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Digitale und virtuelle Erfahrungen verschmelzen zunehmend mit der realen Welt. Diese Entwicklung eröffnet Marketing- und Brandverantwortlichen völlig neue Möglichkeiten, mit ihren Kundinnen und Kunden in Kontakt zu treten und mit ihnen zu interagieren. Wie ein beeindruckendes, immersives Erlebnis in digitalen und virtuellen Räumen gelingt und warum Spatial Computing, Künstliche Intelligenz und die Blockchain-Technologie dabei wichtige Rollen spielen, schildern Sebastian Küpers, Chief Transformation Officer bei der Plan.Net Group sowie Managing Director der Plan.Net Studios, und Dr. Andreas Liebl, Managing Director und Gründer der appliedAI Initiative GmbH, im Gespräch mit Mario Zillmann von Lünendonk. Die beiden Unternehmen arbeiten im Rahmen von KI-Projekten für Kundinnen und Kunden partnerschaftlich zusammen.

Herr Küpers, Sie sind bei der Plan.Net Group für die großen Transformationsthemen zuständig, die derzeit alle Unternehmen betreffen, um zukünftig wettbewerbsfähig zu sein. Digitale Technologien nehmen dabei eine immer größere Rolle ein. Erklären Sie doch bitte einmal, was Sie unter Spatial Computing verstehen und wie sich die Unternehmens- und Markenkommunikation dadurch verändern wird.

Sebastian Küpers (SK): Die Ankündigung von Apple, mit der Vision Pro Anfang 2024 ein neues Device herauszubringen, hat dem Begriff Spatial Computing neues Leben eingehaucht. Generell existiert der Begriff aber schon über 20 Jahre. Im Kern geht es bei Spatial Computing um eine Technologie, die es ermöglicht, virtuelle und physische Welten und Nutzerinteraktionen nahtlos im dreidimensionalen Raum zu verschmelzen und damit ein neues, immersives Erlebnis zu bieten. Und dies völlig unabhängig von der Technologie: Spatial Experiences kann es nämlich auf einer Website, in einer mobilen App, auf einem Display am Point of Sale oder in Zukunft auf anderen Devices geben.

Meiner Ansicht nach ist das Spannende an Apples neuer Vision Pro gar nicht das Gerät an sich, sondern vielmehr das Betriebssystem und das damit verbundene Interaktionsparadigma – das stufenlose Reinzoomen: Man sieht ein Bild, zoomt hinein und steht plötzlich mittendrin.

Geben Sie uns doch mal bitte ein Beispiel.

SK: Gerne. Stellen Sie sich vor, Sie sehen sich Autobilder auf einer Webseite an und können plötzlich reinzoomen, bis Sie das Gefühl haben, Sie sitzen praktisch im Fahrzeug und erleben dieses räumlich. Das ist toll und bietet eine völlig neue Experience. Natürlich beschäftigen sich Menschen dann auch gerne mit einem solchen Content und verbringen auch mehr Zeit mit der Marke. Der positive Einfluss auf ein Erlebnis entsteht aber nicht nur beim Shoppen, sondern beispielsweise auch im B2B-Sektor, wenn es darum geht, komplexe Produkte greifbar darzustellen und erlebbar zu machen. Zudem haben wir festgestellt, dass sich Produkte während einer Spatial Experience besser verkaufen – wenn also beispielsweise ein Live-Konzert in einer immersiven Umgebung stattfindet.

Herr Dr. Liebl, schildern Sie bitte,wie KI unser Erleben und unsere Interaktion mit Marken schon heute beeinflusst und wie sich dies in Zukunft entwickeln wird. Wo liegen die Möglichkeiten und Vorteile für Marken in Bezug auf Spatial Computing oder eine neue Generation des Internets?

Dr. Andreas Liebl (AL):KI-Systeme ergänzen die Markenerfahrung um echte Interaktion und kreieren in Echtzeit neue, nicht einprogrammierte Inhalte. Die Interaktionen sind also nicht mehr vorgegeben, sondern entwickeln sich generativ, was die Qualität der Personalisierung und die der Interaktionen natürlich deutlich steigert.

Ich denke zwar nicht, dass „Browsing“ und „Search“ verschwinden werden. Aber Conversational wird einen starken Marktanteil einnehmen. Schon heute erleben wir eine Omnipräsenz der verschiedenen Conversational Interfaces. Wir sprechen mit Siri auf unseren iPhones, mit Alexa oder im Kundenservice mit einem virtuellen Assistenten oder KI-basierten Avatar. Ähnliches gilt für den B2B-Kontext. Die individuelle Exploration ist immens – angefangen von einem Maschinenbauhersteller, der ein virtuelles Interface zu Kundinnen und Kunden ermöglicht, um Anlagen zu bedienen oder zu warten, bis hin zu digitalem Content, der förmlich mit der Realität verschmilzt und Menschen Teil der Experience werden lässt.

Markenverantwortliche können vor allem von der möglichen Personalisierung profitieren, indem sie die KI entsprechend trainieren. In absehbarer Zeit hebt das die Markenerfahrung in eine neue Dimension.

Herr Küpers, wenn das Markenerlebnis bereits durch Spatial Computing und Künstliche Intelligenz eine neue Dimension erhält, welchen Nutzen kann da die Blockchain-Technologie Unternehmen in der Interaktion mit den Kundinnen und Kunden noch bieten?

SK: Während Spatial Computing und Künstliche Intelligenz sehr sichtbar für die Menschen sind, agiert Blockchain eher im Hintergrund.

Die Blockchain-Technologie punktet bei sogenannten Smart Contracts, indem sie automatisiert Verträge gestaltet und zusätzlich Interaktionen steuert. Ein Beispiel: Jemand kauft ein Produkt mit Garantie und der Kaufnachweis wird auf der Blockchain gespeichert. So kann die Käuferin oder der Käufer – ohne die Quittung aufzubewahren – digital nachweisen, dass sie oder er dieses Produkt besitzt. Darüber hinaus kann die Technologie im Smart Contract beispielsweise auch das Garantieversprechen vollautomatisiert einlösen und Geld zurückerstatten. Wenn der Kauf sogar an ein Loyalty-Programm geknüpft ist, könnte über den Smart Contract auch automatisch die Bonuszahlung veranlasst werden.

Wir gehen davon aus, dass hochautomatisierte Smart Contracts in Zukunft die Interaktion zwischen Marken und Konsumentinnen und Konsumenten immer stärker mitgestalten werden. Das betrifft insbesondere zusätzliche, an das Produkt gekoppelte Serviceleistungen. Die Menschen werden zukünftig mehr Belege in ihrer Wallet haben und davon automatisch profitieren.

Bitte erklären Sie uns genauer, wie die drei Themenbereiche Spatial Computing, Künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologie zusammenkommen. Was ist das Besondere an diesen Schnittstellen und wie wirken sie sich auf das Markenerlebnis aus?

SK: Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels schildern: Ich will ein neues Auto kaufen und benutze den Konfigurator, der mir zum einen ein räumliches Erlebnis der Automodelle und ihrer Konfiguration bietet. Dabei berät mich ein digitaler KI-Assistent, mit dem ich mich in natürlicher Sprache austausche und der mir hilft, gewisse Entscheidungen zu treffen –welches Leder oder welche Felge ich wählen könnte. Parallel gebe ich die Informationen aus meiner Wallet frei, wo alle meine Belege gespeichert sind. Das ermöglicht, dass mein Kauf- und Markenerlebnis zusätzlich personalisiert wird. So erfährt der Autohersteller vielleicht, dass ich schon einmal ein Auto der Marke hatte und gibt mir einen Preisnachlass.

Gerade in der Kombination aus allen drei Themen – Spatial Computing, Künstliche Intelligenz und Blockchain-Technologie – entsteht ein ganz neues, immersives Kundenerlebnis. 

Für Spatial Computing oder die neue Generation des Internets werden AR-Brillen oder VR- und MR-Headsets gebraucht. Sie gelten nach wie vor als teuer und unpraktisch. Sind die Hürden nicht doch noch ein wenig zu hoch, damit eine breite Masse an Nutzerinnen und Nutzer täglich in digitale und virtuelle Räume eintaucht?

SK: Es ist ein Irrtum anzunehmen, dass ein 3D-Erlebnis von AR-, VR- oder MR-Headsets abhängig sei. Spatial Experiences sind vielmehr Geräte-unabhängig und können über die verschiedensten Kontaktpunkte erlebt werden: beispielweise auf dem Handy, dem Tablet oder auf dem Laptop.

Davon abgesehen ist es nur eine Frage der Zeit, dass die Brillen oder Headsets wesentlich günstiger, einfacher verfügbar und in ihrer Anwendung immer simpler werden. Das haben wir beim iPhone, beim iPad oder auch bei der Apple Watch doch längst erlebt.

Was sollten Marketing- und Brandverantwortliche aus Ihrer Sicht heute schon tun, um sich auf die nächste Generation des Internets vorzubereiten und um ihren Kundinnen und Kunden gleich zu Beginn ein beeindruckendes, immersives Erlebnis in den neuen digitalen und virtuellen Räumen bieten zu können?

AL: Wir sollten uns vor Augen halten, dass nur zwei Monate nach dem Start von ChatGPT bereits hundert Millionen Menschen die KI nutzten. Der Reaktionszeitraum für Entscheiderinnen und Entscheider war also kurz. Darauf muss man sich vorbereiten und permanent am Ball bleiben. Denn KI ist nicht einfach eine weitere Software. Es sind Modelle, die auf Daten trainiert werden. Dabei besteht immer die Gefahr, dass KI beispielsweise offskript geht und außerhalb der gewünschten Bereiche antwortet. Es gilt unbedingt zu lernen, wie man mit diesen Systemen umgeht.

Auch wenn einige Technologien erst in ein oder zwei Jahren durchschlagen werden, empfehle ich jedem, jetzt zügig Erfahrungen zu sammeln.

SK: Absolut. Wenn man die ersten Schritte ins Spatial Computing gehen will, kann man schon auf der eigenen Webseite kleine Bereiche testen. Es geht ums Ausprobieren und Erleben – dass in dem Moment, wo jemand in ein Bild zoomt, ein räumliches Erlebnis entsteht.

Genauso mit KI: Man muss nicht gleich den alles könnenden Assistenten rund um die Marke bauen. Schon ein kleiner Use Case hilft, in dem man den Chatbot gezielt einsetzt und erste Erfahrungswerte sammelt: Worin liegen die Benefits eines intelligenten Assistenten?

Genauso ist es mit der Blockchain. Auch da geht es nicht um die eierlegende Wollmilchsau, sondern um erste Use Cases – gerade in den Feldern Loyalitätsprogramme oder Employer Branding–, die heute schon umsetzbar sind.

AL: Noch ein Tipp zum Schluss: Die Use Cases sind bestenfalls nicht nach dem Zufallsprinzip auszuwählen, sondern sollten sich systematisch mit Themen beschäftigen, bei denen man lernt und sich als Organisation weiterentwickelt.

Lünendonk: Herzlichen Dank für das Gespräch und die spannenden Insights.

Dieses Interview erschien zuerst im Rahmen der Lünendonk-Studie zum Markt für Digital Experience Services in Deutschland.

Passender als die Deutsche Bahn auf Twitter hätte man es kaum ausdrücken können, was da am 9. und 10. Mai 2023 in Hamburg stattgefunden hat:

Seit 2011 findet die OMR in Hamburg statt und wird seitdem stetig größer, lauter und (den eingeladenen Influencern nach zu urteilen) exzentrischer. Einige Kolleg:innen der Mediascale waren auch dieses Jahr wieder dabei und haben ihre Highlights aus der Hansestadt mitgebracht.

Helena Hildebrand macht den Anfang: Die Eindrücke des Festivals waren dieses Jahr wieder beeindruckend. Das Gelände ist riesig, die Masterclasses, Guided Tours und Vorträge sehr spannend, sodass man sich nicht entscheiden kann, welchen man besuchen möchte, um die neuesten und wichtigsten Informationen im Digitalen Marketing nicht zu verpassen. Das größte Highlight, das ich jedoch neben vielen anderen von der OMR 2023 mitnehme, ist das Teambuilding mit meinen Kolleg:innen, die dieses Jahr mitfahren durften. Wir waren ein bunt gemischter Blumenstrauß von Kolleg:innen, die nicht täglich zusammenarbeiten. In Zeiten von Mobile Office ist es so wertvoll, auch außerhalb der Office Hours die Kolleg:innen intensiver kennenzulernen. Gerade deshalb war es besonders schön, die vielen Eindrücke gemeinsam aufzufangen, die langen Abende miteinander zu verbringen und gemeinsam so viel zu lachen, bis wir nicht mehr konnten.

Da dies jedoch nur mein ganz persönliches Highlight war, stellen meine Kolleginnen ihre Highlights nun selbst vor:

Stephanie Schäfer: Inhaltlich die OMR eingeläutet hat für mich die Key Note Speech von Digital-Experte Sascha Lobo, der dem Auditorium verdeutlichte, dass eine digitale KI-Transformation in Deutschland absolut notwendig sei. Er beschrieb es als essentiell, dass Deutschland, um seine wirtschaftliche Relevanz zu halten, hier den Anschluss nicht verpassen darf. Die drei Bausteine, die dafür nun erforderlich sind, seien Investitionen, Mut & (Weiter-)Bildung und damit geht aus meiner Sicht ein ganz klarere Auftrag auch an uns als Agenturen hervor: Diese digitale Transformation gemeinsam mit unseren Kunden vorantreiben – denn hier wird unsere Zukunft liegen.

Auch unsere Kollegin Johanna Berkenfeld beeindruckte Sascha Lobo: Die Keynote begann mit einem durch künstliche Intelligenz erstellten Video Gruß von Olaf Scholz, woraufhin er erläuterte, warum die Epoche der KI nun begonnen hat und dass ChatGPT den „iPhone-Moment“ der künstlichen Intelligenz darstellt. Daraus würden dramatische Folgen für die Gesellschaft, inklusive der Berufswelt, entstehen. Im McKinsey Report aus 2022 heißt es ebenfalls „die größten Veränderungen finden im Marketing und Sales statt.“ Beim Thema Bildung zieht er den Vergleich mit China, dort gibt es bereits seit einigen Jahren das Schulfach „Künstliche Intelligenz“.

Abbildung 1: Sascha Lobo bei seinem Vortrag zu „Durch Deutschland muss ein KI Ruck gehen“ auf der Conference Stage

Lena Woltmann: Mein erster Eindruck der OMR war eine ziemliche Reizüberflutung. Viele Menschen, so viele tolle Vorträge, eine Riesen Auswahl an Essen und große Highlights zum Abendprogramm.

Nach zwei Tagen mit rund 46.000 Schritten gab es eine Menge zu sehen. Mein persönliches Highlight war der kurze und knackige Vortrag von Rezo zum Thema „Auswirkungen von Non-Persistenz auf Influencer Marketing“. Bisher kannte ich den jungen Unternehmer, Musiker und Webvideoproduzenten nur durch seine politischen Videos, doch dass er mit seiner Firma Nindo viel im Marketing bewirken kann, hat er innerhalb von 20 Minuten kurz und anschaulich erklärt. Anhand von Beispielen zeigte er uns, wie wichtig es ist, ein genaueres Auge auf Influencer-Marketing zu werfen und wie einfach es für Content-Produzenten ist, KPIs aufzuhübschen und sich so in einem viel besseren Licht dastehen zu lassen.
Sehr spannend, sowie interessant für viele Marken!

Abbildung 2: Rezo auf der Red Stage „Auswirkungen von Non-Persistenz auf Influencer Marketing“

Michaela Siegfried: Sehr spannend fand ich den Vortrag „Comeback of Hugo Boss – a report from the inside“. Daniel Grieder, CEO des bekannten Modeunternehmens Hugo Boss, berichtet aus eigener Erfahrung, als er vor 2 Jahren dem Unternehmen beigetreten ist, die Umsätze wortwörtlich im Keller waren, er aber die Herausforderung angenommen hat, die Marke wieder ins Leben zu rufen.

Unter dem Motto „Be your own Boss“ und starken Claims wie „Hugo Boss is bold“ soll die Marke vor Allem bei den Jüngeren etabliert werden. Mit einer reichweitenstarken globalen Kampagne spricht Hugo Boss besonders gezielt die Generationen GenZ und Millennials mit starken Testimonials und Celebrities wie Bella Porch und Gigi Hadid an. Daniel Grieder formuliert das Ziel des Modelabels klar: Die Marke muss digitalisiert werden aber auch omnipräsent auf allen Channels zu sehen sein und das emotionalisierend auch im Retailbereich. Denn die wirklichen Fans müssen den Hintergrund verstehen, woher die Marke kommt.

Vanessa Franchi: Insgesamt ist die OMR schon als Ganzes ein Highlight. Der Arbeitsalltag in einer Digitalagentur ist meistens eher durch die Arbeit am Screen und vielen virtuelle Meetings und Events geprägt. Da reißt einen die OMR als überboardende Präsenzveranstaltung schnell und gewaltig aus dem üblichen Trott. Neben den Expo-Hallen mit allen großen und kleinen Playern am Markt, findet man auf den Stages und in den Masterclasses rund um die Uhr Input zu den Themen, die die Digital-Branche bewegen. Egal wie gut man vorher seinen Besuch plant: ist man erstmal vor Ort, überwältigt einen die Fülle an Angeboten.

Den krönenden Abschluss hat dieses Jahr definitiv Macklemore geboten, der neben anderen Live-Acts wie Badmomzjay, KIZ, Jan Delay und Olli P., eine Stunde live alles gegeben hat. Eine sehr willkommene Abwechslung zum sonstigen Digital-Alltag.

Und somit gehen die unterschiedlichen Eindrücke der OMR 2023 zu Ende und wir freuen uns auf nächstes Jahr, wo wir spannende Keynotes, lehrreiche Masterclasses und Guided Tours, sowie viele Vermarktergespräche und Stunden voller guter Laune aber auch überfüllter Hallen und Networking mitnehmen werden. OMR 24 ahoi!