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Die Menschen in internationalen Wachstumsmärkten twittern, liken, uploaden und teilen Informationen meist noch viel intensiver als die Konsumenten in Europa oder in den USA. In der digitalen Sphäre, wo die meisten von ihnen sozialisiert wurden, tauschen sie sich nicht nur über ihr persönliches Leben aus, sondern auch intensiv über Produkte, Marken und Unternehmen. Digitale Medien haben einen großen Einfluss darauf, wie sie handeln, kommunizieren und Kaufentscheidungen treffen. Das liegt nicht nur an der digitalen Sozialisierung, sondern hat auch politische Gründe, zum Beispiel die eingeschränkte Freiheit der Printmedien in China. China und Indien sind regelrechte Epizentren der explosionsartig wachsenden digitalen Welt geworden. Die größten Wachstumschancen im E-Commerce, die am stärksten verbreiteten Apps und die weltweit führenden sozialen Plattformen – auch mit umfangreichen Markeninformationen – findet man dort. Im Detail beschrieben wird das in unserer Springer-Neuerscheinung „Erfolgreicher Markenaufbau in den großen Emerging Markets“ von Dr. Niklas Schaffmeister (Managing Partner Globeone) und Florian Haller (CEO Serviceplan Gruppe).

Digitale Medien sind Werbe- und Konsumtreiber

Nach Angaben des Branchenmagazins Campaign Asia vollzieht sich bereits über die Hälfte des Medienkonsums in Asien in der digitalen Sphäre. Angesichts der extrem gestiegenen Preise für Werbung in traditionellen Medien ist es einleuchtend, dass Internetwerbung mit jährlichen Wachstumsraten im zweistelligen prozentualen Bereich zunimmt. Das Wachstum konzentriert sich vor allem auf die Mobilkommunikation. Chinas mobiler Werbemarkt ist bereits größer als der gesamte Werbemarkt von Lateinamerika. Die Volksrepublik gehört längst zu jenen Ländern, in denen die Ausgaben für digitale Werbung die Ausgaben für Fernsehwerbung übersteigen. Die Unternehmensberatung Globeone hat in ihrem „BRIC Branding Survey“ nachgewiesen, dass Internetsuchmaschinen, soziale Medien und Internetauftritte von Firmen in den großen Wachstumsmärkten zu den wichtigsten Hilfsmitteln bei der Informationsbeschaffung über ausländische Marken gehören. Der chinesische Online-Einzelhandel hatte 2016 einen Anteil von 13% am gesamten Einzelhandelsumsatz, verglichen mit 8,1% in den USA. Nach jüngsten Schätzungen sind etwa 40% des E-Commerce-Konsums in China als zusätzlicher Konsum zu bewerten. Der Internet-Einzelhandel ermöglicht Hunderttausenden Chinesen den Kauf von Produkten, zu denen sie zuvor keinen oder nur erschwerten Zugang hatten.

Digitale Kanäle senken deutlich die Kosten

Der Einsatz und die Nutzung von E-Commerce entlasten lokale und internationale Marken in großen Ländern wie China und Indien erheblich, denn dort kann die Eröffnung neuer Geschäfte im Hinterland kostspielig sein. Der US-Hersteller hochwertiger Handtaschen, Coach, unterhielt Ladengeschäfte in 47 Städten in China, als das Unternehmen begann, eine chinesische E-Commerce-Seite zu eröffnen. Nur wenige Monate später verschickte Coach seine Produkte in mehr als 110 Städte im Land. In den vergangenen Jahren haben viele westliche Marken wie Puma und Hugo Boss E-Commerce-Seiten in China eingerichtet.

Präzise Zielgruppenbestimmung: Damit die Marketingbotschaften auch wirken

In den großen Wachstumsländern ist die digitale Mittelschicht genauso vielfältig wie die Gesamtbevölkerung. Daher müssen die Zielgruppen genau bestimmt werden. Die Marketingbotschaften entfalten sonst nicht die gewünschte Wirkung. Bei einer sorgfältigen Marktpositionierung ergeben sich verschiedene Altersgruppen und Einkommenssegmente, die als Zielgruppen infrage kommen. Interessant ist für digitale Kampagnen vor allem das wachsende Segment wohlhabender, jüngerer Internetnutzer, und zwar für Marken im gesamten Konsumspektrum, von Accessoires über Nahrungsmittel und Getränke bis hin zu Haarpflege und Hautpflegeprodukten.

Oft ein Problem: Die physische Distribution von Onlinewaren

Der Aufbau einen Internetpräsenz bietet aber nicht nur Chancen. Westliche Einzelhändler unterschätzen oft, wie komplex und kostspielig es sein kann, Güter innerhalb von Ländern wie Brasilien, Indien oder China zu transportieren. Indien liegt zwar noch einige Jahre hinter China zurück, aber es ist dabei, schnell aufzuholen. Internet-Lebensmittelgeschäfte und die Möglichkeit, sich Obst, Gemüse, Reis oder Zucker nach Hause liefern zu lassen, lagen lange Zeit außerhalb der Vorstellung der meisten indischen Verbraucher. Aber der Onlinehandel verzeichnet seit Jahren explosionsartige Zuwächse. Fast jeder siebte indische Verbraucher kauft einmal pro Woche im Internet ein. Und fast 20% dieser Verbraucher geben mehr als die Hälfte ihres verfügbaren Einkommens im Internet aus. Längst hängen sich die Banken an die Online-Geschäfte an. Die starke Ausdehnung der digitalen Sphäre bietet auch bei der Beschaffung und der Distribution große Vorteile für internationale Marken. Sie können mit ihrem Vertrieb dank der Online-Kanäle zur Not die oft dominierenden physischen Netzwerke im Zielmarkt umgehen. Denn jetzt sind sie nur noch einen Klick von ihren Kunden entfernt.

Aufgrund dieser Zahlen und Entwicklungen haben sich die internationalen Märkte in einen starken Internetmarkt für Marken verwandelt. Für ausländische Marken sind dadurch immense Chancen entstanden – vorausgesetzt, sie sind sich der lokalen Besonderheiten bewusst und flexibel genug, sich den lokalen Spielregeln anzupassen.