Beiträge

Intelligent handeln im Auge des Orkans, im Angesicht der Krise? Das geht, sagten Jenny Fleischer, CEO Babymarkt.de und Wolf Ingomar Faecks, CEO Plan.Net Group, CEO The Marcom Engine und Vorstand Serviceplan Group, beim DeepDive #3 des Rezessionskompasses. Was starke Marken anders machen, wenn es stürmt: Sie agieren weitsichtig, bündeln ihre Kräfte – und laden sich emotional auf.

Frostige Zeiten sind es derzeit – und damit ist nicht nur das Wetter in Deutschland gemeint. Auch die Angst vor der Rezession geht um. Kaufzurückhaltung und Preissteigerungen hängen wie dunkle Dauerwolken über der Wirtschaft. Wie kommen Unternehmen da am besten durch?

Sicher nicht durch aktionistisches Rotstiftschwingen beim Budget, sagt Wolf Ingomar Faecks. „Wer Marketing vor allem als Kostenbeitrag sieht, den er jetzt kürzen kann, handelt falsch und wird sich nach der Rezession mit einer schwächeren Marktposition abfinden müssen. Jetzt ist es besonders wichtig, Behavioral Data zu verstehen: Wie reagieren Kund:innen auf meine Engagement-Angebote? Wir brauchen emotional starke Marken. Ohne starke Marke keine Transaktion.“

Bäm! Also erst einmal vor der eigenen Kosmos-Tür kehren und die Triggerpunkte der Kund:innen verstehen und bedienen. Wissen, was sie brauchen und sich wünschen. Digitalmarketing ist dafür wie gemalt: „Je kleinteiliger ich alles steuern und betrachten kann, desto besser. Sicher setzt das eine gute Maschinerie voraus, die passenden Leute an den passenden Stellen, aber letztlich führt es dazu, was alle wollen: Marketingbudgets effektiv einzusetzen.“

„Jetzt erst recht“ – intelligentes Digitalmarketing rules

Resignation vor der Rezession? Nö. Jetzt ist nicht die Zeit, sich abzuducken, bis der Sturm vorbeigezogen ist. Viel mehr Sinn macht guter Brand Activism. Marken können in Communities denken, in den Dialog gehen, ihren Kund:innen Lösungen anbieten und nicht nur ein Produkt. „Orientierung geben bedeutet Sicherheit vermitteln in unsicheren Zeiten“, weiß Faecks. „Einfach mal an das Bild vom Leuchtturm denken.“

Okay, aber der Absatzdruck! Die steigenden Preise! Die Kaufzurückhaltung! „Durchatmen und klar bleiben. Den vielbeschworenen Purpose herstellen: Schau her, das ist der Wert, den ich als Marke stifte!“ Also nicht zu allgemein, sondern sehr fein zielgruppenspezifisch ausdifferenziert. „Wenn man eine funktionierende Community besitzt, ist es sogar wichtig, eine bestimmte Preisposition zu haben und die Marke nicht zu verwässern.“

Moment mal: Kund:innen sind doch selten immer loyal und wandern gerne zu den Preisbrechern ab, oder? „Dann wäre das nun der perfekte Zeitpunkt, um echte Innovationskraft zu zeigen. Wie geht es weiter, was machen wir eigentlich nach der Krise!?“ Also eine Investition in neue Treue machen. „Das kann durch Ausdehnen des Kommunikationsraumes gelingen, durch Entwickeln des Portfolios, durch das Einbinden von Ökosystem-Partnern. Oder anders gesagt: An der Lifetime Experience arbeiten, die den Kund:innen in verschiedenen Lebensphasen begleitet.“ Da könnte auch das Metaverse eine tragende Rolle spielen: „Es wäre doch wunderbar, eine digitale Erlebniswelt zu kreieren, in der ich mich frei bewege, in der meine Interessen und Einkäufe gebündelt sind.

Der Markenkosmos als emotionale Homebase

In der digitalen Welt einen Raum zu schaffen, der die verschiedensten Bedürfnisse bedient –   diese komplexe Herausforderung kennt Jenny Fleischer nur zu gut. Als CEO bei babymarkt.de, Europas größtem Online-Shop für Baby- und Kinderartikel, muss sie sich in die Verfassung und den Wertekosmos von Müttern aller Altersklassen hineinversetzen können.

Neben Deutschland sind die Bochumer in insgesamt 13 weiteren Ländern in Europa sowie in China vertreten, erzielen mit knapp 500 Mitarbeitern im Durchschnitt ein Wachstum von 30 Prozent im Jahr. Babymarkt.de wurde bereits zum sechsten Mal in Folge als bester Online-Shop in der Kategorie „Baby- und Kleinkindausstattung“ ausgezeichnet und war laut dem Technik-Portal CHIP einer der „Leading Shops 2021“. „Natürlich sehen wir Verschiebungen bei Ländern, aber auch bei Themen wie Lieferketten. Und als Auswirkung von 2021 gilt auch heute immer noch: Die Lager sind voll. Definitiv haben Konsument:innen im November bei größeren Investitionen auf die Black Friday Events gewartet.“

Jenny Fleischer befasst sich derzeit vor allem mit strategischen Fragen: „Wie kann ich die Marke aufladen? In unserem Fall gelingt das unter anderem mit Kundenbindungsmaßnahmen wie Promotion-Spielen oder Medienpartnern wie HelloFresh. Viel wichtiger scheint mir aber die Frage zu sein, wie ich für meine Kund:innen da sein kann. Welche Themen sind relevant? Ein Trendthema wie Nachhaltigkeit etwa muss tatsächlich sinnvollerweise an Produktkategorien angepasst werden, weil hier innerhalb der Zielgruppen unterschiedliche Gewichtungen stattfinden. Das bedeutet: Mehr Filter in die Shoppingwelt einbauen.“

Ihr Credo lautet: Die Customer Centricity klar in den Fokus stellen. Und die Einblicke aus Social Media in den Kontext rücken, denn mit ihnen lässt sich über Realtime-Dashboard-Auswertungen viel besser die so genannte Discovery Phase durchleuchten – wo es darum geht, den effizientesten Weg für die Umsetzung eines gewünschten Endprodukts zu finden. „Fakt ist: Wir müssen uns heute besonders mit der emotionalen Rolle der Marke bei Kund:innen beschäftigen.“

Definieren wir Online endlich neu!

Und wo geht die Reise hin? Wo stehen wir, wenn die Konsum- und Markenwelt wieder in ruhigeres Wasser kommt – wenn es denn überhaupt so passiert? Hoffentlich endlich bei der Neudefinition von Online! Der Erkenntnis, dass die Offline- und die Online-Welt eine Symbiose sein können. Wer innovationsfreudig sein will, muss die Datenlage der internen Silos endlich verbinden und Abteilungen kollaborationsfähig machen.

„So gelingen Insights, die uns wirklich näher an die Kund:innen bringen, weil wir uns tief mit der Rolle der Marke beschäftigen. Wir sollten auch unsere Experimentierfreude wieder entdecken und nicht vor Neuem scheuen. Das Mindset darf nicht vor der Auseinandersetzung mit einem Kanal wie TikTok Halt machen, nur weil das angeblich bloß die Jungen anschauen“, sagt Wolf Ingomar Faecks.