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Warum es sinnlos ist, mit Kundenumfragen zu warten, bis „es vorbei ist“

Alle Industriezweige versuchen momentan, sich so gut wie möglich an die Herausforderungen anzupassen, die das Corona- Virus mit sich bringt. Einige sind dabei sehr erfolgreich, andere weniger. Es ist schön zu sehen, dass mein Bereich, die CX/UX-Forschungsgemeinschaft, ihre Fähigkeiten sehr effektiv verändert hat, um den Anforderungen des Arbeitens (und der laufenden Forschung) aus der Ferne gerecht zu werden.

Während dem letzten Status Call mit meinen internationalen Kolleginnen und Kollegen von UX-Fellows sagten alle, dass sie erfolgreich auf Fern-UX-Tests, Fern-IDIs und sogar auf ethnographische Fernforschung umgestellt haben. Und alle Kollegen, die aus Regionen wie Brasilien, USA, Europa, Russland, Singapur oder Australien kommen, stimmten darin überein, dass ihre Kunden und Teilnehmer qualitative Fernforschung ziemlich gut akzeptieren. Quantitative Forschung wird bereits seit einiger Zeit ausschließlich online durchgeführt und ist ohnehin nicht betroffen.

Ein Thema, das ich jetzt mit meinen Kunden diskutiere, ist jedoch nicht die Machbarkeit von Fernforschung. Es geht um ihre Validität, d.h. darum, was die Erkenntnisse, die wir erhalten, bedeuten, wofür sie stehen und wie lange ihre Bedeutung Bestand haben wird.

Die Fragen, die wir diskutieren, sind:

  • Werden die Teilnehmenden nur über die Corona-Situation sprechen? Werden alle Erkenntnisse von der Ausnahmesituation überschattet?
  • Sind die Teilnehmenden in der Lage, sich daran zu erinnern, wie sie vor der Krise geantwortet hätten, verhalten oder gefühlt haben?
  • Können wir angesichts der „unnatürlichen“ Situation überhaupt natürliches Verhalten beobachten?

In den letzten Wochen kam mir der Gedanke, dass dies vielleicht die falschen Fragen sind. Es scheint immer offensichtlicher zu werden, dass wir nicht zu einem Zustand wie vor Corona zurückkehren werden – nicht so, wie wir ihn kannten.

Viele Länder sind jetzt seit sechs oder mehr Wochen im Lockdown. Nachdem sich die meisten Unternehmen und Privatpersonen nach dem plötzlichen Ausbruch der Ereignisse in einem Schockzustand befanden, versuchten sie, sich zu orientieren und ergriffen sofort Maßnahmen, um sowohl ihre physische als auch ihre wirtschaftliche Gesundheit zu schützen. Viele Unternehmen stellten ihre nicht lebensnotwendigen Ausgaben (z.B. für Kundenforschung) ganz ein.

Wir können jedoch davon ausgehen, dass diese Phase jetzt vorbei ist. Wir stellen uns auf die neue Situation ein, prüfen neue Geschäftsmöglichkeiten und Möglichkeiten, mit dem Virus zu leben. In der Tat scheinen viele die Tatsache zu akzeptieren, dass das Virus noch eine Weile bei uns bleiben wird und dass es eine neue Normalität geben wird, sobald es verschwunden ist.

Was bedeutet dies für die Kundenforschung?

Es macht nicht viel Sinn, mit Kundenumfragen zu warten, bis die Zeit vorbei ist, denn wir gehen nicht in eine Welt vor Corona zurück. Da die Schockphase vorbei ist, können wir auch davon ausgehen, dass die Kunden in der Lage sind, uns zu sagen, wie sie sich fühlen, was sie brauchen und was sie für die nächste Zeit als relevant erachten.

  • Corona ist ein technologischer Katalysator, der die Einführung von Technologien und Veränderungen im Nutzungsverhalten beschleunigt.
  • Digitalisierungsdefizite und Schmerzpunkte, z.B. bei einer papierbasierten Bürokratie, werden auffallend deutlich.
  • Besondere Bedürfnisse der Menschen werden fortbestehen – wie der Mangel an persönlichen Begegnungen, Einsamkeit, finanzielle Sorgen und andere existentielle Probleme.
  • Es scheint ein Wertewandel im Gange zu sein, z.B. hinsichtlich der Nachhaltigkeit. Zahlreiche Persone denken darüber nach, wie sie jetzt zum Beispiel ihre lokalen Geschäfte, Restaurants und Gemeinden unterstützen können.
  • Langfristig können wir davon ausgehen, dass sich viele Kundenverhaltensweisen ändern werden, z.B. in Bezug auf Reisen, Arbeit, Einkaufen, Kommunikation. Wir können schon jetzt den Beginn dieser Veränderungen sehen.

Das bedeutet, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, diese neue Normalität zu verstehen. Wir sollten die kundenzentrierten Forschungsinstrumente nutzen, die wir haben, um sie proaktiv zu gestalten.

Wie muss eine Website gestaltet sein, um für den User verständlich und intuitiv bedienbar zu sein? Wie kann man bestmöglich auf Nutzerbedürfnisse eingehen und was muss man dabei beachten?
Mit diesen klassischen Themenfeldern beschäftigt sich die Nutzerforschung und User-Experience-Beratung.

Unternehmen stehen häufig vor der Entscheidung, Design A oder doch lieber Design B umzusetzen, und fragen sich, wo Nutzer die Stärken und Schwächen eines bereits bestehenden Konzepts sehen. Das hierfür wichtige Nutzerfeedback lässt sich nicht immer nur im Rahmen eines klassischen User Experience Tests im Labor einholen – sogenannte Visual Feedback Tools liefern ebenfalls direkte User-Evaluationen von Konzepten und Designentwürfen.

Was ist visuelles Feedback und wozu braucht man es?
Visual Feedback Tools sind auch bekannt als Usability Feedback Tools.
Ziel dieser Tools ist die Verbesserung der Usability – der Benutzerfreundlichkeit – einer Website oder App sowie die Design- oder Konzeptbewertung von Websites durch direkte Integration von Nutzerfeedback.
In einer Online-Befragung werden den Nutzern hier Bilder, Formulare oder andere Optionen präsentiert, die sie bewerten und gegebenenfalls kommentieren sollen.
Eine solche Studie kann beispielsweise vor dem Livegang einer neuen Webseite durchgeführt werden, um diese bereits zu Beginn möglichst nutzerfreundlich zu gestalten. Aber auch bestehende Seiten kann man mithilfe dieser Tools verbessern, indem Optimierungspotentiale aufgedeckt werden.

Ein großer Vorteil web-basierter Visual Feedback Tools ist die Erhebung breiter Stichproben und damit die Möglichkeit, fundierte statistische Analysen der User Experience bestimmter Websites durchzuführen.

Wo findet visuelles Feedback Anwendung?

Im Rahmen einer internen Studie von Facit Digital wurden verschiedene Visual Feedback Tools getestet. Zwar haben all diese Tools die Optimierung von Konzepten und visuellen Entwürfen als gemeinsames Ziel, sie unterscheiden sich jedoch stark in ihrer Anwendung:

Preference Testing

Welche Bannerfarbe beispielsweise dem Nutzer am besten gefällt und wo dieser Banner optimalerweise platziert werden sollte, erfährt man über einen klassischen Präferenztest, beispielsweise den A/B-Test.
Das Produkt AB Tasty ermöglicht unter anderem das Testen zweier oder mehrerer Varianten gegeneinander, die den Nutzern nach dem Zufallsprinzip angezeigt werden.
Die Effizienz der beiden Versionen wird dann über statistische Analysen ermittelt, um so eine Nutzerpräferenz abzuleiten. Der A/B-Test hilft also dabei, die aus Nutzersicht beste Variante eines Website Designs zu ermitteln.

First Click Test

Ob eine neue Website intuitiv bedienbar ist und ob der Teilnehmer sofort weiß, was er anklicken muss, um sein Ziel zu erreichen, beantwortet der sogenannte First Click Test.
Dem Nutzer wird hier ein Entwurf präsentiert, anhand dessen er eine Aufgabe erledigen soll, z.B. „Bitte schließen Sie den Bestellvorgang ab!“.
Eine Analyse der Klickpositionen verschafft einen guten Einblick in das Design. So können Nutzungshürden aufgedeckt und Informationen über die individuellen Erwartungen der Benutzer gesammelt werden.

Feedback Widget

Im Zeitalter der Digitalisierung ist der Nutzer immer weniger greifbar. Ein Interessent kann eine Website nahezu unbemerkt wieder verlassen. Man erfährt häufig nicht, was ihn dazu bewegt hat, die Seite zu besuchen. Mögliche Usability-Probleme, die zum Verlassen der Seite führen, bleiben ebenfalls im Verborgenen.
Abhilfe verschaffen hier sogenannte Feedback Widgets: Mit Klick auf einen kleinen, beispielsweise am Seitenrand sichtbaren „Feedback“-Button kann der Nutzer Lob und Kritik in einem Pop-Up-Fenster hinterlassen.

Bilder und Konzepte direkt kommentieren

Eine weitere Anwendung von Visual Feedback Tools ist die Erfassung von Teilnehmerkommentaren auf Bildern, Konzepten oder Ähnlichem. Der Nutzer markiert ohne Vorgabe Bereiche auf dem Bild, bewertet diese (mit Likes oder Dislikes) und hat zudem in einem Kommentarfeld die Möglichkeit, auf Probleme oder Verständnisschwierigkeiten bei der Nutzung der Website hinzuweisen. Das Visual Feedback Tool Munk’s FeedMap zum Beispiel ermöglicht es Teilnehmern, Kommentare auf   graphischem Testmaterial zu hinterlassen.

Welche Methode sollte man nun wählen?

Der klassische User Experience Test im Labor optimiert als qualitative Methode die Nutzerfreundlichkeit und Bedienbarkeit einer Website. Visual Feedback Tools erheben Nutzerpräferenzen, Kommentare und Bewertungen zu visuellem Material in quantitativer Form und im Rahmen einer Online-Befragung. Welcher Forschungsansatz sich am besten dafür eignet, die eigene Website nutzerfreundlich(er) zu gestalten, hängt also ganz von der zugrundeliegenden Fragestellung und dem individuellen Ziel eines Unternehmens ab.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei LEAD Digital.