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Wie nachhaltig sind die Medien, in denen wir Werbung schalten? Warum investieren Mediaentscheider ihre Werbebudgets noch nicht nach Kriterien der Nachhaltigkeit? Wie könnten solche Kriterien überhaupt aussehen? Und wo steht das Thema nachhaltige Mediaplanung auf der Agenda der Media-Entscheider? Diesen spannenden Fragen gingen Wolfgang Bscheid, Gründer und Managing Partner von Mediascale, und Martina Staudinger, Managing Director Mediascale, in ihren Trendtables im Rahmen des ersten virtuellen Innovationstags 2020 nach. An den beiden Diskussionsrunden zu nachhaltiger Mediaplanung nahmen Marketingentscheider:innen aus den unterschiedlichsten Branchen teil.

Sowohl für die beiden Gastgeber:innen als auch für die Teilnehmenden war der Trendtable eine äußerst spannende Standortbestimmung und ein gutes Format, um ein wichtiges Thema Marken- und Kunden-übergreifend zu diskutieren. Die intensiven Diskussionen zeigten: Auch den Medien-Entscheider:innen ist es mittlerweile sehr wichtig, wo sie ihre Werbegelder investieren. Allerdings – auch das ein Ergebnis der Trendtables – setzen die Firmen teilweise sehr unterschiedlich Schwerpunkte und es gibt viele Facetten und Interpretationen des Begriffs Nachhaltigkeit.

Wie wichtig ist nachhaltige Media für Konsumenten und Entscheider?

Um die aktuelle Stimmung in der Bevölkerung und im Markt einzufangen, hatten Mediascale und Mediaplus bereits im Vorfeld des Innovationstags in Kooperation mit YouGov eine Umfrage unter 2000 Konsument:innen durchgeführt. Mit sehr eindeutigen Ergebnissen: nicht findet es demnach gut, wenn Unternehmen ihre Werbegelder bei Medien und Plattformen platzieren, die einen nachhaltigen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Und zwei Drittel sind der Ansicht, dass Hate Speech, Rassismus oder Sexismus einen Werbeboykott von Medien und Plattformen rechtfertigen. Damit formulieren die Verbraucher ein klare Erwartungshaltung an die Firmen: Investiert eure Werbegelder in den Medien und Plattformen, die einen positiven Beitrag zur Entwicklung unserer Gesellschaft leisten.

Wie beurteilen umgekehrt die Media- und Marketingentscheider:innen die Situation? Gemeinsam mit dem Marktforschungsunternehmen appinio befragte Mediascale und Mediaplus 160 Experten, die Werbebudgets investieren. Mit einem durchaus überraschenden Ergebnis: 88 Prozent der Media-Entscheider:innen geben an, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema innerhalbes ihres Unternehmens darstellt. Und 82 Prozent sind überzeugt, dass Firmen mit ihrem Werbebudget die Gesellschaft nachhaltig verändern können. Für die Mehrzahl (63 Prozent) spielt die Nachhaltigkeit der Werbeträger eine entscheidende Rolle. 84 Prozent aller Entscheider:innen wünschen sich sogar mehr Boykotts der nicht-nachhaltigen Medien. Sowohl in der Umfrage als auch in den Diskussionen der Trendtables wurde jedoch deutlich, dass nur sehr wenige der Teilnehmer bereits einen Werbeboykott selbst realisiert haben.

Woran das liegt? Unternehmen wissen oft nicht genau, wo sie ansetzen sollen, so die Erkenntnis aus den Trendtables. Das liegt auch daran, dass die Situation in den Unternehmen beim Thema nachhaltige Mediaplanung durchaus heterogen ist. Während einige Firmen bereits mitten in der Diskussion sind, stehen anderen noch relativ am Anfang. Und, auch das ein Ergebnis der Trendtable-Diskussionen: Der Fokus der Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit richtet sich auf unterschiedliche Bereiche. Setzt ein Unternehmen seinen Schwerpunkt auf Ökologie, diskutieren andere über nachhaltiges Wirtschaften über Diversity oder Gendergerechtigkeit.

Was bedeutet diese Entwicklung für Agenturen?

Agenturen können und sollen beim Thema nachhaltige Mediaplanung beraten und  Hilfestellung leisten. Es geht darum, für die unterschiedliche Formen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Wirtschaft, Gesellschaft) objektive Kriterien zu finden, nach denen Medien und Plattformen bewertet werden können. Die Teilnehmer:innen des Trendtables waren sich einig: Ein solcher Richtlinien-Katalog wäre bereits eine große Hilfe und ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Deshalb werden sich Mediascale und Mediaplus im nächsten Schritt mit Werbetreibenden in einem zweiten Workshop zusammenfinden, um gemeinsam in einer vertiefenden Diskussion einen ersten Kriterienkatalog zu entwickeln.

Denn der Konsens unter den Diskutanten der Trendtables lautete: „Das gesellschaftlich korrekte Verhalten müssen wir auch mit der Wahl unserer Medien vorleben. Standards, die wir einhalten, sollten auch für Medienhäuser gelten. Wir vertrauen darauf, dass auch sie eine gesellschaftliche Verantwortung tragen.“

Ergänzende Gedanken zum Thema Nachhaltige Mediaplanung hat Wolfgang Bscheid auch in seinem Gastbeitrag für Horizont+, bzw. auf LinkedIn formuliert.

Um die Herausforderungen der fortschreitenden digitalen Transformation zu meistern, haben viele , Medien und Agenturen aus der Marketing- und Kommunikationsbranche in den letzten Jahren stark in datenbasierte Technologien und Infrastrukturen investiert. Allerdings gelingt es häufig nicht, diese „PS auch auf die Straße zu bringen“ und einen relevanten Wettbewerbsvorteil daraus zu ziehen – auch, weil häufig HiPPOs auf ihr Bauchgefühl vertrauen.

Der digitale Wandel in den Organisationen ist eben nicht nur technischer, sondern insbesondere kultureller Art. Und hier hemmen, laut einer Capgemini-Umfrage, firmenkulturelle Probleme die digitale Transformation weitaus stärker, als etwa veraltete IT-Systeme oder mangelnde Ressourcen.

Bei Plan.Net NEO beschäftigen wir uns intensiv mit der Etablierung eines konsequent datengetriebenen Leistungsangebots, der Integration von Media und Content auf Basis von Daten. Diese Daten und die aus ihnen gewonnenen Insights sollen dabei sowohl den Kreativen, als auch den Mediaexperten aus unserer Mannschaft als „Treibstoff“ für die Entwicklung von relevanten Inhalten und deren wirksamer medialer Aktivierung dienen.

Im Zuge dieses tiefgreifenden Change-Prozesses haben wir vieles gelernt, vor allem auch im Hinblick auf die erfolgskritische Bedeutung der unternehmenskulturellen Aspekte auf dem Weg zu einer datenfokussierten Agentur. Aus den Key Learnings lassen sich zusammenfassend fünf Praxistipps für Agenturen bilden, die auch allgemein gültig angewendet werden können

  1. Daten-Skills entwickeln und fördern

Eine gelebte Datenkultur beginnt mit „Empowerment“ und der Demokratisierung der Daten. Es gilt die Mitarbeiterschaft in der Breite technologiegestützt zu befähigen, im „Self Service“ Daten zu analysieren und datenbasierte Entscheidungen treffen zu können.

Denn nicht der Mangel an Daten ist oftmals die Herausforderung, mit der Unternehmen konfrontiert sind, sondern der Weg von den Daten zur Entscheidung. Konzentrieren sich die Datenbestände in einer Organisation in den Händen einiger weniger Experten, liegt das Potenzial dieser Daten für den kommerziellen Erfolg des Unternehmens weitestgehend brach. Um stattdessen als Organisation den vollen Nutzen aus Daten zu ziehen, muss jeder Mitarbeiter die Möglichkeit haben, auf die Daten zuzugreifen und sie täglich in die eigenen Entscheidungen einzubeziehen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass jeder Mitarbeiter ein Data Scientist werden soll (und kann). Jeder sollte jedoch analytische Grundkenntnisse entweder bereits besitzen oder sie durch Qualifikationsmaßnahmen erlangen können, um in der Lage zu sein, datenbasierte Sachverhalte zu bewerten und Daten für Entscheidungen nutzen zu können.

  1. Technologie muss sich den Anwendern anpassen und nicht umgekehrt

Eine wichtige Rolle für die Umsetzung des datenbasierten Arbeitsalltags kommt den dafür eingesetzten Technologien und Tools zu. Soll deren Nutzung nicht ausschließlich den Datenspezialisten vorbehalten bleiben, sind für eine breite Akzeptanz bei den Anwendern und ihre Wahrnehmung von Brauchbarkeit sowie Nutzwert in der Praxis vor allem folgende Eigenschaften erfolgsentscheidend:

  • Convenience und intuitive Nutzung

Je einfacher und intuitiver der Umgang mit Daten für die Nutzer gestaltet wird, desto eher werden sie deren Wert für die Qualität ihrer tagtäglichen Arbeit realisieren und rasch nicht mehr missen wollen.

  • Intelligente Datenvisualisierungen

Dashboards oder andere graphische Darstellungsformate helfen die zentralen Aussagen der Daten schnell auf einen Blick zu . Ebenso stellen sie sicher, dass alle involviertenn Personen das gleiche Bild sehen. Diese Komplexitätsreduktion ist eine wichtige Voraussetzung für effizientes Arbeiten jedes Einzelnen und effektive Kollaboration im Team.

  • Dynamische Dateninteraktionsmöglichkeiten

Entscheidungsprozesse verlaufen selten linear. Datenanalyse-Plattformen sollten es daher so einfach wie möglich machen, Daten flexibel zu erkunden, Hypothesen zu testen und Szenarien auszuprobieren.

Ein anschauliches Beispiel für durch Technologie ermöglichtes Daten-„Empowerment“ ist das in unserer Schwesteragentur Plan.Net Business Intelligence entwickelte Tool „Brand Investor“, das bei uns seit einiger Zeit im Einsatz ist.

Das Tool ermöglicht unseren Beratern und Planern die Bestimmung des wirkungsoptimalen Kommunikationsplans für die Marken unserer . Dies nimmt jedoch nicht die bisher entstanden umfangreichen Kapazitäten von Daten- und BI-Spezialisten in Anspruch. Der Brand Investor macht mittels künstlicher Intelligenz das Wissen aus über 2.000 kalkulierten Mediaplänen und mehr als 200 durchgeführten Marketing Mix Modellings auf Knopfdruck nutzbar. Mit Hilfe einer interaktiven, visualisierungsorientierten Benutzeroberfläche können die Anwender zu ihrer datenbasierten Entscheidungsfindung in wesentlich kürzerer Zeit als zuvor im Do-It-Yourself-Modus die Budgetallokation für verschiedenste Planszenarien optimieren und deren Wirkung prognostizieren.

  1. Kritische Neugier im Umgang mit Daten fördern

Eine grundsätzliche Neugier ist zentraler Motor für Innovation und Wachstum. Sie bildet auch eine wesentliche Grundlage für eine Analysekultur. Denn hier geht es um die aktive Suche nach neuen Ansätzen, den Drang zum Ausprobieren und Experimentieren. Vor allem, wenn dies auf der Basis von Daten erfolgt, muss das kulturelle Rahmenwerk gewährleisten, dass das kritische Denken dabei nicht zu kurz kommt.

Eine „Data First“-Unternehmenskultur darf nämlich keinesfalls bedeuten, dass man Kennzahlen blind folgt und nur auf der Grundlage von nackten Zahlen ohne weiteren Kontext zu entscheiden. Vielmehr sollte sie zur kritischen Interpretationsfähigkeit im Umgang mit Daten motivieren, sodass die Organisation ihre Entscheidungen nicht nur auf verlässlichen Daten stützt, sondern im Hinblick auf das Thema Datenqualität auch weiß, wann es besser ist, dies nicht zu tun.

  1. Datenkultur von oben vorleben

Letztendlich wenig überraschend ist die Erkenntnis, dass eine erfolgreiche Etablierung einer datenorientierten Unternehmenskultur an der Spitze der Organisation beginnt. Allerdings sollte man sich das als Führungskraft immer wieder in Erinnerung rufen, da die Realität leider zeigt, dass dies im hektischen Alltag doch allzu häufig in Vergessenheit gerät.

Das Führungsteam muss eine klare Vision vorgeben, um Daten in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Es gilt jedoch, diese nicht nur zu konzipieren und fleißig zu kommunizieren, sondern diese auch tagtäglich selbst vorleben. Das Buzzword lautet hier „walk the talk“, also den eigenen Worten auch Taten folgen zu lassen. Wenn die Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen, werden die anderen Manager und Mitarbeiter der Organisation ihr Verhalten recht bald – bewusst oder unbewusst – entsprechend anpassen.

Der Kulturwandel funktioniert aber auch zweigleisig, also sowohl Top-Down als auch Bottom-Up. Das gibt Führungskräften eine Rolle als Vorbild, aber auch als gezielte Förderer geeigneter und engagierter Mitarbeiter, die dann als Multiplikatoren bzw. sogenannte Change-Agenten in ihren jeweiligen Teams fungieren.

  1. Dem Bauchgefühl entsagen

Eng verknüpft mit dem voranstehenden Punkt ist die Empfehlung, alles daran zu setzen, organisationsweit Bauchgefühl konsequent und nachhaltig durch Entscheidungen zu ersetzen, die auf Daten und Fakten beruhen.

Denn viele Teams in Unternehmen werden immer noch von HiPPOs geführt. HiPPO steht hierbei für „Highest Paid Person’s Opinion“. Damit ist gemeint, dass Entscheidungen oft von den höchstbezahlten Mitarbeitern des Teams getroffen werden, die unter Umständen weit entfernt von der eigentlichen Frage-/Problemstellung sind. Das ist insbesondere problematisch, wenn diese HiPPOs auf Grundlage ihres auf subjektiver Erfahrung und intuitiven Bauchgefühls , statt von ihren Teams datengestützte Analysen und Empfehlungen für eine objektive Entscheidungsfindung einzufordern.

Wenn Daten wirklich eine zentrale Rolle für die Organisationskultur spielen sollen, muss der Anspruch lauten, auch alle Entscheidungen im Unternehmensalltag auf deren Basis zu treffen. Ohne Ausnahmen.