein Sohn (3. Klasse) vermisst die Schule. Ich wiederhole: Mein! Sohn! Vermisst! Die Schule! Wir sind lernfähig, anpassungsfähig und schaffen es, grundlegende Verhaltensmuster innerhalb weniger Tage zu ändern. Ist das nicht schön? Stimmt einen das nicht hoffnungsfroh?

Geht so, ehrlich gesagt. Denn die Welt geht natürlich trotzdem unter. Covid-19 ist nicht mit einer normalen Grippe vergleichbar. Sondern eher mit einer Grippe, wenn Männer sie haben. Also wirklich schlimm. Und mit einer besonderen Nebenwirkung: Je mehr man sich damit beschäftigt, desto schlechter fühlt man sich. Um das zu untermauern gibt es mittlerweile zahlreiche sehr überzeugende Texte, Zahlen und Diagramme sowie Dr. Christian Drosten, den ersten Menschen, der für einen Podcast das Bundesverdienstkreuz bekommen wird. Ganz bestimmt. Und ganz zurecht. Obwohl er schon eins hat.

Dazu kommt: Wir leiden nicht nur unter einer Krise, sondern das Coronavirus infiziert jede Branche und jedes Thema. Es herrscht eine große Alles-Krise und es fühlt sich so an, als lebten wir in einem mittelmäßigen Horrorfilm. Wird alles wieder so sein wie vorher, wenn alles vorbei ist? Natürlich nicht. Amazon und Youporn werden Giganten sein, Toilettenpapier und Spülmaschinentabs werden Statussymbole unseres Wohlstands werden. Aber stecken nicht auch Chancen in der Krise so wie in jeder Krise? Klares Ja. Zumindest für alle, die es nach der Krise noch gibt.

Ich möchte mich nicht in die lange Liste all derer einreihen, die jetzt ganz genau wissen, was zu tun ist. Denn offen gestanden, weiß ich es auch nicht. Ich möchte aber gern einen Einblick geben in das, was passiert, wenn es passiert, welche Erfahrungen wir in unserer Firma gemacht haben und was wir daraus gelernt haben.

Eine Mitarbeiterin von uns war in Vorausgangsperren-Zeit samstags in der ‚Trompete‘ feiern. Normalerweise nichts Ungewöhnliches. Aber ihr Besuch an jenem Abend führte dazu, dass wir zehn Tage später in unserer 170-köpfigen Agentur in Berlin einen relativ frühen Corona-Fall hatten. Nichts zum Angeben. Das war vor fast vier Wochen, also in einem anderen Zeitalter. 50 Leute mussten in Sofort-Quarantäne, drei Millionen Fragen kamen auf, nur auf wenige gab es klare Antworten. Nach der anschließenden Krankenhausreinigung unserer Büroräume hätte man dort offene Brüche operieren können. Außerdem war die Digitalisierung unserer Arbeitsplätze abgeschlossen.

Kommunikationsagenturen erkannte man früher daran, dass sie sich selbst für die größten, besten, kühnsten hielten. Vor Corona genügte es, sich selbst geil zu finden. Heute gilt ein anderes Gesetz. Heute muss man liefern. Und das sieht so aus: Digitalisierung nicht nur predigen, sondern beherrschen. New Work nicht nur auf selbstklebende Zettel schreiben, sondern zulassen und organisieren. Transparenz nicht nur loben, sondern selber umsetzen. Mitarbeiter als erwachsene Menschen sehen und ihnen vertrauen. Loslassen. Springen. Und gleichzeitig da sein und führen. Das ist alles kein Widerspruch. Niemand hat etwas gegen eine klare Guidance und verlässliche Informationen. Das gilt nicht nur in Krisenzeiten. Die Reaktionen auf die Fernsehansprache unserer Bundeskanzlerin unterstreichen dies.

Bei mir funktioniert Homeoffice, wenn ich das Gefühl bekomme, alle anderen sind in der Agentur, nur ich nicht. Dabei hilft mir das mächtigste soziale Netzwerk, das es für uns als Agentur derzeit gibt: Microsoft Teams. (Natürlich gibt es lange Listen mit hunderten von Links zu supercoolen Tools, die womöglich noch viel besser sind. Aber wann, bitte, soll man sich mit all denen auseinandersetzen? Bei uns in der Agentur hat sich einer mal die Mühe gemacht, Teams ausgewählt und gut.) Wir arbeiteten schon vor Corona mit dieser Software. Denn sie erfüllt alle wichtigen Bedürfnisse: Meetings, Abstimmungen, Chats, Datei-Organisation. Ich kann sehen, wer woran arbeitet, wie der Stand ist usw. Es klappt prima. Von einem Strömungsabriss kann keine Rede sein. Wir machen sogar unsere wöchentlichen Management-Meetings per Teams mit 150 Teilnehmern rund um den Globus. Es waren mit die strukturiertesten und konzentriertesten Management-Meetings der letzten Jahre. Außerdem weiß ich jetzt, wie das Wohnzimmer von Giovanni aussieht, der in Mailand quasi im Hausarrest sitzt.

Es gilt allerdings, drei einfache Grundregeln zu beachten:

  1. Angesetzte Meetings finden statt. Niemand fehlt unentschuldigt.
  2. Je weniger Teilnehmer in einem Meeting, desto produktiver (ansonsten funktioniert es auch, ist aber umso wichtiger, dass einer das Meeting führt und moderiert).
  3. Wenn einer redet, sind die anderen bitte still.

Diese Regeln sind leicht zu merken, weil es dieselben sind wie sonst.

Die einzige Regel, die neu ist, ist Regel Nummer vier: Nehmt Rücksicht auf Eltern. Homeoffice mit Kind ist eine ganz andere Herausforderung, besonders wenn man in der Zeit auch noch einen vorgegebenen Lehrplan abarbeiten muss. Ich weiß von einem Kollegen, der zeitweise im Auto arbeitet. Habt Verständnis dafür, dass bei den betroffenen Eltern nicht jeder Tag so produktiv ist wie gewohnt. Und liebe Eltern, entspannt Euch. Es ist nicht schlimm, wenn bei der Videokonferenz im Hintergrund ein quengelndes, weinendes, kreischendes, ausflippendes oder hopsendes Kind zu sehen ist. Oder auch zwei oder drei davon. Und vergesst nicht: Heimtückischer Mord wird mit empfindlichen Freiheitsstrafen geahndet.

Homeoffice birgt natürlich auch Gefahren. Womit wir wieder bei mir wären. Die größte Gefahr: Ablenkung. Das Schreiben dieses Textes ist eine. Oder vorletzte Woche die einzige mir bekannte Sportveranstaltung, die dann noch stattfand.* Denn das war eine, die auch in normalen Zeiten die für mich spannendste wäre: das Kandidatenturnier in Jekaterinburg, dessen Sieger Herausforderer von Schachweltmeister Magnus Carlsen Ende diesen Jahres wird. Aus Protest dagegen, dass das Turnier gespielt wurde, hat Ex-Weltmeister Vladimir Kramnik seinen Auftritt als Kommentator bei chess24.com abgesagt. Und wer ist kurzfristig für ihn eingesprungen? Nein, nicht Dr. Drosten, sondern Weltmeister Magnus Carlsen himself. Man übertrage das bitte einmal auf seine persönliche Lieblingssportart. Mehr geht nicht. Ich wiederhole deshalb nochmal Regel Nummer eins: Meetings finden statt. Dazu gehört auch: Timings werden eingehalten. Sonst würde aus Homeoffice schnell ein „ich-mach-halt-so-ein-bisschen-was-Office“.

Ansonsten haben wir unsere Briefpost digitalisiert, unsere Hände wundgewaschen und empfohlen, mit dem Nägelkauen, Nasebohren und Rauchen aufzuhören. Es ist eine gute Gelegenheit. Unsere Agentur läuft genauso hochtourig wie vorher. Ich wage fast zu behaupten, dass das Zugehörigkeitsgefühl gewachsen und die Stimmung noch besser geworden ist. Dazu tragen auch tägliche Challenges bei wie „Wie sieht Euer Arbeitsplatz aus?“, „Wer hat welchen Blick aus dem Fenster?“ oder „Wie stellt Ihr die Kaffeequalität sicher?“. Es macht richtig Spaß. #HomeOfficeDerKommunikation #MyHomeIsMyHoc

Dann wären da noch die Kunden. Auch die wissen nicht, wie es weitergeht. Auch die machen sich Sorgen. Auch die überlegen sich, wie sie Kosten einsparen können. Auch die müssen im Homeoffice klarkommen (Wir haben schon mehrere Neugeschäftspräsentationen per Video gemacht. Überraschung: Es funktioniert.). Aber gibt es eine bessere Gelegenheit, die emotionale Ebene, das persönliche Vertrauen zu stärken als jetzt? Unser Job ist es, Kunden zu beraten und kreative, proaktive Lösungen zu entwickeln. Kunden sind selten so beratungsbedürftig wie jetzt. Bei all den Damoklesschwertern, die über uns hängen, ist das tatsächlich eine große Chance. Einfach mal anrufen. Dafür wurde das Telefon erfunden.

Aber ist das nicht alles unwichtig, wo wir doch alle eh bald unseren Job verlieren? Ich glaube, das Gegenteil ist richtig. Gerade jetzt ist all das ganz besonders wichtig. Das Feilen an Texten, das Abstimmen von Strategien und das Einbringen großer und kleiner Ideen. Der Kerngedanke ist: Es geht nicht um uns, sondern um die Frage, wie können wir unseren Kunden jetzt helfen?

Dr. Peter Haller, der Serviceplan vor 50 Jahren gegründet hat, sagte im Management-Meeting: „Das ist meine siebte Krise. Und auch die wird wieder vorbei gehen. Nach jeder Krise waren wir stärken als vorher. Und die Kunden, die auf uns gehört haben, auch. Entscheidend ist, dass wir jetzt folgendes tun:“. Was er dann gesagt hat, erzähle ich allerdings nur persönlich – also am Telefon, per Video oder im Chat.

P.S.: Beten hilft natürlich auch. Zum Beispiel dafür, dass das Internet nicht zusammenbricht.

*Das Turnier wurde inzwischen leider bzw. zum Glück auch unterbrochen.