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Welche Emotionen lösen Podcasts bei den Hörer:innen aus und wie kann man diese für die Markenkommunikation nutzen? Den geheimen Podcast-Code, den  Mediaplus gemeinsam mit september Strategie & Forschung und der University of Florida in einer gemeinsamen Grundlagenstudie entschlüsselt haben, verrieten Jens Barczewski (Mediaplus) und Prof. Dr. Lisa Wolter (iu International University ) nun auf dem BVM Kongress 2022.

Podcasts sind in aller Ohren. Jeder dritte Deutsche hört inzwischen mindestens einmal pro Woche Podcast. Das besagt der Online Audio Monitor der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). Tendenz steigend, auch was die Werbeumsätze angeht. Für 2022 geht der Bundesverband digitale Wirtschaft von einem weiteren Wachstum von über 20 Prozent für den gesamten Online-Audio-Bereich aus. Dies entspricht einem prognostizierten Gesamtumsatz von 110 Millionen Euro. Die Umsätze für Podcast-Werbung werden dabei mit 39 Millionen Euro und einem Anstieg von 30 Prozent überproportional besser abschneiden. Attraktiv für die Marketingkommunikation sind Podcasts deshalb, weil sie Nähe zu den Nutzern herstellen können und sich damit besonders für den Aufbau von Emotionen eignen. Das belegt eine Gemeinschaftsstudie  von Mediaplus, september Strategie & Forschung und der University of Florida zur emotionalen Wirkung von Podcasts, die die Forschungspartner Im Rahmen des bvm-Kongresses 2022 präsentiert haben.

Doch nur wer weiß, welche Emotionen er mit seiner Markenbotschaft auslösen will, und welche Podcasts genau diese Affekte erzeugen, kann das Audioformat genau wie andere Medien umfeldbasiert für seine Werbeplanung nutzen. Anhand einer genauen Emotionsanalyse wird erkennbar, an welchen Stellschrauben gedreht werden muss, um das Publikum und die potentiellen Kund:innen abzuholen. Aufgrund dessen stand im Fokus der innovativen Grundlagestudie, wie Podcasts wirken und welche Emotionen dabei eine Rolle spielen. Wo es um das Aufdecken von Emotionen und unbewusster Zustände oder Motive geht, stoßen klassische explizite Methoden der Markt- und Medienforschung wie Befragungen an ihre Grenzen. Was unbewusst wirkt, lässt sich auch nur auf unbewusster Ebene (implizit) ergründen. Für ihren „Emotional Check“ wählten die Forschenden ein mehrstufiges multimethodisches Studiendesign. Der gewählte Mixed-Methods-Ansatz der Untersuchung erlaubt eine Verknüpfung von Emotionsdaten und Marketing- und Media-KPIs und damit einen tiefergehenden Einblick, wie Unternehmen Podcasts strategisch für ihre Kommunikation einsetzen können. Unter die Lupe kamen Unterhaltungspodcasts (z.B. „Lästerschwestern“, „Fest & Flauschig“) ebenso wie Wissenspodcasts (unter anderem „Zeit Geschichte“ , „Lage der Nation“).

Insgesamt 100 Testpersonen ließen sich verkabeln. Wie sich Herzschlag (EKG), Hautleitwert (EDA), Gesichtsmuskeln (EMG) und Pulsvolumen (PVA) beim Hören der Audiobeiträge verändern, bildet die Basis für die Berechnung der sieben marktrelevanten emotionalen KPIs: Attraktion, Sympathie, Relevanz, Reflexion, Nähe, Vertrauen und Stress. In tiefenpsychologischen Interviews ermittelte das Forschungsteam im Anschluss, welche Emotionen hinter den körperlichen Reaktionen stecken. Explizite Daten aus dem von der University of Florida entwickelten Fragebogen wurden im Anschluss mit den implizit erhobenen Daten aggregiert. Auf Basis aller Erkenntnisse gab es dann eine deutschlandweite Repräsentativbefragung mit 900 Personen, um Podcasts hinsichtlich ihrer Marken- und Werbewahrnehmung sowie ihrer Rolle in der Consumer Journey zu bewerten.

Es zeigt sich: Podcasts können vielfältige Bedürfnisse erfüllen – abhängig von Tageszeit und gewünschter Stimmung sind sie mal Pausenfüller, Lebensbegleiter, Rückzugsoption von der visuellen Überreizung oder Einschlafhilfe. Da nur der Hörsinn angesprochen wird, bieten sie mehr Raum für Fantasie und werden konzentrierter wahrgenommen. Ob zur Unterhaltung oder zur Information – Podcasts liefern Emotionen auf Knopfdruck – stets zuverlässig, und doch komplett unverbindlich, denn ein Herauslösen aus der Story ist jederzeit möglich.

Ob als Begleiter und Freund oder moralischer Kompass – Podcasts vermitteln Nähe – und zugleich noch viel mehr. Auch andere emotionale Wirkungen können erzeugt werden (Attraktion, Sympathie, Relevanz, Reflexion, Vertrauen, Stress) – und zwar je nach Art des Podcast. Sympathie, Attraktion und vor allem Nähe werden besonders durch unterhaltungsbasierte Podcasts geweckt. Wissenspodcasts sind stärker durch Reflexion in ihrer Wirkung charakterisiert. Bei Unterhaltungs-Podcasts sind die emotionalen Wirkungen vielfältiger.

Dank eines hohen Erklärungsgehaltes der impliziten Daten können die Studienergebnisse als Orientierung dienen für eine umfeldorientierte Belegung der Werbeplattform Podcast. Um die Erwartungshaltung der Hörer:innen zu bedienen, liefert der „Emotional Check“ den “Emotional Code”, Er entschlüsselt, welche Emotionen mit der Werbebotschaft geweckt werden sollen und welche Podcast-Formate dies ermöglichen. Ein Grundstein für effektives Audio-Content-Design zur eigenen Markenprofilierung.

Dieses implizite Verfahren der Emotionsmessung funktioniert nicht nur für Podcasts. Vielmehr sind bereits alle Bewegtbild und auditiven Werbemittel evaluiert worden. Aktuell werden alle Mediengattungen in der „Emotion Engine“ gesammelt, um grundsätzliche Wirkungszusammenhänge evaluieren zu können. Dabei geht es nicht um Medienspezifische Playbooks, sondern vielmehr darum, jene Signale zu identifizieren, die einen entscheidenden Unterschied in der Wirkung erzeugen. Nur wer die Regeln kennt, kann sie wirkungsvoll brechen.

Im Zuge des rasanten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels auf der Welt nimmt auch der Individualismus allerorten zu – vor allem in den großen Wachstumsmärkten, wo bisher eine eher kollektivistische Mentalität vorherrschte. Treiber dieser Veränderung sind in weiten Teilen der Welt steigende Einkommen und eine expandierende Mittelschicht. Die Konsumenten genießen es, endlich mit Europa und Nordamerika gleichzuziehen. Sie wollen anregende und faszinierende Erfahrungen sammeln. Einstmals unerfüllbare Träume holen sie intensiv nach. Mit dem verfügbaren Einkommen wachsen die Ansprüche und das Streben nach Unabhängigkeit. Neben rein funktionalen Aspekten geben jetzt auch emotionale Faktoren immer stärker den Ausschlag für einen Konsum, mit dem man beispielsweise den eigenen gesellschaftlichen Status demonstrieren, den individuellen Geschmack ausleben und sich als Teil des „globalen Dorfes“ fühlen kann. Doch nach wie vor variiert das Niveau des Individualismus von Land zu Land. Eine erfolgreiche Differenzierung der Marke muss folglich auf diese Faktoren eingehen, wenn der internationale Markenaufbau gelingen soll. Wie das geht, ist im Detail nachzulesen in unserer Springer-Neuerscheinung „Erfolgreicher Markenaufbau in den großen Emerging Markets“ (Autoren: Niklas Schaffmeister, Managing Partner Globeone, und Florian Haller, CEO Serviceplan Gruppe).

Kein Widerspruch: Emotionalität und Funktionalität müssen Hand in Hand gehen

Marketingwissenschaftler und Manager wissen bereits seit einiger Zeit, dass eine erfolgreiche Markendifferenzierung auch über die Emotionalisierung der Marke geschieht, die den Trend zum Individualismus adressiert. Die emotionalen Vorteile, die der Konsum einer Marke verspricht, müssen so mit der Markenidentität verknüpft werden, dass sie das Selbstverständnis der Zielgruppe reflektieren. Wie Menschen verfügen Marken über eine Identität, die sich aus Persönlichkeitsmerkmalen, Werten, einer Vision, Kompetenzen und der Markenherkunft zusammensetzt. Dabei kommt es darauf an, die emotionalen Persönlichkeitsmerkmale in die funktionalen Vorzüge, die mit einer Marke assoziiert werden, zu integrieren. Die richtige Uhr soll nicht nur schön aussehen, passen und zuverlässig funktionieren, sondern auch die Persönlichkeit des Trägers betonen. Die ideale Damenhandtasche soll nicht nur leicht zu tragen sein, sondern auch die modische Individualität der Frau unterstreichen. Gerade in Branchen, in denen die Möglichkeiten einer funktionellen Differenzierung ausgereizt sind, kann die emotionale Differenzierung den entscheidenden Punkt gegen die Konkurrenz setzen.

Wie Adidas seinen Marktanteil im Damengeschäft steigerte

Als einer der führenden Sportmarken in China stand Adidas vor der Herausforderung, dass sich die chinesischen Verbraucherinnen immer weniger von der eher maskulin ausgerichteten Markenkommunikation der Sportartikelhersteller angesprochen fühlten. Marktumfragen hatten gezeigt, dass chinesische Verbraucherinnen stattdessen bei sportlichen Aktivitäten vielmehr auf den Faktor Spaß und Bindungskraft setzten – also das gemeinsame Erlebnis mit Bekannten und Freunden. Mit der „all in for #mygirls“-Kampagne entwickelte Adidas deshalb eine Kampagne, die darauf abzielte, diesen hohen Stellenwert von Freundschaft in der Markenkommunikation zu nutzen. Die Kampagne kommunizierte den Spaß, die Bindungskraft und auch den „Coolness“-Faktor von Sport. Botschaften, die das Wir-Gefühl in den Vordergrund rückten, standen im Zentrum der Kampagne. Mit der in China bekannten Sängerin Hebe konnte Adidas zudem eine öffentlichkeitswirksame Markenbotschafterin gewinnen, die mit ihrer Leidenschaft für Sport und Tanzen in der Zielgruppe gut ankam. In den Werbespots zur Kampagne wurde Hebe mit ihren „Schwestern“ inszeniert, d.h. mit Frauen, die gemeinschaftlich Sport ausübten. Die Fernsehspots endeten alle damit, dass Hebe auffordernd direkt in die Kamera sprach: „Das sind meine Schwestern, was ist mit deinen Schwestern?“ Die Kampagne, die crossmedial ausgespielt und von verschiedenen Events begleitet wurde, führte in der Damenkategorie von Adidas zu einem Verkaufsanstieg von 40% und inspirierte darüber hinaus chinesische Verbraucherinnen tatsächlich verstärkt zu sportlichen Aktivitäten (Untersuchungen haben einen Anstieg von 3,45% gemessen).

Die Gelegenheit für Prestigemarken

Gerade in den größeren Wachstumsmärkten genießen ausländische Marken grundsätzlich einen Vorteil: Aufgrund ihrer Reputation wird ihnen in der Regel eher zugetraut, die emotionalen Bedürfnisse unter den Verbrauchern zu bedienen. Ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein oder der Wille zur Selbstdarstellung und Selbstentfaltung fördern unter den Verbrauchern eine emotionale Erwartungshaltung gegenüber diesen Marken. Haltbarkeit, gute Qualität und Funktionalität sind zwar weiterhin wichtige Kriterien, aber sie werden zunehmend durch Faktoren wie attraktives Design und andere Aspekte, die dem persönlichen Genuss dienen, ergänzt. Dieses Phänomen variiert von Verbrauchersegment zu Verbrauchersegment: Insbesondere bei jüngeren Generationen, die mit den sozialen Medien aufgewachsen sind, sowie in besserverdienenden Schichten lässt sich dieser Individualisierungstrend und das damit wachsende Bedürfnis nach einer emotionalen Ansprache beobachten.

Die weltweite Individualisierungstendenz markiert damit einen Paradigmenwechsel in der Markenkommunikation. Die stark faktenorientierte Produktkommunikation wird im Idealfall noch um ein Faszinationslevel ergänzt, das die Emotionen der Verbraucher anspricht. Vor diesem Hintergrund definieren immer mehr Unternehmen einen Purpose – also einen höheren Unternehmenszweck – für ihre Markenkommunikation, der genau dieses Faszinationslevel abdecken soll.