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Vor nicht allzu langer Zeit kam ein Digital-Kreativer zu mir und wollte mit mir über ein Problem sprechen: „Wenn ich ein Briefing bekomme, weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll. Es gibt so viele Möglichkeiten. Und Plattformen. Und Innovationen. Irgendwie kann man alles machen – und nichts.“ Ich verstehe ihn total. Das ist genau das, warum es einerseits wirklich schwierig ist, ein Kreativer im Jahre 2017 zu sein. Warum es andererseits aber auch genauso spannend ist.

Und klar. Früher war vieles einfacher. Man hat sich ein paar weiße Blätter Papier, eine Menge Kaffee und manchmal eine Schachtel Zigaretten zurecht gelegt und „ausgedacht“. Aus dem Nichts bekannte Formate wie 35-Sekunden-TV-Spots geschaffen oder eine Doppelseite im Stern mit neuen Inhalten gefüllt. Man hat zehn Treatments geschrieben und der Creative Director hatte die rückblickend vergleichsweise einfache Aufgabe: Er musste entscheiden, welches davon das lustigste, überraschendste oder krasseste ist. Danach zehn Anzeigen gescribbelt, getextet und das Gleiche getan. Das wurde dann einigermaßen schnell aufbereitet und man wusste, wie man es später umsetzen wird.

Heute ist alles anders.

Profundes Wissen, eine Menge Research, eine lückenlose Strategie, intelligente Daten-Aggregierung und eine darauf basierende genaue Zielgruppen-Segmentierung scheinen heute oft die Grundvoraussetzung zu sein, bevor man überhaupt anfangen darf, über einen Banner nachzudenken. So sagt es zumindest die Theorie. Und die macht auch total Sinn. In dieser – zugegebenermaßen übertriebenen – Form ist das jedoch extrem aufwändig, teuer und kostest dementsprechend viel Zeit. Vor allem aber vergisst man oft einen Faktor, der sich seit der „guten, alten Zeit“ nicht geändert hat: der gesunde Menschenverstand und ein kreatives Talent. Natürlich sollte man sich als Kreativer heute mit den gängigen Technologien und Plattformen auskennen und sie im Idealfall auch bedienen können. Auch eine enge Zusammenarbeit mit Media und Strategie ist ein absolutes Muss. Aber eine gute Idee bleibt auch heute eine gute Idee. Nur die Basis, auf der sie entstehen kann, ist anders. Neue Formate wollen gefüllt werden und technische Möglichkeiten ausgenutzt.

Lösung für das Problem oder Problem für die Lösung?

Eine innovative, kreative Arbeit zeichnet sich per Definition dadurch aus, dass sie eine neue Lösung für ein bestehendes Problem bietet. In einer Zeit, in der aber viele Dinge entstehen, „weil es geht“, dreht sich der Spieß an vielen Stellen um. Heute gibt es neue Lösungen und man muss gewissermaßen erst das Problem dazu finden. Als Beispiel: Vor nur sieben Jahren gab es noch kein iPad. Und dann war es plötzlich da und Agenturen wie Kunden haben sich gefragt, welchen Einfluss diese technische Errungenschaft auf ihr Geschäft hat. Plötzlich bestimmte das Angebot die Nachfrage. Kreative waren quasi über Nacht gezwungen, sinnvolle Anwendungen für ein neues Device zu erfinden. Ungefähr so, wie wenn heute das Radio erfunden werden würde und morgen Texter Funkspots schreiben müssten.

Das Prinzip Trial-and-Error

Also bleibt einem eigentlich nur, Dinge einfach mal auszuprobieren –  weil sie da sind und weil es geht, weil es Spaß macht und nicht, weil man sich dazu gezwungen fühlt. Sei es nun VR, Chat-Bots, Facebook Live oder Alexa. Diese innovative Goldgräberstimmung, die uns die Tech-Start-Ups vormachen, sollten wir auf unsere Arbeit übertragen. Wir sollten uns anstecken lassen von diesem fast schon kindlichen Spieltrieb in dieser faszinierenden Zeit und Dinge ausprobieren. Und wenn dann etwas nicht funktioniert, ist es auch nicht schlimm. Dann macht man die Dinge einfach besser, verändert sie – oder man lässt es und macht was anderes. Klingt banal, ist aber nichts anderes als: Prototyping. Schnell etwas umsetzen, um zu testen, ob es macht.

Natürlich gibt es keine Vergleichswerte und unseren antrainierten Drang, wissen zu wollen, ob etwas richtig oder falsch ist, kann uns keine Marktforschung beantworten. Aber das muss sie auch nicht, denn heute sagt uns die wichtigste Testgruppe von allen, ob sie etwas gut findet: die Verbraucher selbst.