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In der aktuellen Ausgabe von new business (Nr. 23) zieht Matthias Harbeck, Geschäftsführer Kreation bei Serviceplan Campaign, Resümee über das diesjährige ADC Festival in Hamburg.

nb: Wie beurteilen Sie den diesjährigen ADC-Jahrgang?
Insgesamt war es ein sehr guter Jahrgang mit außergewöhnlichen Ideen. Die digitale Vernetzung findet immer mehr auf inhaltlichem Niveau statt und wird immer weniger nur formal durchdekliniert. Auffällig ist, dass unter den Top 10 viele Arbeiten waren, die einen echten politischen Bezug haben oder es geschafft haben, ins öffentliche Bewusstsein einzudringen. Etwa „Rechts gegen Rechts“ oder „Lichtgrenze“. Politisch motivierte Arbeiten, die zusätzlich mit Humor oder einer großen poetischen Kraft überzeugen. Selbst Evergreen-Winner wie Hornbach haben dieses Jahr mit gesellschaftlicher Relevanz gepunktet:  „Gothic Girl“ ist nicht nur formal ein herausragender Film, sondern hat mit seinem Thema der Ausgrenzung Millionen berührt.

nb: Welche Arbeit gefiel Ihnen am meisten und warum?
„Rechts gegen Rechts“ betrat mutig Neuland. Oder im Sinne des diesjährigen ADC „kreatives Gefahrengebiet“.   Diese Arbeit  ist sehr, sehr schlau, weil hier nicht wie üblich Links gegen Rechts, sondern eben Rechts gegen sich selbst aufmarschiert und dabei gleichzeitig Spenden für den eigenen Niedergang sammelt. Eine beißend komische Aushöhlung des rechten Mobs von Innen, gewürzt mit respektlosem Humor in bester Tradition von Charlie Chaplins „Großem Diktator“ oder Karl Valentin. Resss-pekt! Hätte ich nur zu gerne gemacht 😉
Platz Zwei vergebe ich an „Gothic Girl“, weil die Kampagne mitten ins Herz geht und formal perfekt ist. Nichts ist hier zufällig, jede Einstellung ist ein Treffer. Bildaufbau, Schnitt, Musik und Acting bewegen sich auf höchstem Niveau.

nb: Welche Arbeiten, die leer ausgingen, hätten einen Nagel verdient?
Mir fällt keine Arbeit ein, bei der es mich überrascht hat, dass sie von der Jury nicht beachtet wurde. Verwundert hat mich zugegebenermaßen, auch wenn ich damit ungern ein eigenes Beispiel zitiere, dass unsere Kampagne „Audio Coffee“ keinen Nagel bekommen hat. Klar, „Audio Coffee“ ist ein klassischer Prototyp. Aber die gemeinsam mit der Uni Wuppertal entwickelte Idee, mit binauralen Beats Autofahrer nachts wach zu halten, ist eine wirkliche Innovation. „Audio Coffee“ ist bisher die einzige deutsche Arbeit, die es auf die exklusive Shortlist der Innovation Jury in Cannes geschafft hat. Beim ADC bekommt sie in der Kategorie „Innovative Nutzung von Audio“ nicht mal Bronze. Da werden dann halt lieber nur die gewohnten Sachen ausgezeichnet. Wirklich lustige Spots, die aber die Kategorie nicht wirklich weiter bringen.

nb: Das Festival findet zum letzten Mal in Hamburg statt. Wo sollte die Reise im nächsten Jahr hingehen und warum?
Natürlich nach München! Als gebürtiger Hamburger sage ich: „St. Pauli ist geil, aber der Englische Garten ist geiler. Wo sonst findet man mitten in der City einen Park mit Nackten und Surfern?!“ Im Ernst: Die Lebensqualität von München ist einzigartig, Museen und Theater haben Weltniveau, und in Vierteln wie dem Gärtnerplatz oder im Glockenbach findet man immer mehr coole Kneipen, ja sogar so was wie Subkultur in einer sonst eher saturierten Stadt. Die Wirtschaft ist allein mit sieben DAX Unternehmen ohnehin stark, und auch was die Kreativbranche betrifft, holt München gewaltig auf. Mit den Zugängen von Thjnk, Zum roten Hirschen oder Leo’s thjnk tank ist der Standort für Werber attraktiver geworden, vor allem auch für internationale Kreative. München langweilt? München leuchtet!